Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...
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15<br />
eines reflexiven Konstruktivismus ist die Vereinheitlichung der Umgangsweise mit der<br />
Welt auf die Operation des Beobachtens <strong>und</strong> die Umstellung des wissenschaftlichen<br />
Beobachtens von Was- auf Wie-Fragen, wie es beispielhaft Niklas Luhmann in<br />
folgendem Zitat anschaulich beschrieben hat:<br />
„Während im Normalverständnis das Beobachten des Beobachtens sich vor allem auf das<br />
richtet, was ein Beobachter beobachtet (indem es Subjekt <strong>und</strong> Objekt unterscheidet, sich<br />
aber vor allem für das Objekt interessiert), beschreibt der [reflexive, c.w.]<br />
Konstruktivismus ein Beobachten des Beobachtens, das sich dafür interessiert, wie der<br />
beobachtete Beobachter beobachtet. Diese konstruktivistische Wendung ermöglicht einen<br />
qualitativen Wandel, eine radikale Veränderung des Stils rekursiver Beobachtung; denn<br />
man kann auf diese Weise nun auch noch beobachten, was/wie ein beobachteter Beobachter<br />
nicht beobachten kann. Das Interesse gilt dann seinem blinden Fleck. Es gilt seiner<br />
Instrumentierung <strong>und</strong> dem, was damit sichtbar bzw. unsichtbar gemacht wird. Man<br />
beobachtet (unterscheidet) dann die Unterscheidung, mit der der Erstbeobachter beobachtet,<br />
<strong>und</strong> da dieser selbst im Vollzug seiner Beobachtung diese Unterscheidung nicht<br />
unterscheiden kann, beobachtet man das, was für ihn unbewusst bzw. inkommunikabel<br />
bleibt“ (Luhmann 1990: 46, Hervorh. dort).<br />
Systematische Einsichten über das Zustandekommen der Weltkonstruktionen der in den<br />
Internationalen Beziehungen untersuchten Akteure ergeben sich dabei aus der Analyse<br />
dessen, wie von diesen Akteuren beobachtet wird. Die wissenschaftliche Beobachtung<br />
richtet sich also primär auf den Prozess des Beobachtens, auf die dabei verwendeten<br />
Unterscheidungen, Kategorien, Konzepte, Weltbilder, Theorien etc. <strong>und</strong> die sich daraus<br />
ergebende Struktur der Konstruktionen internationaler Politik. Dabei geht der reflexive<br />
Konstruktivismus auf der Gr<strong>und</strong>lage neurobiologischer Erkenntnisse (vgl. Maturana<br />
1985, 1990; Varela/Thompson 1992; Roth 1999) davon aus, dass beim Beobachten<br />
nicht die Wahrnehmung einer externen Realität stattfindet, sondern die Konstruktion<br />
einer systemeigenen Wirklichkeit, 10 die weniger vom beobachteten Objekt, viel mehr<br />
aber von der Art <strong>und</strong> Weise des Beobachtens abhängt. Der reflexive Konstruktivismus<br />
betrachtet jegliche Konstruktion als Produkt eines aktiven Beobachtungssystems<br />
(Glasersfeld 1998: 503, [1]) – im Gegensatz etwa zur Perzeptionsforschung, die bei<br />
Fehlwahrnehmungen passive Filter am Werke sieht, die für „richtige“ Wahrnehmungen<br />
10<br />
Mit „Wirklichkeit“ wird im reflexiven Konstruktivismus das Produkt des Beobachtens bezeichnet, im<br />
Gegensatz zur ontologischen „Realität“; das heißt, begrifflich „Wirklichkeit für alles das zu verwenden, was<br />
durch menschliches Wirken als menschliches Wissen hervorgebracht worden ist, <strong>und</strong> Realität für jene<br />
Realität, die ontologisch ist im Sinne der Philosophen, die als solche existieren soll, bevor ein Erlebender<br />
überhaupt in sie hineingekommen ist“ (Glasersfeld 1998: 42, meine Hervorh.; vgl. auch Glasersfeld 1981:<br />
30 <strong>und</strong> Roth 1999: Kap. 13).