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Dissertation Dr. Hermann Wögerer - Miteinander

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I. THEORETISCHER TEIL<br />

1. FORSCHUNGSLAGE<br />

1.1 Entwicklung des Verhältnisses von Menschen mit geistiger Behinderung<br />

zur Gesellschaft bis 1945<br />

Die Einstellung der Menschen gegenüber Menschen mit Behinderung war in der<br />

Vergangenheit unterschiedlich, zumeist war es eine Leidensgeschichte. Eine grundlegende<br />

Darstellung der historischen Entwicklung findet man unter anderem bei Michel Foucault in<br />

seinem Buch „Wahnsinn und Gesellschaft“ (vgl. FOUCAULT 1995).<br />

Es gab Epochen, in denen Menschen mit Behinderung verfolgt oder gar getötet wurden, es<br />

wurden ihnen gesellschaftsschädliche Eigenschaften zuerkannt. In der Antike, sowohl in der<br />

griechischen als auch in der römischen Gesellschaft war die Auslese durch Tötung von geistig<br />

und körperlich schwer behinderten Kindern üblich. Im antiken Sparta wurden schwache und<br />

übelgestaltete Kinder auf Grund einer Entscheidung der Gemeindeältesten in eine tiefe<br />

Bergkluft geworfen. Platon hat ein System des Züchtens gesunder und begabter Kinder mit<br />

einem entsprechenden Auslesesystem entwickelt. In der römischen Gesellschaft wurden<br />

besonders missgestaltete Menschen auf Narrenmärkten als Schaustück verkauft.<br />

Im Mittelalter entwickelte sich einerseits durch die christliche Lehre eine barmherzigere<br />

Einstellung, wenngleich die Nächstenliebe zum Teil auch mit dem Wunsch auf das eigene<br />

Seelenheil motiviert wurde. Andererseits sah man den Wahnsinn als mahnende Strafe Gottes.<br />

Es „wurde die Position aller Menschen, arm oder reich, gesund oder krank, als durch einen<br />

göttlichen Plan bestimmt gesehen, dem ein tieferer Sinn zugrunde lag“ (KEPPLINGER, 14).<br />

Die Ablehnung war gezeichnet von der Angst vor allem Satanischen. Noch im 15.<br />

Jahrhundert wurde diese Angst durch Martin Luther (1483 bis 1546) geschürt, der sich dafür<br />

aussprach, missgestaltete Kinder sofort nach der Geburt zu töten.<br />

Etwa ab dem 15. Jahrhundert wurden die Menschen mit schweren Behinderungen als<br />

‚Abweichler’ der Ordnung der Gesellschaft und als Narren verspottet und ausgesperrt in<br />

‚Narrentürmen’ oder mit ‚Narrenschiffen’ ausgesiedelt. Später wurden sie mit anderen<br />

störenden Abweichlern (Dieben, Huren etc.) interniert, wobei vorwiegend aufgelasssene<br />

Leprosorien, also Lepraanstalten dazu dienten. Auch in Österreich wurden im 18. Jahrhundert<br />

Sonderanstalten für ‚tobende Irre’ errichtet, wie zum Beispiel in Wien das ‚Haus am<br />

Salzgries’. Soweit Irre als harmlos galten und keine von der Gesellschaft nicht tolerierten<br />

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