PDF (550 KB) - kunst verlassen
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Vom Flaschentrockner zur Imbißbude<br />
Anmerkungen<br />
Deuten, in dem immer auch mitgedacht ist, die vom Künstler<br />
geformten Strukturen adäquat nachzuvollziehen. Dieser Unterschied<br />
allerdings gilt nur für Theorien ästhetischer Wahrnehmung,<br />
die sich am Ideal struktureller Rezeption orientieren und<br />
an die interpretativen Fähigkeiten des Betrachters, Users, Hörers<br />
appellieren. Daneben steht eine Tradition ästhetischer Theorie,<br />
die die Wahrnehmung von Natur als Propädeutik zur Kunstwahrnehmung<br />
versteht oder sie gar als eigenständige Erfahrung gelten<br />
läßt. Zu denken ist hier vor allem an Kant, der das intentionslose<br />
Naturschöne zum Gegenstand der ästhetischen Wahrnehmung<br />
nobilitiert. Es geht um jenes „freie Spiel der Anschauung“, das,<br />
so Kant, im Moment der Wahrnehmung das Naturschöne in<br />
die Sphäre des Kunstschönen rückt. Das hat zum Widerspruch<br />
gereizt. Hegel beispielsweise spricht bekanntermaßen abfällig<br />
von der „geistlosen“ Natur, in die kein Künstler vermittelnd eingegriffen<br />
habe. Die Ideen, die der ästhetischen Wahrnehmung<br />
entspringen, so Hegel, müßten zunächst von einem künstlerischen<br />
Subjekt in den Gegenstand dieser Wahrnehmung hineingelegt<br />
werden. Während also Kant auf die projektive Kraft des<br />
Betrachters setzt, auch unabhängig von einem Künstler, ist für<br />
Hegel Ziel und Zweck der ästhetischen Wahrnehmung allein das<br />
Entschlüsseln der Idee.<br />
Die Polarität dieser Konzeptionen, wie sie exemplarisch in<br />
den Theorien Kants und Hegels sichtbar wird, wenn es um das<br />
Naturschöne geht, diese Polarität hat bis weit in unser Jahrhundert<br />
hinein die philosophische Ästhetik beschäftigt – bis hin zu<br />
Adorno, der in seiner Theorie der Moderne schließlich Kant<br />
gegen Hegel ausspielt. Adornos Urteil ist unmißverständlich:<br />
„Hegel gebrach es offenbar am Organ dafür, daß genuine Erfahrung<br />
von Kunst nicht möglich ist, ohne die sei’s noch so schwer<br />
zu fassende Schicht, deren Name, das Naturschöne, verblaßte.<br />
Ihre Substantialität aber reicht tief in die Moderne hinein.“<br />
Adorno verweist hier auf Proust, bei dem „die Erfahrung einer<br />
185<br />
3 Th. W. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt/Main (5) 1981, S. 99