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Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...

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Textanalysen unweigerlich ein, denn aus Texten fließen keine Bedeutungen heraus, ehe<br />

nicht etwas in sie hineingelesen wurde. Genau diese Bedeutungen <strong>und</strong> Vorverständnisse<br />

politikwissenschaftlicher Analysen sind aber auch das politisch Umstrittene, dem die<br />

analytische Aufmerksamkeit gilt. Und mit genau solchen Vorverständnissen – in Form<br />

etwa von Partialinteressen, Wahrnehmungsstrukturen, Weltbildern, politischen<br />

Werthaltungen etc. – werden ja in aller Regel sowohl die Bedeutungsdifferenzen, die<br />

identifiziert werden, als auch, welche Bedeutung in der Umstrittenheit zur politisch<br />

relevanten <strong>und</strong> wirkungsmächtigen Konstruktion geworden ist, erklärt.<br />

Indem wir als WissenschaftlerInnen bei der Textanalyse prinzipiell nichts anderes<br />

machen als die von uns untersuchten politischen Akteure bei ihren Konstruktionen der<br />

politischen Gegenstände <strong>und</strong> Wirklichkeiten, kommen die dort identifizierten<br />

Interessen, Wahrnehmungsstrukturen, Weltbilder <strong>und</strong> politischen Werthaltungen, die<br />

politische Konstruktionen offensichtlich maßgeblich beeinflussen, auch bei unseren<br />

Beobachtungen zum Tragen. Auch die ausgefeilteste Methodik, die zudem zumeist nur<br />

auf einen kleinen Teil des Untersuchungsgegenstands angewandt werden kann, bewahrt<br />

nicht davor, auch der Frage nach den wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten<br />

„konstruktivistischer Faktoren“ wie Normen, Ideen, Werte, Gender, Identitäten <strong>und</strong><br />

Weltbilder nachzugehen. Dies erscheint auch deshalb unabwendbar, weil in vielen<br />

Fällen die politisch relevanten Konstruktionen nicht unbedingt im öffentlich<br />

zugänglichen Diskurs, sondern häufig nur in individuellen Weltbildern zu erkennen<br />

sind. Die politikwissenschaftlichen Wirklichkeitskonstruktionen werden aber in starkem<br />

Maße auch vom öffentlichen Diskurs politischer Zusammenhänge geprägt <strong>und</strong><br />

beeinflusst.<br />

Um die hier schon angedeuteten Argumente gegen einen sog. „thin constructivism“<br />

ausführlich zu begründen, werde ich im Folgenden die Entwicklung des<br />

konstruktivistischen Diskurses in den Internationalen Beziehungen als<br />

Blickfelderweiterung in drei Schritten rekonstruieren, die u.a. theoretische <strong>und</strong><br />

<strong>erkenntnistheoretische</strong> Probleme <strong>und</strong> Herausforderungen mit sich bringen. Zu deren<br />

Auflösung wird abschließend ein reflexiver Konstruktivismus vorgestellt, der an die<br />

soziologische Theoriediskussion anknüpft <strong>und</strong> sich damit versteht als ein Beitrag zur<br />

Soziologie der internationalen Politik.

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