Deutschlernen in Spielgruppen plus Ein Leitfaden für die ... - SSLV
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8 <strong>Deutschlernen</strong> <strong>in</strong> <strong>Spielgruppen</strong> <strong>plus</strong> | E<strong>in</strong> <strong>Leitfaden</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxis<br />
Zweitspracherwerb<br />
Der Zweitspracherwerb bezieht sich auf<br />
<strong>die</strong>jenige Sprache, welche <strong>in</strong> der Regel<br />
nicht zeitgleich mit der Erstsprache erworben<br />
wird. Es wird davon ausgegangen,<br />
«dass ca. ab dem dritten, vierten<br />
Lebensjahr aufgrund der bereits erworbenen<br />
Sprachkenntnisse und der neuronalen<br />
und kognitiven Entwicklung <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Aneignung e<strong>in</strong>er neuen Sprache e<strong>in</strong>e<br />
veränderte Erwerbssituation besteht und<br />
deshalb ab <strong>die</strong>sem Zeitpunkt von frühem<br />
Zweitspracherwerb gesprochen wird»<br />
(Ahrenholz, 2010: 5).<br />
K<strong>in</strong>der im Vorschulalter s<strong>in</strong>d durchaus <strong>in</strong><br />
der Lage, zwei und mehr Sprachen zu<br />
lernen. Allerd<strong>in</strong>gs spielen Faktoren wie<br />
<strong>in</strong>dividuelle Lernvoraussetzungen, Häufigkeit<br />
des Sprachkontaktes und Qualität<br />
der Anreize e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Be<strong>für</strong>chtungen,<br />
e<strong>in</strong>e zweisprachige Sozialisation<br />
führe zur Halbsprachigkeit, s<strong>in</strong>d aus Sicht<br />
der Sprachentwicklung grundlos. Mehrfach<br />
belegt ist, dass <strong>die</strong> Erstsprachkompetenz<br />
den Zweitspracherwerb positiv bee<strong>in</strong>flusst,<br />
da das K<strong>in</strong>d beim Aufbau se<strong>in</strong>er<br />
Sprachkompetenz (hier also Deutsch) auf<br />
bereits entwickelte mentale Konzepte der<br />
Erstsprache zurückgreifen kann (Lamparter-Posselt/Jeuk,<br />
2010). In <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />
darf nicht ausser Acht gelassen<br />
werden, dass jüngere K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e Doppelaufgabe<br />
zu bewältigen haben, da sie<br />
neben neuen Wortformen auch Bedeutungen<br />
bzw. Konzepte erwerben müssen<br />
(Apeltauer, 2010).<br />
Unterstützend <strong>für</strong> den Spracherwerb<br />
e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des ist, wenn <strong>die</strong> Bezugspersonen<br />
(<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>die</strong> Eltern) e<strong>in</strong>e positive<br />
Haltung gegenüber dem eigenen und<br />
dem k<strong>in</strong>dlichen Deutscherwerb haben.<br />
Wichtig ist, dass <strong>die</strong> Eltern das K<strong>in</strong>d zum<br />
Sprechen motivieren, Gespräche führen<br />
und se<strong>in</strong>e Freude am Umgang mit der<br />
Sprache – Erst- und Zweitsprache – fördern,<br />
<strong>in</strong>dem sie ihm beim Spazieren im<br />
Wald, im Zoo, im K<strong>in</strong>dermuseum oder im<br />
K<strong>in</strong>dertheater umfangreiche sprachförderliche<br />
Erfahrungen ermöglichen.<br />
Die Phasen des Zweitspracherwerbs<br />
Anhand e<strong>in</strong>es sechsstufigen Modells des<br />
Sprachexperten Ernst Apeltauer (2005)<br />
werden <strong>die</strong> verschiedenen Phasen des<br />
Wortschatzerwerbs <strong>in</strong> der Zweitsprache<br />
dargestellt:<br />
1) In der ersten Phase (Diskrim<strong>in</strong>ierungsphase)<br />
ordnen K<strong>in</strong>der <strong>die</strong> bekannten<br />
Wörter der Zweitsprache nach e<strong>in</strong>er<br />
groben Bedeutung e<strong>in</strong>, um danach <strong>die</strong><br />
Aussprache und e<strong>in</strong>e genauere Bedeutung<br />
<strong>die</strong>ser Wörter zu erwerben.<br />
2) In der zweiten Phase (Form-Bedeutungs-Zuordnung)<br />
kennen <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der<br />
<strong>die</strong> Bedeutung e<strong>in</strong>es Wortes oberflächlich,<br />
können sie jedoch nur bed<strong>in</strong>gt abrufen,<br />
weil <strong>die</strong>se zu Beg<strong>in</strong>n an spezifische<br />
Lernzusammenhänge gebunden<br />
ist.<br />
3) Während der Artikulationsphase, <strong>die</strong><br />
mehrere Monate dauern kann, wird<br />
der Gebrauch e<strong>in</strong>es Wortes durch das<br />
gezielte Erschliessen von weiteren Bedeutungen<br />
ermöglicht. K<strong>in</strong>der nicht<br />
deutscher Erstsprache können <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser<br />
Phase Mühe mit dem Produzieren<br />
von Lautmustern haben, da ihre Artikulationsorgane<br />
bisher <strong>in</strong> ihrer Erstsprache<br />
automatisiert wurden bzw.<br />
werden.<br />
4) In der vierten Phase (Informationsausbau)<br />
lernen <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der, zu welcher<br />
Kategorie Gegenstände gehören und<br />
was <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Bezeichnung verwendet<br />
werden kann.<br />
5) In der fünften Phase (Vernetzung) konstruieren<br />
<strong>die</strong> K<strong>in</strong>der Ober- und Unterbegriffe<br />
und versuchen, Beziehungen<br />
zwischen den Wörtern herzustellen.<br />
6) In der sechsten und letzten Phase (Verdichtung<br />
und Automatisierung) hat das<br />
K<strong>in</strong>d bereits e<strong>in</strong> hohes Niveau erreicht.<br />
Nun geht es darum, gespeicherte Wörter<br />
möglichst schnell abzurufen (Rezeption)<br />
und zu komb<strong>in</strong>ieren (Produktion).<br />
Vergleiche zwischen Erst- und Zweitsprache<br />
begünstigen e<strong>in</strong>e Art Doppelvernetzung,<br />
<strong>die</strong> «e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e dauerhaftere<br />
Speicherung von Wörtern ermöglicht,<br />
andererseits wird dadurch aber auch e<strong>in</strong><br />
flexibleres Abrufen und e<strong>in</strong> vielfältigeres<br />
Komb<strong>in</strong>ieren (im S<strong>in</strong>ne des kreativen Denkens)<br />
möglich» (ebd.: 35).<br />
Ob und wie stark e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d nicht deutscher<br />
Erstsprache im <strong>Deutschlernen</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>Spielgruppen</strong> <strong>plus</strong> profitiert, ist abhängig<br />
von der <strong>in</strong>dividuellen Situation, der Interaktion,<br />
von Aktivitäten, <strong>die</strong> zur Eigen<strong>in</strong>itiative<br />
stimulieren, von Handlungen, <strong>die</strong> es<br />
sich selbst verschafft, von Freiräumen <strong>für</strong><br />
aktives Sprechen und Beteiligungsmöglichkeiten<br />
im Spiel. K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d lern- und<br />
wissbegierig, sie vergleichen und fragen<br />
nach. Allerd<strong>in</strong>gs kann es mehrere Jahre<br />
dauern, bis sie ihr Begriffswissen auf- und<br />
ausgebaut haben.