Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...
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Wenn im reflexiven Konstruktivismus die Konstruktionen von Individuen <strong>und</strong><br />
Gesellschaften – von psychischen <strong>und</strong> sozialen Systemen (vgl. Luhmann 1992: 63) –<br />
untersucht werden, liefern die Beobachtungen Zweiter Ordnung Aussagen über die<br />
Beobachtungsoperationen <strong>und</strong> deren Einfluss auf das „Beobachtungsergebnis“, die<br />
jeweilige Wirklichkeits-Konstruktion. Wird diese Perspektive auch gegenüber den eigenen<br />
wissenschaftlichen Beobachtungen eingenommen <strong>und</strong> danach gefragt, welche<br />
Unterscheidungen diesem Beobachten zugr<strong>und</strong>eliegen <strong>und</strong> welchen Einfluss dies auf<br />
die eigenen wissenschaftlichen Beobachtungsergebnisse hat, lässt sich auch die<br />
Relativität der eigenen Wirklichkeits-Konstruktion als von den gewählten<br />
Beobachtungsoperationen abhängig erkennen bzw. beobachten. 13 Solche Wirklichkeits-<br />
Konstruktionen gehen jedoch – mit dem label „wissenschaftlich“ versehen <strong>und</strong> damit<br />
gesellschaftlich als „wahre“ Beobachtungen perzipiert (vgl. Luhmann 1992: 175f) – in<br />
die soziale Kommunikation ein <strong>und</strong> beeinflussen damit nicht nur die gesellschaftliche<br />
Konstruktion der internationalen Politik, sondern auch den Beobachtungsmodus der<br />
Gesellschaft in bezug auf die internationale Politik. Weil konstruktivistische Analysen<br />
der internationalen Politik sich meist auf kollektive Weltbilder, Ideen, Identitäten,<br />
soziale Normen <strong>und</strong> Werte, also gesellschaftliche Konstruktionen beziehen, denen<br />
entscheidende Bedeutung für die internationale Politik zugeschrieben wird, muss dabei<br />
auch die besondere Wirkung wissenschaftlicher Konstruktionen auf diese ideellen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Politik berücksichtigt – reflektiert – werden.<br />
Mit Beobachtungen Zweiter Ordnung steht uns ein analytischer Zugriff für alle dabei<br />
relevanten Beobachtungsprozesse zur Verfügung. Sowohl die soziologischsozialkonstruktivistische<br />
Perspektive, bei der nach den spezifischen<br />
Beobachtungsoperationen gesellschaftlicher Subsysteme gefragt wird, als auch die<br />
vielfältigen Einzelansätze, die mit sozialkonstruktivistischen Anleihen in den<br />
Internationalen Beziehungen entwickelt wurden, <strong>und</strong> die selbstkritische Beobachtung,<br />
welche Unterscheidungen die eigenen wissenschaftlichen Weltkonstruktionen<br />
bestimmen <strong>und</strong> wie diese von der Gesellschaft beobachtet werden, lassen sich unter der<br />
Fragestellung, wie beobachtet wird, innerhalb eines Modells bearbeiten. Die<br />
staatskonstruktivistische Perspektive allerdings bleibt dabei außen vor, denn<br />
Beobachtungen Zweiter Ordnung lassen sich nur dort ansetzen, wo sich das<br />
Beobachtungssystem – sei es ein soziales oder psychisches – präzise bezeichnen <strong>und</strong><br />
damit von seiner Umwelt unterscheiden lässt. Nur wenn klar ist, wer beobachtet – wer<br />
unterscheidet <strong>und</strong> bezeichnet –, kann dessen oder deren Beobachtungsoperation<br />
13<br />
„Damit ist ferner klar, dass die Wissenschaft an einer Weltkonstruktion arbeitet, die durch ihre<br />
Unterscheidungen, aber nicht durch die Welt an sich, gedeckt ist“ (Luhmann 1992: 102).