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Dissertation Dr. Hermann Wögerer - Miteinander

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Eine Gegenbewegung zu der ökonomischen Denkweise der Industrialisierung entstand durch<br />

die christlichen Organisationen, wie die Vinzentbewegung der katholischen Kirche und die<br />

evangelische Diakoniebewegung. Diese Organisationen wirken bekanntlich bis heute.<br />

Eine Differenzierung zwischen den Arten der Behinderung begann erst im 20. Jahrhundert. Es<br />

traten immer mehr staatliche heil- und sonderpädagogische Einrichtungen an die Stelle<br />

privater Initiativen. „Der Staat, der die Einschulung erzwingt, trägt nun auch die<br />

Verantwortung für die Bildung der Kinder, die in den üblichen Schulen überfordert sind“<br />

(HÖHN, 219). Eine zusätzliche Dimension der Ausgrenzung wurde nach dem Ersten<br />

Weltkrieg von Max Weber dargestellt. In seinem Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“<br />

beschreibt er die gesellschaftlichen Schließungstendenzen aus Gründen des Wettbewerbs, dies<br />

gilt gleichermaßen für den Arbeitsmarkt (vgl. WEBER1964, 260).<br />

Die traditionellen Formen der Behindertenfürsorge – Versorgung durch Familienmitglieder,<br />

kirchliche und private Mildtätigkeit, genossenschaftliche Selbsthilfe – wurden mehr und mehr<br />

von der zentralstaatlichen Sozialpolitik zurückgedrängt. Dies geschah einerseits durch<br />

Reglementierung der bisherigen Vorgangsweise und andererseits durch Schaffung neuer<br />

Institutionen, die der staatlichen Kontrolle unterlagen (vgl. HAASER, 19).<br />

Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Idee der ‚Erbgesundheit des Volkes’, der Eugenik,<br />

ausgehend von der Darwin’schen Selektionstheorie in die gesellschaftspolitische Diskussion<br />

eingebracht, was nach dem ersten Weltkrieg zur Diskussion über ‚lebensunwertes Leben’<br />

geführt hat. Maßnahmen wie Zwangssterilisation und die Vernichtung ‚lebensunwerten<br />

Lebens’ fanden bereits in der Weimarer Republik eine zunehmende Zahl an Befürwortern.<br />

Die Nationalsozialisten haben diese Ideen übernommen und grausam verwirklicht. Nur wenig<br />

geistig Behinderte haben diese Periode überlebt, allerdings hat der Krieg als Folge auch<br />

geistige Behinderungen verursacht.<br />

1.2 Arbeit von Menschen mit geistiger Behinderung vor 1945<br />

Vor der Industrialisierung sind diese Menschen, so weit es möglich war, in den Gemeinden,<br />

in der Landwirtschaft und zum Teil auch im Gewerbe mit Hilfstätigkeiten untergekommen.<br />

Eine systematische Förderung gab es nicht, Fälle individueller Förderung hat es sicherlich<br />

gegeben.<br />

Mit dem Zeitalter der Industrialisierung wurde der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften<br />

immer höher. Dies führte zur Schulpflicht Mitte des 19. Jahrhunderts und im Anschluss daran<br />

zur Ausgliederung Minderbegabter. Diese stigmatisierende Selektionspraxis führte zur<br />

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