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Braunschweigisches Jahrbuch 53.1972 - Digitale Bibliothek ...

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/docid=00042532<br />

Die einzige schwarze Hose, die er noch besaß, trug er außerhalb des Hauses. Denn<br />

da er neben seinem Gemeindepfarreramt für die Neugestaltung der Verfassung der<br />

Landeskirche tätig war, konnte er keinem Nebenerwerb nachgehen, obwohl auch<br />

seine Kinder gerade in dem Alter standen, in dem sie am meisten kosteten.<br />

Die Lage hatte sich inzwischen gebessert, zuerst dadurch, daß der Braunschweigische<br />

Staat als Ergebnis des harten, aber notwendigen juristischen Einsatzes von<br />

Oberlandeskirchenrat Dr. Breust einige alte, sich finanziell auswirkende Rechte<br />

. der Kirche wieder anerkannte. Ohne großes Aufsehen davon zu machen, blieb<br />

jedoch diese mit der eigenen Familie erfahrene äußere Not bei vielen Pastoren in<br />

ihrem Dienst unvergessen.<br />

Als sich der Stadtkirchenverband 1928 zur Vierhundert jahrfeier der Reformation<br />

rüstete, dachte man deshalb besonders daran, daß Bugenhagen in den sozialen<br />

Unruhen auch seiner Zeit mit der Braunschweigischen Kastenordnung ein im<br />

europäischen Norden wirksames Beispiel geschaffen hatte. In Braunschweig erinnerte<br />

daran noch die Bezeichnung der bis ins 20. Jahrhundert gültigen Einteilung der<br />

Armenpflegebezirke, die von ehrenamtlich tätigen Bürgern betreut wurden.<br />

Aber nach dem Ersten Weltkrieg wurde auch in Braunschweig gründliche Neuordnung<br />

nötig. Die alten Stiftungen für wohltätige Zwecke hatten in der Inflation<br />

ihr Vermögen fast ganz verloren, sofern dies nicht in Grundbesitz bestand. Dabei<br />

war es unerheblich, ob sie durch die Stadt selbst verwaltet wurden oder durch die<br />

Kirchengemeinden. Deren zweiter Provisor, dem diese Angelegenheiten oblagen,<br />

führte nunmehr meist nur noch eine Armenkasse, die wesentlich aus den beim<br />

Gottesdienst erhobenen Kollekten gespeist wurde, und daneben die Kasse der<br />

Gemeindeschwesternstation. - Wenn sich beim "Montagverein", einer in der Zeit<br />

der Aufklärung entstandenen Vereinigung, die Pfarrer mit den Armenpflegern<br />

trafen, konnten oft nur noch Pfennige verteilt werden. - Die meist aus dem<br />

Mittelalter stammenden Wohnheime für alleinstehende Männer und Frauen (die<br />

noch in meiner Jugend den Ehrentitel einer ;,Beguintje" trugen) verliehen ihre<br />

Plätze nicht mehr, 50ndern mußten die Zimmer einzeln vermieten. Das geschah<br />

selbst mit Räumen, die zur Andacht bestimmt waren und in denen auch noch<br />

gemeinsame Abendmahlsfeiern stattfanden.<br />

Das Gefüge der Stadt hatte sich aber überhaupt geändert. Wie andererorts<br />

entvölkerten sich die Innenstadtgemeinden; Geschäftsräume traten an die Stelle von<br />

Wohnungen. Doch gab es noch Straßen, die ihr altes Gepräge nicht nur in den<br />

schönen Fronten, sondern ebenso in ihren lichtarmen und aller Hygiene entbehrenden,<br />

ursprünglich als Speicher gebauten, jetzt zu Wohnungen eingerichteten<br />

Hinterhöfen besaßen. ("Murenstrate, Klint und Weder [Werder], davor hüre sich<br />

ein jeder").<br />

Die Zahl der Bewohner in den Bezirken der Außenstadt "vor dem Tore" dagegen<br />

nahm ständig zu. Der Stadtkirchenverband hatte für sie einige der äußeren Aufmachung<br />

nach kostbare Kirchen und Pfarrhäuser errichtet. Er hatte es aber unterlassen,<br />

diese mit Einrichtungen und Mitarbeitern so auszustatten, wie es nötig<br />

gewesen wäre. Neben dem

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