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PDF (2,8 MB) - kunst verlassen

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254<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

einbar ist. Sennett 52 analysiert eine Gesellschaft, die seit dem<br />

18. Jahrhundert auf dem besten Wege ist, Schein und Tand auszumerzen,<br />

distanz- und kulturschaffende Formen der Darstellung<br />

als zeremoniellen Zierat zu entsorgen, um sich der „Tyrannei der<br />

Initimität“ zu beugen. Er versteht darunter einen Zustand der<br />

Gesellschaft, in dem der Einzelne sein darstellerisches Potential<br />

dem fragwürdigen Ideal eines: „Sei wie du bist“ zum Opfer<br />

gebracht, in dem die Gesellschaft Urbanität und Öffentlichkeit<br />

preisgegeben hat an die triste Alternative behelligenden Seelenmülls<br />

und kollektiver Darstellungs- und damit Sprachlosigkeit.<br />

Flankieren ließe sich Sennetts Diagnose durch die einschlägige<br />

Untersuchung Jonas A. Barishs 53 über „The Antitheatrical<br />

Prejudice“, in welcher der Autor in historischer Folge Stationen<br />

der Theaterfeindlichkeit bei Banausen und bei anerkannten Philosophen,<br />

schließlich sogar beim Theater selbst rekapituliert,<br />

welches Antitheatralität gleichsam internalisiert und beispielsweise<br />

zu Shakespeares Zeiten Schurken mit Vorliebe als chamäleontische<br />

Gestalten auf die Bühne treten läßt.<br />

Die von Barish und Sennett analysierte Exstirpierung theatraler<br />

Elemente des Alltags – unbelassen kompensatorischer Spektakel<br />

in der Massenunterhaltung respektive definierter Terrains in<br />

der Kunst – kritisiert durchaus kulturpessimistisch die Verengung<br />

auf ein Ideal der ‚ehrlichen Haut‘, das sich im Leben wie in der<br />

Kunst etwas darauf zugute hält, daß etwas ganz als das erscheine,<br />

was es ist. Auf diesem Ideal basiert uneingestandenermaßen auch<br />

diejenige Würdigung der Service-Kunst, der es vor allem um den<br />

Goodwill der Künstler, ihr ehrliches Bemühen geht, „wirklich“<br />

Los Angeles 1981. Helmar Schramm untersucht Barishs Problematik<br />

am Beispiel antitheatraler Selbstdisziplinierung des Theaters – ablesbar<br />

am veränderten Gebrauch der Theater-Metapher, der Rhetorik, des<br />

vom Theater verinnerlichten Bildungsauftrages, sogar des Theaterbaus,<br />

etwa wenn Friedrich Theodor Vischer im Zuge ästhetischen Autonomiedenkens<br />

fordert: „Das moderne Theater ist wesentlich Innenbau“.<br />

Vgl. Helmar Schramm: „Theatralität und Öffentlichkeit. Vorstudien zur<br />

Begriffsgeschichte von ‚Theater‘“, In: „Ästhetische Grundbegriffe. Studien<br />

zu einem historischen Wörterbuch“, hg. v. Karlheinz Barck u. a.,<br />

Berlin 1990, S. 202 – 242, zit. S. 230.<br />

54 Theodor W. Adorno: „Goldprobe“, in ders.: „Minima Moralia“,<br />

Ges. Schiften Bd. 4, Frankfurt a. M. 1980, S. 171 – 175, zit. S. 174 u.

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