Weißbuch Flüchtlinge und Asylbewerber/innen im ... - AGEF - SAAR
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1.3 Ein Wort zur Objektivität<br />
Wissenschaftliche Arbeiten sind <strong>im</strong>mer mit dem Anspruch der Objektivität verb<strong>und</strong>en.<br />
So erwartet man auch von einem <strong>Weißbuch</strong>, dass es die Lebenssituation von<br />
<strong>Flüchtlinge</strong>n objektiv beschreibt. Doch was bedeutet Objektivität?<br />
„Objektivität ist die Qualität einer Aussage, die sich ausschließlich auf Eigenschaften<br />
des Objektes beschränkt <strong>und</strong> von Eigenschaften des beobachtenden<br />
Subjekts abstrahiert. Objektivität zu erreichen ist ein Ideal, das wegen subjektiven<br />
Bedingungen einer Beobachtung nicht vollständig erreicht werden kann...<br />
Philosophisch ergibt sich, dass der Begriff Objektivität nur Sinn ergibt, wenn man<br />
von einer vom Subjekt getrennten Außenwelt ausgeht...“ 4<br />
Angewandt auf das <strong>Weißbuch</strong> heißt das: Die zu beschreibende Situation müsste vom<br />
Beschreibenden getrennt sein - was nicht der Fall ist. Alternativ erscheint eine „objektive“<br />
Darstellung der Situation von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>im</strong> Saarland<br />
deshalb nur unter Nennung des normativen Bezugsrahmens der Gutachter möglich.<br />
Eine wichtige Rolle bei der Frage nach der Objektivität spielt daher die Perspektive der<br />
Gutachterin/des Gutachters:<br />
„...Das Hauptproblem sozialwissenschaftlicher Objektivität wird durch die Tatsache<br />
relevant, dass der Sozialwissenschaftler als Forscher [...] eben der Gesellschaft<br />
angehört bzw. von der Gesellschaft geprägt [wird], die Gegenstand [seiner]<br />
Arbeit [ist]. Die Objektivität sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse wird somit<br />
durch die theoretisch-weltanschaulich-ideologischen Gr<strong>und</strong>lagen der Forscher<br />
<strong>und</strong> durch die persönlichen Evidenz-Erlebnisse der Forscher beeinflusst...“ 5<br />
Da die Gutachter aus jeweils (möglicherweise unterschiedlicher) individueller Perspektive<br />
Situationen <strong>und</strong> Vorgänge betrachten, bleibt es nicht aus, dass es zu unterschiedlichen<br />
Bewertungen kommt. So wird beispielsweise ein Gutachter, der außerhalb des<br />
Saarlandes <strong>und</strong> auch außerhalb Europas Flüchtlingslager besucht hat, eine andere<br />
Einschätzung zum Thema „menschenwürdige Unterbringung“ haben, als ein Gutachter,<br />
der die Lebacher Unterkunft unvoreingenommen betrachtet. Zugleich wird ein<br />
Flüchtling aus dem Kosovo oder ein Kurde aus dem ländlichen Südosten der Türkei die<br />
Lebacher Unterkunft anders bewerten als ein iranischer Flüchtling mit einem wohlhabenden<br />
Hintergr<strong>und</strong>. Allein der normative Bezugsrahmen ermöglicht es, unterschiedliche<br />
Sichtweisen in eine bewertende Analyse einzubinden.<br />
Besitzt der Mensch danach überhaupt die Möglichkeit, etwas objektiv zu beurteilen?<br />
„...Objektivität nennt man auch die Fähigkeit, etwas „streng objektiv“ zu beobachten<br />
oder darzustellen. Eine solche Fähigkeit besitzt der Mensch nicht; vielmehr<br />
wirkt bei jeder Erkenntnis <strong>und</strong> bei jeder Aussage das ganze körperlich-seelischgeistige<br />
Sosein des Einzelnen einschließlich der Kräfte seines Unterbewusstseins<br />
<strong>und</strong> des Erlebnistranszendenten mit...“ 6<br />
4 URL: www.lexikon-definition.de.<br />
5 Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1994.<br />
6 Schischkoff, Georgi (Hg.): Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart 1991.<br />
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