8. ICP-Symposium - Kinderzentrum Mecklenburg
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<strong>ICP</strong>: Unheilbar - aber behandelbar<br />
Neue Erkenntnisse zur neuronalen Plastizität bei Kindern mit<br />
cerebralen Bewegungsstörungen<br />
Priv.- Doz. Dr. med. Martin Staudt, Vogtareuth<br />
Die kompensatorischen Fähigkeiten des sich entwickelnden menschlichen Gehirns sind denen<br />
des Erwachsenengehirns überlegen. Inhalt dieses Vortrags sind Mechanismen der<br />
Reorganisation nach Schädigungen, die das sich entwickelnde Gehirn während der Prä- und<br />
Perinatal-Periode treffen.<br />
Motorisches System: Zu Beginn des 3. Trimesters der Schwangerschaft haben deszendierende<br />
kortiko-spinale motorische Projektionen bereits ihre spinalen Zielgebiete erreicht, mit initial<br />
bilateralen Projektionen aus jeder Hemisphäre. Während der normalen Entwicklung werden die<br />
ipsilateralen Projektionen langsam zurückgebildet, wohingegen die kontralateralen Projektionen<br />
persistieren. Wenn nun während dieser Periode eine unilaterale Hirnläsion die kortiko-spinalen<br />
Projektionen einer Hemisphäre schädigt, werden die ipsilateralen Projektionen aus der<br />
kontra-läsionellen Hemisphäre persistieren, wodurch die kontra-läsionelle Hemisphäre in die<br />
Lage versetzt wird, die motorische Kontrolle über die (ipsilateralen) paretischen Extremitäten<br />
zu übernehmen [Eyre et al, Neurology 2001]. Obwohl dieser Mechanismus der Re-Organisation<br />
während der gesamten Prä- und Perinatal-Periode verfügbar ist, nimmt die Effizienz dieser<br />
ipsilateralen Funktionsübernahme motorischer Fähigkeiten mit zunehmenden Alter zum Zeitpunkt<br />
der Läsion ab [Staudt et al, Ann Neurol 2004].<br />
Somatosensorisches System: Aszendierende thalamo-kortikale somatosensorische Projektionen<br />
haben zu Beginn des 3. Trimesters der Schwangerschaft ihre kortikalen Zielgebiete noch<br />
nicht erreicht [Kostovic & Judas, Anat Rec 2002], so dass diese Projektionen auf Hirnschädigungen,<br />
die während dieser Periode eintreten, weiterhin „reagieren“ können. Sie können<br />
dadurch „axonale“ Umleitungen um periventrikuläre Schädigungen der weißen Substanz herum<br />
bilden, um so ihre ursprünglichen kortikalen Zielgebiete im postzentralen Gyrus zu erreichen<br />
[Staudt M, Neurology 2006], mit relativ gut erhaltener somato-sensorischer Funktion. Im Gegensatz<br />
dazu werden, wenn der postzentrale Gyrus kortikal betroffen wird, keine Hinweise für<br />
Re-Organisation beobachtet, dementsprechend sind somato-sensorische Funktionen in dieser<br />
Patientengruppe deutlich beeinträchtigt (Wilke et al, NeuroImage 2009; Staudt, Karnath et al;<br />
unpublizierte Daten).<br />
Klinische Bedeutung: Die Methoden, mit denen diese Ergebnisse beobachtet wurden (TMS,<br />
fMRI, MEG, MR-Diffusion-Tensor-Traktographie) zusammen mit dem zunehmenden Verständnis<br />
von Re-Organisationsprozessen nach frühen Hirnläsionen können eingesetzt werden, um<br />
Re-Organisationsmuster im individuellen Patienten mit frühen Hirnläsionen zu erfassen und<br />
zu interpretieren. Dies kann sehr hilfreich sein, wenn solche Patienten neurochirurgischen<br />
Interventionen unterzogen werden müssen, wie etwa zur Behandlung von pharmako-refraktären<br />
Epilepsien. Des Weiteren gibt es erste Hinweise dafür, dass Kinder mit<br />
kongenitaler Hemiparese und ipsilateralen kortiko-spinalen Bahnen anders<br />
auf Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT) ansprechen als solche<br />
mit erhaltenen kontralateralen Bahnen (Kuhnke et al, Dev Med Child Neurol<br />
2008).<br />
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