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Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...

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5<br />

2 Schritte konstruktivistischer Blickfelderweiterung<br />

2.1 Staatskonstruktivismus<br />

Aus Sicht der in den 1980er Jahren dominierenden Theorieansätze in den<br />

Internationalen Beziehungen war das Ende des Ost-West-Konflikts <strong>und</strong> insbesondere<br />

das diesem vorausgehende sogenannte „Neue Denken“ in der sowjetischen Außen- <strong>und</strong><br />

Sicherheitspolitik ein gewissermaßen theoriewidriges Verhalten. 2 Dieses zeigte sich<br />

insbesondere bei den Herren Gorbatschow <strong>und</strong> Schewardnadse, deren Berater offenbar<br />

zu viel Eppler, Bahr <strong>und</strong> Senghaas <strong>und</strong> zu wenig Waltz gelesen hatten (vgl. Risse-<br />

Kappen 1994) <strong>und</strong> damit die damals aktuellen „Naturgesetze“ der internationalen<br />

Politik auf den Kopf bzw. vom Kopf auf die Füße stellten (vgl. Wendt 1999: 76). Am<br />

Ende der 1980er Jahre wurde dadurch auch jenen IB-TheoretikerInnen, die sich<br />

vornehmlich mit Sicherheitspolitik beschäftigten, überdeutlich, dass die Anarchie des<br />

internationalen Systems kein Phänomen unserer materiellen Umwelt ist, sondern „what<br />

states make of it“ (Wendt 1992). Dass Staaten gewillt waren, unterschiedliches daraus<br />

zu machen, war hinlänglich bekannt – aber dass es ihnen in einer mehr als vorläufigen,<br />

kosmetischen Weise gelingen könnte, das war ein harter Schlag für den IB-<br />

Materialismus. Wenn aber die Prämisse der quasi-natürlichen anarchischen Ordnung<br />

des internationalen Systems nicht mehr aufrechtzuerhalten war, was bestimmte dann die<br />

Struktur des internationalen Systems Wenn sie also kein Produkt des Weltenschöpfers<br />

– oder von Thomas Hobbes oder westfälischer Erfinder – war, woher kam die Struktur<br />

dann <strong>und</strong> wer bestimmte ihre Gr<strong>und</strong>linien Offenbar waren es irgendwelche<br />

„Konstruktionen“, <strong>und</strong> wer sich vornehmlich damit beschäftigen wollte, wurde nun zur<br />

Konstruktivistin oder zum Konstruktivisten. 3<br />

Auch in Mainstream-Kreisen der amerikanischen IR-Community war der Verdacht bald<br />

nicht mehr von der Hand zu weisen, dass es sich bei der Struktur des internationalen<br />

2<br />

3<br />

Dieses Kapitel greift auf Überlegungen zurück, die zunächst in Weller (2005) entwickelt wurden.<br />

Inzwischen gibt es verschiedene Taxonomien konstruktivistischer Ansätze, die jeweils unterschiedliche<br />

Unterscheidungsmerkmale hervorheben: Hopf (1998) unterscheidet „Conventional and Critical<br />

Constructivism“, Ruggie (1998a: 881f) erkennt drei „variants of constructivism: neo-classical,<br />

postmodernist and naturalistic constructivism“, Adler (1997: 335) kennzeichnet „four different groups<br />

demarcated chiefly by methodological disagreements“; Risse (1999: 35f) identifiziert vier<br />

sozialkonstruktivistische Ansätze: „staatszentrierten Sozialkonstruktivismus, liberale <strong>und</strong><br />

institutionalistische Ansätze aus sozialkonstruktivistischer Sicht, neogramscianische Ansätze <strong>und</strong><br />

verschiedene feministische Theoriebildungen“; Palan (2000: 580-586) unterscheidet drei konstruktivistische<br />

Positionen: „Constructivism and Subjectivism“ (vornehmlich Wendt 1999), „Constructivism and Languagegame“<br />

(vornehmlich Onuf 1989) <strong>und</strong> „Lacanian Constructivism“ (Poststrukturalismus). Je nach eigener<br />

Position in der theoretische Debatte gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten, konstruktivistische<br />

Herangehensweisen zu unterscheiden, die jeweils unterschiedliche Aspekte konstruktivistischer<br />

Perspektiven hervorheben <strong>und</strong> sich darin vornehmlich ergänzen <strong>und</strong> weniger widersprechen.

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