PDF (2,8 MB) - kunst verlassen
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236<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
Fragestellung, zweitens erscheint mir die angedeutete Suche nach<br />
problemgeschichtlichen Zusammenhängen ertragreicher. Zugunsten<br />
der Übersichtlichkeit und zur besseren Erfassung von z. T.<br />
ineinander übergehenden Entwicklungen halte ich mich an eine<br />
historische Folge.<br />
Zunächst ein Wort zum Situationismus 19 der 50er und 60er<br />
Jahre, der in den 80ern so gut wie vergessen war. Bei oberflächlicher<br />
Betrachtung bieten sich die Arrangements von „Situationen“<br />
dem Vergleich an, interessanter erschiene mir ein Blick auf<br />
das ambivalente Verhältnis zur Popkultur. 20 Die Situationisten<br />
okkupierten die schnelle Verbal- und Bildsprache der Comics,<br />
um sie mittels Verfremdung gegen den als affirmativ und verblendend<br />
erachteten Ungeist hochzivilisierter Gesellschaften zu<br />
richten, dessen – wenn auch nicht ursprünglicher – Ausdruck<br />
diese Comics auch aus Sicht der Situationisten doch größtenteils<br />
waren. Gegen die Aufnahme der Comics in der frühen Pop<br />
Art mußte man sich also abgrenzen. Daß die Konsumgüterästhetik<br />
der Pop Art ihrerseits nicht ohne Ironie auf einen kanonisierten<br />
„guten Geschmack“ der Moderne zielte, machte diesen<br />
Abgrenzungsversuch nicht leichter. Vielleicht kann man auch bei<br />
der Service-Kunst strukturell ähnliche Konflikte erkennen: Der<br />
Gegner wäre dann natürlich nicht mehr die Pop Art, aber ihr<br />
Erbe, ihr „Gang durch die Institutionen“, also die Durchdringung<br />
auch des außerkünstlerischen Alltags mit Logos, mit Corporate<br />
Identity, schließlich ihr Niederschlag in der Kunst der Appropriation<br />
Art, in Video-Clips, in den nahtlos fluktuierenden Berei-<br />
19 Vgl. hierzu Peter Kiwitz: „Lebenswelt und Lebens<strong>kunst</strong>. Perspektiven<br />
einer kritischen Theorie des sozialen Lebens“, München 1986, bes.<br />
Kapitel III.; Roberto Ohrt: „Phantom Avantgarde. Eine Geschichte der<br />
Situationistischen Internationale und der modernen Kunst“, (2. Aufl.),<br />
Hamburg 1997; „Situationists, art, politics, urbanism“, (mehrsprachige<br />
Ausgabe), hg. v. Libero Andreotti/Xavier Costa, Museu d’Art Contemporani<br />
de Barcelona 1996.<br />
20 Zum Verhältnis der Situationisten zu Popkultur und Pop Art vgl.<br />
Thomas Hecken: „Kunst und/oder Leben. Futuristisches, dadaistisches<br />
Varieté, situationistische Aktion, Pop Art“, in ders. (Hg.): „Der Reiz des<br />
Trivialen. Künstler, Intellektuelle und die Popkultur“, Opladen 1997,<br />
S. 109 – 140, bes. S. 123 – 132.