Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...
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Neorealismus dadurch ab, dass die Struktur der internationalen Politik keine materielle,<br />
sondern eine soziale ist; sozial aber meint nicht im Sinne der „gesellschaftlichen“,<br />
sondern einer zwischenstaatlichen Konstruktion der Wirklichkeit der internationalen<br />
Politik. Insofern erscheint mir, um die konstruktivistischen Diskussionen verständlicher<br />
zu machen, die Bezeichnung „Staatskonstruktivismus“ treffend (vgl. auch Adler 1997:<br />
335), denn die „Konstrukteure“ der internationalen Ordnung sind bei Wendt (1992,<br />
1999) die Staaten. 6<br />
Diese Kennzeichnung des Wendtschen „Constructivism“ kann zweifellos nur ein<br />
spezifisches Element dieses Ansatzes hervorheben. Ihr liegt die Unterscheidung<br />
verschiedener konstruktivistischer Ansätze anhand der Frage „Wer konstruiert“<br />
zugr<strong>und</strong>e, die im hier interessierenden Zusammenhang deshalb verwendet wird, weil<br />
am Ende die Konstruktionsprozesse <strong>und</strong> deren Beobachtung im Mittelpunkt des<br />
theoretischen Interesses stehen. Gerade wenn der Wandel von Strukturen <strong>und</strong> dessen<br />
Verstehen im Mittelpunkt der Bemühungen konstruktivistischer Ansätze steht, ist die<br />
Fragen von besonderer Relevanz, wer bzw. was unmittelbar auf Konstruktionen <strong>und</strong><br />
deren Veränderung einwirkt <strong>und</strong> darüber Einfluss auf den Wandel internationaler<br />
Politik nimmt.<br />
2.2 Sozialkonstruktivismus<br />
Betrachten wir die Struktur der internationalen Politik nicht als Produkt<br />
zwischenstaatlichen Agierens, sondern als gesellschaftliche Konstruktion der<br />
Wirklichkeit der internationalen Politik, wird zunächst deutlich, dass ein Verständnis<br />
von Staaten als Akteure der internationalen Politik nur eine unter mehreren<br />
Möglichkeiten wissenschaftlicher bzw. gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion ist.<br />
Aus einer soziologischen Perspektive sind „Staaten“ keine Akteure, sondern primär<br />
gesellschaftlich konstituierte Strukturen, die darauf angewiesen sind, im<br />
gesellschaftlichen Handeln ständig reproduziert zu werden (vgl. Berger/Luckmann<br />
1980: Kap. 2) – <strong>und</strong> zwar inter- <strong>und</strong> transnational wie innergesellschaftlich. Staaten<br />
6<br />
theoretische F<strong>und</strong>ierung ersetzen; zur ausführlichen Kritik dieses Elements des Staatskonstruktivismus vgl.<br />
auch Tilly (1998: 399), Palan (2000: 580f, 589-593) <strong>und</strong> Wight (2004) sowie Wendts Bemühungen zur<br />
Stützung seiner Annahme (Wendt 2004).<br />
Risses (1999: 35) Vorschlag, von einem „staatszentrierten Sozialkonstruktivismus“ zu sprechen, verdeckt<br />
die zentrale Differenz zwischen Staats- <strong>und</strong> Sozialkonstruktivismus bezüglich der Frage, wer die<br />
„Konstrukteure“ der sozialen Ordnung sind. Der Sozialkonstruktivismus (Berger/Luckmann 1980) zielt<br />
nicht auf die Analyse der Konstruktion der sozialen Welt (vgl. dazu Searl 1997), sondern auf die<br />
gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit (vgl. Schütz/Luckmann 1975), denn er versteht sich als eine<br />
„Theorie der Wissenssoziologie“ (Berger/Luckmann 1980: 1-20).