Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...
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prinzipiell umgangen werden könnten. Es geht also nicht um die Frage von perception<br />
or misperception (Jervis 1976), sondern um die Beobachtung des Beobachtens<br />
(Beobachtung Zweiter Ordnung), 11 weil sich daraus der Beobachtungsmodus erkennen<br />
lässt, aus dem die entsprechende Wirklichkeit (-skonstruktion) resultiert. Aktive<br />
Beobachtungssysteme benutzen selbstgewählte (in der Regel unbewusst gewählte)<br />
Beobachtungsmechanismen, um mit ihren verschiedenen Wahrnehmungen umzugehen.<br />
Daraus ergeben sich die Wirklichkeitskonstruktionen, die somit als Produkte des<br />
Beobachtens <strong>und</strong> nicht als Abbilder des Beobachteten analysiert werden. Diese Analyse<br />
des Beobachtens wird deshalb als „Beobachtung Zweiter Ordnung“ bezeichnet, weil<br />
sich die Beobachtung nicht darauf richtet, was beobachtet wird, sondern wie beobachtet<br />
wurde, mit welchen Unterscheidungen beobachtet <strong>und</strong> dabei Wirklichkeit konstruiert<br />
wurde. 12 Es handelt sich also um eine Analyse des Beobachtens, des<br />
Beobachtungsprozesses.<br />
Das reflexive Moment dieses Konstruktivismus resultiert aus der Einsicht, dass es sich<br />
(auch) bei diesen „Beobachtungen Zweiter Ordnung“ um „Beobachtungen“, also um<br />
Produkte von Beobachtungssystemen handelt, die nicht Abbilder des Beobachteten<br />
hervorbringen, sondern Konstruktionen der Beobachtungssysteme sind. Jede<br />
wissenschaftliche Beobachtung, sowohl dessen, was beispielsweise politische<br />
EntscheidungsträgerInnen als ihre Wirklichkeit konstruieren <strong>und</strong> beschreiben (Beobachtung<br />
Erster Ordnung) als auch des dabei zum Einsatz kommenden<br />
Beobachtungssystems anhand der Frage, wie es beobachtet (Beobachtung Zweiter<br />
Ordnung) ist immer (nur) Beobachtung, also Produkt der beobachtenden Beobachtungssysteme.<br />
In dieser Einsicht <strong>und</strong> der daraus resultierenden Konsequenz, den eigenen<br />
wissenschaftlichen Beobachtungen keinen prinzipiell anderen Status – im Sinne<br />
besserer Welterkenntnis – zuzuschreiben sowie der Reflexion der eigenen<br />
Beobachtungen mithilfe von Beobachtungen Zweiter Ordnung bezogen auf das eigene<br />
Beobachten liegt das spezifische Moment einer reflexiv-konstruktivistischen<br />
Perspektive.<br />
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Dies unterscheidet sich von einer anderen Verwendung der Bezeichnung „Beobachtung zweiter Ordnung“,<br />
mit der die Beobachtung einer Beobachtung bezeichnet wird.<br />
„Beobachten findet immer dann statt, wenn etwas unterschieden <strong>und</strong>, in Abhängigkeit von der<br />
Unterscheidung, bezeichnet wird. [...] Erkenntnis ist anders als die Umwelt, weil die Umwelt keine<br />
Unterscheidungen enthält, sondern einfach ist, wie sie ist. [...] Ein Beobachter mag feststellen, daß es in der<br />
Umwelt andere Beobachter gibt. Aber er kann dies nur feststellen, wenn er diese Beobachter unterscheidet<br />
von dem, was sie beobachten; oder unterscheidet von Umweltgeschehnissen, die er nicht als Beobachten<br />
bezeichnet. Mit anderen Worten: Alles Beobachtbare ist Eigenleistung des Beobachters, eingeschlossen das<br />
Beobachten von Beobachtern“ (Luhmann 1988: 15f; vgl. auch Luhmann 1992: 73).