PDF (2,8 MB) - kunst verlassen
PDF (2,8 MB) - kunst verlassen
PDF (2,8 MB) - kunst verlassen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
<strong>kunst</strong>externer Bezüge, sondern auch vermittels der Destruktion<br />
eines Betrachteranspruches, demzufolge sich prinzipiell sämtliche<br />
Facetten der Kunst seinem Auge und Urteil zu stellen hätten.<br />
Dieser Widerspruch zwischen womöglicher Restautonomie und<br />
Deautonomisierung – und zwar jetzt in beiden Fällen bezogen<br />
auf Kontingentierung des Zugangs zu den Werken bzw. Projekten<br />
– löst sich nur, wenn man die Nuance akzeptiert zwischen einerseits<br />
dem Versuch der Künstler, unbehelligt von übergeordneten<br />
Instanzen Wirkkraft und Resonanz ihrer Projekte gerade in szenekünstlerischer<br />
Abschottung zu suchen (Restautonomie), und<br />
andererseits verweigerter Adressierung an allgemeine Rezeption<br />
zum Schutz vor dem als vereinnahmend erachteten Kunstbetrieb<br />
(Deautonomisierung). Während die Deautonomisierung eher<br />
nach außen gerichtet ist, weist die Restautonomie eher in Richtung<br />
„Selbsbestimmung“ nach innen. Die erwähnte Abschottung<br />
der Service-Kunst gegen diejenigen, deren Anliegen man doch<br />
thematisiert, ist freilich ein altbekanntes Paradox, es findet sich<br />
auch im Theater, wo (s.o. Schlingensief) diejenigen, um deren<br />
Interessen es geht, wohl kaum im Publikum sitzen, sie peinlichstenfalls<br />
mit Alibifunktion auf die Bühne gezerrt werden.<br />
Gerade die Tatsache aber, daß der überwiegende Teil der<br />
Rezipienten von Service-Kunst als teilöffentlich Geladener, als<br />
„in the know“ auf den Plan tritt – korrespondierend mit einer<br />
Künstlerschaft, die entgegen der oberflächlichen Behauptung<br />
eines Kunstbooms mangels versierter Rezipienten ihr eigenes<br />
„Publikum“ 68 wird, bzw. dieses aus dem selbstgeschaffenen<br />
Feld von Rahmenbedingungen rekrutiert – stellt ein weiteres<br />
stichhaltiges Argument für die Nebensächlichkeit wirklicher<br />
Praxisrelevanz und im Gegenzug ein Argument für die Aufführungssituation<br />
dar. Denn wer als Zugehöriger dieser Gruppen<br />
sondern als Isolation. Der wirkliche soziale Kontext, der Betrachter, das<br />
Publikum schwinden ständig oder fehlen einfach. In dieser Situation<br />
wird die Kunst selbst kontextuell: Sie beginnt ihren Kontext zu erfinden,<br />
obwohl sie nach außen vorgibt, ihn bloß zu reflektieren.“ Boris Groys:<br />
„Der eingebildete Kontext“, In: „Kontext Kunst“, S. 257 – 281, hier S.<br />
281.<br />
69 Zur knappen Definition vgl. Wolfgang Winklers Artikel: „Intenti-<br />
263