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Weißbuch Flüchtlinge und Asylbewerber/innen im ... - AGEF - SAAR

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<strong>Weißbuch</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>im</strong> Saarland 2004<br />

erstellt <strong>im</strong> Rahmen der Entwicklungspartnerschaft SEPA,<br />

einem Projekt der Gemeinschaftsinitiative EQUAL<br />

vorgelegt von<br />

Sozioökonomische Forschung <strong>und</strong> Beratung<br />

Zwick <strong>und</strong> Schmidt-Fink GbR<br />

Saarbrücken • Berlin<br />

Januar 2005


Impressum<br />

Sozioökonomische Forschung <strong>und</strong> Beratung<br />

Zwick <strong>und</strong> Schmidt-Fink GbR<br />

Martin-Luther-Straße 20<br />

66111 Saarbrücken<br />

Telefon 0681/9 36 46-0<br />

Telefax 0681/9 36 46-11<br />

E-Mail consult@isoplan.de<br />

Internet www.isoplan.de<br />

Reinhardtstraße 27 C<br />

10117 Berlin<br />

Telefon 030/28 04 60 91<br />

oder 92<br />

Telefax 030/28 04 60 93<br />

E-Mail berlin@isoplan.de


Im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative EQUAL<br />

kofinanziert aus dem Europäischen Sozialfonds<br />

der Europäischen Union<br />

Nationale Koordinierungsstelle <strong>und</strong> Programm-<br />

verwaltungsbehörde


VORWORT<br />

Mit SEPA - der saarländischen Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong> - wird ein<br />

neuer Weg in der Beschäftigungsförderung von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

beschritten. Als Teil der EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL verfolgt SEPA das Ziel, zur<br />

Bekämpfung von Ausgrenzung <strong>und</strong> Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt, speziell zur<br />

besseren Integration von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n in den Arbeitsmarkt,<br />

beizutragen.<br />

Welche Bedeutung EQUAL diesbezüglich beigemessen werden muss, wird aus folgendem<br />

Zitat deutlich: „With more than 3 billion Euro for the period 2002 to 2006,<br />

EQUAL is not only the largest source of f<strong>und</strong>ing for ´tackling discr<strong>im</strong>ination and<br />

inequality experienced by those in work and those looking for a job´, to cite the key<br />

principal of EQUAL, but also the most <strong>im</strong>portant European programme regarding<br />

activities specifically directed at migrants.” 1 Danach sticht EQUAL nicht nur aufgr<strong>und</strong><br />

seines Finanzvolumens hervor, sondern vor allem aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass es<br />

derzeit auf europäischer Ebene kein weiteres Beschäftigungsprogramm gibt, dessen<br />

Aktivität in gleichem Maße auf Migrant<strong>innen</strong>/Migranten hin ausgerichtet ist.<br />

Die Arbeitsmarktsituation speziell von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> gestaltet<br />

sich in hohem Maße schwierig, da in erster Linie gesetzliche Rahmenbedingungen<br />

einer Teilnahme am Arbeitsmarkt weitestgehend entgegenstehen. Dennoch können<br />

gewisse Spielräume genutzt werden. So ermöglichen es die <strong>im</strong> Rahmen von SEPA<br />

angebotenen Beratungs-, Betreuungs- <strong>und</strong> Qualifizierungsmaßnahmen den <strong>Flüchtlinge</strong>n,<br />

die Dauer des Aufenthalts so sinnvoll als möglich zu nutzen <strong>und</strong> sich beruflich<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Im Rahmen von SEPA hat isoplan die Aufgabe übernommen, ein so genanntes <strong>Weißbuch</strong><br />

über die Situation von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Saarland zu<br />

erstellen. Hiermit wird eine Fortschreibung des <strong>Weißbuch</strong>s vorgelegt, das erstmals <strong>im</strong><br />

Jahr 2003 erschienen ist. 2 Im Rahmen der Untersuchung wurden verschiedene Lebensbereiche<br />

von <strong>Flüchtlinge</strong>n einer näheren Betrachtung unterzogen. Dazu wurden<br />

zahlreiche Expertengespräche, aber auch Gespräche mit <strong>Flüchtlinge</strong>n selbst geführt.<br />

Auf allen Seiten - insbesondere auf Seiten unserer SEPA-Partner/<strong>innen</strong> - war eine hohe<br />

Kooperationsbereitschaft anzutreffen, ohne die diese Studie nicht zum erfolgreichen<br />

Abschluss hätte geführt werden können. Allen Beteiligten sei dafür an dieser Stelle<br />

herzlich gedankt.<br />

Saarbrücken, Januar 2005<br />

isoplan CONSULT GbR<br />

Ekkehart Schmidt-Fink Vanessa Franz<br />

1 Vgl. Blaschke, J.; Vollmer, B.: Employment Strategies for Immigrants in the European Union, Berlin<br />

2004. Die Publikation gibt einen Überblick über die auf die Verbesserung der Arbeitsmarktintegration<br />

von Migrant<strong>innen</strong>/Migranten gerichtete europäische Beschäftigungspolitik <strong>und</strong> deren Umsetzung<br />

in den einzelnen Mitgliedstaaten.<br />

2 Isoplan (Hg.): <strong>Weißbuch</strong>: <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong> <strong>im</strong> Saarland 2002, März 2003.


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Kurzfassung...................................................................................................... K 1 - K 4<br />

1 Einleitung ............................................................................................................... 1<br />

1.1 Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ziel der Untersuchung............................................................ 1<br />

1.2 Methode............................................................................................................ 2<br />

1.3 Ein Wort zur Objektivität ................................................................................... 3<br />

2 Statistischer Überblick über <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

<strong>im</strong> Saarland ............................................................................................................ 7<br />

2.1 Zugang, Verfahren <strong>und</strong> Verbleib....................................................................... 8<br />

2.1.1 Zugangszahlen...................................................................................... 8<br />

2.1.2 Antrags- <strong>und</strong> Entscheidungsstatistik, Verfahrensdauer ...................... 10<br />

2.1.3 Klageverfahren.................................................................................... 12<br />

2.1.4 Aufenthaltsbeendende Maßnahmen ................................................... 14<br />

2.1.5 Auszüge aus der LGU......................................................................... 17<br />

2.2 Strukturmerkmale der Empfänger/<strong>innen</strong> von Leistungen nach AsylbLG ........ 17<br />

2.3 Strukturmerkmale der in den Landesunterkünften untergebrachten<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>............................................................... 23<br />

2.4 Zusammenfassung ......................................................................................... 26<br />

3 Akteure der Asyl- <strong>und</strong> Flüchtlingsarbeit ........................................................... 27<br />

3.1 Einrichtungen von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern ............................................................ 27<br />

3.1.1 Die Außenstelle des B<strong>und</strong>esamts für Migration <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

(BAMF)................................................................................................ 27<br />

3.1.2 Die Agenturen für Arbeit...................................................................... 28<br />

3.1.3 Das Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport..................... 28<br />

3.1.4 Das Landesamt für Ausländer <strong>und</strong> Flüchtlingsangelegenheiten<br />

(LAFl) .................................................................................................. 29<br />

3.1.5 Das Ministerium für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit........................................... 30<br />

3.1.6 Der Kontaktausschuss für Flüchtlingsfragen <strong>im</strong> Saarland (KAFiS)..... 30<br />

3.2 Kommunale Einrichtungen.............................................................................. 31<br />

3.2.1 Das Zuwanderungs- <strong>und</strong> Integrationsbüro (ZIB) der<br />

Landeshauptstadt Saarbrücken .......................................................... 31<br />

3.2.2 Die Arbeitsgemeinschaft der saarländischen Ausländerbeiräte<br />

(AGSA)................................................................................................ 32


3.3 Wohlfahrtsverbände........................................................................................ 32<br />

3.3.1 Die Arbeiterwohlfahrt (AWO)............................................................... 34<br />

3.3.2 Der Caritasverband ............................................................................. 35<br />

3.3.3 Das Deutsche Rote Kreuz (DRK)........................................................ 38<br />

3.3.4 Das Diakonische Werk Saar (DWS) ................................................... 39<br />

3.3.5 Der Migrationsausschuss der Liga der freien Wohlfahrtspflege.......... 40<br />

3.4 Rechtsanwälte ................................................................................................ 40<br />

3.5 Die Saarländische Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong> (SEPA) in der Gemeinschaftsinitiative EQUAL ............................ 41<br />

3.5.1 Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL.................................................... 41<br />

3.5.2 Die Saarländische Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong> (SEPA).............................................................................. 42<br />

3.6 Sonstige.......................................................................................................... 45<br />

3.6.1 Der Saarländische Flüchtlingsrat (SFR).............................................. 45<br />

3.6.2 Amnesty International Saar................................................................. 46<br />

3.6.3 Das Saarländische Netzwerk Asyl in der Kirche ................................. 46<br />

3.6.4 Der Andere JugendClub e.V. (DAJC) ................................................. 46<br />

3.6.5 Aktion 3. Welt Saar e.V. ...................................................................... 47<br />

3.6.6 Ramesch - Forum für Interkulturelle Begegnung e.V.......................... 48<br />

3.5 Zusammenfassung ......................................................................................... 50<br />

4 Die aktuelle Lebenssituation von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n ...... 51<br />

4.1 Wohnsituation ................................................................................................. 52<br />

4.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick ............. 52<br />

4.1.2 Die Situation in Lebach: Das Ein-Standort-Modell .............................. 52<br />

4.1.3 Bewertung der Wohnsituation ............................................................. 56<br />

4.1.4 Zusammenfassung.............................................................................. 60<br />

4.2 Versorgungslage............................................................................................. 61<br />

4.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick ............. 61<br />

4.2.2 Bewertung der Versorgungslage......................................................... 62<br />

4.2.3 Zusammenfassung.............................................................................. 63<br />

4.3 Ges<strong>und</strong>heitssituation ...................................................................................... 63<br />

4.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick ............. 63<br />

4.3.2 Traumatisierungen <strong>und</strong> psychische Ges<strong>und</strong>heit ................................. 66<br />

4.3.3 Zusammenhang zwischen Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Beschäftigung:<br />

Berufliche Handlungsfähigkeit............................................................. 73<br />

4.3.4 Zur Frage eines Zusammenhangs zwischen Wohnsituation <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit.......................................................................................... 75<br />

4.3.5 Zusammenfassung.............................................................................. 77


4.4 Gesellschaftliches Leben................................................................................ 78<br />

4.4.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick ............. 79<br />

4.4.2 Die Situation in Lebach ....................................................................... 80<br />

4.4.3 Die Situation in anderen Wohnorten ................................................... 85<br />

4.4.4 Zur Integration in Migrantencommunities............................................ 89<br />

4.4.5 Zusammenfassung.............................................................................. 98<br />

4.5 Konflikte .......................................................................................................... 99<br />

4.5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick ............. 99<br />

4.5.2 Konflikte auf zwischenmenschlicher Ebene ...................................... 100<br />

4.5.3 Rechtsverstöße von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> .............. 109<br />

4.5.4 <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> als Kr<strong>im</strong>inalitätsopfer............... 115<br />

4.5.5 Diskr<strong>im</strong>inierungen von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>........... 117<br />

4.5.6 Das Abschiebungsthema als besonderer Konflikt............................. 118<br />

4.5.7 Zusammenfassung............................................................................ 121<br />

4.6 Die Situation von Frauen .............................................................................. 122<br />

4.6.1 Allgemeiner Überblick ....................................................................... 122<br />

4.6.2 Zusammenfassung............................................................................ 126<br />

4.7 Die Situation von dezentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n ........................... 126<br />

4.7.1 Allgemeiner Überblick ....................................................................... 126<br />

4.7.2 Zusammenfassung............................................................................ 128<br />

4.8 Zusammenfassung ....................................................................................... 128<br />

5 Sprach- <strong>und</strong> allgemeiner Bildungshintergr<strong>und</strong> von<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n............................................................. 131<br />

5.1 Zum Bildungshintergr<strong>und</strong> von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n........... 131<br />

5.2 Spracherwerb von <strong>Flüchtlinge</strong>n in Deutschland ........................................... 134<br />

5.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick ........... 134<br />

5.2.2 Die Situation <strong>im</strong> Saarland.................................................................. 136<br />

5.3 Zusammenfassung ....................................................................................... 140<br />

6 Die schulische Situation junger <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>......... 141<br />

6.1 Allgemeine Einführung.................................................................................. 141<br />

6.2 Kindergarten ................................................................................................. 143<br />

6.3 Gr<strong>und</strong>schule ................................................................................................. 147<br />

6.4 Weiterführende Schulen ............................................................................... 149<br />

6.5 Sonderschule................................................................................................ 154<br />

6.6 Zusammenfassung ....................................................................................... 156


7 Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung..................................................................................... 159<br />

7.1 Ausbildung .................................................................................................... 159<br />

7.2 Weiterbildung................................................................................................ 161<br />

7.3 Zusammenfassung ....................................................................................... 162<br />

8 Beschäftigung .................................................................................................... 163<br />

8.1 Rechtlicher <strong>und</strong> allgemeiner Überblick ......................................................... 163<br />

8.2 Versuch einer Typologisierung ..................................................................... 165<br />

8.3 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung................................................ 171<br />

8.4 Gemeinnützige Beschäftigung...................................................................... 174<br />

8.5 Praktika <strong>im</strong> Rahmen von EQUAL ................................................................. 175<br />

8.6 Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis...................................... 177<br />

8.7 Arbeitslose <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> .......................................... 178<br />

8.8 Zusammenfassung ....................................................................................... 180<br />

9 Ausblick .............................................................................................................. 183<br />

ANHANG: Literaturverzeichnis


ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

Abbildung 1: Altersstruktur der Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Saarland <strong>im</strong><br />

Jahr 2003 ............................................................................................ 19<br />

Abbildung 2: Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> nach Haushaltstyp <strong>im</strong> Saarland<br />

<strong>im</strong> Jahr 2003 ....................................................................................... 20<br />

Abbildung 3: Regionale Verteilung der Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> <strong>im</strong><br />

Saarland <strong>im</strong> Jahr 2003 ........................................................................ 20<br />

Abbildung 4: Herkunftsländer der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs <strong>im</strong> Saarland <strong>im</strong><br />

Jahr 2003 ............................................................................................ 24<br />

Abbildung 5: Altersstruktur der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs...................................... 25<br />

Abbildung 6: Verweildauer der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs...................................... 25<br />

Abbildung 7: Gebäude der LGU............................................................................... 52<br />

Abbildung 8: „Lageplan“ der LGU ............................................................................ 54<br />

Abbildung 9: Freizeitgestaltung in der LGU ............................................................. 82<br />

Abbildung 10: Theatergruppe aus St. Wendel: „Menschen wie Du <strong>und</strong> Ali“ ............ 105<br />

Abbildung 11: Fest in der Kindertagesstätte ............................................................ 145<br />

Abbildung 12: Beschäftigungssituation: Verteilung der befragten <strong>Flüchtlinge</strong><br />

nach Typen ....................................................................................... 170


TABELLENVERZEICHNIS<br />

Tabelle 1: Herkunftsländer, für die die Außenstelle des BAFl in Lebach<br />

zuständig ist (Stand: 01.03.04) ............................................................. 8<br />

Tabelle 2: Zugangszahlen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> 1995 bis<br />

2003 ...................................................................................................... 9<br />

Tabelle 3: Übersicht über Entscheidungen des B<strong>und</strong>esamtes zu ausgewählten<br />

Herkunftsländern <strong>im</strong> Saarland <strong>im</strong> Jahr 2003................................. 12<br />

Tabelle 4: Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht ...................................... 13<br />

Tabelle 5: Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht............................................ 13<br />

Tabelle 6: Berufungszulassungsanträge <strong>und</strong> Berufungen vor dem OVG ............ 14<br />

Tabelle 7: Abschiebungen <strong>im</strong> Saarland 1992 bis 2003........................................ 16<br />

Tabelle 8: Abschiebungen <strong>im</strong> Saarland nach ausgewählten<br />

Herkunftsländern (Jahr 2003) ............................................................. 16<br />

Tabelle 9: Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> nach ausgewählten<br />

Herkunftsländern (31.12.2003) ........................................................... 18<br />

Tabelle 10: Ausgaben nach dem <strong>Asylbewerber</strong>leistungsgesetz <strong>im</strong> Saarland<br />

1994 bis 2003...................................................................................... 21<br />

Tabelle 11: Ausgaben an Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG 2003............. 22<br />

Tabelle 12: Aufenthaltsstatus der in den Landesunterkünften<br />

untergebrachten Personen (Stand: 01.04.04)..................................... 23<br />

Tabelle 13 Polizeiliche Kr<strong>im</strong>inalstatistik des Saarlandes: Ermittelte<br />

Tatverdächtige zu ausgewählten Delikten (2001 <strong>und</strong> 2003) ............. 110<br />

Tabelle 14: Qualifikation <strong>und</strong> Beschäftigungssituation <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland................. 133<br />

Tabelle 15: Beschäftigungssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong><br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>........................................................................... 166<br />

Tabelle 16: Erteilte Arbeitsgenehmigungen nach Agenturbezirk (2003).............. 171<br />

Tabelle 17: Durch die KEB <strong>im</strong> Rahmen von SEPA vermittelte<br />

Praktikumsplätze (2003/2004) .......................................................... 176<br />

Tabelle 18: Durch die Caritas Saarlouis <strong>im</strong> Rahmen von SEPA vermittelte<br />

Praktikumsplätze (2003/2004) .......................................................... 177<br />

Tabelle 19: Arbeitslose <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nach der Dauer der<br />

Arbeitslosigkeit <strong>im</strong> Jahr 2003 ............................................................ 179<br />

Tabelle 20: Arbeitslose <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nach Altersgruppen <strong>im</strong> Jahr<br />

2003 .................................................................................................. 179<br />

Tabelle 21: Arbeitslose <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nach Qualifikation <strong>im</strong> Jahr 2003..... 180


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

a.a.O. an anderem Ort<br />

Abs. Absatz<br />

AGSA Arbeitsgemeinschaft saarländischer Ausländerbeiräte<br />

AK Arbeitskreis<br />

Art. Artikel<br />

AuslG Ausländergesetz<br />

AsylbLG <strong>Asylbewerber</strong>leistungsgesetz<br />

AsylVfG Asylverfahrensgesetz<br />

AZR Ausländerzentralregister<br />

BAFl B<strong>und</strong>esamt für die Anerkennung ausländischer <strong>Flüchtlinge</strong><br />

BAMF B<strong>und</strong>esamt für Migration <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

BBZ Berufsbildungszentrum<br />

BGJ Berufsgr<strong>und</strong>schuljahr<br />

BSHG B<strong>und</strong>essozialhilfegesetz<br />

BÜMA Bescheinigung über die Meldung als <strong>Asylbewerber</strong><br />

BVJ Berufsvorbereitungsjahr<br />

EAE Erstaufnahmeeinrichtung<br />

EASY Erstverteilung von <strong>Asylbewerber</strong>n<br />

EFF Europäischer Flüchtlingsfonds<br />

GAB Gemeinsame Ausländerbehörde<br />

GARP Government Assisted Repatriation Programmme<br />

GG Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

IOM Internationale Organisation für Wanderung<br />

JVA Justizvollzugsanstalt<br />

KAFiS Kontaktausschuss für Flüchtlingsfragen <strong>im</strong> Saarland<br />

LAFl Landesamt für Ausländer- <strong>und</strong> Flüchtlingsangelegenheiten<br />

LASt Landesaufnahmestelle für Vertriebene <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

LKA Landeskr<strong>im</strong>inalamt<br />

LGU Landesgemeinschaftsunterkunft<br />

o.g. oben genannt<br />

OVG Oberverwaltungsgericht<br />

o.u. offensichtlich unbegründet<br />

REAG Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany<br />

SEPA Saarländische Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

SDÜ Schengener Durchführungsübereinkommen<br />

VG Verwaltungsgericht<br />

z.B. zum Beispiel


KURZFASSUNG<br />

Das <strong>Weißbuch</strong> 2004 beschäftigt sich mit der Lebenssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong><br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Saarland. Es wurde erstellt <strong>im</strong> Rahmen von SEPA (Saarländische<br />

Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>), einem Projekt der EU-<br />

Gemeinschaftsinitiative EQUAL, welche den Abbau von Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt<br />

zum Ziel hat.<br />

Statistischer Überblick<br />

In saarländischen Landesgemeinschaftsunterkünften (LGUs) lebten <strong>im</strong> Frühjahr des<br />

Jahres 2004 r<strong>und</strong> 1.600 Personen, die Leistungen nach dem <strong>Asylbewerber</strong>leistungsgesetz<br />

(AsylbLG) bezogen. Seit Sommer 2004 existiert nur noch eine solche Landesunterkunft<br />

in Lebach, so dass diese <strong>Flüchtlinge</strong> alle zentral in einer saarländischen<br />

Unterkunft leben. R<strong>und</strong> 2.000 waren <strong>im</strong> Jahr 2004 darüber hinaus dezentral untergebracht.<br />

Ferner lebt eine größere Anzahl von Asylberechtigten über das Saarland verteilt<br />

(sie sind jedoch nicht Gegenstand dieses Berichts). R<strong>und</strong> 46 % der in Lebach untergebrachten<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> befinden sich noch <strong>im</strong> laufenden Verfahren, 53 % sind abgelehnte<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> mit Duldungsstatus. Lediglich ein Prozent verfügt über eine<br />

Aufenthaltsbefugnis.<br />

Die Hauptherkunftsländer der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGU Lebach sind die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Jugoslawien bzw. Serbien <strong>und</strong> Montenegro (25 %), gefolgt von der Türkei<br />

(18 %) <strong>und</strong> China (9 %). Syrien <strong>und</strong> Irak folgen an vierter <strong>und</strong> fünfter Stelle.<br />

Die Zugangszahlen von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sind weiter zurückgegangen. Während<br />

1995 noch 1.943 Zugänge verzeichnet wurden, waren es <strong>im</strong> Jahr 2000 nur noch 1.423,<br />

<strong>im</strong> Jahr 2003 noch lediglich 887. Insgesamt 788 Asylanträge wurden <strong>im</strong> Jahr 2003 bearbeitet.<br />

Die Anerkennungsquote - sprich das Verhältnis der Anzahl der Anerkennungen<br />

als Asylberechtigte zu der Gesamtzahl der Entscheidungen - lag 2003 <strong>im</strong> Saarland<br />

bei 1,1 % <strong>und</strong> somit unter dem B<strong>und</strong>esdurchschnitt von 1,6 %.<br />

Die Zahl der Abschiebungen ist - nach einem Rückgang <strong>im</strong> Zeitraum 2000 bis 2002 -<br />

<strong>im</strong> Jahr 2003 wieder angestiegen. Insgesamt wurden 303 <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> 106<br />

sonstige Ausländer/<strong>innen</strong> (z.B. Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus) abgeschoben.<br />

Lebenssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

Die Wohnsituation unterscheidet sich gr<strong>und</strong>sätzlich darin, ob <strong>Flüchtlinge</strong> zentral in der<br />

LGU untergebracht sind - was seit 1994 die Regel ist - oder aber dezentral in den<br />

Kommunen leben. Die Unterbringung in der LGU erscheint annehmbar, wenn sich der<br />

dortige Aufenthalt auf einen relativ kurzen Zeitraum beschränkt. In der Realität jedoch<br />

leben 69 % der Bewohner/<strong>innen</strong> dort länger als ein Jahr (darunter 11 % länger als fünf<br />

Jahre). Während das äußere Erscheinungsbild der LGU akzeptabel ist, ist das Leben<br />

<strong>im</strong> Innern gekennzeichnet durch die Dichte der Belegung, die in vielfältiger Weise die<br />

Lebensqualität der Bewohner/<strong>innen</strong> stark einschränkt (z.B. Wegfall der Privatsphäre;<br />

für Schüler/<strong>innen</strong> kaum Raum zum Lernen; für Jugendliche kaum Möglichkeit, sich<br />

zurückzuziehen etc.). Dahingegen ist die dezentrale Unterbringung mit erheblich mehr<br />

K 1


K 2<br />

Lebensqualität verb<strong>und</strong>en. Der Wohnraum ist frei wählbar <strong>und</strong> auch mit finanziell<br />

knappen Mitteln ist es auf diese Weise möglich, dass einer Familie zumindest mehr<br />

Wohnraum zur Verfügung steht.<br />

Die Versorgung der <strong>Flüchtlinge</strong> wird vom Sachleistungsprinzip best<strong>im</strong>mt, d.h. ihr notwendiger<br />

Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Körperpflege<br />

sowie Gebrauchs- <strong>und</strong> Verbrauchsgütern des Haushalts werden durch Sachleistungen<br />

gedeckt. Am meisten Diskussionsstoff bergen diesbezüglich die Essenspakete,<br />

die zwe<strong>im</strong>al wöchentlich ausgegeben werden.<br />

Die ges<strong>und</strong>heitliche Situation muss differenziert betrachtet werden: Eine Recherche<br />

bei in Lebach ansässigen Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzten ergab, dass <strong>Flüchtlinge</strong> nicht in auffallendem<br />

Maße kränker sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. Relativ häufig treten<br />

jedoch Erkrankungen der Atemwege, Bronchitis <strong>und</strong> Darminfektionen auf. Die psychische<br />

Ges<strong>und</strong>heit von traumatisierten <strong>Flüchtlinge</strong>n hingegen ist besorgniserregend.<br />

Viele von ihnen befinden sich bei dem ansässigen Psychiater bzw. der Tagesklinik des<br />

St. Nikolaus Hospitals in Behandlung oder suchen die psychologische Betreuung des<br />

DRK auf. In vielen Fällen liegen posttraumatische Belastungsstörungen vor, die sich<br />

u.a. durch Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Psychosen<br />

etc. äußern. Die Psychiater betonen, dass die Schaffung einer sicheren Zukunftsperspektive<br />

unabdingbare Voraussetzung für die Behandlung dieser Personen sei, was<br />

unter aufenthaltsrechtlichen Gesichtspunkten bei der Mehrzahl der Fälle jedoch nicht<br />

gegeben sei.<br />

Das gesellschaftliche Leben von zentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n spielt sich <strong>im</strong><br />

Wesentlichen auf dem Gelände der LGU ab. Sie partizipieren nur in sehr<br />

eingeschränktem Maße am städtischen Leben. Die Integration innerhalb der LGU<br />

erfolgt meist <strong>im</strong> Rahmen der eigenen, ethnischen Community (B<strong>innen</strong>integration).<br />

Gleiches gilt für dezentral untergebrachte Personen. Sie sind darüber hinaus in<br />

deutlich stärkerem Maße in das gesellschaftliche Leben der Kommune integriert, nicht<br />

zuletzt, weil sie weniger als Fremde wahrgenommen werden.<br />

Die Konflikte <strong>im</strong> Zusammenleben von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Einhe<strong>im</strong>ischen erreichen<br />

insgesamt kein kritisches Ausmaß. Auf zwischenmenschlicher Ebene zwischen<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n sind sie durchaus erwähnenswert. Im Vergleich zu 2001 weist die Tatverdächtigtenstatistik<br />

2003 des LKA eine Erhöhung der Fallzahlen aus, was jedoch <strong>im</strong><br />

allgemeinen Trend liegt. Die Polizei spricht davon, dass sich die Situation in Lebach<br />

allgemein tendenziell entspannt habe. Die Mehrzahl der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> tritt nicht<br />

kr<strong>im</strong>inell in Erscheinung, gleichwohl fallen einige Gruppen zuweilen in Zusammenhang<br />

mit Ladendiebstählen oder Drogen auf.<br />

Die Situation von Flüchtlingsfrauen <strong>im</strong> Saarland erfordert besondere Berücksichtigung.<br />

Gerade Frauen sind <strong>im</strong> Aufnahmeland oftmals in einer sehr schwierigen Situation.<br />

Sie leiden tendenziell stärker unter den Wohnverhältnissen, in besonderem Maße<br />

aber auch unter der Familiensituation (Konflikte mit Kindern; Männer ziehen sich in<br />

Resignation <strong>und</strong> Isolation zurück etc.).


Bildungs- <strong>und</strong> Sprachniveau<br />

Auf der Basis der insgesamt 90 Flüchtlingsbiografien wurde ermittelt, dass die Mehrzahl<br />

der Befragten über ein mittleres Bildungsniveau verfügt. Die große Mehrzahl hat in<br />

der He<strong>im</strong>at die Schule besucht. <strong>Flüchtlinge</strong>, die keinen Schulbesuch vorweisen können,<br />

sind insgesamt gesehen die Ausnahme. Experten machen jedoch darauf aufmerksam,<br />

dass Frauen - insbesondere kurdische Frauen - oftmals über ein vergleichsweise<br />

geringes Bildungsniveau verfügen, z.T. auch nicht alphabetisiert sind.<br />

Das Interesse an Sprachkursen ist seitens vieler <strong>Flüchtlinge</strong> sehr groß. Dies steht <strong>im</strong><br />

deutlichen Gegensatz zur deutschen Gesetzgebung, die keinerlei Sprachkurse für diese<br />

Zielgruppe vorsieht. Von großem Wert sind daher die von verschiedenen Wohlfahrtsverbänden<br />

kostenlos angebotenen Sprachkurse.<br />

Schulische Situation<br />

Im Saarland besteht für Flüchtlingskinder <strong>und</strong> -jugendliche keine Schulpflicht, d.h. es<br />

liegt <strong>im</strong> Ermessen der Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken <strong>und</strong> dem der Schulen,<br />

diese aufzunehmen. Insgesamt werden mit den Schulen in Lebach, z.B. seitens<br />

der Caritas, sehr gute Erfahrungen gemacht, während sich in anderen saarländischen<br />

Kommunen zuweilen weiterführende Schulen weigern, Flüchtlingsjugendliche aufzunehmen,<br />

was fatale Folgen für die Ausbildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungschancen dieses<br />

Personenkreises hat.<br />

Ein Problem aller Lebacher Schulen ist die zuweilen hohe Fluktuation der Flüchtlingskinder<br />

bzw. -jugendlichen. Die schulischen Leistungen werden in hohem Maße durch<br />

die Sprachkenntnisse <strong>und</strong> somit auch durch die Dauer des Aufenthalts in Deutschland<br />

beeinflusst. Die Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> die Erweiterte Realschule bieten spezielle Förderklassen<br />

für Ausländerkinder an. Die Integration gestaltet sich in der Regel relativ problemlos,<br />

wenn die betreffenden Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen bereits länger in Deutschland<br />

leben <strong>und</strong> mit deutschen Kindern aufgewachsen sind. Gleichwohl sind zuweilen Aus-<br />

<strong>und</strong> Abgrenzungstendenzen bemerkbar, oftmals eher bei älteren Jugendlichen.<br />

Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

Im Saarland besteht für Flüchtlingsjugendliche nahezu keine Möglichkeit, eine Ausbildung<br />

zu absolvieren, da dies die Erteilung einer Arbeitserlaubnis voraussetzt. Die ohnehin<br />

schon restriktive Erteilung von Arbeitserlaubnissen wird bei Ausbildungen noch<br />

schärfer gehandhabt, da ein genereller Mangel an Ausbildungsplätzen besteht <strong>und</strong><br />

deutsche Jugendliche bevorrechtigt werden. In Lebach ist lediglich ein Jugendlicher<br />

bekannt, der eine Ausbildung absolviert.<br />

Auch Weiterbildungen sind <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>e für <strong>Flüchtlinge</strong> nicht möglich. Eine wertvolle Alternative<br />

bietet deshalb das SEPA-Programm, das berufliche Qualifizierungen in verschiedenen<br />

Bereichen (Holz, Metall, soziale Berufe etc.) ermöglicht.<br />

K 3


K 4<br />

Beschäftigung<br />

Die Beschäftigungssituation wird entscheidend dadurch best<strong>im</strong>mt, dass für die Ausübung<br />

einer Beschäftigung die Erteilung einer Arbeitserlaubnis notwendig ist, die wiederum<br />

eine Vorrangprüfung einschließt. Dies hat zur Folge, dass die Aufnahme einer<br />

legalen Beschäftigung für die Mehrzahl der <strong>Flüchtlinge</strong> nicht möglich ist. Insgesamt<br />

wurden <strong>im</strong> Jahr 2003 knapp 500 Arbeitsgenehmigungen erteilt. In einzelnen Branchen<br />

bestehen vergleichsweise gute Chancen, Beschäftigung zu finden. Eine sinnvolle Alternative<br />

ist die Ausübung gemeinnütziger Beschäftigung. Diese wird zwar nur mit einem<br />

Euro je St<strong>und</strong>e vergütet, stellt jedoch eine Abwechslung <strong>im</strong> „tristen Lageralltag“<br />

dar.


1 Einleitung<br />

1.1 Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ziel der Untersuchung<br />

Die aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanzierte Gemeinschaftsinitiative<br />

EQUAL zielt auf die Erprobung neuer Wege zur Bekämpfung von Diskr<strong>im</strong>inierung <strong>und</strong><br />

Ungleichheiten von Arbeitenden <strong>und</strong> Arbeitssuchenden auf dem Arbeitsmarkt. Die berufliche<br />

Integration benachteiligter Personengruppen am Arbeitsmarkt steht deshalb <strong>im</strong><br />

Vordergr<strong>und</strong> des Programms, das in seiner ersten Förderperiode eine Laufzeit von<br />

2000 bis 2006 hat.<br />

Als EQUAL-Projekt hat sich <strong>im</strong> Saarland Ende 2001/Anfang 2002 SEPA - die Saarländische<br />

Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> - konstituiert. Wohlfahrtsverbände,<br />

Bildungsträger <strong>und</strong> Forschungseinrichtungen haben sich in SEPA zusammengeschlossen,<br />

um zur Verbesserung der arbeitsmarktpolitischen Situation von<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n 3 beizutragen. Die einzelnen Projektpartner<br />

bieten dazu Beratungs-, Betreuungs- <strong>und</strong> Qualifizierungsmaßnahmen für diese Zielgruppe<br />

an. Die Arbeit dieser operativen Partner wird unterstützt durch strategische<br />

Partner (verschiedene Landesministerien, die Handwerkskammer <strong>und</strong> - bis 31.12.2003<br />

- das Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz-Saarland).<br />

Das isoplan-Institut erstellt <strong>im</strong> Rahmen der Entwicklungspartnerschaft ein sogenanntes<br />

<strong>Weißbuch</strong>. Dieses liefert eine umfassende Bestandsaufnahme der Lebensbedingungen<br />

von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Saarland. Ein erstes <strong>Weißbuch</strong> wurde<br />

für das Jahr 2002 Anfang 2003 vorgelegt, <strong>im</strong> Jahr 2004 folgte die Fortschreibung. Der<br />

Betrachtungszeitraum des vorliegenden <strong>Weißbuch</strong>s ist das Jahr 2004. Zuweilen beziehen<br />

sich amtliche Statistiken (Kapitel 2) jedoch auf die Jahre 2002 oder 2003, da sie<br />

nicht zeitnah veröffentlicht werden. Neuere Entwicklungen, die sich insbesondere <strong>im</strong><br />

Zuge des Zuwanderungsgesetzes <strong>im</strong> Jahr 2005 ergeben, sind nur skizzenhaft als Ausblick<br />

formuliert (Kapitel 9: Ausblick).<br />

Das <strong>Weißbuch</strong> untersucht die Lebenssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n in all ihren Facetten:<br />

Wohnsituation, Versorgungslage, Ges<strong>und</strong>heitsversorgung, gesellschaftliches Leben,<br />

Konflikte, die Situation von Flüchtlingsfrauen <strong>im</strong> Besonderen sowie die Bereiche Schule<br />

<strong>und</strong> Erwerbstätigkeit. Im Vergleich zu 2002 wurden in diesem Jahr verschiedene<br />

Themen vertieft behandelt, z.B. die Ges<strong>und</strong>heitsversorgung, aber auch die Erwerbssituation.<br />

Die Tatsache, dass seit Sommer 2004 <strong>Flüchtlinge</strong> ausschließlich zentral in<br />

Lebach untergebracht werden, machte zudem eine Analyse der Wohnbedingungen<br />

erforderlich.<br />

3 Der Begriff „Flüchtling“ bezieht sich in diesem <strong>Weißbuch</strong> in erster Linie nicht auf bleibeberechtigte<br />

Personen, sondern auf jene, die entweder abgelehnt wurden oder <strong>im</strong> Besitz einer Duldung sind.<br />

1


2<br />

1.2 Methode<br />

Die umfangreichen Fragestellungen des <strong>Weißbuch</strong>s erforderten ein differenziertes Methodenkonzept,<br />

das unterschiedliche Erhebungs- <strong>und</strong> Analyseschritte miteinander verbindet:<br />

- Im Rahmen einer Sek<strong>und</strong>äranalyse wurden - neben einer Aufarbeitung der aktuellen<br />

Literatur - umfangreiche statistische Recherchen durchgeführt. Wesentliche Daten<br />

wurden vom Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport des Saarlandes,<br />

dem Landesamt für Ausländer- <strong>und</strong> Flüchtlingsangelegenheiten (LAFL), dem<br />

Statistischen Landesamt <strong>und</strong> der Regionaldirektion der BA Rheinland-Pfalz-<br />

Saarland zur Verfügung gestellt.<br />

- Zu den jeweiligen Themenbereichen des <strong>Weißbuch</strong>s wurden in einer Pr<strong>im</strong>äranalyse<br />

Expertengespräche geführt. Die r<strong>und</strong> 75 Gesprächspartner/<strong>innen</strong> setzen sich<br />

<strong>im</strong> Wesentlichen zusammen aus Vertreter/<strong>innen</strong> der politischen Ebene, Mitarbeiter/<strong>innen</strong><br />

von Wohlfahrtsorganisationen <strong>und</strong> Verbänden, sonstigen Akteuren der<br />

Flüchtlingsarbeit, Personen, die in ihrem beruflichen Kontext Kontakt zu <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

haben (auch wenn sie nicht direkt in der Flüchtlingsarbeit tätig sind) <strong>und</strong> Lehrer/<strong>innen</strong>.<br />

Sie wurden - entsprechend ihrer Spezialisierung bzw. ihrem Tätigkeitsfeld<br />

- um eine Einschätzung der Lebensbedingungen von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>im</strong> Saarland<br />

gebeten.<br />

- Darüber hinaus wurden r<strong>und</strong> 15 Sprachkursträger zum Thema Sprache mündlich<br />

befragt.<br />

- Zum Thema Beschäftigung erfolgte neben den Expertengesprächen eine mündliche<br />

Befragung von r<strong>und</strong> 80 <strong>im</strong> Saarland ansässigen Firmen aus Wirtschaftsbereichen,<br />

die tendenziell die besten Beschäftigungsmöglichkeiten für <strong>Flüchtlinge</strong> bieten.<br />

- Ein weiterer zentraler Baustein des Methodenkonzepts waren Gespräche mit r<strong>und</strong><br />

90 <strong>Flüchtlinge</strong>n (Flüchtlingsbiografien). Sie hatten die Funktion, die eigentliche<br />

Zielgruppe des Programms - nämlich <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> - zu Wort<br />

kommen zu lassen <strong>und</strong> ihre Einschätzung der eigenen Lebenssituation in Erfahrung<br />

zu bringen. Die Gespräche beinhalteten allgemeine Aussagen zur (Flucht-)<br />

Biografie (Herkunftsland, Alter, Einreise nach Deutschland, Unterbringung in<br />

Deutschland) sowie eine detaillierte Beschreibung der Schullaufbahn <strong>und</strong> der Beschäftigungssituation<br />

(jeweils <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland <strong>und</strong> in Deutschland). 29 % der Befragten<br />

sind weiblich. Die Mehrzahl ist zwischen 18 <strong>und</strong> 35 Jahre alt. Relativ stark vertreten<br />

ist darüber hinaus die Gruppe der Jugendlichen (unter 18 Jahre) sowie die<br />

35- bis 50-jährigen. Über 50-jährige hingegen wurden nur in seltenen Fällen befragt.<br />

Folgende Herkunftsländer sind am stärksten vertreten: Türkei, Iran sowie<br />

Serbien <strong>und</strong> Montenegro.<br />

Die Gesamtheit der Erhebungsschritte ist in die Bewertung der Lebenssituation von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n miteingeflossen.


1.3 Ein Wort zur Objektivität<br />

Wissenschaftliche Arbeiten sind <strong>im</strong>mer mit dem Anspruch der Objektivität verb<strong>und</strong>en.<br />

So erwartet man auch von einem <strong>Weißbuch</strong>, dass es die Lebenssituation von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n objektiv beschreibt. Doch was bedeutet Objektivität?<br />

„Objektivität ist die Qualität einer Aussage, die sich ausschließlich auf Eigenschaften<br />

des Objektes beschränkt <strong>und</strong> von Eigenschaften des beobachtenden<br />

Subjekts abstrahiert. Objektivität zu erreichen ist ein Ideal, das wegen subjektiven<br />

Bedingungen einer Beobachtung nicht vollständig erreicht werden kann...<br />

Philosophisch ergibt sich, dass der Begriff Objektivität nur Sinn ergibt, wenn man<br />

von einer vom Subjekt getrennten Außenwelt ausgeht...“ 4<br />

Angewandt auf das <strong>Weißbuch</strong> heißt das: Die zu beschreibende Situation müsste vom<br />

Beschreibenden getrennt sein - was nicht der Fall ist. Alternativ erscheint eine „objektive“<br />

Darstellung der Situation von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>im</strong> Saarland<br />

deshalb nur unter Nennung des normativen Bezugsrahmens der Gutachter möglich.<br />

Eine wichtige Rolle bei der Frage nach der Objektivität spielt daher die Perspektive der<br />

Gutachterin/des Gutachters:<br />

„...Das Hauptproblem sozialwissenschaftlicher Objektivität wird durch die Tatsache<br />

relevant, dass der Sozialwissenschaftler als Forscher [...] eben der Gesellschaft<br />

angehört bzw. von der Gesellschaft geprägt [wird], die Gegenstand [seiner]<br />

Arbeit [ist]. Die Objektivität sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse wird somit<br />

durch die theoretisch-weltanschaulich-ideologischen Gr<strong>und</strong>lagen der Forscher<br />

<strong>und</strong> durch die persönlichen Evidenz-Erlebnisse der Forscher beeinflusst...“ 5<br />

Da die Gutachter aus jeweils (möglicherweise unterschiedlicher) individueller Perspektive<br />

Situationen <strong>und</strong> Vorgänge betrachten, bleibt es nicht aus, dass es zu unterschiedlichen<br />

Bewertungen kommt. So wird beispielsweise ein Gutachter, der außerhalb des<br />

Saarlandes <strong>und</strong> auch außerhalb Europas Flüchtlingslager besucht hat, eine andere<br />

Einschätzung zum Thema „menschenwürdige Unterbringung“ haben, als ein Gutachter,<br />

der die Lebacher Unterkunft unvoreingenommen betrachtet. Zugleich wird ein<br />

Flüchtling aus dem Kosovo oder ein Kurde aus dem ländlichen Südosten der Türkei die<br />

Lebacher Unterkunft anders bewerten als ein iranischer Flüchtling mit einem wohlhabenden<br />

Hintergr<strong>und</strong>. Allein der normative Bezugsrahmen ermöglicht es, unterschiedliche<br />

Sichtweisen in eine bewertende Analyse einzubinden.<br />

Besitzt der Mensch danach überhaupt die Möglichkeit, etwas objektiv zu beurteilen?<br />

„...Objektivität nennt man auch die Fähigkeit, etwas „streng objektiv“ zu beobachten<br />

oder darzustellen. Eine solche Fähigkeit besitzt der Mensch nicht; vielmehr<br />

wirkt bei jeder Erkenntnis <strong>und</strong> bei jeder Aussage das ganze körperlich-seelischgeistige<br />

Sosein des Einzelnen einschließlich der Kräfte seines Unterbewusstseins<br />

<strong>und</strong> des Erlebnistranszendenten mit...“ 6<br />

4 URL: www.lexikon-definition.de.<br />

5 Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1994.<br />

6 Schischkoff, Georgi (Hg.): Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart 1991.<br />

3


4<br />

Für viele <strong>im</strong> <strong>Weißbuch</strong> angesprochene strittige Themen lassen sich keine Indikatoren<br />

benennen, die frei von Werturteilen sind. Die Gutachter haben nach bestem Wissen die<br />

jeweils besten Kenner der Situation bzw. Quellen von Informationen zu Rate gezogen.<br />

Hier muss jedoch die Frage gestellt werden, welche Bedeutung den verwendeten<br />

Quellen hinsichtlich der Objektivität zukommt.<br />

„Umgangssprachlich sowie <strong>im</strong> Journalismus enthält ,Objektivität´ häufig auch eine<br />

Bedeutung in Richtung Neutralität. Wenn zum Beispiel von einem ,objektiven´<br />

Zeitungsartikel gesprochen wird, meint man damit, dass er nicht einseitig ist,<br />

sondern den Beteiligten neutral gegenübersteht... Nach dem semiotischen Modell<br />

von Charles Sanders Peirce ist Objektivität das Zeichenobjekt, welches als reines<br />

Objekt nie fassbar ist, da es einerseits unserem menschlichen Verständnis <strong>im</strong>mer<br />

der Interpretation unterliegt <strong>und</strong> andererseits für uns unlösbar mit dem Medium,<br />

welches es zu uns Interpretanten leitet, verb<strong>und</strong>en ist.“ 7<br />

Übertragen auf das <strong>Weißbuch</strong> bedeutet das Folgendes: absolute Objektivität ist nicht<br />

nur deshalb nicht leistbar, weil der beschriebene Sachverhalt der Interpretation unterworfen<br />

ist (was durch die Herstellung des normativen Bezugsrahmens u.U. etwas<br />

zu „objektivieren“ ist), sondern auch aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass bereits die hinzugezogenen<br />

Quellen ihrerseits interpretieren <strong>und</strong> einen Sachverhalt nicht mehr objektiv<br />

beschreiben. Diese Feststellung kann aufgr<strong>und</strong> der <strong>im</strong> Rahmen der Recherchen gesammelten<br />

Erfahrungen bestätigt werden.<br />

Die geführten Gespräche geben zum Teil völlig gegensätzliche Eindrücke <strong>und</strong> Beurteilungen<br />

ein <strong>und</strong> derselben Situation wieder. Im Saarland befindet man sich <strong>im</strong> Themenfeld<br />

Flüchtlingspolitik in einer gewissen „Frontstellung“ zwischen der politischen Ebene<br />

einerseits <strong>und</strong> Wohlfahrtverbänden <strong>und</strong> Flüchtlingsorganisationen andererseits.<br />

Auch wenn diese durch die beteiligten Akteure tendenziell so nicht wahrgenommen<br />

wird, haben die Gutachter <strong>im</strong> Rahmen ihrer Recherchen diese Beobachtung gemacht.<br />

Es zeigt sich, dass Themen wie die Wohnsituation oder die Abschiebepraxis entlang<br />

eines „Gut-Böse“-Schemas bewertet werden. Auch Schuldzuweisungen erfolgen. So<br />

werfen Institutionen, für die das Wohl der <strong>Flüchtlinge</strong> absolute Priorität hat, der Landesregierung<br />

bzw. ausführenden Behörden vor, beispielsweise bei Abschiebungen einen<br />

möglicherweise vorhandenen Ermessensspielraum selten zugunsten von Härtefällen<br />

zu nutzen. Hinter einer solchen Bewertung steht oft eine genaue Kenntnis der Einzelpersonen.<br />

Die ausführenden Behörden dagegen agieren ohne diese direkte Nähe zu<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> verfolgen das Ziel, gemäß dem Asylrecht <strong>und</strong> den Entscheidungen<br />

der Verwaltungsgerichte entsprechende Maßnahmen treffen sowie nicht zuletzt vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> des Ziels einer Kostenmin<strong>im</strong>ierung für das Land entsprechende Entscheidungen<br />

zu fällen. 8<br />

7 URL: www.lexikon-definition.de.<br />

8 An dieser Stelle soll der „Fall Mehmet“ als Beispiel herangezogen werden. Der in Deutschland<br />

geborene Sohn türkischer Zuwanderer <strong>und</strong> junger Serienstraftäter wurde vor einigen Jahren in die<br />

Türkei abgeschoben. Begründet wurde dies damit, dass straffällige Ausländer abzuschieben seien.<br />

Es wurde eine „Schuld“ des Jungen bzw. eine Verantwortung seines He<strong>im</strong>atlandes festgestellt.<br />

Gegner dieser Entscheidung argumentierten, dass es das Leben in der deutschen Gesellschaft<br />

war, die zu Serienstraftaten führte. Entsprechend liege die Verantwortung für eine „Resozialisierung“<br />

bei der deutschen Gesellschaft. Das Beispiel zeigt, wie Schuld hin- <strong>und</strong> hergeschoben werden<br />

kann bzw. die entscheidende Instanz Schuld abzuwehren hatte. Ohne einen normativen Bezugsrahmen<br />

ist diese Entscheidung nicht oder nur schwer objektiv darstellbar bzw. zu bewerten.


Diese „Frontstellung“ ist auch durch das <strong>Weißbuch</strong> nicht aufzulösen <strong>und</strong> führt dazu,<br />

dass die Darstellungen <strong>im</strong> <strong>Weißbuch</strong> jeweils als zu einseitig empf<strong>und</strong>en werden können<br />

(<strong>im</strong> Sinne: Situation der <strong>Flüchtlinge</strong> verharmlost dargestellt vs. Situation der <strong>Flüchtlinge</strong><br />

dramatisiert). An dieser Stelle wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir uns<br />

als unabhängige Gutachter verstehen <strong>und</strong> deshalb auf das Höchste bemüht sind, den<br />

verschiedenen Beteiligten neutral gegenüberzutreten <strong>und</strong> die jeweiligen Sichtweisen<br />

angemessen zu berücksichtigen.<br />

Dass es jedoch nicht eine einzige richtige Bewertung von Vorgängen <strong>und</strong> Situationen<br />

geben kann, wird deutlich. Es kann lediglich der Versuch unternommen werden, die<br />

Relativität des Blickwinkels beider Seiten offen zu legen - nicht zuletzt, damit der<br />

Dialog intensiviert wird. Wenn das <strong>Weißbuch</strong> eine solche Mittlerrolle übernehmen<br />

könnte, hätte sich der Anspruch der Autoren erfüllt.<br />

5


2 Statistischer Überblick über <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Saarland<br />

Die Verbesserung der Lebens- bzw. der Arbeitsbedingungen von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>im</strong> Saarland<br />

- wie sie SEPA als Ziel verfolgt - setzt voraus, dass umfangreiche Informationen<br />

über diese Personengruppe vorliegen. Vor der überwiegend qualitativen Beschreibung<br />

der Lebenssituationen <strong>im</strong> Einzelnen steht an dieser Stelle eine quantitative Darstellung,<br />

die u.a. die Entwicklung der Zugangszahlen, die Anzahl der <strong>im</strong> Saarland lebenden<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, ihre demografischen Strukturelemente sowie Angaben zum Aufenthaltsstatus<br />

<strong>und</strong> der Aufenthaltsdauer enthält. Gegenstand der Betrachtung ist ausschließlich<br />

das Saarland. Die B<strong>und</strong>esebene wird allenfalls als Referenzebene<br />

herangezogen. 9<br />

Die statistische Betrachtung bezieht sich auf eine best<strong>im</strong>mte Untergruppe von <strong>Flüchtlinge</strong>n,<br />

nämlich auf <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> mit unsicherem Aufenthaltsstatus.<br />

Darüber hinaus lebt <strong>im</strong> Saarland eine Vielzahl von Personen mit Fluchthintergr<strong>und</strong>,<br />

etwa <strong>Flüchtlinge</strong>, die über eine Aufenthaltsbefugnis verfügen, anerkannt wurden oder<br />

gar mittlerweile eingebürgert sind. Daten über diesen Personenkreis werden in der<br />

amtlichen Statistik nicht separat erfasst. Aus den geführten Flüchtlingsbiografien ist<br />

bekannt, dass viele anerkannte <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit<br />

anstreben. 10<br />

Die betrachtete Untergruppe umfasst <strong>im</strong> Saarland laut Angaben des Ausländerzentralregisters<br />

(AZR) zum Stand 30.06.04 insgesamt 757 Personen, die über eine Aufenthaltsgestattung<br />

verfügen sowie weitere 3.146 Personen mit Duldung.<br />

9 Das Ministerium für Inneres, Familien, Frauen <strong>und</strong> Sport stellte Statistiken hinsichtlich der Zugangszahlen<br />

von <strong>Asylbewerber</strong><strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>n <strong>im</strong> Saarland, der in den Landesunterkünften<br />

vertretenen Nationen, der Altersstruktur der in den Landesunterkünften untergebrachten Personen,<br />

ihrer Verweildauer, des Aufenthaltsstatus, aufenthaltsbeendender Maßnahmen sowie eine Antrags-<br />

<strong>und</strong> Entscheidungsstatistik - basierend auf Statistiken des AZR - zur Verfügung. Statistiken,<br />

die Kohortenvergleiche ermöglichen würden, konnten leider nicht bereitgestellt werden. Das BAFl<br />

informierte isoplan über die Herkunftsländer, die in den Zuständigkeitsbereich der Außenstelle Lebach<br />

fallen sowie über die Dauer der Asylverfahren. Das Statistische Landesamt des Saarlandes<br />

stellte Statistiken zu Ausgaben, Einnahmen <strong>und</strong> den Empfängerkreis <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Asylbewerber</strong>leistungsgesetzes<br />

sowie eine Statistik zu ausländischen Schüler<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Schülern <strong>im</strong> Saarland<br />

(nach Staatsangehörigkeit <strong>und</strong> Schulart) zur Verfügung. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes<br />

stellte Daten zu Asylstreitverfahren bereit. Die Angaben zur Kr<strong>im</strong>inalstatistik in Kapitel 4.5 basieren<br />

auf der polizeilichen Kr<strong>im</strong>inalstatistik des Saarlandes, die von der Landeskr<strong>im</strong>inalpolizei bereitgestellt<br />

wurde. Die Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit<br />

stellte eine Statistik über erteilte Arbeitserlaubnisse in den Jahren 2002 <strong>und</strong> 2003 zur Verfügung.<br />

10 Diese ist <strong>im</strong> Rathaus der Wohnsitzgemeinde zu beantragen. Die Entscheidung über die Einbürgerung<br />

fällt das Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport des Saarlandes. Über die Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie die Übergabe der Einbürgerungsurk<strong>und</strong>e zukünftig ausgestaltet sein soll, wird derzeit<br />

noch diskutiert.<br />

7


8<br />

2.1 Zugang, Verfahren <strong>und</strong> Verbleib<br />

2.1.1 Zugangszahlen<br />

Die B<strong>und</strong>esländer sind nach § 44 AsylVfG zur Schaffung <strong>und</strong> Unterhaltung von Erstaufnahmeeinrichtungen<br />

(EAE) verpflichtet. In diesen EAE oder in einer Außenstelle<br />

werden jene Personen untergebracht die in Deutschland Asyl suchen <strong>und</strong> beanspruchen,<br />

nach Art. 16a GG politisch verfolgt zu sein, nachdem sie ihr Begehr der Grenzbehörde,<br />

der Ausländerbehörde oder der Polizeidienststelle mitgeteilt haben.<br />

Im Saarland werden alle <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> zunächst in die EAE innerhalb der Landesaufnahmestelle<br />

nach Lebach gebracht. Dort sind sowohl eine Außenstelle des BAFl<br />

als auch das Landesamt für Ausländer- <strong>und</strong> Flüchtlingsangelegenheiten vor Ort. Die<br />

Anträge der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> werden vom BAFl bearbeitet. Dabei ist die Außenstelle<br />

in Lebach zuständig für folgende Herkunftsländer:<br />

Tabelle 1: Herkunftsländer, für die die Außenstelle des BAFl in Lebach zuständig<br />

ist (Stand: 01.03.04)<br />

Europa Belgien, Bosnien <strong>und</strong> Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Estland,<br />

Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien mit Nordirland,<br />

Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande,<br />

Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation,<br />

Schweden, Schweiz, Serbien <strong>und</strong> Montenegro, Slowenien,<br />

sonstige europäische Staaten, Spanien, Tschechische Republik,<br />

Türkei, Ungarn, Zypern<br />

Asien Afghanistan, China, Indien, Irak, Iran, Oman, Pakistan, sonstige asiatische<br />

Staaten, Syrien, Vietnam<br />

Afrika Algerien, Ghana, Senegal, sonstige afrikanische Staaten<br />

USA, Kanada Kanada<br />

Staatenlos, ungeklärt<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esamt für die Anerkennung ausländischer <strong>Flüchtlinge</strong>, Stand: März 2004<br />

Im Vergleich zum Jahr 2002 sind somit etliche Länder zusätzlich in den Zuständigkeitsbereich<br />

der Außenstelle in Lebach gekommen, zahlreiche andere sind weggefallen.<br />

Hinzugekommen sind:<br />

- Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien mit Nordirland,<br />

Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen,<br />

Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Senegal, Serbien <strong>und</strong> Montenegro,<br />

Spanien, Tschechische Republik, Ungarn <strong>und</strong> Zypern.<br />

Weggefallen sind hingegen:<br />

- Ägypten, Albanien, Elfenbeinküste, Jugoslawien, Demokratische Republik Kongo,<br />

Kroatien, Libanon, Marokko, Mazedonien, Moldau, Nigeria, Sri Lanka, sonstige<br />

amerikanische Staaten, Togo, Tunesien, Ukraine <strong>und</strong> Weißrussland.


Best<strong>im</strong>mte europäische Staaten werden in der Zuständigkeitsliste aufgeführt, obwohl<br />

ein Antrag von Personen dieser Nationen unwahrscheinlich ist. Ein Asylantrag seitens<br />

eines Österreichers, wie er kürzlich gestellt wurde, ist als exotischer Antragsfall anzusehen.<br />

Für den Fall der Fälle müssen aber auch für diese Länder die Zuständigkeiten<br />

geklärt sein.<br />

Veränderungen der Zuständigkeiten resultieren aus einem veränderten Aufkommen<br />

von Anträgen aus verschiedenen Nationen. Die stärksten Antragsländer werden b<strong>und</strong>esweit<br />

bearbeitet - nicht zuletzt, um Konzentrationen zu vermeiden. Schwache <strong>und</strong><br />

sehr spezielle Antragsländer fallen nur in den Zuständigkeitsbereich best<strong>im</strong>mter Außenstellen.<br />

Der Verfahrensablauf zur Verteilung sieht vor, dass <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> - sofern sie<br />

nicht an der Grenze zurückgewiesen wurden - an die nächstgelegene Erstaufnahmeeinrichtung<br />

verwiesen werden. Mit Hilfe des b<strong>und</strong>esweiten Verteilungssystems EASY<br />

(Erstverteilung von <strong>Asylbewerber</strong>n) wird dort die für ihre Unterbringung zuständige<br />

Erstaufnahmeeinrichtung ermittelt. Dabei werden die in § 45 AsylVfG festgelegten<br />

Aufnahmequoten der einzelnen B<strong>und</strong>esländer berücksichtigt. Die Aufnahmequote für<br />

das Saarland beträgt 1,4 %. Das Landesamt für Ausländer- <strong>und</strong> Flüchtlingsangelegenheiten<br />

ist zuständig für die Aufnahme, Unterbringung <strong>und</strong> Weiterleitung der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>.<br />

Wenn das BAFl in Lebach nicht zuständig ist oder wenn die Quote für das<br />

Saarland bereits erfüllt ist, müssen die Personen in ein anderes B<strong>und</strong>esland weiterreisen.<br />

Tabelle 2: Zugangszahlen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> 1995 bis 2003<br />

Jahr Zugänge <strong>im</strong> Saarland Weiterleitung in andere<br />

B<strong>und</strong>esländer<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> aus Bosnien/Kosovo<br />

- Aufnahme<br />

nach ungesteuerter<br />

Einreise<br />

1995 1.943 555 1.248<br />

1996 1.852 365 42<br />

1997 1.779 242 16<br />

1998 1.782 140 7<br />

1999 1.671 165 23<br />

2000 1.423 108 2<br />

2001 1.581 153 0<br />

2002 1.243 283 1<br />

2003 887 219 0<br />

Quelle: Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport des Saarlandes<br />

Die Zahl der <strong>im</strong> Saarland ankommenden <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> war <strong>im</strong> Jahr 2003 weiterhin<br />

deutlich rückläufig. Sie ist allein von 2002 bis 2003 um knapp 30 % zurückgegangen.<br />

9


10<br />

2.1.2 Antrags- <strong>und</strong> Entscheidungsstatistik, Verfahrensdauer<br />

Im Jahr 2003 wurden <strong>im</strong> Saarland insgesamt 788 Asylanträge bearbeitet, darunter<br />

633 Erstanträge. Jeweils mehr als zehn Anträge wurden von Personen aus folgenden<br />

Herkunftsländern gestellt:<br />

Türkei (178), Serbien <strong>und</strong> Montenegro (125), China (85), Irak (54), Russische Föderation<br />

(51), Vietnam (41), Iran (36), Algerien (28), Syrien (24), Pakistan (21), Bulgarien<br />

(18), Indien (15), Afghanistan (14), Slowakische Republik (14), Bosnien <strong>und</strong> Herzegowina<br />

(12) <strong>und</strong> Rumänien (11)<br />

Die Türkei war 2003 Hauptherkunftsland derer, die einen Asylantrag in der Außenstelle<br />

des BAFl in Lebach stellten, gefolgt von Serbien <strong>und</strong> Montenegro sowie China.<br />

Der Irak liegt erst an vierter Stelle. Die Russische Förderation folgt an fünfter Stelle.<br />

Diese Antragsstatistik spiegelt weitestgehend den B<strong>und</strong>estrend wider: In 2003 waren<br />

die zugangsstärksten Herkunftsländer: Türkei (12,5 %), Serbien <strong>und</strong> Montenegro<br />

(9,7 %), Irak (7,6 %), Russische Förderation (6,7 %) <strong>und</strong> China (4,7 %).<br />

Die Dauer des <strong>im</strong> Anschluss an den gestellten Asylantrag einsetzenden Anerkennungsverfahrens<br />

vor dem B<strong>und</strong>esamt, das sich bis zum Ergehen des Bescheides<br />

über die Entscheidung erstreckt, kann stark variieren. Im Jahr 2002 wurden r<strong>und</strong> 25 %<br />

der Entscheidungen <strong>im</strong> Saarland innerhalb eines Monats getroffen, r<strong>und</strong> 28 % <strong>im</strong> Zeitraum<br />

von 1 bis 3 Monaten, r<strong>und</strong> 17 % in 3 bis 6 Monaten <strong>und</strong> bei 29 % lag die Entscheidungsdauer<br />

bei über 6 Monaten. Hier sind zugangsschwache Länder (z.B. Demokratische<br />

Republik Kongo, Sierra Leone, Tschetschenien), für die die Entscheidungstätigkeit<br />

zeitweise ausgesetzt war, enthalten. Nicht darin enthalten ist die<br />

damalige B<strong>und</strong>esrepublik Jugoslawien. Für Kosovo-Albaner gab es vom 31.03.99 bis<br />

31.08.99 einen Entscheidungsstopp, für Serben bis 27.12.01 <strong>und</strong> für Roma <strong>und</strong> Aschkali<br />

bis 26.03.02. Für das Herkunftsland Afghanistan war die Entscheidungstätigkeit<br />

vom 21.08.00 bis Ende Mai 2001 sowie von Mitte November 2001 bis 27.05.03 ausgesetzt.<br />

Für das Jahr 2003 liegen zum jetzigen Zeitpunkt nur Daten für den Zeitraum 1.1.03 bis<br />

30.04.03 vor. Danach wurden r<strong>und</strong> 21 % der Anträge innerhalb eines Monats, r<strong>und</strong> 27<br />

% in 1 bis 3 Monaten, r<strong>und</strong> 19 % in 3 bis 6 Monaten <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 33 % erst nach sechs<br />

Monaten Bearbeitungszeit entschieden. 11<br />

Im Rahmen der Durchführung des Asylverfahrens ist das B<strong>und</strong>esamt nicht nur für die<br />

Anerkennung des Asylsuchenden als politisch Verfolgter nach Art. 16 a Abs. 1 GG zuständig,<br />

sondern auch für die Prüfung des Vorliegens von Voraussetzungen für den<br />

Abschiebungsschutz gem. § 51 Abs. 1 AuslG bzw. das Feststellen von zielstaatenbezogenen<br />

Abschiebungshindernissen gem. § 53 AuslG. Darüber hinaus ergehen auch<br />

formelle Entscheidungen, die hauptsächlich Folgeanträge betreffen (Ablehnung des<br />

Folgeantrags) sowie Einstellungen des Verfahrens wegen Antragsrücknahme durch<br />

den <strong>Asylbewerber</strong>.<br />

11 Quelle: Angaben des BAFl vom 18.03.2004.


Die Anerkennungsquote stellt das Verhältnis der Anzahl der Anerkennungen als Asylberechtigte<br />

zu der Gesamtzahl der Entscheidungen dar. Diese Quote lag <strong>im</strong> Jahr<br />

2003 <strong>im</strong> Saarland bei 1,1 % <strong>und</strong> somit unter dem B<strong>und</strong>esdurchschnitt von 1,6 %. Saarlandweit<br />

wurden in 2003 10 <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> als Asylberechtigte anerkannt, darunter<br />

vier aus der Türkei, vier aus Iran <strong>und</strong> jeweils eine(r) aus der Russischen Föderation<br />

<strong>und</strong> dem Irak. Die überwiegende Mehrheit der Anträge - nämlich 65,1 % - wurde abgelehnt.<br />

Abschiebeschutz gem. § 51 Abs. 1 AuslG wurde in 2,0 % der Fälle gewährt, Abschiebungshindernisse<br />

nach § 53 AuslG wurden in 1,5 % der Fälle festgestellt. In<br />

30,3 % der Fälle erfolgten sonstige Verfahrenserledigungen. Hierbei handelt es sich<br />

um formale, sozusagen nicht inhaltlich-materielle Erledigungen: Einstellungen wegen<br />

Antragsrücknahme, Einbürgerungen, Todesfälle, unzulässige Doppelverfahren, verschleierte<br />

Identität etc.<br />

Bereits <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Weißbuch</strong>s 2002 wies die BAFl-Außenstelle Lebach darauf<br />

hin, dass ein Vergleich der B<strong>und</strong>esquote mit der des Saarlandes problematisch sei, da<br />

<strong>im</strong> Saarland nicht alle Herkunftsländer bearbeitet werden, die Auswahl der Herkunftsländer<br />

jedoch Auswirkungen auf die genannten Quoten habe.<br />

11


12<br />

Tabelle 3: Übersicht über Entscheidungen des B<strong>und</strong>esamtes zu ausgewählten<br />

12 Herkunftsländern <strong>im</strong> Saarland <strong>im</strong> Jahr 2003<br />

Serbien <strong>und</strong><br />

Montenegro<br />

ENTSCHEIDUNGEN über Asylanträge<br />

Insgesamt Sachentscheidungen<br />

Anerkennungen<br />

als Asylberechtigte <br />

Abschie-<br />

Gewährung<br />

bungs<br />

von Abschiehindernisbungsschutz<br />

gem. §53<br />

gem. §51 Abs.<br />

AuslG festge-<br />

1 AuslG<br />

stellt<br />

Ablehnungen<br />

Sonstige<br />

Verfahrenserledigung<br />

210 - - 7 98 105<br />

Türkei 178 4 4 1 101 68<br />

China 85 - - - 81 4<br />

Irak 59 1 4 - 42 12<br />

Vietnam 50 - - 1 43 6<br />

Russische Föderation<br />

43 1 9 - 20 13<br />

Algerien 33 - - - 30 3<br />

Iran 33 4 - - 24 5<br />

Bulgarien 32 - - - 22 10<br />

Syrien 30 - 1 1 19 9<br />

Pakistan 21 - - - 19 2<br />

Bosnien <strong>und</strong><br />

Herzegowina<br />

18 - - 3 15 -<br />

Indien 17 - - - 13 4<br />

Afghanistan 16 - - - 15 1<br />

Slowakische<br />

Republik<br />

14 - - - 9 5<br />

Rumänien 9 - - - 5 4<br />

Sonstige 72 - - 1 43 28<br />

Insgesamt 920 10 18 14 599 279<br />

Quelle: BAFl<br />

2.1.3 Klageverfahren<br />

Gegen die Entscheidungen des BAFl steht <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> der Klageweg vor den<br />

Verwaltungsgerichten (VG) offen. Da es <strong>im</strong> Asylverfahren kein Widerspruchsverfahren<br />

gibt, muss nach der Entscheidung direkt der Klageweg beschritten werden.<br />

12 Ausgewählt wurde nach dem Kriterium: Fallzahl gestellte Asylanträge > 10.


Tabelle 4: Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht<br />

Hauptverfahren Bestand zum<br />

Jahresanfang<br />

Eingänge Erledigungen Bestand zum<br />

Jahresende<br />

1995 2.958 1.321 1.099 3.180<br />

1996 3.180 1.482 1.502 3.160<br />

1997 3.159 1.650 1.812 2.945<br />

1998 2.944 1.332 2.097 2.180<br />

1999 2.180 1.226 2.058 1.350<br />

2000 1.352 861 1.553 660<br />

2001 661 838 852 650<br />

2002 650 1017 1039 628<br />

2003 628 956 896 688<br />

Quelle: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes<br />

Der Bestand an Verfahren zum Jahresende ist <strong>im</strong> Zeitraum von 2002 bis 2003 leicht<br />

angestiegen, womit der von 1995 bis 2002 andauernde Trend rückläufiger Bestände<br />

gebrochen wurde. Die Zahl der Eingänge ist um r<strong>und</strong> 6 % zurückgegangen. Die Zahl<br />

der Erledigungen sank <strong>im</strong> Betrachtungszeitraum um r<strong>und</strong> 14 %.<br />

Tabelle 5: Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht<br />

Vorläufiger<br />

Rechtsschutz<br />

Bestand zum<br />

Jahresanfang<br />

Eingänge Erledigungen Bestand zum<br />

Jahresende<br />

1995 32 431 441 22<br />

1996 22 479 464 37<br />

1997 38 785 746 19<br />

1998 19 577 566 29<br />

1999 29 385 388 26<br />

2000 26 361 377 10<br />

2001 10 385 384 11<br />

2002 11 358 356 13<br />

2003 13 242 247 8<br />

Quelle: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes<br />

Wenn <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> das Urteil des VG anfechten möchten, besteht die Möglichkeit,<br />

einen Antrag auf Zulassung der Berufung be<strong>im</strong> OVG zu stellen. Die Gründe zur<br />

Zulassung einer solchen Berufung sind vom Gesetzgeber restriktiv ausgestaltet. Sie<br />

liegen beispielsweise vor, wenn der Fall gr<strong>und</strong>sätzliche Bedeutung hat oder wenn von<br />

höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen wurde.<br />

13


14<br />

Tabelle 6: Berufungszulassungsanträge <strong>und</strong> Berufungen vor dem OVG<br />

Hauptverfahren Bestand zum<br />

Jahresanfang<br />

Eingänge Erledigungen Bestand zum<br />

Jahresende<br />

1995 1.052 682 763 971<br />

1996 971 614 782 803<br />

1997 803 475 623 656<br />

1998 656 621 751 526<br />

1999 525 670 699 496<br />

2000 496 675 995 176<br />

2001 176 157 154 179<br />

2002 179 173 273 79<br />

2003 79 144 142 81<br />

Quelle: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes<br />

Wie bei den Klagen vor dem VG waren die Eingänge am OVG in 2003 weiterhin rückläufig.<br />

Auch der Bestand am Jahresanfang war auf seinem niedrigsten Stand, allenfalls<br />

am Jahresende lag er leicht über dem des Vorjahres.<br />

2.1.4 Aufenthaltsbeendende Maßnahmen<br />

Ausreisen <strong>und</strong> Nutzung von Rückkehrhilfen<br />

Wie schon <strong>im</strong> <strong>Weißbuch</strong> für das Jahr 2002 liegen keine Angaben zu Ausreisen von<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n vor, da Weiterwanderungen nicht <strong>im</strong>mer gemeldet<br />

<strong>und</strong> nur sehr begrenzt gemessen werden können.<br />

Das Weiterwanderungen betreuende Raphaels-Werk zählte <strong>im</strong> Jahr 2000 noch 78, in<br />

den Jahren 2001 bis 2003 jedoch nur noch 12, vier bzw. keine Weiterwanderungen. Zu<br />

den vier in 2002 weiter gewanderten Personen kommen neun freiwillig ausgereiste<br />

Personen. Unter den Zielländern dominieren die U.S.A, Kanada <strong>und</strong> Australien. Der<br />

Rückgang ist unter anderem darin begründet, dass es seit gut vier Jahren kein spezielles<br />

Programm für Bosnier/<strong>innen</strong> mehr gibt. Ferner sind die Anforderungen seitens der<br />

Zielländer sehr hoch. So sind etwa eine hohe Gefahr für Leib <strong>und</strong> Leben in der He<strong>im</strong>at<br />

<strong>und</strong> ein „Sponsor“ nachzuweisen, der die Kosten für das erste Jahr <strong>im</strong> Zuwanderungsland<br />

zu tragen gewillt ist. 13 Darüber hinaus liegen zu Ausreisen keine Informationen<br />

vor.<br />

Seit 1993 wird die freiwillige Rückkehr von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> über<br />

die Programme REAG (Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers<br />

in Germany) <strong>und</strong> GARP (Government Assisted Repatriation Programme) aus B<strong>und</strong>es-<br />

<strong>und</strong> Landesmitteln gefördert, indem Reisekosten übernommen <strong>und</strong> eine Reisebeihilfe<br />

bewilligt werden. Im Jahr 2000 wurden noch in 589 Fällen Rückkehrhilfen in Anspruch<br />

13 Gespräch mit einem Mitarbeiter des Raphaels-Werks am 28.06.04.


genommen, 2001 <strong>und</strong> 2002 waren es jedoch nur noch 87 bzw. 126 Fälle. Im Jahr 2003<br />

stieg die Inanspruchnahme wieder auf 144 Fälle. 14 Ziel ist die Vermeidung aufenthaltsbeendender<br />

(Zwangs-) Maßnahmen <strong>und</strong> weiterer Kosten für den Lebensunterhalt der<br />

Personen. Die Ursachen der zuletzt wieder steigenden Inanspruchnahme sind nicht<br />

bekannt.<br />

In Ergänzung zu diesen von der International Organization of Migration (IOM) abgewickelten<br />

Programmen hat das Saarland Anfang 2002 begonnen, die Rückkehr von ausreisewilligen<br />

Migrant<strong>innen</strong>/Migranten verstärkt zu fördern. Dazu werden zusätzliche<br />

finanzielle Anreize aus Landesmitteln für die in Frage kommenden Personen geboten.<br />

Für ausführliche Beratungsgespräche wurden drei vom damaligen Ministerium für Inneres<br />

<strong>und</strong> Sport <strong>und</strong> dem Europäischen Flüchtlingsfonds bezuschusste Rückkehrberatungsstellen<br />

des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Lebach <strong>und</strong> Homburg 15 sowie<br />

der Caritas in Saarbrücken eingerichtet. Die Beratungsstelle in Homburg existiert nicht<br />

mehr. Über die Zuschussgewährung an die Antragsteller, dem Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> der Höhe<br />

nach, entscheidet das LAFl nach Maßgabe des Einzelfalles <strong>und</strong> abschließend.<br />

Das DRK hat zur Rückkehrberatung als integriertes Beratungsangebot ein eigenes<br />

Konzept vorgelegt, das verschiedene Aspekte von Sicherung der Rückkehrfähigkeit<br />

bis zu rückkehrbegleitenden Hilfen umfasst <strong>und</strong> das sozialarbeiterische <strong>und</strong> psychologische<br />

Beratung verbindet. Vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass viele <strong>Flüchtlinge</strong> in den Kosovo<br />

abgeschoben werden sollten, haben <strong>im</strong> September 2002 ein Sozialarbeiter <strong>und</strong> eine<br />

Psychologin des DRK eine Reise in den Kosovo als mögliches Rückkehrland unternommen,<br />

um sich selbst ein Bild von den dortigen Lebensumständen machen zu können.<br />

Der Bericht zur Kosovo-Reise findet sich auf der Homepage www.lvsaarland.drk.de<br />

unter der Rubrik Migration.<br />

Im Jahr 2002 hat das damalige Ministerium für Inneres <strong>und</strong> Sport eine Neukonzeption<br />

der Rückkehrförderung erlassen (mit Wirkung vom 01.01.03). Unter anderem gibt es<br />

über die o.g. Programme hinaus Starthilfen für Rückkehrwillige aus einigen ausgewählten<br />

Staaten. Insbesondere für ethnische Minderheiten aus dem Kosovo, afghanische<br />

<strong>und</strong> irakische <strong>Flüchtlinge</strong> ist eine Sonderförderung beschlossen worden. 16<br />

Abschiebungen<br />

Die Zahl der Abschiebungen <strong>im</strong> Saarland ist <strong>im</strong> Jahr 2003 - nach einem Rückgang in<br />

den Jahren 2000 bis 2002 - wieder angestiegen. Insgesamt wurden 303 <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

sowie 106 sonstige Ausländer/<strong>innen</strong> abgeschoben. Unter die Kategorie<br />

„sonstige Ausländer“ fallen überwiegend Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Ihr<br />

Anteil liegt in der Regel etwa bei einem Fünftel. Wie bereits in den Vorjahren stammen<br />

die meisten abgeschobenen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> aus der Türkei. Ihr Anteil an allen<br />

Abschiebungen beträgt 37 %. An zweiter Stelle der Herkunftsländer abgeschobener<br />

Personen liegt - mit 19 % - das Kosovo, an dritter Stelle Vietnam (7 %).<br />

14<br />

15<br />

Gespräche mit einer Mitarbeiterin des LAFl, 24.03.03 <strong>und</strong> 28.06.04.<br />

Die Beratungsstelle in Homburg hat <strong>im</strong> Zuge der Auflösung der Landesunterkunft <strong>im</strong> Sommer 2004<br />

ihre Arbeit beendet.<br />

16<br />

Vgl. Schreiben des damaligen Ministeriums für Inneres <strong>und</strong> Sport des Saarlandes, heute Ministerium<br />

für Inneres, Familien, Frauen <strong>und</strong> Sport vom 10.01.03.<br />

15


16<br />

Tabelle 7: Abschiebungen <strong>im</strong> Saarland 1992 bis 2003<br />

Jahr <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> Sonstige Ausländer/<strong>innen</strong><br />

Gesamt<br />

1992 113 k.A. k.A.<br />

1993 525 106 631<br />

1994 539 180 719<br />

1995 215 147 362<br />

1996 186 119 305<br />

1997 202 104 306<br />

1998 324 109 433<br />

1999 229 102 331<br />

2000 394 110 504<br />

2001 294 76 370<br />

2002 282 102 384<br />

2003 303 106 409<br />

Quelle: Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport des Saarlandes<br />

Tabelle 8: Abschiebungen <strong>im</strong> Saarland nach ausgewählten Herkunftsländern<br />

17 (Jahr 2003)<br />

Herkunftsland <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> Sonstige Ausländer/<strong>innen</strong><br />

Gesamt<br />

Algerien 10 4 14<br />

Bosnien-Herz. 15 2 17<br />

Kosovo 57 6 63<br />

Marokko 2 11 13<br />

Rumänien 2 10 12<br />

Russische<br />

Föderation<br />

10 2 12<br />

Türkei 112 18 130<br />

Vietnam 21 3 24<br />

Sonstige 74 50 124<br />

Insgesamt 303 106 409<br />

Quelle: Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport des Saarlandes<br />

17 Ausgewählt wurde nach dem Kriterium: Fallzahl Abschiebung > 10.


2.1.5 Auszüge aus der LGU<br />

Neben Personen, die weiterhin in der LGU leben, weil ihr Verfahren noch nicht abgeschlossen<br />

ist <strong>und</strong> jenen, die von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sind,<br />

gibt es diejenigen, die aus der LGU ausziehen können <strong>und</strong> eine Wohnung in der Kommune<br />

beziehen. Die Entscheidung darüber trifft die Unterbringungsbehörde nach freiem,<br />

einzelfallbezogenem Ermessen. Nach Asylverfahrensrecht sind dabei die Belange<br />

des Flüchtlings zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind die Belange des Betreffenden<br />

<strong>und</strong> die der Öffentlichen Hand abzuwägen.<br />

Wesentliche Gründe für einen Auszug aus der LGU stellen die Familienzusammenführung<br />

(Kernfamilie) sowie das gewährte Bleiberecht <strong>im</strong> Falle einer Anerkennung dar. In<br />

Einzelfällen kann ein Auszug aus schwerwiegenden krankheitsbedingten Gründen erlaubt<br />

werden.<br />

Im Jahr 2003 sind insgesamt 230 Personen aus der LGU ausgezogen. 18 Die Gründe<br />

hierfür wurden nicht angegeben.<br />

2.2 Strukturmerkmale der Empfänger/<strong>innen</strong> von Leistungen<br />

nach AsylbLG<br />

Anspruch auf Leistungen nach dem <strong>Asylbewerber</strong>leistungsgesetz haben jene <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>, die nicht erwerbstätig sind. Erwerbstätige beziehen<br />

lediglich ergänzende Leistungen <strong>und</strong> Lohnersatzleistungen nach dem<br />

AsylbLG. Die Anzahl der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> liegt demnach über der<br />

Zahl der Leistungsbezieher, wenn auch davon ausgegangen werden kann, dass sie<br />

nicht wesentlich höher ist, da nur eine vergleichsweise geringe Anzahl dieser Personengruppe<br />

erwerbstätig ist. Die AsylbLG-Statistik umfasst demnach aber sowohl jene<br />

nicht-erwerbstätigen Personen, die in den LGUs untergebracht sind als auch jene, die<br />

in Einzelunterbringung in den Gemeinden leben.<br />

Die Zahl der Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Saarland belief sich am 31.12.2003<br />

auf insgesamt 3.251. Davon waren 1.438 in den Landesunterkünften untergebracht<br />

<strong>und</strong> 1.717 anderweitig, d.h. dezentral.<br />

18 Quelle: Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport des Saarlandes.<br />

17


18<br />

Tabelle 9: Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> nach ausgewählten Herkunftsländern<br />

(31.12.2003)<br />

Herkunftsland*<br />

Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong><br />

weiblich männlich insgesamt<br />

Europa 966 1.063 2.029<br />

darunter:<br />

Bosnien-Herzegowina 26 23 49<br />

Serbien u. Montenegro 641 674 1.315<br />

Russische Föderation 38 50 88<br />

Türkei 227 283 510<br />

Afrika 96 128 224<br />

darunter:<br />

Algerien 38 72 110<br />

Ghana 12 9 21<br />

Nigeria 29 22 51<br />

Asien 284 629 913<br />

darunter:<br />

China 36 97 133<br />

Indien - 39 39<br />

Iran 17 34 51<br />

Libanon 40 63 103<br />

Pakistan 9 31 40<br />

Sri Lanka 29 13 42<br />

Vietnam 27 65 92<br />

Amerika - 2 2<br />

Übrige Staaten, staatenlos 15 8 23<br />

Unbekannt 21 39 60<br />

Insgesamt 1.382 1.869 3.251<br />

Quelle: Statistisches Landesamt Saarland; * Auswahlkriterium: Fallzahl > 10<br />

1.382 (43 %) der 3.251 Regelleistungsempfänger sind weiblich. Die Anzahl von <strong>Asylbewerber</strong><strong>innen</strong><br />

<strong>im</strong> Verhältnis zu männlichen <strong>Asylbewerber</strong>n ist, bezogen auf die europäischen<br />

sowie auf die afrikanischen Länder, weitgehend ausgeglichen, während bei<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n aus asiatischen Ländern der Männeranteil deutlich über dem Frauenanteil<br />

liegt. Offenbar kommen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> aus europäischen Ländern häufiger <strong>im</strong><br />

Familienverb<strong>und</strong>, während bei anderen Herkunftsländern die individuelle Flucht dominiert.


Die Mehrzahl der Bezieher/<strong>innen</strong> von Regelleistungen - nämlich 62 % - stammt aus<br />

europäischen Ländern. Eine zahlenmäßig herausragende Stellung nehmen dabei<br />

Personen aus Serbien <strong>und</strong> Montenegro ein (insgesamt 40 % aller Leistungsbezieher/<strong>innen</strong>).<br />

Stark ins Gewicht fallen darüber hinaus die Herkunftsländer Russische Föderation,<br />

Türkei, Algerien, China, Libanon <strong>und</strong> Vietnam.<br />

Die Altersstruktur der Bezieher/<strong>innen</strong> von Leistungen nach AsylbLG zeigt einen sehr<br />

hohen Anteil von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen unter 18 Jahren an. Unter männlichen<br />

Leistungsempfängern sind dies 36 %, unter weiblichen gar 44 %. Erwachsene zwischen<br />

18 <strong>und</strong> 40 Jahren stellen bei männlichen <strong>Asylbewerber</strong>n den größten Anteil<br />

(46 % Männer), bei weiblichen liegen sie an zweiter Stelle (40 %). Der Anteil der 40-<br />

bis 60-jährigen ist mit 16 % (Frauen) bzw. 14 % (Männer) vergleichsweise gering. Personen,<br />

die älter als 60 Jahre sind, sind so gut wie nicht vertreten (2 % Frauen, 1 %<br />

Männer).<br />

Abbildung 1: Altersstruktur der Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Saarland <strong>im</strong><br />

Jahr 2003<br />

<strong>Weißbuch</strong> 2004<br />

Altersstruktur der Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> nach Geschlecht<br />

25 bis 40<br />

32%<br />

40 bis 60<br />

16%<br />

Männer<br />

> 60<br />

1%<br />

Quelle: Statistisches Landesamt Saarland<br />

bis 7<br />

13%<br />

18 bis 25<br />

15%<br />

7 bis 18<br />

23%<br />

25 bis 40<br />

27%<br />

40 bis 60<br />

14%<br />

> 60<br />

2%<br />

18 bis 25<br />

13%<br />

Frauen<br />

bis 7<br />

15%<br />

7 bis 18<br />

29%<br />

© 06/2004<br />

Die Statistik zum AsylbLG enthält darüber hinaus Angaben zum Haushaltstyp der<br />

Empfänger/<strong>innen</strong>. An erster Stelle stehen dabei Ehepaare mit Kindern unter 18 Jahren<br />

- ihr Anteil beläuft sich auf 39 %. Ehepaare ohne Kinder kommen so gut wie nicht vor<br />

(4 %). Haushaltsvorstände, d.h. Alleinreisende stellen einen Anteil von 28 %. Männliche<br />

Haushaltsvorstände sind mit 79 % gegenüber weiblichen deutlich in der Überzahl.<br />

Der Anteil von Haushaltsvorständen mit Kindern unter 18 Jahren ist mit 9 % vergleichsweise<br />

gering. 9 % der alleinreisenden Personen mit Kindern sind Männer.<br />

19


20<br />

Abbildung 2: Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> nach Haushaltstyp <strong>im</strong> Saarland<br />

<strong>im</strong> Jahr 2003<br />

<strong>Weißbuch</strong> 2004<br />

Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> nach Haushaltstyp<br />

Haushaltsvorstände<br />

mit Kindern < 18<br />

Jahre<br />

9%<br />

Sonstige Haushalte<br />

20%<br />

Haushaltsvorstände<br />

28%<br />

Quelle: Statistisches Landesamt Saarland<br />

Ehepaare o Kinder<br />


Die Betrachtung der regionalen Verteilung der Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> macht<br />

deutlich, dass der Großteil der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> in der LGU (zum Zeitpunkt der Statistik<br />

noch LGUs, nämlich Lebach <strong>und</strong> Homburg) lebt. 44 %, d.h. 1.438 Personen aus<br />

der LGU beziehen Leistungen nach AsylbLG. Der Anteil derer, die <strong>im</strong> Stadtverband<br />

Saarbrücken leben, beläuft sich auf 20 %. Im Landkreis Saarlouis sind <strong>im</strong>merhin noch<br />

10 % der Leistungsbezieher/<strong>innen</strong> ansässig. Der Rest verteilt sich auf die übrigen saarländischen<br />

Landkreise.<br />

Ausgaben nach dem AsylbLG <strong>im</strong> Saarland<br />

Die saarländischen Ausgaben für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sind <strong>im</strong> Jahr 2003 gegenüber<br />

den Vorjahren weiterhin gesunken. Während der Rückgang von 2001 auf 2002 r<strong>und</strong><br />

30 % betrug, gingen die Ausgaben von 2002 auf 2003 um r<strong>und</strong> 7 % zurück. Im<br />

Wesentlichen ist dies bedingt durch die rückläufige Zahl von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>. Dennoch<br />

muss beachtet werden, dass die Zahl der Leistungsbezieher/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Zeitraum<br />

2001 bis 2002 „lediglich" um 16 % zurückgegangen ist <strong>und</strong> von 2002 auf 2003 um r<strong>und</strong><br />

12 %. Die jährlichen Netto-Ausgaben je Leistungsbezieher/in sind 2002 gesunken (auf<br />

4.092 Euro), <strong>im</strong> Jahr 2003 jedoch leicht angestiegen (auf 4.552 Euro) 19 .<br />

Tabelle 10: Ausgaben nach dem <strong>Asylbewerber</strong>leistungsgesetz <strong>im</strong> Saarland<br />

1994 bis 2003<br />

Jahr Netto-Ausgaben<br />

(in Euro)<br />

Zahl der Leistungsbezieher*<br />

Netto-Ausgaben<br />

je Leistungsbez.<br />

(in Euro/Jahr)*<br />

Brutto-Ausgaben<br />

je Einwohner<br />

(in Euro/Jahr)<br />

1994 51.232.469 10.959 4.675 51,38<br />

1995 55.790.809 10.114 5.516 54,55<br />

1996 51.411.474 10.326 4.979 50,44<br />

1997 46.092.509 9.169 5.027 46,36<br />

1998 37.649.134 8.108 4.643 38,97<br />

1999 30.237.543 7.471 4.047 31,93<br />

2000 29.414.037 5.671 5.187 30,41<br />

2001 22.610.801 4.592 4.924 23,85<br />

2002 15. 870.034 3.878 4.092 16,53<br />

2003 14.796.975 3.251 4.552 15,48<br />

Quelle: Statistisches Landesamt des Saarlandes;* am 31.12. des jeweiligen Jahres<br />

Insgesamt wurden 14.796.975 Euro an Leistungsberechtigte gezahlt. An Personen in<br />

Einrichtungen, d.h. in LGUs <strong>und</strong> sonstigen Sammelunterkünften, wurden 6.227.304<br />

Euro gezahlt, an dezentral untergebrachte <strong>Flüchtlinge</strong> 8.569.671 Euro.<br />

19<br />

Die jährlichen Netto-Ausgaben können starken Schwankungen unterliegen, z.B. durch Ausgaben<br />

für Arztbesuche etc.<br />

21


22<br />

Tabelle 11: Ausgaben an Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG 2003<br />

Ausgaben nach Hilfearten<br />

Ausgaben insgesamt<br />

(brutto)<br />

davon für:<br />

Leistungen in besonderen<br />

Fällen<br />

davon:<br />

Hilfe zum Lebensunterhalt<br />

Hilfe in besonderen<br />

Lebenslagen<br />

Insgesamt Außerhalb von<br />

Einrichtungen<br />

Ausgaben an Leistungsberechtigte<br />

in Einrichtungen davon LGUs<br />

16.434.487 9.618.725 6.815.762 5.976.364<br />

5.041.948 4.498.375 543.573 183.143<br />

3.974.203 3.862.747 111.456 85.272<br />

1.067.745 635.628 432.117 97.871<br />

Gr<strong>und</strong>leistungen 6.844.422 3.874.989 2.969.433 2.969.433<br />

davon:<br />

Sachleistungen 2.496.856 42.307 2.454.549 2.454.549<br />

Wertgutscheine 185 185 - -<br />

Geldleistungen für persönliche<br />

Bedürfnisse<br />

Geldleistungen für den<br />

Lebensunterhalt<br />

Leistungen bei Krankheit,<br />

Schwangerschaft<br />

<strong>und</strong> Geburt<br />

725.593 210.709 514.884 514.884<br />

3.621.788 3.621.788 - -<br />

3.724.673 885.757 2.838.916 2.359.948<br />

Arbeitsgelegenheiten 265.445 104.276 161.169 161.169<br />

Sonstige Leistungen 557.999 255.328 302.671 302.671<br />

davon:<br />

Sachleistungen 348.957 109.209 239.748 239.748<br />

Geldleistungen 209.042 146.119 62.923 62.923<br />

Einnahmen insgesamt<br />

(z.B. Kostenübernahme,<br />

Leistungen von<br />

Sozialleistungsträgern<br />

etc.)<br />

Reine Ausgaben<br />

(netto)<br />

Dagegen reine Ausgaben<br />

(netto) 2002<br />

Quelle: Statistisches Landesamt des Saarlandes<br />

1.637.512 1.049.054 588.458 588.458<br />

14.796.975 8.569.671 6.227.304 5.387.906<br />

17.620.971 10.703.780 6.917.191 6.079.454


2.3 Strukturmerkmale der in den Landesunterkünften untergebrachten<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

Während <strong>im</strong> vorangegangenen Kapitel die Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> nach<br />

AsylbLG anhand unterschiedlicher Merkmale einer näheren Betrachtung unterzogen<br />

wurden, steht <strong>im</strong> Zentrum dieses Kapitels der Ausschnitt jener <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, die in den LGUs untergebracht sind (zum Zeitpunkt der Statistik existierte<br />

die LGU Homburg noch).<br />

Aufenthaltsstatus<br />

Insgesamt lebten <strong>im</strong> April 2004 1.607 <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> in den saarländischen<br />

LGUs, darunter 1.343 in der LASt in Lebach <strong>und</strong> 264 in Homburg. Den<br />

Großteil der dort lebenden Personen stellen - unter aufenthaltsrechtlichen Gesichtspunkten<br />

- mit 53 % abgelehnte <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, die <strong>im</strong> Besitz einer Duldung sind.<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> laufenden Verfahren folgen mit 46 % an zweiter Stelle. Weniger<br />

als ein Prozent verfügt über eine Aufenthaltsbefugnis, lediglich eine Person ist <strong>im</strong> Besitz<br />

einer Aufenthaltserlaubnis.<br />

Tabelle 12: Aufenthaltsstatus der in den Landesunterkünften untergebrachten<br />

Personen (Stand: 01.04.04)<br />

Status Lebach Homburg Insgesamt<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> 655 80 735<br />

Abgelehnte Asyl-<br />

bewerber/<strong>innen</strong> mit Duldung<br />

Sonstige Ausländer/<strong>innen</strong> mit<br />

Duldung<br />

676 183 859<br />

0 0 0<br />

Aufenthaltsbefugnis 11 1 12<br />

Aufenthaltserlaubnis 1 0 1<br />

Insgesamt 1.343 264 1.607<br />

Quelle: Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport des Saarlandes<br />

Herkunftsländer<br />

Die Nationalitäten der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs sind sehr vielfältig. Hauptherkunftsland<br />

ist die B<strong>und</strong>esrepublik Jugoslawien bzw. Serbien <strong>und</strong> Montenegro. 25 % aller<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> kommen dorther. B<strong>und</strong>esweit lag dieses Land <strong>im</strong><br />

Jahr 2003 nur an zweiter Stelle der zugangsstärksten Herkunftsländer. Zweitstärkstes<br />

Herkunftsland ist die Türkei mit 18 %. B<strong>und</strong>esweit liegt die Türkei an erster Stelle.<br />

Drittstärkstes Herkunftsland ist China mit 9 %, gefolgt von Syrien an vierter Stelle sowie<br />

dem Irak <strong>und</strong> ehemaligen GUS-Staaten an fünfter Stelle. B<strong>und</strong>esweit lag der Irak<br />

an dritter Stelle.<br />

23


24<br />

Unter „sonstige Länder“ wurden jene Herkunftsländer gefasst, aus denen weniger als<br />

15 <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> stammen. Es handelt sich hierbei um: Afghanistan (14), Ägypten<br />

(13), Albanien (10), Ghana (10), Demokratische Republik Kongo (10), Burkina Faso<br />

(4), Sri Lanka (3), Elfenbeinküste (2), Nigeria (2), Rumänien (2), Senegal (1), Sierra<br />

Leone (1) <strong>und</strong> Tunesien (1). Dazu kommen vier Staatenlose.<br />

Abbildung 4: Herkunftsländer der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs <strong>im</strong> Saarland <strong>im</strong><br />

Jahr 2003<br />

<strong>Weißbuch</strong> 2004<br />

Herkunftsländer der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs<br />

Sonstige<br />

5%<br />

Altersstruktur<br />

ehem- Jugosl.<br />

25%<br />

Indien<br />

2%<br />

Iran<br />

Slowak. Rep.<br />

Pakistan<br />

3%<br />

1%<br />

3%<br />

Libanon<br />

ungeklärt 2%<br />

4%<br />

Quelle: Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport<br />

Algerien<br />

3%<br />

Vietnam<br />

5%<br />

Türkei<br />

18%<br />

Irak<br />

6%<br />

ehem. GUS<br />

6%<br />

Syrien<br />

8%<br />

China<br />

9%<br />

© 06/2004<br />

Die Betrachtung der Altersstruktur der in den LGUs untergebrachten Personen macht<br />

deutlich, dass Erwachsene einen Anteil von 68 % stellen <strong>und</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

zu 32 % vertreten sind. Der Anteil der Kinder bis 6 Jahre beläuft sich auf 13 %, Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche zwischen 6 <strong>und</strong> 16 Jahre sind zu 16 % vertreten. Nach wie vor sind<br />

prozentual gesehen deutlich mehr Familien mit Kindern in Homburg untergebracht. Der<br />

Anteil der bis 18-jährigen liegt in der LGU Homburg bei 53 %, in Lebach bei 27 %.<br />

Die Tatsache, dass insgesamt 32 % der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche sind, begründet die hohe Relevanz der SEPA-Maßnahmen der Caritas<br />

in Lebach, die u.a. Hausaufgabenbetreuung, Hilfe bei der Ausbildungsplatzsuche<br />

etc. umfasst. Alle weiteren SEPA-Maßnahmen richten sich - wenn auch nicht ausschließlich<br />

- an Erwachsene <strong>und</strong> bedienen somit theoretisch mehr als zwei Drittel der<br />

in saarländischen LGUs lebenden Personen.


Abbildung 5: Altersstruktur der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs<br />

<strong>Weißbuch</strong> 2004<br />

Altersstruktur der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs<br />

Insgesamt<br />

Homburg<br />

Lebach<br />

bis 6 Jahre 6 bis 16 Jahre 16 bis 18 Jahre über 18 Jahre<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Quelle: Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport<br />

Abbildung 6: Verweildauer der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs<br />

<strong>Weißbuch</strong> 2004<br />

Verweildauer der Bewohner/<strong>innen</strong> der LGUs<br />

Insgesamt<br />

Homburg<br />

Lebach<br />

kürzer als 6 Monate 6 bis 12 Monate 1 bis 5 Jahre länger als 5 Jahre<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Quelle: Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport<br />

© 06/2004<br />

© 06/2004<br />

25


26<br />

Verweildauer<br />

Die Verweildauer der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Saarland ist wohl jener Indikator, der wie<br />

kein anderer die Notwendigkeit von begleitenden Maßnahmen - beispielsweise zur<br />

beruflichen Qualifikation, wie sie SEPA zum Gegenstand hat - begründet. Die überwiegende<br />

Mehrheit - nämlich 58 % aller <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> - lebt hier<br />

über einen Zeitraum zwischen einem <strong>und</strong> fünf Jahren. Immerhin 11 % leben hier seit<br />

mehr als fünf Jahren. Kürzer als 6 Monate leben nur 17 % aller <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

hier.<br />

2.4 Zusammenfassung<br />

Die wesentlichen statistischen Daten werden an dieser Stelle zusammengefasst:<br />

- Im Jahr 2003 wurden insgesamt 788 Asylanträge bearbeitet. Hauptherkunftsland<br />

war die Türkei, gefolgt von Serbien <strong>und</strong> Montenegro, China, dem Irak <strong>und</strong> der Russischen<br />

Föderation. Die Anerkennungsquote lag 2003 bei 1,1 %. 65,1 % aller Anträge<br />

wurden abgelehnt, in 2,0 % der Fälle wurde Abschiebeschutz gem. § 51 Abs.<br />

1 AuslG gewährt, Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG wurden in 1,5 % der<br />

Fälle festgestellt. Bei 30,3 % aller Anträge erfolgten sonstige Verfahrenserledigungen<br />

(z.B. Antragsrücknahme, Einbürgerungen, Tod, verschleierte Identität etc.).<br />

- Im gleichen Jahr wurden 303 <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> abgeschoben, darunter stammten<br />

die meisten Personen aus der Türkei, dem Kosovo <strong>und</strong> Bosnien-Herzegowina.<br />

- 3.978 Personen bezogen <strong>im</strong> Jahr 2002 Leistungen nach AsylbLG, davon waren<br />

1.791 in Landesunterkünften, 1.957 dezentral untergebracht. 42 % der Regelleistungsempfänger<br />

waren weiblich.<br />

- In Landesunterkünften lebten <strong>im</strong> April 2004 r<strong>und</strong> 1.600 <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong>. Zwischenzeitlich wurde die Unterkunft in Homburg geschlossen, <strong>und</strong> es<br />

erfolgt seitdem eine zentrale Unterbringung ausschließlich in Lebach (siehe dazu<br />

Kap. 4.1).


3 Akteure der Asyl- <strong>und</strong> Flüchtlingsarbeit<br />

Das Themenfeld <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> berührt auf sehr unterschiedlichen<br />

Ebenen zahlreiche Akteure. Während beispielsweise das Ministerium für Inneres,<br />

Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport zuständig ist für gesetzliche Rahmenbedingungen, entscheiden<br />

die örtlichen Agenturen für Arbeit über die Ausstellung von Arbeitsgenehmigungen<br />

<strong>und</strong> damit in hohem Maße über die berufliche Eingliederung dieses Personenkreises.<br />

Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz<br />

oder Diakonisches Werk bieten durch Beratung u.ä. <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

direkte Hilfestellung bei allen aktuellen Fragen <strong>und</strong> versuchen, Einfluss auf der<br />

(sozial-)politischen Ebene auszuüben. Initiativen wie Aktion 3. Welt hingegen setzen<br />

sich eher allgemein für das Wohl dieser Personen ein <strong>und</strong> versuchen in stärkerem Maße,<br />

über die Öffentlichkeit Einfluss auf die (<strong>innen</strong>-) politische Ebene auszuüben.<br />

Dieser kurze Abriss zeigt, dass das Thema Asyl von sehr vielen verschiedenen Blickwinkeln<br />

betrachtet wird <strong>und</strong> sich hier viele Akteure - mit zu einzelnen Fragen zum Teil<br />

sehr konträren Auffassungen - gegenüberstehen. Es zeigen sich seitens der zuständigen<br />

Behörden, Wohlfahrtsverbände <strong>und</strong> anderer Institutionen unterschiedliche Prioritätensetzungen,<br />

durch die es zu Konflikten in der Beurteilung der Lage von <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

kommt, unter anderem der Unterbringung, der Versorgung <strong>und</strong> der Abschiebung.<br />

Diese können zusammengefasst werden in der Gegenüberstellung einer sozialpolitischen<br />

vs. einer ordnungspolitischen Haltung. Während Akteure mit stärker sozialpolitischer<br />

Gr<strong>und</strong>haltung auch mehr oder weniger stark humanitäre Ziele verfolgen,<br />

haben Akteure mit stärker ordnungspolitischer Haltung insbesondere zum Ziel, den<br />

Aufenthalt so zu gestalten, dass es zu keiner Erhöhung des Zuzugs bzw. einer starken<br />

Aufenthaltsverlängerung von abgelehnten <strong>Asylbewerber</strong>n kommt. Auch das Ziel der<br />

Kostenmin<strong>im</strong>ierung beeinflusst das Handeln Letzterer.<br />

3.1 Einrichtungen von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern<br />

3.1.1 Die Außenstelle des B<strong>und</strong>esamts für Migration <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

(BAMF)<br />

Eine Außenstelle des BAMF 20 existiert bereits seit 1989 <strong>im</strong> Saarland. Sie war zuerst in<br />

Saarlouis angesiedelt, weil dort die zentrale Ausländerbehörde sowie das Verwaltungs-<br />

<strong>und</strong> Oberverwaltungsgericht vor Ort waren. Um eine örtliche Konzentration zu erreichen,<br />

wurden das BAMF <strong>und</strong> die Gemeinsame Ausländerbehörde ab 1992/93 mit der<br />

damaligen LASt in Lebach untergebracht.<br />

Das BAMF ist zuständig für die Anhörung von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> für die Entscheidung<br />

darüber, ob ihnen Schutz nach Art. 16 a GG oder §§ 51, 53 AuslG gewährt<br />

werden kann. Bei der Entscheidung stellt sich die Frage, was passieren würde, wenn<br />

20 Seit 01.09.04 (<strong>im</strong> Zuge des partiellen Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes): BAMF, zuvor:<br />

B<strong>und</strong>esamt für die Anerkennung ausländischer <strong>Flüchtlinge</strong> (BAFl).<br />

27


28<br />

die angehörte Person in ihr He<strong>im</strong>atland zurückkehren würde, d.h. es ist die Aufgabe<br />

des Entscheiders, eine Verfolgungsprognose zu stellen. Der Schutz <strong>im</strong> Ausland ist<br />

<strong>im</strong>mer subsidiär, er greift nur, wenn keine Schutzmöglichkeit <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland gegeben<br />

ist. Das BAFl entscheidet jedoch nicht über den Aufenthalt. Der Aufenthalt einer Person<br />

wird geduldet, genehmigt oder beendet durch die Ausländerbehörde.<br />

Wenn eine Person in Lebach ankommt, das Saarland quantitativ aufnahmepflichtig ist<br />

<strong>und</strong> das Herkunftsland in der Zuständigkeitsliste vertreten ist, wird sie vom LAFl aufgenommen.<br />

Wenn die Person <strong>im</strong> Saarland bleiben kann, erhält sie eine „Bescheinigung<br />

über die Meldung als <strong>Asylbewerber</strong> (BÜMA)“, die zur Auflage macht, sich schnellstmöglich<br />

be<strong>im</strong> BAMF zu melden. Be<strong>im</strong> BAMF bekommt die Person dann einen Termin<br />

mit Dolmetscher zugewiesen. An diesem Termin wird eine Akte angelegt, <strong>und</strong> es erfolgt<br />

eine Anhörung durch den Entscheider. Dieser trifft dann letztendlich die Entscheidung,<br />

ob ein asyl- oder ausländerrechtlicher Schutzanspruch besteht.<br />

Laut Dienststellenleiter kann die Außenstelle des BAMF überdurchschnittlich schnelle<br />

Bearbeitungszeiten der Asylanträge vorweisen. Mindestes 50 % der Verfahren werden<br />

innerhalb eines Monats entschieden. Anhängige Verfahren sind zu zwei Dritteln auf so<br />

genannte Entscheidungsstopps zurückzuführen. Diese wurden zum Beispiel <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> aus dem ehemaligen Jugoslawien <strong>und</strong> Afghanistan vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> einer zu unklaren Entscheidungslage ausgesprochen. Dies führt zum<br />

Teil jedoch zu jahrelangen Verfahrensdauern, die die betroffene Person in starker Unsicherheit<br />

lassen.<br />

3.1.2 Die Agenturen für Arbeit<br />

Die Agenturen für Arbeit kommen vor allem <strong>im</strong> Rahmen der Erteilung von Arbeitserlaubnissen<br />

mit der Zielgruppe in Kontakt <strong>und</strong> treten daher eher indirekt als Akteure<br />

auf. Die Kapitel 7 <strong>und</strong> 8 über die Ausbildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

<strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> wird sich mit diesem Thema intensiv beschäftigen. An<br />

dieser Stelle soll daher auf die Arbeitsagenturen als Akteure nicht näher eingegangen<br />

werden.<br />

3.1.3 Das Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport<br />

Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Referates für Ausländer <strong>und</strong> Asylrecht (B 5) <strong>im</strong> Ministerium<br />

für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport des Saarlandes stehen die mit der Einreise,<br />

dem Aufenthalt, der Versorgung <strong>und</strong> Unterbringung von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

ausländischen <strong>Flüchtlinge</strong>n sowie der Ausreise ausländischer Menschen verb<strong>und</strong>enen<br />

rechtlichen <strong>und</strong> tatsächlichen Fragen: 21<br />

- Zuwanderung: Schwerpunkt des Aufgabenbereiches des Referates bilden<br />

Gr<strong>und</strong>satzfragen des Ausländer- <strong>und</strong> Asylrechts. Hierbei geht es zum einen um<br />

die Mitwirkung bei der Entstehung von b<strong>und</strong>eseinheitlichen Vorschriften sowie<br />

deren Umsetzung <strong>im</strong> Zusammenwirken mit den anderen B<strong>und</strong>esländern <strong>und</strong> zum<br />

21 Vgl. URL: www.<strong>innen</strong>.saarland.de.


anderen um Fragen der Ausgestaltung <strong>und</strong> Umsetzung von Regelungen <strong>im</strong><br />

Rahmen der europäischen Harmonisierung des Asyl- <strong>und</strong> Flüchtlingsrechts.<br />

- <strong>Asylbewerber</strong>leistungsgesetz: Das Referat regelt die Umsetzung des <strong>Asylbewerber</strong>leistungsgesetzes<br />

auf Landesebene.<br />

- Förderung der freiwilligen Rückkehr: Zu den Aufgaben zählt auch die Förderung<br />

der freiwilligen Rückkehr von nicht bleibeberechtigten ausländischen <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

durch Unterstützung von speziellen Rückkehrprogrammen sowie von Rückkehrberatungsstellen<br />

in der Trägerschaft von Nichtregierungsorganisationen <strong>im</strong> Saarland.<br />

- Fachaufsicht über die Ausländerbehörden des Saarlandes: Als Fachaufsicht über<br />

die Landes- <strong>und</strong> Kommunalbehörden ist es Aufgabe des Ministeriums für Inneres,<br />

Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport, eine „einheitliche rechtmäßige <strong>und</strong> sachgerechte<br />

Umsetzung der ausländerrechtlichen Vorschriften <strong>im</strong> Saarland sicherzustellen“.<br />

Im Bereich der Abschiebung verlangt das „Gebot der Rechtsstaatlichkeit [...] auch<br />

in diesem rechtlich <strong>und</strong> humanitär schwierigen Themenbereich eine konsequente<br />

Umsetzung des geltenden Rechts“, heißt es auf der Homepage des Ministeriums<br />

zu diesem Thema.<br />

3.1.4 Das Landesamt für Ausländer <strong>und</strong> Flüchtlingsangelegenheiten<br />

(LAFl)<br />

Das Landesamt für Ausländer <strong>und</strong> Flüchtlingsangelegenheiten (LAFl) existiert als organisatorische<br />

Einheit des Ministeriums für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport seit<br />

1996. Es vereint zwei Behörden: die ehemalige Landesaufnahmestelle für Vertriebene<br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> (LASt) sowie die Gemeinsame Ausländerbehörde (GAB). Hauptsitz<br />

des Landesamtes ist Lebach. Neben der Zentralabteilung umfasst das Landesamt die<br />

Abteilung A, die <strong>im</strong> Wesentlichen zuständig ist für die Liegenschaftsverwaltung, den<br />

Technischen Dienst sowie die Leistungsabteilung, <strong>und</strong> die Abteilung B (Zusammenlegung<br />

von LASt <strong>und</strong> GAB), die zuständig ist für alle ausländerrechtlichen Angelegenheiten<br />

<strong>und</strong> für die Aufnahme, die Unterbringung <strong>und</strong> Verteilung, die Betreuung, aufenthaltsbeendende<br />

Maßnahmen sowie Rückkehrberatung <strong>und</strong> freiwillige Ausreise von<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> deren Familienangehörigen.<br />

Einige Mitarbeiter/<strong>innen</strong> der Abteilung B sind unter anderem für aufenthaltsbeendende<br />

Maßnahmen von abgelehnten <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> zuständig. Diese verantwortungsvolle<br />

Aufgabe ist für diese Mitarbeiter/<strong>innen</strong> sehr belastend <strong>und</strong> in der Öffentlichkeit<br />

oftmals schwer zu vermitteln. Allerdings sind diese Maßnahmen <strong>im</strong>mer durch entsprechende<br />

Entscheidungen des BAMF bedingt <strong>und</strong> <strong>im</strong> Streitfall auch durch die Verwaltungsgerichte<br />

des Saarlandes juristisch bestätigt oder überprüft worden.<br />

29


30<br />

3.1.5 Das Ministerium für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit<br />

Das Ministerium für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit ist seit einer Organisationsreform <strong>im</strong> Jahr<br />

2003 nur mehr zuständig für Kinder- <strong>und</strong> Jugendpolitik, jedoch nicht mehr für soziale<br />

Ausländer- <strong>und</strong> Flüchtlingsangelegenheiten. Die Zuständigkeit für letztere Themen<br />

wurde dem Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport übertragen. Das Ministerium<br />

für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit fördert jedoch weiterhin verschiedene Projekte <strong>und</strong><br />

Maßnahmen unterschiedlicher Träger, in denen Bezüge zu Migrant<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Migranten<br />

bestehen.<br />

3.1.6 Der Kontaktausschuss für Flüchtlingsfragen <strong>im</strong> Saarland (KAFiS)<br />

Die Landesregierung hat den ständigen Dialog mit den in der Flüchtlingsarbeit <strong>im</strong><br />

Saarland tätigen <strong>und</strong> in der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Saar zusammengeschlossenen<br />

Wohlfahrtsverbänden <strong>und</strong> weiteren Organisationen seit März 2001 <strong>im</strong><br />

Kontaktausschuss für Flüchtlingsfragen <strong>im</strong> Saarland (KAFiS) institutionalisiert. 22 Angeregt<br />

wurde dessen Einrichtung durch die Wohlfahrtsverbände. Der Kontaktausschuss<br />

bildet das Forum zum Austausch über wesentliche Fragen der Flüchtlingspolitik <strong>und</strong><br />

-praxis <strong>im</strong> Saarland.<br />

Dem KAFiS gehören die Staatssekretärin als Vorsitzende sowie die Leiterin der Abteilung<br />

für Staatshoheitsangelegenheiten, die Leiterin des Referats für Ausländer- <strong>und</strong><br />

Asylangelegenheiten <strong>im</strong> Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport <strong>und</strong> der<br />

Leiter des LAFL an. Die in der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Saar zusammengeschlossenen<br />

Träger entsenden sechs <strong>und</strong> das Katholische Büro Saarland ein Mitglied<br />

in den Kontaktausschuss.<br />

Der KAFiS tagt i.d.R. <strong>im</strong> Vorfeld der Innenministerkonferenzen. Themen der letzten<br />

Sitzungen waren u.a. die Umsetzung der Altfallregelung für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> mit<br />

langjährigem Aufenthalt, die Entwicklungen <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren zum Zuwanderungsgesetz,<br />

die Überlegungen der Landesregierung zur Einrichtung einer sog.<br />

„Härtefallkommission“, Fragen der Versorgung von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

in den Gemeinschaftsunterkünften, Duldungsregelungen sowie Fragen zur Abschiebepraxis.<br />

Die vertretenen Wohlfahrtsverbände treffen sich unabhängig von diesen<br />

Sitzungen, um ihre Arbeit zu evaluieren <strong>und</strong> fortzuschreiben. 23<br />

22 Die Angaben zum KAFiS beziehen sich <strong>im</strong> Wesentlichen auf ein Schreiben des Ministeriums für<br />

Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport vom 14.03.03.<br />

23 Gespräch mit einem Vertreter der Wohlfahrtsverbände am 04.06.04.


3.2 Kommunale Einrichtungen<br />

3.2.1 Das Zuwanderungs- <strong>und</strong> Integrationsbüro (ZIB) der Landeshauptstadt<br />

Saarbrücken<br />

Das Zuwanderungs- <strong>und</strong> Integrationsbüro (ZIB) der Landeshauptstadt Saarbrücken hat<br />

<strong>im</strong> April 2003 seine Arbeit aufgenommen. Durch fachliche Beratung, Konzeptentwicklung<br />

<strong>und</strong> neue Initiativen soll das Büro die verschiedenen Bereiche der Stadtverwaltung<br />

<strong>und</strong> die freien Träger in die Entwicklung eines kommunalen Gesamtkonzeptes<br />

zur Integration einbinden. Es soll Lücken in der kommunalen Integrationsarbeit feststellen<br />

<strong>und</strong> Lösungsvorschläge erarbeiten. Langfristig soll ein Integrationsberichtswesen<br />

für die Stadt Saarbrücken aufgebaut werden.<br />

Zu den ersten Maßnahmen gehörten:<br />

- eine Bestandsaufnahme zum Stand der Integration in Saarbrücken;<br />

- Fachtagungen (u.a. zur Qualitätsentwicklung in der interkulturellen Jugendarbeit)<br />

<strong>und</strong> Informationsveranstaltungen;<br />

- die Durchführung einer Kampagne für Einbürgerung;<br />

- die konzeptionelle Begleitung des Aufbaus eines „interkulturellen Stadtteiltreffs“<br />

durch das Bürger/<strong>innen</strong>zentrum Brebach in der zweiten Jahreshälfte 2003.<br />

Im Bildungsbereich wurde u.a.:<br />

- ein Projekt zur Stärkung der Selbstorganisation von Zuwanderern (u.a. in Zusammenarbeit<br />

mit dem Türkischen Elternb<strong>und</strong>) gestartet, das den Dialog zwischen Zuwanderern<br />

<strong>und</strong> Institutionen wie Schulen <strong>und</strong> Kindergärten verbessern soll;<br />

- eine Schulung für Antirassismustrainer/<strong>innen</strong> in Jugendarbeit <strong>und</strong> Schule (in Kooperation<br />

mit der Arbeit <strong>und</strong> Kultur Saarland GmbH) <strong>im</strong> November 2003 durchgeführt;<br />

- die Mitwirkung am Konzept <strong>und</strong> der praktischen Umsetzung der von einer neuen<br />

Stiftungsinitiative der Bürgerstiftung Saar geplanten „Begabtenförderung für junge<br />

Migrant<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Migranten“ begonnen, die die Erschließung der Ressourcen von<br />

Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> zum Ziel hat.<br />

Innerhalb der Stadtverwaltung unterstützt das ZIB den Prozess einer interkulturellen<br />

Öffnung. So wird derzeit der Fortbildungsbedarf bei den einzelnen Ämtern <strong>im</strong> Umgang<br />

mit nichtdeutschen K<strong>und</strong><strong>innen</strong>/K<strong>und</strong>en geprüft. Hierzu gehört unter anderem die Frage,<br />

wie die sprachliche <strong>und</strong> interkulturelle Kompetenz in der Verwaltung erhöht werden<br />

kann. Die Leitprinzipien moderner Verwaltungen von „Bürgernähe“ <strong>und</strong> „K<strong>und</strong>enorientierung“<br />

sollen künftig auch <strong>im</strong> Umgang mit Migrant<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Migranten stärker verankert<br />

werden. Das ZIB ist seit 01.07.04 auch zuständig für die Pflege der deutschausländischen<br />

Beziehungen, d.h. für interkulturell tätige Vereine <strong>und</strong> Organisationen.<br />

31


32<br />

Das ZIB fungiert ferner als Beratungseinrichtung u.a. für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong>. Ein Mitarbeiter des Büros verfügt über 22 Jahre zum größten Teil hauptamtliche<br />

Erfahrung in der Beratung dieser Gruppe. 24<br />

3.2.2 Die Arbeitsgemeinschaft der saarländischen Ausländerbeiräte<br />

(AGSA)<br />

Die acht saarländischen Ausländerbeiräte in Dillingen, Merzig, Neunkirchen, Saarbrücken,<br />

Saarlouis, St. Ingbert, Sulzbach <strong>und</strong> Völklingen haben sich seit 1994 in der AG-<br />

SA zusammengeschlossen. Sie ist jedoch weder gesetzlich verankert noch anerkannt.<br />

Ihr Hauptanliegen ist die politische Vertretung der Ausländer/<strong>innen</strong>interessen. Unter<br />

den Ausländer/<strong>innen</strong>, die sich an die AGSA wenden, befinden sich auch <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>.<br />

Hierbei geht es meist um eine bevorstehende Abschiebung. Die AGSA<br />

hebt hervor, dass sich in letzter Zeit, insbesondere <strong>im</strong> Zuge des Kosovo-Erlasses 25 ,<br />

verstärkt Unternehmen an sie wenden, da diese verhindern wollen, dass ihre Mitarbeiter/<strong>innen</strong><br />

abgeschoben werden. Neben der politischen Vertretung der Ausländer/<strong>innen</strong><br />

n<strong>im</strong>mt die AGSA auch viele Tätigkeiten <strong>im</strong> Alltagsgeschäft wahr, etwa Behördengänge.<br />

Die AGSA sieht <strong>im</strong> Saarland eine deutliche Verschiebung der Schwerpunkte in der<br />

Flüchtlingsarbeit. Während man sich Mitte der 1990er Jahre stark mit den Lebensbedingungen<br />

insgesamt, insbesondere der Unterbringung von <strong>Flüchtlinge</strong>n auseinandergesetzt<br />

habe, sei mittlerweile das Thema Abschiebung das einzige, das auf politischer<br />

Ebene diskutiert würde. Letztendlich finde eine Reduktion der Flüchtlingsarbeit auf die<br />

Frage statt, wie man zur Abschiebepolitik der Landesregierung stehe. Diese Themenverlagerung<br />

sei jedoch nicht dazu dienlich, die Lebenssituation von Ausländer/<strong>innen</strong> <strong>im</strong><br />

Saarland entscheidend zu beeinflussen. Die AGSA-Vertreter führten auch an, dass es<br />

neben dem Thema Abschiebung wenige gemeinsame Interessen der Zielgruppe gebe,<br />

für die man sich einsetzen könne.<br />

3.3 Wohlfahrtsverbände<br />

Wohlfahrtsverbände verstehen sich in der Verfolgung sozialpolitischer Zielsetzungen<br />

als Partner des Sozialstaates <strong>und</strong> fordern in dieser Zusammenarbeit die Rechte Benachteiligter<br />

ein. Sie spielen insbesondere bei der Betreuung von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n eine zentrale Rolle. Sie sind Ansprechpartner vor Ort <strong>und</strong> helfen bei<br />

allen Problemen. Durch spezielle Angebote tragen sie darüber hinaus wesentlich dazu<br />

bei, das Leben der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> in den Unterkünften abwechslungsreicher<br />

<strong>und</strong> angenehmer zu gestalten. In Anlehnung an Meinhardt 26 können idealtypisch<br />

folgende praktische Aufgaben der Flüchtlingssozialarbeit genannt werden:<br />

24 Gespräch am 03.06.04.<br />

25 Die Innenministerkonferenz kam <strong>im</strong> Mai 2001 überein, ihre <strong>im</strong> Februar 2001 beschlossene Regelung<br />

für erwerbstätige ausreisepflichtige Bosnier u.a. um Kosovo-Albaner zu erweitern („Kosovo-<br />

Erlass„): Ihnen konnte nun unter best<strong>im</strong>mten Bedingungen eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden.<br />

26 Vgl. Meinhardt, Rolf (a.a.O.), S. 290.


- Beratung (be<strong>im</strong> Asylverfahren, bei aufenthaltsrechtlichen Fragen, der Beantragung<br />

von Sozialhilfe, der Arbeitsplatzsuche, der Suche nach Rechtsanwalt <strong>und</strong><br />

Dolmetscher, bei Rückkehr- oder Weiterwanderungsangelegenheiten);<br />

- Betreuung <strong>und</strong> Hilfestellung (bei psychischen <strong>und</strong> sozialen Problemen, bei körperlichen<br />

<strong>und</strong> psychosomatischen Erkrankungen, bei der Selbstorganisation, bei<br />

der Lösung von Alltagsproblemen <strong>und</strong> Konflikten, für spezielle Gruppen - wie<br />

Flüchtlingskinder <strong>und</strong> unbegleitete Jugendliche, alte <strong>und</strong> behinderte <strong>Flüchtlinge</strong>);<br />

- Bildungsangebote (Organisation von Deutschkursen, Angebot spezifischer Seminare<br />

z.B. für Frauen, Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen insbesondere <strong>im</strong><br />

Rahmen des SEPA-Projektes, Entwicklung von Projekten beispielsweise für erwerbslose<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, Zusammenarbeit mit Erwachsenenbildungseinrichtungen);<br />

- Öffentlichkeitsarbeit (Schaffung von Möglichkeiten der Begegnung zwischen<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> Deutschen - z.B. durch Gesprächskreise, Feste etc. -, Initiierung<br />

von R<strong>und</strong>en Tischen oder Telefonketten, sich als Ansprechpartner <strong>und</strong> Experte<br />

für Behörden <strong>und</strong> andere Institutionen zur Verfügung stellen, Vorträge an Schulen,<br />

in Betrieben, bei anderen öffentlichen Veranstaltungen).<br />

In der Praxis hat sich diese Vielfalt von Aufgaben b<strong>und</strong>esweit zunehmend von der „reinen“<br />

Asylberatung zur Initiierung <strong>und</strong> Unterstützung integrativer Maßnahmen gewandelt.<br />

Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> in der Flüchtlingsarbeit haben nicht mehr allein „Feuerwehrfunktion“,<br />

sondern sind Fachleute für soziale Integration <strong>und</strong> interkulturellen Dialog<br />

geworden. Mit der Unterstützung von Hilfen <strong>und</strong> Maßnahmen - insbesondere zum Erwerb<br />

der deutschen Sprache sowie zur schulischen <strong>und</strong> beruflichen Qualifizierung -<br />

tragen sie zunehmend zur Integration von jugendlichen <strong>und</strong> erwachsenen <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

bei. 27<br />

In der LGU kümmern sich die unten genannten Wohlfahrtsverbände um <strong>Flüchtlinge</strong>. Im<br />

Saarland besteht jedoch - wie in anderen B<strong>und</strong>esländern mit Ausnahme Niedersachsens<br />

28 - keine flächendeckende sozialarbeiterische Betreuung für dezentral untergebrachte<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>. In allen Landkreisen existieren zwar Beratungsangebote, jedoch<br />

in der Regel nur <strong>im</strong> Rahmen allgemeiner Migrationsdienste oder sozialer Einrichtungen,<br />

für die <strong>Flüchtlinge</strong> von eher untergeordneter Bedeutung sind. Außerhalb der<br />

Kreisstädte lebende <strong>Flüchtlinge</strong> können diese Angebote daher oft nicht nutzen bzw.<br />

sind nicht über diese Angebote informiert.<br />

27 Vgl. ebenda.<br />

28 Im Rahmen des Projekts „Dezentrale Flüchtlingssozialarbeit in Niedersachsen“ wurden ab 1991<br />

landesweit sukzessiv in allen Landkreisen <strong>und</strong> kreisfreien Städten Stellen zur Beratung eingerichtet.<br />

Angesiedelt wurden sie bei Wohlfahrtsverbänden sowie kommunalen <strong>und</strong> kirchlichen Trägern.<br />

R<strong>und</strong> ein Viertel der Stellen wurden zudem bei Vereinen <strong>und</strong> Initiativen angesiedelt, die seit langem<br />

zumeist ehrenamtlich Flüchtlingsarbeit geleistet hatten. Mit dieser Zuweisungspraxis honorierte das<br />

Land die Vereine <strong>und</strong> Initiativen für ihr ehrenamtliches Engagement. (vgl. derselbe, S. 288).<br />

33


34<br />

3.3.1 Die Arbeiterwohlfahrt (AWO)<br />

Die Arbeiterwohlfahrt Landesverband Saarland e.V. gliedert sich in sieben Kreisverbände<br />

<strong>und</strong> 117 Ortsvereine mit 18.000 Mitgliedern. In den verschiedenen Einrichtungen<br />

der Arbeiterwohlfahrt (AWO) werden derzeit ca. 3000 Mitarbeiter/<strong>innen</strong> beschäftigt.<br />

Die AWO ist schwerpunktmäßig in folgenden Bereichen tätig: Altenhilfe/Seniorenzentren,<br />

Ambulante Pflegedienste, Behindertenhilfe, Kinder-, Jugend-<br />

Familienhilfe, Frauenhäuser, Beratungsstellen, Ausbildung, Beschäftigung <strong>und</strong><br />

Qualifizierung, Migration <strong>und</strong> Struktur sowie Organisation des Verb<strong>und</strong>es<br />

Sozialpädagogischer Einrichtungen (VESPE).<br />

Die Sozialbetreuung der Arbeitnehmer/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> deren Familienangehörigen aus der<br />

Türkei erfolgt dezentral in vier Beratungsstellen, die in Saarbrücken, Saarlouis, Völklingen<br />

<strong>und</strong> in Homburg eingerichtet sind. Die Betreuungseinrichtungen sind sowohl Anlaufstelle<br />

für ratsuchende Personen aus der Türkei als auch Stützpunkt für die ortsnahe,<br />

lokale Betreuungsarbeit der Sozialarbeiter/<strong>innen</strong>. Vor allem die Präsenz in den<br />

wichtigsten saarländischen Industrie- <strong>und</strong> Dienstleistungszentren ermöglicht eine flächendeckende<br />

Betreuungsarbeit.<br />

Der Verb<strong>und</strong> Sozialpädagogischer Einrichtungen, VESPE, vereinigt unter seinem Dach<br />

eine Vielzahl von Einrichtungen der Kinder-, Jugend-, <strong>und</strong> Familienhilfe sowie Ausbildungs-,<br />

Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifizierungsprojekte. VESPE ist in einem Einrichtungsverb<strong>und</strong>,<br />

dem Sozialpädagogischen Netzwerk, mit zwei weiteren Einrichtungen<br />

der Erziehungshilfe, den Heilpädagogischen Wohngruppen Bexbach <strong>und</strong> dem Heilpädagogischen<br />

Kinderhe<strong>im</strong> Oberthal, fachlich vernetzt.<br />

VESPE bietet mit dem Bereich Jugendberufshilfe, Beschäftigung <strong>und</strong> Qualifizierung ein<br />

breites Spektrum <strong>und</strong> beste Rahmenbedingungen zur effektiven Förderung <strong>und</strong> Integration<br />

Jugendlicher, junger Erwachsener <strong>und</strong> Erwachsener. Gemeinsames Ziel der in<br />

den Einrichtungen durchgeführten Maßnahmen ist die gesellschaftliche Integration mit<br />

dem Schwerpunkt der Eingliederung in die Arbeitswelt.<br />

Im Rahmen von SEPA wurden durch VESPE bis Ende Juni 2004 29 spezielle Angebote<br />

für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> zur beruflichen Qualifizierung <strong>und</strong> Eingliederung<br />

zur Verfügung gestellt. Weitere Arbeitsfelder <strong>im</strong> Bereich Migration sind der<br />

Deutsch-Ausländische Treff <strong>und</strong> die Arbeitsstelle für Migration <strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit<br />

in Dillingen sowie Urban II in Dudweiler.<br />

29 Durch die Auflösung der Landesgemeinschaftsunterkunft in Homburg, die die Umsiedlung der dort<br />

lebenden <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> nach Lebach zur Folge hatte, konnte die AWO das<br />

Qualifizierungsprojekt nicht fortführen.


3.3.2 Der Caritasverband<br />

Als demokratisch organisierter Zusammenschluss persönlicher <strong>und</strong> korporativer Caritas-Mitglieder/<strong>innen</strong><br />

ist die Caritas zugleich anerkannter Verband der freien Wohlfahrtspflege.<br />

Gr<strong>und</strong>lage des Engagements ist die christliche Zuwendung zu Menschen<br />

in Not. Dies ist <strong>im</strong> Leitbild der Caritas <strong>im</strong> Bistum Trier festgeschrieben. Die sich daraus<br />

ableitenden Ziele <strong>und</strong> Aufgaben - den christlichen Beitrag zur Gestaltung des Sozialstaates<br />

<strong>und</strong> einer menschenfre<strong>und</strong>lichen Gesellschaft zu leisten - sind Richtschnur für<br />

das soziale Handeln der Caritas in Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft.<br />

Das Caritas-Hilfenetz stützt sich b<strong>und</strong>esweit auf ca. 28.000 hauptamtliche <strong>und</strong> r<strong>und</strong><br />

38.000 ehrenamtliche Mitarbeiter/<strong>innen</strong> in Pfarrgemeinden sowie caritativen Einrichtungen<br />

<strong>und</strong> Diensten. Sie sind tätig in ca. 1.400 kirchlich-caritativen Einrichtungen wie<br />

z.B. Alten- <strong>und</strong> Pflegehe<strong>im</strong>en, Behinderteneinrichtungen, Jugendhilfeeinrichtungen,<br />

Kindertageseinrichtungen, 19 Caritas-Geschäftsstellen mit differenzierten Beratungsdiensten,<br />

sechs Caritas-Fachverbänden <strong>und</strong> zahlreichen ehrenamtlichen Initiativen <strong>und</strong><br />

Helfergruppen.<br />

Der Caritasverband für die Diözese Trier unterstützt <strong>und</strong> koordiniert als Dachverband<br />

die Arbeit der Regional-Caritasverbände, der Fachverbände <strong>und</strong> der vielen Träger caritativer<br />

Dienste in Rheinland-Pfalz <strong>und</strong> <strong>im</strong> Saarland. Zu diesen zählen neben dem Caritasverband<br />

für die Region Saar-Hochwald <strong>und</strong> den Caritas-Einrichtungen in Lebach<br />

(siehe unten) mit seinen spezifischen Angeboten für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

<strong>im</strong> Rahmen von SEPA auch die Migrationsfachdienste in Saarbrücken, St. Wendel,<br />

Homburg <strong>und</strong> Merzig, die zum Teil auch von <strong>Flüchtlinge</strong>n genutzt werden. 30<br />

a) Der Caritasverband für die Diözese Trier<br />

Die Aufgaben des Diözesan-Caritasverbandes Trier sind gemäß Satzung das sachk<strong>und</strong>ige<br />

Anregen sozial-caritativer Arbeit <strong>und</strong> die Förderung des Zusammenwirkens<br />

aller auf dem Gebiet der Caritas tätigen Personen <strong>und</strong> Einrichtungen, die fachliche<br />

Beratung der korporativen Mitglieder/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Mitarbeiter/<strong>innen</strong> der Caritasverbände,<br />

die Qualifizierung der Mitarbeiter/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> die spitzenverbandliche Vertretung seiner<br />

korporativen Mitglieder/<strong>innen</strong>.<br />

Der Caritasverband für die Diözese Trier ist seit 1959 in Lebach präsent. Schon damals<br />

gab es ein Beratungsangebot, eine Kindertagesstätte <strong>und</strong> einen Kinderhort für die<br />

dort untergebrachten Aus- <strong>und</strong> Übersiedler/<strong>innen</strong>. 1973 kamen die Aktivitäten des Jugendgemeinschaftswerkes<br />

(seit 01.01.04: Caritas-Jugendmigrationsdienst) dazu. 31<br />

Heute verfügen die Caritas-Einrichtungen in der LGU Lebach über 75 Planstellen, unter<br />

anderem Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> -pädagog<strong>innen</strong>/-pädagogen, Erzieher/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

Lehrer/<strong>innen</strong>. 32<br />

30 Vgl. URL: www.caritas-trier.de.<br />

31 Zunächst war die LASt nur für die Aufnahme von deutschen Aussiedler/<strong>innen</strong> aus den südost- <strong>und</strong><br />

osteuropäischen Ländern vorgesehen. Erst seit Ende der 1970er-Jahre wurden auch ausländische<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> aufgenommen, die überwiegend Asylanträge stellten.<br />

32 Die Angaben zur Caritas entstammen Gesprächen mit Mitarbeiter/<strong>innen</strong> am 13.09.02 <strong>und</strong> 26.03.03<br />

sowie einem Gesprächsvermerk vom 16.06.04.<br />

35


36<br />

In der LASt unterhält die Caritas vier verschiedene Fachbereiche:<br />

1. Katholische Flüchtlings- <strong>und</strong> Aussiedlerhilfe (inklusive SEPA-Teilprojekt)<br />

2. Caritas-Jugendmigrationsdienst<br />

3. Kindertagesstätte St. Nikolaus<br />

4. Caritas-Kinderhort<br />

Die beiden erstgenannten Einrichtungen sind in der sozialen Beratung <strong>und</strong> Begleitung<br />

der <strong>Flüchtlinge</strong> tätig. Ihre Angebote werden <strong>im</strong> inhaltlichen Kontext des Kapitels 4.5.2<br />

vorgestellt. Da den meisten <strong>Flüchtlinge</strong>n das deutsche System der professionellen Hilfen<br />

fremd ist, geht man <strong>im</strong> Rahmen der Sozialarbeit bei der Caritas mit sog. „niedrigschwelligen<br />

Angeboten“ auf den Einzelnen zu <strong>und</strong> spricht ihn so an, dass er sich verstanden,<br />

akzeptiert <strong>und</strong> respektiert fühlt. Das heiße in erster Linie, Menschlichkeit zu<br />

bewahren <strong>und</strong> zu vermitteln. 33<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist die gemeinsame vor- <strong>und</strong> außerschulische<br />

Betreuung, Erziehung <strong>und</strong> Bildung von einhe<strong>im</strong>ischen <strong>und</strong> fremden Kindern in den o.g.<br />

Fachbereichen 3 <strong>und</strong> 4. Ein wichtiger Schritt zur Integration der Bewohner/<strong>innen</strong> der<br />

LGU in die örtlichen Lebacher Strukturen war die Öffnung der Kindertagesstätte <strong>und</strong><br />

des Kinderhortes für die einhe<strong>im</strong>ischen Kinder. In beiden Einrichtungen sollen Kinder<br />

auf ungezwungene <strong>und</strong> spielerische Weise miteinander lernen, Fremdheit zu überwinden.<br />

Daneben bemühen sich die Mitarbeiter/<strong>innen</strong> mit verschiedenen Aktivitäten um ein<br />

möglichst konfliktfreies Zusammenleben der <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> Aussiedler/<strong>innen</strong> innerhalb<br />

der LGU <strong>und</strong> <strong>im</strong> Kontakt zur einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung. Ehemalige Bewohner/<strong>innen</strong>,<br />

die heute anderswo wohnen, werden zur weiteren Beratung an die bestehenden Migrationsdienste<br />

vor Ort vermittelt.<br />

Im Zuge von SEPA wurden die Aktivitäten erheblich ausgeweitet. Die Angebote richten<br />

sich an Jugendliche von 13 - 20 Jahren (siehe unten).<br />

b) Der Caritasverband für die Region Saar-Hochwald e.V.<br />

Über die oben beschriebenen Angebote des Caritasverbandes der Diözese Trier hinausgehend,<br />

ist der Caritasverband für die Region Saar-Hochwald (Geschäftsstelle<br />

Saarlouis) Träger eines Teilprojektes von SEPA, das speziell für <strong>Asylbewerber</strong><strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> weibliche <strong>Flüchtlinge</strong> angeboten wird. Dieses Projekt wurde <strong>im</strong> ersten Jahr in<br />

Saarlouis durchgeführt, seit dem Kursjahr 2003/2004 jedoch in Lebach. 34<br />

Die Geschäftsstelle Saarlouis umfasst folgende Aufgabenfelder:<br />

- Familien- <strong>und</strong> Jugendhilfe (Allgemeiner Sozialer Dienst, Trennung <strong>und</strong> Scheidung,<br />

Begleiteter Umgang, Arbeitslosenberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe, Al-<br />

33 Vgl. Caritas (Hg.): Konzepte zur sozialen Arbeit der Caritaseinrichtungen in der Landesaufnahmestelle<br />

für Vertriebene <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> in Lebach, Lebach 1999, Vorwort.


leinerziehende, Schwangerenberatung, Kurvermittlung <strong>und</strong> Kurnachsorge, Schuldnerberatung,<br />

Verbraucherinsolvenzberatung, Wohnungslosenhilfe);<br />

- außerschulischer Bereich (Freiwillige Ganztagsschule, therapeutische Schülerhilfe);<br />

- Gemeinwesenarbeit (Projekt: Lebensraumorientierte Sozialraumgestaltung, Wohnungslosenhilfe<br />

mit Tagesaufenthalt für Obdachlose („Oase“), Gemeinwesenprojekt:<br />

„Sozialbüro Christkönig“);<br />

- Psychosozialer Dienst (Psychosozialer Dienst, Gruppenangebote);<br />

- Migrationsdienst (Beratungs- <strong>und</strong> Betreuungsstelle für Aussiedler/<strong>innen</strong>, Erstintegrationslotse,<br />

Beratungs- <strong>und</strong> Betreuungsstelle für italienische Mitbürger/<strong>innen</strong>, Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Betreuungsstelle für ausländische <strong>Flüchtlinge</strong>, Projekt EQUAL, Projekt<br />

Xenos);<br />

- Hilfe für alte, kranke <strong>und</strong> behinderte Menschen (Sozialstation, Beratungs- <strong>und</strong> Koordinierungsstellen,<br />

Hospizgruppe, Ehrenamtsbörse);<br />

- Caritas der Gemeinde (Ehrenamtsbörse, Kleiderkammer, Lebensmittelausgabe);<br />

- Gruppenangebote.<br />

c) Das Raphaels-Werk e.V.<br />

Das Raphaels-Werk e.V. berät Menschen, die Deutschland vorübergehend oder dauerhaft<br />

verlassen wollen, z.B. Auswanderer, Auslandstätige, binationale Paare <strong>und</strong> auch<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, die in ein Drittland weiterwandern oder freiwillig in ihre He<strong>im</strong>at zurückkehren<br />

wollen. In den derzeit 21 Beratungsstellen in Deutschland (darunter Saarbrücken)<br />

informieren Berater/<strong>innen</strong> Ratsuchende über das jeweilige Zielland <strong>und</strong> besprechen mit<br />

ihnen Motive, Chancen <strong>und</strong> Risiken, um zu einer möglichst ausgewogenen <strong>und</strong> verantwortlichen<br />

Entscheidung des Einzelnen beizutragen.<br />

Das Raphaels-Werk handelt <strong>im</strong> Auftrag der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz.<br />

Es ist ein gemeinnütziger Verein <strong>und</strong> anerkannter zentraler Fachverband des<br />

Deutschen Caritasverbandes. Darüber hinaus berät es auf der Gr<strong>und</strong>lage des Auswandererschutzgesetzes<br />

(Gesetz zum Schutze der Auswanderer vom 26. März 1975,<br />

AuswSG). Das Generalsekretariat des Verbandes ist in Hamburg. Das Raphaels-Werk<br />

ist Kooperationspartner für Caritasverbände in Deutschland <strong>und</strong> vielen anderen Ländern<br />

ebenso wie für die deutschsprachigen katholischen Auslandsgemeinden <strong>und</strong> andere<br />

kirchliche Stellen. Internationale Organisationen wie UNHCR, IOM, ausländische<br />

Botschaften <strong>und</strong> Konsulate, Ministerien <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esbehörden sind regelmäßige Gesprächspartner.<br />

35<br />

Das Raphaels-Werk Saarbrücken ist eine gemeinnützige Beratungsstelle für Auswanderer<br />

<strong>und</strong> Auslandstätige <strong>im</strong> Caritasverband Saarbrücken. Es berät <strong>Flüchtlinge</strong> mit<br />

Blick auf die Frage, ob es eine realistische Chance auf eine Weiterwanderung gibt,<br />

welche Flüchtlingsprogramme existieren, ob die erforderlichen Kriterien erfüllt sind oder<br />

ob doch nur die Rückkehr ins Herkunftsland möglich ist. Die Beratungsstelle informiert<br />

über die humanitären Einwanderungsprogramme der USA, Australiens <strong>und</strong> Kanadas<br />

34 Gespräch mit einem Mitarbeiter der Caritas Saarlouis am 04.06.04.<br />

35 Vgl. URL: www.raphaels-werk.de.<br />

37


38<br />

<strong>und</strong> berät <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Hinblick auf die Voraussetzungen <strong>und</strong> Zugangsbedingungen<br />

dieser Programme. Falls diese die besonderen Voraussetzungen für eine Antragstellung<br />

erfüllen, unterstützen die Berater/<strong>innen</strong> sie <strong>im</strong> Antragsverfahren. Von 1996 bis<br />

1999 führte das Raphaels-Werk Saarbrücken für fast 800 bosnische <strong>Flüchtlinge</strong> Seminare<br />

zur Weiterwanderung bzw. Einwanderung in die USA durch.<br />

3.3.3 Das Deutsche Rote Kreuz (DRK)<br />

Der Landesverband Saarland des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist seit mehr als 25<br />

Jahren in der Arbeit mit <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> Aussiedler/<strong>innen</strong> engagiert. Die Angebote des<br />

DRK richten sich an alle Zuwanderer <strong>und</strong> die Einhe<strong>im</strong>ischen, die mit ihnen in Kontakt<br />

kommen. Das Arbeitsfeld wurde erheblich ausgeweitet. Es sind zurzeit r<strong>und</strong> 20 hauptamtliche<br />

Mitarbeiter/<strong>innen</strong> in Teilzeit- oder Vollzeitstellen in den verschiedenen Bereichen<br />

tätig. Diese werden unterstützt von etwa zehn Honorarkräften, einem Zivildienstleistenden<br />

<strong>und</strong> zwei Helfer<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen Jahr. Die Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung<br />

für <strong>Flüchtlinge</strong> ist umfassend <strong>und</strong> folgt dem Ansatz „Von Hilfe in erster Not zu<br />

interkultureller Begegnung“ (so der Titel einer Arbeitshilfe des DRK). 36<br />

Der DRK-Landesverband Saarland hat <strong>im</strong> Laufe seiner Arbeit <strong>im</strong> Migrationsbereich ein<br />

eigenes Profil entwickelt, das gekennzeichnet ist durch eine Zusammenarbeit von Psycholog<strong>innen</strong>/Psychologen,<br />

Psychotherapeut<strong>innen</strong>/-therapeuten sowie Sozialarbeiter/<strong>innen</strong><br />

mit dem Ziel der umfassenden Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen<br />

unter den gegebenen Bedingungen.<br />

Das DRK hat ein zentrales Beratungszentrum in Saarbrücken-Burbach <strong>und</strong> weitere<br />

Beratungsstelle für <strong>Flüchtlinge</strong> in der LGU Lebach. Weiterhin bietet das DRK dort Pr<strong>im</strong>ärhilfen<br />

wie Neueinkleidung, Schulbedarf <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsberatung (vgl. Kapitel<br />

4.1.2). 37 Die Arbeit ist gegliedert in zielgruppenbezogene <strong>und</strong> problemlagenbezogene<br />

Einzelprojekte, die eng miteinander verzahnt sind.<br />

Die DRK-Fachberatungsstelle in Saarbrücken-Burbach führt neben der Beratung <strong>und</strong><br />

Behandlung von <strong>Flüchtlinge</strong>n Informationsveranstaltungen - insbesondere zur Problematik<br />

von Traumatisierung, Traumaerkennung <strong>und</strong> Umgang mit Traumatisier-<br />

ten - durch für Mitarbeiter/<strong>innen</strong> der Ausländerbehörden, der staatlichen Verwaltung,<br />

der Landesaufnahmestelle, für Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzte in Kliniken <strong>und</strong> für Richter/<strong>innen</strong> des<br />

Verwaltungsgerichtes.<br />

Ein weiterer wichtiger Arbeitsbereich des DRK ist die Rückkehrberatung. Zurzeit sind<br />

hier drei Mitarbeiter/<strong>innen</strong> (Sozialarbeiter/<strong>innen</strong>, Psychologin) beschäftigt. Die Beratungstätigkeit<br />

beinhaltet eine regelmäßige Zusammenarbeit mit den zuständigen staatlichen<br />

Stellen <strong>und</strong> anderen Wohlfahrtsverbänden. Dieses Projekt wird durch Mittel der<br />

Europäischen Union (Europäischer Flüchtlingsfonds - EFF) <strong>und</strong> des Ministerium für<br />

Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport gefördert.<br />

36<br />

Die Angaben zum DRK entstammen Gesprächen mit einem Vertreter des DRK am 06.11.02 <strong>und</strong><br />

04.06.04.<br />

37<br />

Vgl. DRK: Migration - ein zentrales Arbeitsfeld des DRK <strong>im</strong> Saarland.


Im Rahmen der Traumaprävention <strong>und</strong> Traumabehandlung hilft das DRK Flüchtlingskindern<br />

<strong>und</strong> jugendlichen <strong>Flüchtlinge</strong>n auf vielfache Weise durch Einzeltherapien<br />

<strong>und</strong> Gruppenaktivitäten (u.a. künstlerisches Gestalten, Musiktherapie, Tanzgruppe).<br />

Der DRK-Landesverband war vom 01.04.00 bis 31.03.03 Teil eines Trauma-<br />

Behandlungsnetzwerkes (zusammen mit dem Kreisverband Berlin-Reinickendorf <strong>und</strong><br />

dem Kreisverband Freiburg), das von der EU <strong>im</strong> Rahmen der Europäischen Initiative<br />

zur Förderung der Demokratie <strong>und</strong> zum Schutz der Menschenrechte gefördert wurde.<br />

Es wurde befristet bis Ende 2003 durch ESF-Mittel weiter geführt. Seitdem läuft es mit<br />

Eigenmitteln weiter. Durch die fehlende Finanzierung ist dieses wesentliche Standbein<br />

der DRK-Arbeit jedoch gefährdet.<br />

Das Projekt trug bzw. trägt den Titel „Innovation <strong>und</strong> Vernetzung in der Traumabehandlung<br />

<strong>im</strong> Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes“. Ziel ist die Entwicklung eines ganzheitlichen<br />

Ansatzes durch interdisziplinäre Kooperation. Dies erfolgt unter anderem<br />

durch die Entwicklung eines psychologischen <strong>und</strong> sozialen diagnostischen Instrumentariums<br />

(Fragekatalog, Interviewleitfaden) zur Erkennung traumatisierter <strong>Flüchtlinge</strong><br />

<strong>und</strong> besonders schutzbedürftiger Personen, durch die Erweiterung des Behandlungsspektrums<br />

<strong>und</strong> der Behandlungsmethoden in Kooperation mit Fachärzt<strong>innen</strong>/-ärzten, -<br />

einrichtungen <strong>und</strong> therapeutisch ergänzenden Professionen sowie die Qualifizierung<br />

der Mitarbeiter/<strong>innen</strong> der Projektstandorte <strong>und</strong> Paraprofessioneller, Ehrenamtlichen<br />

<strong>und</strong> Dolmetschenden besonders in Bezug auf Besonderheiten von Traumatisierungen<br />

<strong>und</strong> Hilfen für Traumatisierte. 38<br />

Im Rahmen von SEPA hat der DRK-Landesverband Saarland die psychologische <strong>und</strong><br />

psychosoziale Betreuung von Jugendlichen <strong>und</strong> traumatisierten <strong>Flüchtlinge</strong>n übernommen.<br />

Ebenfalls <strong>im</strong> Rahmen von SEPA wird in der LGU Lebach eine arbeitsmarktorientierte<br />

Beratung <strong>und</strong> Arbeitsvermittlung angeboten.<br />

3.3.4 Das Diakonische Werk Saar (DWS)<br />

Das Diakonische Werk Saar unterhält in Neunkirchen <strong>und</strong> Lebach zwei spezifisch für<br />

Migrant<strong>innen</strong>/Migranten eingerichtete Beratungsstellen.<br />

Das Diakonische Zentrum Neunkirchen berät insbesondere Flüchtlingsfrauen <strong>und</strong> ihre<br />

Familien. Ziel der Arbeit ist es, einen Beitrag dazu zu leisten, ihre schwierige Situation,<br />

auch <strong>im</strong> Hinblick auf die Arbeit mit ihren Familien, zu verbessern. Dieses Projekt wird<br />

durch Mittel der Europäischen Union (Europäischer Flüchtlingsfonds - EFF) gefördert.<br />

Angeboten werden Beratung <strong>und</strong> Hilfestellung in unterschiedlichen Frage- <strong>und</strong> Problemstellungen<br />

sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Integrationschancen (u.a. ein<br />

Alphabetisierungskurs <strong>und</strong> ein Sprachkurs). Dazu kommt die Förderung des interkulturellen<br />

Austauschs in multinationalen Frauengruppen, auch mit deutschen Frauengruppen<br />

<strong>und</strong> Organisationen. Im Jahr 2004 wird eine Qualifizierungsmaßnahme für Ehrenamtliche<br />

in der Flüchtlingsarbeit durchgeführt, die am 30. Oktober 2004 endet. Auch <strong>im</strong><br />

Diakonischen Zentrum Völklingen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Stadtteilbüro Saarbrücken-Malstatt werden<br />

von einer Neunkircher Mitarbeiterin einmal in der Woche Beratung <strong>und</strong> Hilfestellung für<br />

38<br />

Vgl. URL: www.trauma-netz.drk.de. 2004 erschien ferner eine Publikation „Traumaarbeit mit <strong>Flüchtlinge</strong>n“.<br />

39


40<br />

Flüchtlingsfrauen angeboten. Ihre Erfahrungen haben Eingang in die Kapitel 4 <strong>und</strong> 5<br />

gef<strong>und</strong>en. 39<br />

Die Beratungsstelle für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> der Diakonie ist ebenso wie DRK <strong>und</strong> Caritas<br />

auf dem Gelände der LGU Lebach vertreten. Einer der beiden für <strong>Flüchtlinge</strong> zuständigen<br />

Mitarbeiter war von 1982 bis 1993 Sprecher des Arbeitskreises Asyl Saar<br />

<strong>und</strong> steht in Kontakt zu sehr vielen Ausländer/<strong>innen</strong>. Er selbst spricht arabisch, was die<br />

Beratung vielfach erleichtert. Der Mitarbeiter äußerte sich umfassend zu den Lebensbedingungen<br />

<strong>und</strong> zur Erwerbstätigkeit von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n. Auch<br />

diese Aussagen haben Eingang in die Kapitel 4 <strong>und</strong> 5 gef<strong>und</strong>en.<br />

Andere der r<strong>und</strong> 100 Diakonie-Einrichtungen <strong>im</strong> Saarland, so auch in Sulzbach <strong>und</strong><br />

Homburg, betreuen <strong>im</strong> Rahmen allgemeiner Angebote gelegentlich auch <strong>Flüchtlinge</strong>.<br />

3.3.5 Der Migrationsausschuss der Liga der freien Wohlfahrtspflege<br />

Die Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege <strong>im</strong> Saarland (Arbeiterwohlfahrt, Caritasverband,<br />

Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk, Jüdischer Wohlfahrtsverband<br />

<strong>und</strong> Paritätischer Wohlfahrtsverband) sind in der Liga der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen.<br />

Im Rahmen dieser Liga werden Fachausschüsse gebildet. Der<br />

alle zwei Monate tagende Fachausschuss „Migration“ befasst sich unter anderem mit<br />

Fragen der Situation von <strong>Flüchtlinge</strong>n sowie mit Flüchtlingspolitik. Er arbeitet der Liga<br />

fachlich zu. Die Liga selbst, insbesondere aber auch der Fachausschuss, n<strong>im</strong>mt bei<br />

wichtigen Fragen auch Kontakt auf zu den entsprechenden Stellen der Ministerien <strong>und</strong><br />

des Landtags. Den Vorsitz bzw. die Federführung des Ausschusses n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Wechsel<br />

jeweils ein(e) Vertreter(in) eines der Verbände wahr. Seit Mitte der 1990er-Jahre wird<br />

er vom DRK gestellt. 40<br />

3.4 Rechtsanwälte<br />

Saarlandweit haben sich etwa ein halbes Dutzend Rechtsanwält<strong>innen</strong>/Rechtsanwälte<br />

auf Fragen des Ausländerrechts spezialisiert. Im Auftrag einer hohen Zahl von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

unterstützen sie diese bei der Asylantragstellung bzw. bei weiteren<br />

rechtlichen Schritten <strong>im</strong> Rahmen des Verfahrens. Ähnliches gilt für <strong>Flüchtlinge</strong>. Zwei<br />

dieser Rechtsanwälte sind auch <strong>im</strong> Flüchtlingsrat aktiv. Ferner zu nennen sind viele<br />

außerhalb des Saarlandes tätige spezialisierte Rechtsanwälte (u.a. in Berlin, Heidelberg<br />

<strong>und</strong> Frankfurt), die von <strong>im</strong> Saarland lebenden <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sowie <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

beauftragt werden. Dazu kommen einige nur gelegentlich in Flüchtlings- <strong>und</strong><br />

Asylangelegenheiten tätige Rechtsanwält<strong>innen</strong>/Rechtsanwälte. Sie werden pauschal<br />

vorab <strong>und</strong> erfolgsunabhängig bezahlt. Die finanziellen Mittel hierfür sind nach Einschätzung<br />

des LAFL seitens der <strong>Flüchtlinge</strong> in der Regel vorhanden 41 - wobei es sich<br />

39 Gespräch am 04.03.04.<br />

40 Gespräch mit einem Vertreter des DRK, 06.11.02 <strong>und</strong> 04.06.04.<br />

41 Gespräch mit einem leitenden Mitarbeiter des LAFL, 12.03.03.


jedoch um eine Einschätzung handelt, die nach Auffassung von Berater/<strong>innen</strong> durchaus<br />

zu hinterfragen wäre. 42<br />

Die Bedeutung ihrer Beratungsdienstleistung ist aufgr<strong>und</strong> der zuweilen sehr komplexen<br />

asylrechtlichen Fragen hoch einzuschätzen. Einige Gesprächspartner/<strong>innen</strong> merkten<br />

jedoch auch kritisch an, dass die oft praktizierte Eröffnung weiterer möglicher rechtlicher<br />

Schritte durch Rechtsanwält<strong>innen</strong>/Rechtsanwälte <strong>im</strong> Anschluss an eine Asylablehnung<br />

letztlich auch negative Folgen haben kann. Dies insbesondere, wenn auch in<br />

eher aussichtslosen Fällen durch weitere Schritte <strong>im</strong>mer neue Hoffnungen geweckt<br />

werden <strong>und</strong> ein zeitlicher Aufschub der Ausreise erreicht wird (schon die Aushändigung<br />

eines Antrags wirke auf viele, als sei das Antragsziel damit schon erreicht). Hierdurch<br />

komme es oft zu teilweise langjährigen Aufenthaltsverlängerungen, die zwar den<br />

kurzfristigen, nicht unbedingt aber den langfristigen Interessen der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> dienen. 43<br />

3.5 Die Saarländische Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> (SEPA) in der Gemeinschaftsinitiative<br />

EQUAL<br />

3.5.1 Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL<br />

Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL hat das Ziel, Arbeitslosigkeit zu verhindern <strong>und</strong> zu<br />

bekämpfen, Humanressourcen zu entwickeln sowie lebenslanges Lernen <strong>und</strong> die berufliche<br />

<strong>und</strong> soziale Integration von benachteiligten Gruppen zu fördern. 44<br />

Im Saarland beteiligt sich die Saarländische Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> (SEPA) - ein Zusammenschluss von Wohlfahrtsverbänden, Initiativgruppen,<br />

Bildungsträgern, Forschungseinrichtungen sowie einschlägigen Landesministerien<br />

<strong>und</strong> Vertretern der Arbeitsverwaltung - <strong>im</strong> Themenfeld <strong>Asylbewerber</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

an EQUAL. Durch SEPA gelang es zum ersten Male <strong>im</strong> Saarland, unterschiedliche<br />

Akteure in ein gemeinsames Vorhaben <strong>und</strong> Arbeitsprogramm zu Gunsten von<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n einzubinden.<br />

42 Vgl. Gesprächsvermerk der Caritas Lebach vom 16.06.04.<br />

43 Gemeint sind Fälle, in denen <strong>im</strong> Ablauf mehrerer Jahre mehrfach Aufenthaltsverlängerungen erreicht<br />

werden, diese letztlich aber nicht zu einer Anerkennung führen, sondern zu einer endgültigen<br />

Ablehnung mit der Folge stark geschw<strong>und</strong>ener Möglichkeiten, sich nach der Ausreise <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

wieder eine Existenz aufzubauen.<br />

44 EQUAL wird als „Werkstatt“ für die gemeinschaftsweite Weiterentwicklung der verfügbaren arbeitsmarkt-<br />

<strong>und</strong> berufsbildungspolitischen Instrumente verstanden. EQUAL ergänzt damit die allgemeinen<br />

Ziele des Europäischen Sozialfonds (ESF) um die Aspekte Transnationalität <strong>und</strong> Innovation.<br />

Das Programm verfolgt einen exper<strong>im</strong>entellen Entwicklungsansatz zur Beseitigung von Ungleichheiten<br />

<strong>und</strong> Diskr<strong>im</strong>inierungen auf dem Arbeitsmarkt. Neue Konzepte der Berufsbildungs- <strong>und</strong><br />

Arbeitsmarktpolitik sollen entwickelt <strong>und</strong> erprobt werden. Gleichzeitig gilt es, die Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Ergebnisse über „Mainstreaming“-Prozesse zu verbreiten, zu verallgemeinern <strong>und</strong> in die künftige<br />

Politik <strong>und</strong> Praxis zu integrieren. Bei der Bekämpfung von Diskr<strong>im</strong>inierungen <strong>und</strong> Ungleichheiten<br />

auf dem Arbeitsmarkt orientiert sich EQUAL an den Schwerpunkten der Europäischen Beschäftigungsstrategie:<br />

Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, Entwicklung des Unternehmergeistes,<br />

Förderung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen <strong>und</strong> ihrer Beschäftigten, sowie Förderung<br />

der Chancengleichheit von Frauen <strong>und</strong> Männern. Hinzu kommt in EQUAL ein Schwerpunkt zur Unterstützung<br />

von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>.<br />

41


42<br />

3.5.2 Die Saarländische Entwicklungspartnerschaft <strong>Asylbewerber</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong> (SEPA)<br />

Ziele <strong>und</strong> Arbeitsprogramm<br />

SEPA verfolgt beschäftigungspolitische <strong>und</strong> sozialpolitische Zielsetzungen zur<br />

Verbesserung der arbeitsmarktpolitischen Situation von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n. Programminteressenten können beraten (Lebens-, Berufs-, Arbeitsmarktberatung),<br />

psychisch stabilisiert, bei Bedarf qualifiziert <strong>und</strong> entsprechend der rechtlichen<br />

Gegebenheiten in Arbeit vermittelt werden (He<strong>im</strong>at-, Drittland oder Deutschland).<br />

Im Mittelpunkt des Arbeitsprogramms der Entwicklungspartnerschaft stehen:<br />

(1) Ein integrierter Ansatz zur Beratung, Therapie, Qualifizierung <strong>und</strong> Arbeitsvermittlung<br />

für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, Bürgerkriegs- <strong>und</strong> De-facto-<strong>Flüchtlinge</strong>.<br />

(2) Die Stärkung der Vernetzung all derer, die mit dem Arbeitsmarktzugang von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n zu tun haben.<br />

(3) SEPA will dieses Aktionsprogramm darüber hinaus durch verschiedene Maßnahmen<br />

flankieren <strong>und</strong> absichern.<br />

Mit eigenen Teilprojekten beteiligt sind die <strong>AGEF</strong>-Saar, die Arbeiterwohlfahrt/VESPE,<br />

der Caritas-Verband für die Diözese Trier e.V., der Caritas-Verband für die Region<br />

Saar-Hochwald e.V., das Deutsche Rote Kreuz - Landesverband Saarland, die Katholische<br />

Erwachsenenbildung e.V. (siehe Projektbeschreibungen unten) <strong>und</strong> das isoplan-<br />

Institut. 45 Die verschiedenen Partner erreichen durch die Kooperation einen erheblichen<br />

Mehrwert. SEPA leistet auch Beiträge zu den Querschnittszielen 46 von EQUAL.<br />

Qualifizierungsangebote<br />

a) Arbeiterwohlfahrt<br />

Als Teilprojekt von SEPA wurden durch die Arbeiterwohlfahrt <strong>im</strong> Rahmen des Verb<strong>und</strong>es<br />

Sozialpädagogischer Einrichtungen (VESPE) von Mai 2003 bis Ende Juni 2004 47<br />

an der LGU Homburg spezielle Angebote für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> zur<br />

beruflichen Qualifizierung <strong>und</strong> Eingliederung zur Verfügung gestellt.<br />

45 Vgl. URL: www.equal-sepa.de.<br />

46 Diese sind: Offenheit für neue Akteure / Realisierung eines integrierten Handlungsansatzes, präventive<br />

<strong>und</strong> kurative Aspekte der Problemlösung / Einbeziehung von Teilnehmern/<strong>innen</strong> (Empowerment)<br />

/ Art <strong>und</strong> Umfang der Nutzung von IuK-Technologien / D<strong>im</strong>ension der Chancengleichheit<br />

von Frauen <strong>und</strong> Männern / Ansätze zur Bekämpfung von Rassismus <strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit / Innovationspotenzial<br />

/ Offenheit <strong>und</strong> Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen / Nachhaltige<br />

Wirkung.<br />

47 Durch die Auflösung der Landesgemeinschaftsunterkunft in Homburg, die die Umsiedlung der dort<br />

lebenden <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> nach Lebach zur Folge hatte, konnte die AWO das<br />

Qualifizierungsprojekt nicht fortführen.


Hierzu zählten:<br />

• Anlauf- <strong>und</strong> Beratungsstelle;<br />

• Assessement/Clearing, Kompetenzermittlung <strong>und</strong> Potenzialanalyse;<br />

• Berufsvorbereitung/Arbeitserprobung;<br />

• Zielgerichtete Vermittlung in verschiedene Qualifizierungs- <strong>und</strong> Beschäftigungsmodule<br />

(nach einem entsprechenden Förderprofil <strong>und</strong> individuellem Entwicklungsplan).<br />

b) Caritasverband für die Diözese Trier<br />

Im Zuge von SEPA wurden die Aktivitäten der Caritas in Lebach erheblich ausgeweitet.<br />

Die Angebote richten sich an Jugendliche von 13 - 20 Jahren <strong>und</strong> gliedern sich wie<br />

folgt:<br />

• Angebote <strong>im</strong> Bereich der Spracherweiterung, wie z.B. Sprachkurse für Jugendliche<br />

<strong>und</strong> Erwachsene, projektbezogene Sprachkurse;<br />

• Angebote <strong>im</strong> Bereich der beruflichen Qualifizierung, wie z.B. Besuche <strong>und</strong> Begleitung<br />

zu Arbeitsämtern <strong>und</strong> dem Berufsinformationszentrum;<br />

• Angebote zum Erwerb schulischer Abschlüsse, wie z.B. Stützkurse für Berufsschüler/<strong>innen</strong>,<br />

Hausaufgabenhilfe, Prüfungsvorbereitung, Ferienkurse;<br />

• Angebot zum Absolvieren eines „Freiwilligen Sozialen Jahres“ in den Einrichtungen<br />

der Caritas (für bis zu sechs Migrant<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Migranten);<br />

• weitere Angebote, wie etwa spezielle Qualifizierungsangebote oder freizeitpädagogische<br />

Entlastungsangebote.<br />

Zur Umsetzung der SEPA-Ziele hat der Caritas-Verband zusätzlich Personal eingestellt,<br />

das intensiven Kontakt zu Jugendlichen, Schulen <strong>und</strong> Arbeitsämtern pflegt. 48<br />

c) Caritasverband für die Region Saar-Hochwald e.V.<br />

Das SEPA-Teilprojekt der Geschäftsstelle Saarlouis des Caritasverbands für die Region<br />

Saar-Hochwald e.V. richtet sich speziell an weibliche <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong><strong>innen</strong>.<br />

Es fand 2002/2003 in Saarlouis statt, wird seit dem Kursjahr 2003/2004 jedoch<br />

in Lebach (Pfarrzentrum) angeboten. Das Projekt umfasst drei Elemente:<br />

48 In der Presse fanden die Projekte der Caritas ein positives Echo, vgl. Saarbrücker Zeitung: Auf<br />

einmal macht die Schule viel mehr Spaß. Junge Ausländer steigern vor allem ihre Deutsch-Noten<br />

dank Stützkursus <strong>und</strong> Aufgabenhilfe (25.07.03) <strong>und</strong> Saarbrücker Zeitung: Hilfe hört nicht bei den<br />

Hausaufgaben auf. Förderkurse <strong>im</strong> Rahmen des EQUAL-Projektes bieten auch sozialpädagogische<br />

Betreuung (25.07.03).<br />

43


44<br />

• einen Sprachkurs (6 Monate);<br />

• vorberufliche Qualifizierung (3 Monate) in den Bereichen EDV, häusliche Alten- <strong>und</strong><br />

Krankenpflege <strong>und</strong> Hauswirtschaft (auch <strong>im</strong> Hotel- <strong>und</strong> Gaststättenbereich); darüber<br />

hinaus ist ein Erste-Hilfe-Lehrgang Gegenstand der vorberuflichen Qualifizierung;<br />

• das Betriebspraktikum (3 Monate), z.B. in Krankenhäusern, Altenhe<strong>im</strong>en, Gastronomiebetrieben,<br />

Kindergärten etc.<br />

d) Deutsches Rotes Kreuz<br />

Im Rahmen von SEPA hat der DRK-Landesverband Saarland die psychologische <strong>und</strong><br />

psychosoziale Betreuung von Jugendlichen <strong>und</strong> traumatisierten <strong>Flüchtlinge</strong>n übernommen.<br />

Ebenfalls <strong>im</strong> Rahmen von SEPA bietet der DRK-Landesverband in der LGU<br />

Lebach arbeitsmarktorientierte Beratung <strong>und</strong> Arbeitsvermittlung an (vgl. Kapitel 8.7).<br />

Die Arbeit der Berater/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Therapeut<strong>innen</strong>/Therapeuten <strong>im</strong> Rahmen der Beratung,<br />

Betreuung <strong>und</strong> Behandlung von traumatisierten <strong>Flüchtlinge</strong>n geht von der gesamten<br />

Lebenssituation der <strong>Flüchtlinge</strong> aus, die soziale, kulturelle, rechtliche, ökonomische,<br />

persönliche <strong>und</strong> psychologische Aspekte umfasst. Sie zielt darauf ab, die (berufliche)<br />

Handlungsfähigkeit der Betroffenen wieder herzustellen.<br />

e) Katholische Erwachsenenbildung<br />

Das Projekt, das die KEB <strong>im</strong> Rahmen von SEPA umsetzt, hat die berufliche Qualifizierung<br />

von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Bereich Bau / Innenausbau / Holz zum Gegenstand.<br />

Die Qualifizierungsmaßnahme ist untergliedert in die Module Holzbau, Staplerschein,<br />

Trockenbau, Mauern sowie Malen <strong>und</strong> Lackieren. Parallel dazu werden EDV-<br />

Gr<strong>und</strong>lagen vermittelt. Unterweisung <strong>und</strong> Betreuung der Teilnehmer/<strong>innen</strong> finden in der<br />

Fortbildungsstätte der KEB in Lebach statt, die von der LGU aus gut erreichbar ist. Ein<br />

wichtiges Instrument zur „Annäherung“ an den Arbeitsmarkt ist das Praktikum, das sich<br />

an die Qualifizierungsmaßnahme anschließt.<br />

f) Internationaler B<strong>und</strong> e.V.<br />

Unter dem Motto „Betreuen, Bilden, Brücken bauen“ organisiert der Internationale<br />

B<strong>und</strong> e.V. (IB) seit seiner Gründung 1949 Maßnahmen in der Jugend-, Sozial- <strong>und</strong><br />

Bildungsarbeit. Der IB unterhält in Zweibrücken ein Bildungszentrum Pfalz/Saarland,<br />

das sich an Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene richtet. 49 Im Rahmen von SEPA hat der IB<br />

von Mai 2002 bis Mai 2003 eine praxisorientierte Schulungs- <strong>und</strong> Trainingsmaßnahme<br />

49 Es umfasst berufliche Qualifizierung für Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene, spezielle Lehrgänge für<br />

Frauen, ein Lernkolleg, einen sozialpädagogischen Betreuungsdienst, Beratungsstellen (Caritas-<br />

Jugendmigrationsdienst), das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) sowie weitere Ausbildungs-, Arbeits-<br />

<strong>und</strong> Beschäftigungsprojekte.


angeboten, die sich aus den Bausteinen EDV-Training, Sprachförderung, den Werkbereichen<br />

Bautechnik, Holztechnik, Hauswirtschaft, Maler/Lackierer <strong>und</strong> Metalltechnik<br />

zusammensetzte. Das Projekt wurde in Kooperation mit dem DRK durchgeführt, welcher<br />

die sozialpädagogische <strong>und</strong> psychologische Betreuung der Teilnehmer/<strong>innen</strong><br />

wahrnahm. Im Mai 2003 ist der IB aus SEPA ausgeschieden.<br />

3.6 Sonstige<br />

3.6.1 Der Saarländische Flüchtlingsrat (SFR)<br />

Aus dem seit vielen Jahren bestehenden AK Asyl ging <strong>im</strong> Jahr 2002 die Initiative Asyl-<br />

Saar - Saarländischer Flüchtlingsrat hervor. Im AK Asyl waren hauptsächlich die beruflich<br />

<strong>und</strong> ehrenamtlich bei Organisationen wie Caritas, Diakonisches Werk oder DRK<br />

mit dem Flüchtlingsthema befassten Personen aktiv. Sie hatten nach Einschätzung<br />

eines Mitglieds des Flüchtlingsrates 50 zu wenig Bewegungsspielraum, weil sie bei der<br />

politischen Arbeit die Interessen ihrer Organisationen zu berücksichtigen hatten. Mit<br />

der Gründung des Flüchtlingsrates sollten mehr Ehrenamtliche aktiv mitwirken. Angestrebt<br />

wird ein landesweiter Zusammenschluss von Mitarbeitenden aus unterschiedlichen<br />

Organisationen, Vereinen, Gruppen sowie Einzelnen mit dem Ziel, „eine wirkungsvolle<br />

St<strong>im</strong>me zu sein, die für die Rechte von <strong>Flüchtlinge</strong>n eintritt“. Den Kern des<br />

Flüchtlingsrates, dessen Mitglieder/<strong>innen</strong> - anders als be<strong>im</strong> Ausländerbeirat - nicht gewählt<br />

werden, bilden zurzeit r<strong>und</strong> 15 engagierte Personen.<br />

Entwickelt hat sich die Initiative als Protest gegen verschiedene Abschiebungen, die<br />

nach Auffassung der Mitglieder/<strong>innen</strong> „spektakulär inszeniert“ worden waren. In einer<br />

Selbstdarstellung heißt es: „Wir setzen uns mit vielen anderen gegen ein absurdes <strong>und</strong><br />

ungerechtes Asylrecht ein. Über Aktionen <strong>und</strong> Pressearbeit wollen wir Nachrichten <strong>und</strong><br />

Fakten in die Öffentlichkeit bringen, die sonst in den Medien fehlen.“ 51 Aktuell werden<br />

die Bleiberechtskampagne von PRO ASYL „Hier Geblieben! Recht Auf Bleiberecht!“<br />

unterstützt, die Einrichtung einer Härtefallkommission gefordert <strong>und</strong> Kampagnen gegen<br />

das Abschiebegefängnis in Zweibrücken sowie die zentrale Unterbringung in Lebach<br />

durchgeführt. 52 Unter anderem die aus Sicht der Landesregierung <strong>und</strong> einiger Mitglieder/<strong>innen</strong><br />

zu deutliche „Linkslastigkeit“ des Rates, eine „wenig ausgeprägte Dialogbereitschaft“<br />

<strong>und</strong> eine fehlende „versöhnliche Gr<strong>und</strong>haltung“ führten 2002/03 zu internen<br />

Problemen. Seit Dezember 2003 scheinen diese ausgestanden zu sein, seitdem die<br />

Antifa Saar den Rat verlassen hat. 53 Im Mai 2004 bezog der Rat eigene Räumlichkeiten<br />

<strong>im</strong> Evangelischen Gemeindezentrum Saarlouis. Im Oktober 2004 startete der Saarländische<br />

Flüchtlingsrat unter dem Titel „Lager Lebach. Wenn das Leben zum Albtraum<br />

wird“ eine Kampagne zur Auflösung der LGU sowie für „menschenwürdige Wohn- <strong>und</strong><br />

Lebensumstände der <strong>Flüchtlinge</strong>.“<br />

50 Gespräch <strong>im</strong> Oktober 2002.<br />

51 Vgl. URL: www.asyl-saar.de.<br />

52 Gespräche am 12.05.04 <strong>und</strong> 29.06.04.<br />

53 In einer Pressemitteilung der Antifa Saar vom 23.12.03 hieß es dazu u.a.: „Wir machen durch unsere<br />

Entscheidung den Weg frei für diejenigen Personen <strong>und</strong> Verbände, die mit unserer Anwesenheit<br />

<strong>im</strong> Saarländischen Flüchtlingsrat ihre Abwesenheit begründeten“.<br />

45


46<br />

3.6.2 Amnesty International Saar<br />

Als weltweit tätige Organisation setzt sich Amnesty für den Schutz von <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

ein <strong>und</strong> spielt eine wichtige Rolle <strong>im</strong> internationalen Menschenrechtsschutz. So<br />

engagiert sich Amnesty beispielsweise für die Freilassung von gewaltlosen politischen<br />

Gefangenen, für faire <strong>und</strong> zügige Gerichtsverfahren politischer Gefangener sowie gegen<br />

Folter <strong>und</strong> Todesstrafe. Im Saarland beschränken sich die Aktivitäten neben der<br />

internen Vereinsarbeit <strong>im</strong> Wesentlichen auf Öffentlichkeitsarbeit (unter anderem für<br />

Flüchtlingsschutz <strong>und</strong> eine Liberalisierung der Asylgesetzgebung) sowie Spendensammlungen.<br />

Im Saarland lebende <strong>Flüchtlinge</strong> sind nicht bei Amnesty aktiv, es werden<br />

auch keine direkten Aktivitäten mit <strong>und</strong> für <strong>Flüchtlinge</strong> vor Ort durchgeführt. 54<br />

3.6.3 Das Saarländische Netzwerk Asyl in der Kirche<br />

Die Kirchen sind auch <strong>im</strong> Saarland traditionell <strong>und</strong> religiös begründet in der Unterstützung<br />

von <strong>Flüchtlinge</strong>n tätig. Erwähnenswert war bislang insbesondere das Saarländische<br />

Netzwerk Asyl in der Kirche, ein landesweiter Zusammenschluss von Pfarrgemeinden,<br />

kirchlichen Gruppen <strong>und</strong> Gremien, politischen Gruppen <strong>und</strong> Organisationen<br />

<strong>und</strong> Einzelpersonen. Die hier aktiven Personen sahen nach eigener Darstellung „da,<br />

wo ausländischen <strong>Flüchtlinge</strong>n die Abschiebung in ein Land der Verfolgung, der Folter<br />

<strong>und</strong> des Terrors droht, <strong>im</strong> Kirchenasyl ein letztes Mittel“. 55<br />

Insbesondere durch die Evangelische Kirchengemeinde in Völklingen wurde bis 2001<br />

häufig Kirchenasyl gewährt. Dieses wurde als Symbol für einen Einsatz gegen Abschiebungen<br />

auch öffentlichkeitswirksam bekannt gemacht. Von 2001 bis 2003 wurde<br />

für eine kurdische Familie Kirchenasyl durch die Kath. Kirchengemeinde in Saarwellingen<br />

gewährt. Nach dreijähriger Pause wurde <strong>im</strong> November 2004 eine kurdische Familie<br />

in das Kirchenasyl durch die Evangelische Versöhnungskirche Völklingen aufgenommen.<br />

3.6.4 Der Andere JugendClub e.V. (DAJC)<br />

Die Arbeit des 1980 gegründeten Anderen JugendClubs (vormals: Deutsch-<br />

Ausländischer JugendClub) hat sich <strong>im</strong> Laufe der Jahre <strong>im</strong> Zuge geänderter Rahmenbedingungen<br />

gewandelt, da Migrant<strong>innen</strong>/Migranten inzwischen über mehrere Generationen<br />

in Deutschland leben <strong>und</strong> die Einwanderergruppen vielfältiger geworden sind -<br />

neben Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten auch <strong>Flüchtlinge</strong>. In einer Selbstdarstellung<br />

heißt es: „Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns gelehrt, dass die vielzitierte<br />

‘sinnvolle Freizeitbeschäftigung‘ nicht wettmachen kann, was eine verfehlte Ausländerpolitik<br />

einer großen Gruppe von jungen Menschen an Zukunftsperspektiven vorenthält.“<br />

56<br />

54<br />

55<br />

Gespräch mit einer Vertreterin von Amnesty International Saar am 24.11.02.<br />

Vgl. Hämer, Andreas (Hg.): Saarländisches Netzwerk Asyl in der Kirche (Faltblatt), Völklingen<br />

1999.<br />

56<br />

Vgl. URL: www.dajc.de.


Zu den Aktivitäten des Saarbrücker Vereins gehören Angebote der Jugendarbeit für<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Zu nennen sind die<br />

Freizeitgestaltung <strong>im</strong> offenen Jugendtreff, Theater- <strong>und</strong> Tanzgruppen, Sport,<br />

Computer, Wochenendfahrten, aber auch Deutschkurse 57 <strong>und</strong> spezielle<br />

Deutschförderung für Schüler/<strong>innen</strong> auch aus Flüchtlingsfamilien sowie<br />

Veranstaltungen <strong>und</strong> Fortbildungen zur interkulturellen Pädagogik, Beratung <strong>und</strong><br />

allgemein die kritische Auseinandersetzung mit migrationspolitischen Fragen. Die<br />

Arbeit wird gefördert aus Mitteln des MiFAGS <strong>und</strong> des Stadtverbandes Saarbrücken<br />

<strong>und</strong> ist 2001 mit dem Jugendhilfepreis ausgezeichnet worden.<br />

Der DAJC betreut seit Jahren in enger Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe auch unbegleitete<br />

minderjährige <strong>Flüchtlinge</strong>. 58 Ihnen wird bei juristischen <strong>und</strong> sonstigen Fragen<br />

geholfen, ferner nutzen sie die Angebote der täglichen Jugendarbeit <strong>im</strong> Haus. 59 In einer<br />

Kampagne unter dem Titel „Abschiebung - Menschenunrecht - Nicht mit uns“ protestierte<br />

der DAJC Ende der 1990er-Jahre gegen die Abschiebepolitik des Landes. Mit<br />

einer Anzeigen-, Unterschriften- <strong>und</strong> Postkartenkampagne wehrte man sich dagegen,<br />

„dass Menschen, die seit vielen Jahren in diesem Lande leben, aus unserem Alltag in<br />

Kindergärten, Schulen <strong>und</strong> Arbeit in eine ungewisse Zukunft abgeschoben werden“.<br />

Kritisiert wurde insbesondere die nach Auffassung des Vereins „unmenschliche Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie Abschiebungen mit großem Polizeiaufgebot durchgeführt werden“. 60 Von<br />

Abschiebungen betroffen waren <strong>im</strong>mer wieder (v.a. Ende 2002, zuletzt <strong>im</strong> Frühjahr<br />

2004) auch Jugendliche, die <strong>im</strong> DAJC verkehren. 61<br />

3.6.5 Aktion 3. Welt Saar e.V.<br />

Der Verein „Aktion 3. Welt Saar e.V.“ in Loshe<strong>im</strong> hat sich aus einem kleinen, 1982 gegründeten<br />

3. Welt-Laden zu einer politischen Organisation entwickelt. Ziel der Arbeit ist<br />

nicht die Durchführung entwicklungspolitischer Projekte in der sogenannten „Dritten<br />

Welt“: „Unser Entwicklungsland heißt Deutschland“. Die Aktion 3. Welt umfasst fünf<br />

Arbeitsbereiche:<br />

- Welthandel/Ernährung/Agrarpolitik,<br />

- Auseinandersetzung mit Militarisierung,<br />

- Asyl, Rassismus, Migration (Fluchtursachen, Flüchtlingsberatungsstelle),<br />

- Entwicklungsdenken (Agenda 21, Nachhaltigkeit),<br />

- Ökologie (z.B. Atomenergie).<br />

Der Verein hat ca. 40 bis 50 Mitarbeiter/<strong>innen</strong>, wobei bis auf eine halbe Stelle alle Personen<br />

ehrenamtlich tätig sind, <strong>und</strong> ca. 270 bis 280 Fördermitglieder/<strong>innen</strong>. Zurzeit führt<br />

der Verein <strong>im</strong> Saarland, aber auch in Rheinland-Pfalz <strong>und</strong> z.T. auch b<strong>und</strong>esweit, sechs<br />

57<br />

Deutschintensivkurse begannen am 16. Februar 2004 <strong>und</strong> dauerten bis zum 15. Juli 2004 (15<br />

Unterrichtsst<strong>und</strong>en in der Woche).<br />

58<br />

1999 gab der DAJC eine Broschüre „Unbegleitete minderjährige <strong>Flüchtlinge</strong>. Ein Leitfaden für die<br />

Praxis“ heraus. Diese Checkliste mit Hintergr<strong>und</strong>informationen zum Thema wurde erarbeitet in Zusammenarbeit<br />

mit dem Arbeitskreis Asyl <strong>und</strong> der Katholischen Flüchtlings- <strong>und</strong> Aussiedlerhilfe der<br />

Caritas in der saarländischen Flüchtlingsaufnahmestelle Lebach.<br />

59<br />

60<br />

61<br />

Gespräch der früheren Geschäftsführerin des DAJC, 23.10.02.<br />

Vgl. URL: www.dajc.de.<br />

Vgl. Presseerklärungen des DAJC vom 28.11.02, 13.01.03 <strong>und</strong> 13.02.03; Gespräch mit dem Leiter<br />

am 16.02.04.<br />

47


48<br />

ständige Projekte, darunter u.a. die Bibliothek, die Flüchtlingsberatungsstelle, der Weltladen<br />

<strong>und</strong> das Antirassismusprojekt sowie 120 - 150 Veranstaltungen <strong>im</strong> Jahr durch.<br />

Der Verein hat sich seit seiner Gründung mit Flüchtlingsfragen beschäftigt. So wurde<br />

schon 1984 gemeinsam mit <strong>Flüchtlinge</strong>n aus Eritrea ein Eritreisches Fest veranstaltet<br />

<strong>und</strong> eine Beratungsstelle für <strong>Flüchtlinge</strong> eingerichtet. Verschiedene Protestaktionen<br />

wandten sich Anfang der 1990er-Jahre gegen eine Verschärfung des Asylrechts. Seit<br />

2000 engagiert sich der Verein für von Abschiebung bedrohte <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> kritisiert<br />

verstärkt die Landespolitik. 62<br />

In die Flüchtlingsberatungsstelle, die seit fünf Jahren von einem Asylberechtigten geleitet<br />

wird, kommen pro Jahr ca. 25 Familien bzw. Einzelpersonen - sowohl zentral als<br />

auch dezentral untergebrachte Personen. Ca. 70 bis 80 % der Ratsuchenden sind<br />

Kurd<strong>innen</strong>/Kurden. Ein Problem wird darin gesehen, dass viele <strong>Flüchtlinge</strong> eine Vielzahl<br />

von Beratungsstellen aufsuchen, was die Arbeitskapazitäten der Beratungsstellen<br />

stark strapaziere.<br />

In einer Selbstdarstellung heißt es: „Zunehmend entfernen wir uns davon, für <strong>Flüchtlinge</strong><br />

eine Art Hilfssozialarbeiter zu sein. In den Vordergr<strong>und</strong> tritt ein Verständnis von<br />

Flüchtlingsarbeit, das Versuche der Selbstorganisation unterstützt. Dies <strong>und</strong> die Erkenntnis,<br />

dass Abschiebungen nicht mit guten Argumenten aufzuhalten sind, führt zu<br />

einer Vernetzungsarbeit <strong>und</strong> dem Entwickeln einer antirassistischen Theorie. Praktisch<br />

umgesetzt wird dies <strong>im</strong> Anti-Rassismus-Büro, <strong>im</strong> Vortrag ‘Neger, Mohren, B<strong>im</strong>bos -<br />

Rassismus <strong>im</strong> Kinderbuch‘, mit Veranstaltungen, Demonstrationen <strong>und</strong> der Beratungsstelle<br />

für <strong>Flüchtlinge</strong>.“ 63 Darüber hinaus kritisiert die Aktion 3. Welt Saar in einer Stellungnahme<br />

an isoplan die saarländische Flüchtlingspolitik wie folgt: „Die Flüchtlingspolitik<br />

<strong>im</strong> Saarland ist geprägt von einer dogmatischen Haltung, die auf Abschreckung<br />

zielt <strong>und</strong> gezielt <strong>Flüchtlinge</strong>n das alltägliche Leben erschwert.“ 64<br />

3.6.6 Ramesch - Forum für Interkulturelle Begegnung e.V.<br />

Der Verein Ramesch wurde 1991 vor dem gesellschaftlichen Hintergr<strong>und</strong> zunehmender<br />

ausländerfeindlicher Tendenzen gegründet. Er möchte durch Begegnung <strong>und</strong><br />

Kommunikation von Menschen unterschiedlicher Herkunft <strong>und</strong> Kultur das gegenseitige<br />

Interesse <strong>und</strong> Verständnis fördern, um Vorurteile abzubauen. Dies wird als „Friedenserziehung“<br />

verstanden, weshalb insbesondere das interkulturelle Lernen „von Kinderbeinen<br />

an“ <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong> der Arbeit steht. Neben einer jährlichen Veranstaltungsreihe<br />

mit wechselndem Schwerpunktthema (2004: „Eurovisionen, Europa <strong>und</strong><br />

Migration“) bietet der Saarbrücker Verein für Kindergärten <strong>und</strong> Schulen, Jugendhäuser<br />

<strong>und</strong> ähnliche Einrichtungen sowie für Interessenten praxisorientierte Veranstaltungen<br />

<strong>und</strong> Informationen über hier ansässige Minderheiten aus anderen Kulturen an. Der<br />

Verein verfügt regional <strong>und</strong> überregional über gute Kontakte zu ausländischen Kulturschaffenden.<br />

Angeboten wird insbesondere:<br />

62 Vgl. Aktion 3. Welt Saar e.V. (Hg.): 20 Jahre Aktion 3. Welt Saar. In: Flugschrift 1/2002, S. 4-5.<br />

63 Aktion 3. Welt Saar e.V. (Hg.) (a.a.O.), S. 7.<br />

64 Stellungnahme der Aktion 3. Welt Saar zum <strong>Weißbuch</strong> vom 06.07.04.


- Interkulturelle Sensibilisierung: Es werden die Gr<strong>und</strong>sätze interkulturellen Lernens<br />

in Theorie <strong>und</strong> Praxis, in Alltag, Schule <strong>und</strong> Beruf vermittelt.<br />

- Workshops: Es werden mehrtägige Workshops zu einzelnen Kulturkreisen für Kindergärten<br />

<strong>und</strong> Schulklassen angeboten, in denen die ausländischen Projektleiter<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> -leiter den Kindern auf spielerische Art ihre Kultur vermitteln.<br />

- Anlaufstelle: Ramesch steht in interkulturellen Fragen Interessierten mit Rat <strong>und</strong><br />

Tat zur Seite, bietet Hilfestellung bei Problemen <strong>und</strong> berät u.a. zu Fragen interkultureller<br />

Pädagogik, interreligiöser Themen, Migrationspolitik <strong>und</strong> Antirassismusarbeit<br />

(siehe unten).<br />

- Mediothek: Der Verein verleiht Bücher, Videos <strong>und</strong> Tonträger <strong>und</strong> berät über den<br />

Einsatz der Medien <strong>im</strong> Unterricht.<br />

- Fortbildung: Lehrer<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Lehrer, Erzieher<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Erzieher sowie andere<br />

Multiplikatoren werden über die theoretischen <strong>und</strong> praktischen Gr<strong>und</strong>lagen interkulturellen<br />

Lernens informiert.<br />

- Landesk<strong>und</strong>e: Geboten werden landesk<strong>und</strong>liche Informationen zu unterschiedlichen<br />

Kulturkreisen. Fächerübergreifend wird in Schulen Wissen über Religionen,<br />

Lebensweisen, Sitten <strong>und</strong> Gebräuche vermittelt. 65<br />

- Im Bereich der Jugendbildung wird 2004 in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule<br />

u.a. ein Kurs „Asyl <strong>im</strong> Saarland“ angeboten (Einführung über Asylrecht <strong>und</strong><br />

Asyldiskussion; Gespräch mit einer Gruppe von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> in Saarbrücken<br />

sowie Exkursion).<br />

Der Verein fungiert insbesondere für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>, aber auch<br />

andere Migrant<strong>innen</strong>/Migranten als Erstkontaktpartner. Anfragen werden an fachkompetente<br />

Stellen weiter geleitet, so u.a. in rechtlichen Fragen an Rechtsanwält<strong>innen</strong>/-anwälte.<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> sowie <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nutzen dies nicht häufig, aber<br />

doch regelmäßig.<br />

Seit gut zwei Jahren wird auch eine mobile landesweite Beratung in Kommunen angeboten.<br />

In Neunkirchen (seit 2002 in Zusammenarbeit mit dem Stadtteilbüro des ASB)<br />

<strong>und</strong> Ottweiler (seit 2003 in Zusammenarbeit mit dem R<strong>und</strong>en Tisch Interkulturelle Zusammenarbeit)<br />

bietet ein Ramesch-Mitarbeiter mit Migrationshintergr<strong>und</strong> Migrant<strong>innen</strong>/Migranten<br />

sowie Einhe<strong>im</strong>ischen einen regelmäßigen Beratungstermin (monatlich<br />

bzw. zwe<strong>im</strong>onatlich) an. In diesem Kontext wurden u.a. auch <strong>Flüchtlinge</strong> mit einer Duldung,<br />

die von einer Abschiebung bedroht sind, beraten. 66<br />

65 Vgl. URL: www.ramesch.de.<br />

66 Gespräch am 03.06.04.<br />

49


50<br />

3.7 Zusammenfassung<br />

Das Kapitel hat deutlich gemacht, dass <strong>im</strong> Themenfeld Asyl eine Vielzahl von Akteuren<br />

aktiv ist. Während die politische Ebene zuständig ist für die Formulierung gesetzlicher<br />

Rahmenbedingungen, besteht die Aufgabe von kommunalen Einrichtungen, Wohlfahrtsverbänden<br />

<strong>und</strong> Initiativen pr<strong>im</strong>är in der Bereitstellung eines Beratungsangebots<br />

für die Zielgruppe. Netzwerke wie SEPA demonstrieren, dass die Bündelung verschiedener<br />

Aktivitäten mit Synergieeffekten einhergeht, die einen besonderen Mehrwert <strong>im</strong><br />

Rahmen der Beratung <strong>und</strong> Betreuung von <strong>Flüchtlinge</strong>n bieten.


4 Die aktuelle Lebenssituation von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

Bei der Beschreibung der Lebenssituation von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

wurde der Fokus auf folgende Themenfelder gelegt: die Wohnsituation, die finanzielle<br />

Lage, die Ges<strong>und</strong>heitsversorgung, das gesellschaftliche Leben, Konflikte, die Situation<br />

von Frauen sowie von dezentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n. Forschungsleitende<br />

Fragen waren somit:<br />

- Wie ist die Wohnsituation von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n zu beurteilen -<br />

sowohl in zentraler, wie in dezentraler Unterbringung?<br />

- Welche finanziellen Leistungen erhalten <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>?<br />

- Wie sind der Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong> die medizinische Versorgung zu beurteilen?<br />

Ein besonderer Fokus wurde dabei auf die Situation traumatisierter <strong>Flüchtlinge</strong> gelegt.<br />

- Wie gestaltet sich das gesellschaftliche Leben von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n?<br />

Sind sie in die Aufnahmegesellschaft integriert?<br />

- Gibt es nennenswerte Konflikte in Bezug auf <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>?<br />

- Wie ist die besondere Situation von Flüchtlingsfrauen zu bewerten?<br />

Die empirische Erhebung zur Untersuchung dieser Lebensbereiche erfolgte nicht <strong>im</strong><br />

Rahmen eines Fallstudienkonzepts, wie <strong>im</strong> <strong>Weißbuch</strong> 2002 geschehen. 67 Angesichts<br />

des seit August 2004 <strong>im</strong> Saarland existierenden Ein-Standort-Modells, wonach alle<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> - es handelt sich um ca. 1.600 Personen - zentral<br />

in der LGU Lebach untergebracht sind, lag der Fokus der Analyse auf Lebach. Um die<br />

nach wie vor hohe Zahl dezentral untergebrachter <strong>Flüchtlinge</strong> zu berücksichtigen, wurde<br />

ein eigenes Unterkapitel über deren Lebenssituation verfasst (Kapitel 4.7).<br />

Im Rahmen der Untersuchung wurden über 75 Recherche- <strong>und</strong> Expertengespräche<br />

geführt 68 : mit Leiter/<strong>innen</strong> bzw. Verwaltungskräften des LAFL <strong>und</strong> der GAB, Mitarbeiter/<strong>innen</strong><br />

städtischer Ämter, Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> verschiedenster Wohlfahrtsorganisationen<br />

<strong>und</strong> Betreuungseinrichtungen, Psycholog<strong>innen</strong>/Psychologen, Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzten,<br />

der Polizei sowie Personen, die <strong>im</strong> alltäglichen Leben oder in ihrer beruflichen Funktion<br />

zu <strong>Flüchtlinge</strong>n in Kontakt stehen (z.B. der Leiter eines Einkaufszentrums sowie der<br />

Vorsitzende eines Sportvereins, die unmittelbar neben der LGU gelegen sind).<br />

67<br />

Im <strong>Weißbuch</strong> 2002 wurden die Fallstudienorte Lebach, Völklingen, Homburg, Saarbrücken <strong>und</strong><br />

Ottweiler untersucht.<br />

68<br />

Ingesamt wurden r<strong>und</strong> 75 Expertengespräche, r<strong>und</strong> 15 Gespräche mit Sprachkursträgern (Kap. 5)<br />

<strong>und</strong> r<strong>und</strong> 80 Gespräche mit <strong>im</strong> Saarland ansässigen Firmen geführt (Kap. 8) sowie r<strong>und</strong> 90 Flüchtlingsbiografien<br />

erstellt.<br />

51


52<br />

4.1 Wohnsituation<br />

4.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick<br />

Ausländer/<strong>innen</strong>, die einen Asylantrag bei einer Außenstelle des BAFl stellen, sind<br />

nach § 47 AsylVfG verpflichtet, für mindestens sechs Wochen, längstens jedoch bis zu<br />

drei Monaten in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Im Saarland existiert<br />

eine solche Erstaufnahmeeinrichtung in Lebach. Dort ist auch das LAFL ansässig, das<br />

zuständig ist für die Aufnahme <strong>und</strong> Verteilung der <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> -<br />

seit August 2004 ausschließlich innerhalb der LGU Lebach. Nur in absoluten Ausnahmefällen<br />

werden <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> dezentral in den Kommunen untergebracht<br />

(diese Regelung gilt seit 1994).<br />

4.1.2 Die Situation in Lebach: Das Ein-Standort-Modell<br />

Allgemeine Beschreibung<br />

Die Landesaufnahmestelle (LASt) des Saarlandes - heute Teil des LAFL - wurde Ende<br />

der 1950er-Jahre errichtet <strong>und</strong> befindet sich <strong>im</strong> südlichen Teil Lebachs. Die LGU umfasst<br />

vier Straßenzüge - die Schlesierallee, die Pommernstraße, den Oderring <strong>und</strong> die<br />

Ostpreußenstraße. Es handelt sich um ein ruhiges Wohngebiet, westlich davon befinden<br />

sich zahlreiche Schulen, Sportanlagen sowie einige Behörden. Die Gemeinschaftsunterkunft<br />

ist nicht durch einen Zaun oder einen Pfortenschutz mit Wachdienst<br />

räumlich isoliert, wie es in anderen B<strong>und</strong>esländern teilweise vorzufinden ist. Die Gebäude<br />

fügen sich nahtlos in das Wohngebiet ein.<br />

Abbildung 7: Gebäude der LGU<br />

Die infrastrukturelle Ausstattung in der Stadt Lebach ist durchaus zufriedenstellend.<br />

Ein großes Lebensmittelgeschäft befindet sich auf der gegenüberliegenden<br />

Straßenseite. Darüber hinaus liegt die LGU nicht allzu weit entfernt vom Stadtzentrum<br />

r<strong>und</strong> um den Bahnhofsplatz. Donnerstags findet dort ein großer Wochenmarkt statt.<br />

Die Anbindung an die umliegenden Städte ist durch Busse <strong>und</strong> Bahnen vom Bahnhof<br />

aus gegeben. Zwe<strong>im</strong>al stündlich fahren Züge in die Landeshauptstadt, die Fahrt dauert


en. Zwe<strong>im</strong>al stündlich fahren Züge in die Landeshauptstadt, die Fahrt dauert eine<br />

gute dreiviertel St<strong>und</strong>e.<br />

Das Wohnumfeld der LGU ist recht ansprechend: Das Gelände ist mit viel Grün gestaltet,<br />

an zentraler Stelle liegt ein Spielplatz. Auf dem Gelände der LGU befinden sich<br />

auch das LAFL, die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE), die BAFl-Außenstelle <strong>und</strong> eine<br />

Nebenstelle des Einwohnermeldeamtes.<br />

LGU <strong>und</strong> EAE setzen sich zusammen aus 53 Wohngebäuden, in denen sich jeweils<br />

vier bis sechs Wohnungen mit zwei bis vier Z<strong>im</strong>mern befinden. 69 Pro Z<strong>im</strong>mer können<br />

zwei bis fünf Personen untergebracht werden. In den Häusern leben entweder Einzelpersonen<br />

oder Familien, wenn möglich getrennt nach Nationalitäten bzw. Religionszugehörigkeiten.<br />

Die spärliche Einrichtung der Wohnungen (bei vierköpfigen Familien 2<br />

Etagenbetten, 1 Kleiderschrank, 1 Tisch mit 4 Stühlen <strong>und</strong> 1 Kühlschrank) wird von<br />

vielen Bewohner/<strong>innen</strong> u.a. mit Möbeln vom Sperrmüll ergänzt. Pro Wohnkomplex gibt<br />

es eine Gemeinschaftsküche, Kühlschränke sind auf den Z<strong>im</strong>mern. Nach Ansicht der<br />

Behörde werden mit dieser Ausstattung die Gr<strong>und</strong>bedürfnisse gedeckt.<br />

Bäder <strong>und</strong> Duschen befinden sich nicht in den Wohnungen, sondern in einem zentralen<br />

Gemeinschaftsbad.<br />

Eine Wohnung kann als Gemeinschaftsraum genutzt werden. Insbesondere <strong>im</strong> Ramadan<br />

kommen Anfragen von Musl<strong>im</strong>en, die den Raum dann zur Verfügung gestellt bekommen.<br />

Im Gelände befindet sich eine zentrale Wäscherei, in der die Wäsche abgegeben<br />

werden kann. Die Waschmaschinen werden von gemeinnützigen Arbeiter<strong>innen</strong><br />

bedient. Getrocknet wird i.d.R. auf dem Balkon, sofern ein solcher vorhanden ist. Die<br />

Mehrzahl der <strong>Flüchtlinge</strong> wohnt in Wohnungen ohne Balkon <strong>und</strong> trocknet die Wäsche<br />

<strong>im</strong> Flur oder bei schönem Wetter draußen auf der Wiese.<br />

Um auf ein umfangreiches Fernsehprogramm - wenn möglich auch auf Sender aus<br />

dem He<strong>im</strong>atland - zurückgreifen zu können, haben die meisten <strong>Flüchtlinge</strong> Satellitenschüsseln<br />

an den Balkonen befestigt.<br />

Es existiert eine Hausordnung, die kontrolliert wird. Im Gegensatz zu anderen B<strong>und</strong>esländern<br />

werden den Bewohner/<strong>innen</strong> der LGU relativ weitreichende „Freiheiten“ gewährt<br />

- es gibt keine tägliche Aufenthaltskontrolle, keinen Hausausweis, Besuche müssen<br />

nicht angemeldet werden, Belegungskontrollen werden sporadisch durchgeführt,<br />

einen Wachdienst gibt es derzeit nicht. Außerhalb der Öffnungszeiten der Verwaltung<br />

ist eine Notbereitschaft eingerichtet, die von Zivildienstleistenden wahrgenommen wird.<br />

Die Bewohner/<strong>innen</strong> sind in den einzelnen Häusern gemeldet (kommunale Wohnanschrift).<br />

69 Die Informationen zur LGU Lebach basieren <strong>im</strong> Wesentlichen auf dem Gespräch mit Mitarbeitern<br />

des LAFL am 12.09.02 <strong>und</strong> sind nach wie vor aktuell.<br />

53


54<br />

Abbildung 8: „Lageplan“ der LGU<br />

Legende:<br />

� Caritas: Kath. Flüchtlings- <strong>und</strong> Aussiedlerhilfe;<br />

Jugendmigrationsdienst<br />

� Sozialamt, Einwohnermeldeamt<br />

� Kindertagesstätte St. Nikolaus � DRK (Kleiderkammer, Beratungsstelle)<br />

� Kinderhort � Gemeinschaftsduschen<br />

� Schule � Essensausgabe<br />

� Verwaltung (LAFl) � Spielplatz


Auflösung der LGUs Völklingen <strong>und</strong> Homburg<br />

Die Unterbringung von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>im</strong> Saarland erfolgte bis<br />

2003 innerhalb der LGUs in Lebach, Völklingen <strong>und</strong> Homburg. Die Einrichtungen Völklingen<br />

<strong>und</strong> Homburg wurden zwischenzeitlich geschlossen <strong>und</strong> die Bewohner/<strong>innen</strong><br />

nach Lebach verlegt.<br />

Der Umzug von Völklingen erfolgte <strong>im</strong> Sommer 2003, der Umzug von 240 Bewohner/<strong>innen</strong><br />

von Homburg nach Lebach wurde zum August diesen Jahres abgeschlossen.<br />

In beiden Fällen wurde ein Umzugsplan erstellt, wer wann wohin umzieht. Der<br />

eigentliche Umzug vollzog sich jeweils in zwei Schritten: Alleinstehende wurden bereits<br />

in den Frühjahrsmonaten März/April umgesiedelt 70 , Familien mit Kindern in den ersten<br />

Wochen der Sommerferien. Den Bewohner/<strong>innen</strong> wurde erlaubt, eigene Möbel mitzunehmen.<br />

Dafür wurden zwei LKWs bereitgestellt. Gemeinnützige Arbeitskräfte halfen<br />

be<strong>im</strong> Umzug.<br />

Nach Auskunft des DRK gab es bei den Bewohner/<strong>innen</strong> vor dem Umzug Ängste <strong>im</strong><br />

Hinblick auf die Situation in Lebach. 71 Diese Ängste bezogen sich auf verschiedene<br />

Szenarien. So wurde beispielsweise erwartet, dass sich die Duschsituation <strong>und</strong> die<br />

Umstände der Essensausgabe gegenüber Völklingen bzw. Homburg verschlechtern<br />

würden, dass Kinder weniger Möglichkeiten zum Spielen hätten, dass in Lebach ständige<br />

Polizeipräsenz herrsche oder dass sie ihre Arbeit in der Nähe der bisherigen Unterkunft<br />

verlieren könnten. Sowohl die Mitarbeiter/<strong>innen</strong> der Wohlfahrtverbände als<br />

auch eine Mitarbeiterin des LAFL informierten vor Ort ausführlich über die Situation in<br />

Lebach <strong>und</strong> konnten augenscheinlich Ängste abbauen. Gleichzeitig bestand nach Auskunft<br />

des LAFL jeweils ab März die Chance, sich - <strong>im</strong> Rahmen der Gegebenheiten -<br />

innerhalb der LGU in Lebach Wohnraum „auszusuchen“. 72 Unter Integrationsgesichtspunkten<br />

wollte das LAFL eine „Ghetto-Bildung“ von Völklinger bzw. Homburger <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

in der Lebacher LGU vermeiden <strong>und</strong> strebte eine „Vermischung“ mit den bereits<br />

in Lebach ansässigen <strong>Flüchtlinge</strong>n an. Familien hatten die Möglichkeit, gemeinsame<br />

Wohnungen zu beantragen.<br />

Nach den Umzügen blieben größere Proteste seitens der Bewohner/<strong>innen</strong> zwar aus,<br />

<strong>und</strong> nach Ansicht des DRK haben sich die meisten „Neuankömmlinge“ mit der Situation<br />

in Lebach relativ gut arrangiert. Ein Arzt der Tagesklinik merkt jedoch an, dass seine<br />

Patient<strong>innen</strong>/Patienten berichten, die Situation in Lebach habe sich nach dem Umzug<br />

erheblich verschlechtert. Man müsse noch länger für Essenpakete anstehen, es<br />

seien noch mehr verschiedene Menschen auf engem Raum untergebracht <strong>und</strong> es gebe<br />

noch mehr Lärm. Problematisch scheint vor allem die Situation von Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen, da durch den Umzug in Lebacher Kindergärten <strong>und</strong> Schulen deutlich<br />

mehr Plätze bereit gestellt werden müssen (siehe Kapitel 6).<br />

Durch die umgesiedelten Personen ist die LGU Lebach nun mit r<strong>und</strong> 1.460 Personen<br />

belegt. LGU <strong>und</strong> EAE verfügen über eine Kapazität von mehr als 2.000 Personen<br />

(wobei die Max<strong>im</strong>alauslastung um 10 bis 15 % niedriger liegt), d.h. die Einrichtung ist<br />

70<br />

Vgl. Saarbrücker Zeitung: „Die Junggesellen in unserem Wohnhe<strong>im</strong> sind mittlerweile schon weg“.<br />

(09.07.04).<br />

71<br />

72<br />

Gespräche mit Mitarbeiter/<strong>innen</strong> des DRK am 12.08.04.<br />

Gespräch mit Mitarbeitern des LAFL <strong>und</strong> der GAB am 12.08.04.<br />

55


56<br />

zu dreiviertel ausgelastet. Für einen möglichen Anstieg der <strong>Asylbewerber</strong>anträge steht<br />

die LGU Homburg mit 625 Plätzen weiterhin als Reservekapazität zur Verfügung. 73 Die<br />

Reserveeinheiten Saarlouis, Merzig <strong>und</strong> Völklingen wurden abgegeben.<br />

Zwangsläufig hat die Auflösung der LGUs Völklingen <strong>und</strong> Homburg so zu einer deutlich<br />

dichteren Belegung in Lebach geführt. Bei der derzeitigen Auslastung ist diese Maßnahme<br />

unter Kostengesichtspunkten nachvollziehbar (Zusammenlegung unter Kostengründen<br />

bewirkt Synergieeffekte, z.B. was das Personal anbelangt). Der Landesrechnungshof<br />

dürfte eine Unterhaltung mehrerer LGUs nicht akzeptieren, wenn eine genügend<br />

Kapazität für alle <strong>Flüchtlinge</strong> bietet. 74<br />

Die in Saarbrücken trotz der Regelung der zentralen Unterbringung bis vor kurzem<br />

bestehenden kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sowie<br />

Aussiedler/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> jüdische Kontingentflüchtlinge werden aufgr<strong>und</strong> drastisch zurückgehender<br />

Belegungszahlen geschlossen. Die Unterkunft in der Brebacher Landstraße<br />

wurde bereits 2001 geschlossen, <strong>im</strong> Oktober 2004 wurde die Unterkunft in der<br />

Bahnhoftsr. 63 in Dudweiler geschlossen <strong>und</strong> Ende 2004 auch die Unterkunft in der<br />

Trierer Straße 64 in Saarbrücken. Im Jahr 2005 werden die Schließungen der Unterkünfte<br />

in der Bahnhofstr. 63a in Dudweiler, der Übergangswohnhe<strong>im</strong>e Z<strong>im</strong>merplatz <strong>und</strong><br />

Krughüttenstraße folgen. In Saarbrücken verbleibt dann nur noch die Aufnahme der<br />

zumeist deutschstämmigen Aussiedler/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> der jüdischen Kontingentflüchtlinge. 75<br />

4.1.3 Bewertung der Wohnsituation<br />

Die in der Einleitung erwähnte „Frontstellung“ innerhalb des Saarlandes in Bezug auf<br />

Flüchtlingsthemen offenbart sich nicht zuletzt bei der Bewertung der Wohnsituation.<br />

Während die Wohnsituation einerseits als durchaus akzeptabel, zweckmäßig <strong>und</strong> angemessen<br />

beschrieben wird, äußern andererseits viele Wohlfahrtsorganisationen, Beratungsstellen<br />

etc. deutlichen Unmut: Die Wohnbedingungen werden als „miserabel“<br />

<strong>und</strong> „menschenunwürdig“ bezeichnet. Hauptkritikpunkte sind dabei die Dichte sowie<br />

die Dauer der Belegung. 76<br />

Eine differenzierte Betrachtungsweise durch die Gutachter/<strong>innen</strong> führt zu folgender<br />

Bewertung: Das äußere Erscheinungsbild der LGU ist zufriedenstellend. Die Unterkunft<br />

ist in das städtische Gefüge integriert, das Wohnumfeld bietet relativ viele Grünanlagen.<br />

Der bauliche Bestand ist nicht gr<strong>und</strong>sätzlich zu kritisieren. Zwar sind die Gebäude<br />

teilweise durchaus renovierungsbedürftig, sie sind jedoch in ihrem Erscheinungsbild<br />

nicht abschreckend. Vielmehr erinnert das Äußere der LGU an Viertel in<br />

städtischen Randbezirken, in denen sozial benachteiligte Einwohner/<strong>innen</strong> leben.<br />

73<br />

74<br />

Es ist beabsichtigt, in 2005 diese Reservekapazität auf 390 Plätze zu reduzieren.<br />

Gespräche mit Vertreter/<strong>innen</strong> des Ministeriums für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport am<br />

04.10.04.<br />

75<br />

Vgl. Saarbrücker Zeitung: Übergangswohnhe<strong>im</strong>e. Wohnungsnot entspannt sich (13.09.04) sowie<br />

Saarbrücker Zeitung: Stadt zahlt für leere Wohnhe<strong>im</strong>e. Zuwanderer-Unterkünfte. Viele Mietverträge<br />

laufen lange (11.02.03).<br />

76<br />

Vgl. Saarbrücker Zeitung: Eine Frage des Menschenbildes. Kritik an der „Lagerhaltung“ von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n (19.09.04) <strong>und</strong> Saarbrücker Zeitung: „Ein täglicher Alptraum“. Flüchtlingsrat kritisiert<br />

Landeswohnsiedlung (21.10.04).


Probleme des Zusammenlebens <strong>im</strong> Innern der LGU hingegen sind die Dichte der<br />

Belegung, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen sowie unterschiedlicher<br />

Sozialisationen, unterschiedlicher Hygienevorstellungen etc., d.h. ein Konglomerat verschiedenartigster<br />

Faktoren führt dazu, dass sich viele Bewohner/<strong>innen</strong> bei den Beratungseinrichtungen<br />

über die Wohnsituation beklagen.<br />

Problematisch - insbesondere bei sehr langer Aufenthaltsdauer - sind die beengten<br />

Wohnverhältnisse. Für west-europäische Wohnverhältnisse wirkt die Unterbringung<br />

von bis zu vier oder fünf Personen in einem Raum abschreckend. Wie diese dichte<br />

Belegung von den <strong>Flüchtlinge</strong>n selbst wahrgenommen wird, hängt nicht zuletzt von den<br />

Lebensverhältnissen in ihren Herkunftsländern ab. Während beispielsweise in ländlichen<br />

Gebieten, aber auch in Metropolen von sogenannten Entwicklungsländern viele<br />

Menschen in derart ärmlichen <strong>und</strong> z.T. auch „menschenunwürdigen“ Verhältnissen<br />

leben, dass sie die Lebacher Situation nicht gr<strong>und</strong>sätzlich als „miserabel“ empfinden,<br />

kommen auch zahlreiche <strong>Flüchtlinge</strong>, insbesondere aus dem Iran, aus vergleichsweise<br />

wohlhabenden Verhältnissen: Sie hatten große Häuser <strong>und</strong> waren materiell gut abgesichert.<br />

Die Lebacher Situation empfinden sie als sehr schl<strong>im</strong>m <strong>und</strong> demütigend. Insbesondere<br />

viele Frauen machen darauf aufmerksam, dass sich in einem Raum kein<br />

Familienleben entfalten kann. Sie können mit ihrem Mann nicht als Paar zusammenleben,<br />

wenn die Kinder <strong>im</strong> gleichen Z<strong>im</strong>mer untergebracht sind. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

betonen, dass sie keine Möglichkeit haben, in Ruhe Hausaufgaben zu machen oder zu<br />

lernen.<br />

Der soziale Umgang ist oftmals geprägt von einem „rauen Ton“ oder auch von Aggressivität,<br />

was nicht zuletzt auf die eigene Sozialisation, aber auch auf das <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

Erlebte <strong>und</strong> die allgemeine Lebenssituation <strong>im</strong> Zufluchtsland zurückzuführen ist. In<br />

diesem Zusammenhang ist zuweilen auch eine enttäuschte Erwartungshaltung zu spüren.<br />

Viele hatten die Vorstellung, dass es sich in Deutschland „besser leben lässt“ <strong>und</strong><br />

sind erschrocken bzw. enttäuscht angesichts der Unterbringungsmodalitäten.<br />

Ein weiterer Stressfaktor können unterschiedliche Hygienevorstellungen sein. Eine<br />

gemeinsame Nutzung von Küche <strong>und</strong> Toilette kann dazu führen, dass sich insbesondere<br />

Frauen unwohl fühlen, weil Sauberkeit nicht in der Weise gewährleistet werden<br />

kann, wie sie es wünschen. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn Einzelpersonen<br />

unterschiedlicher Herkunft <strong>und</strong> Sozialisation gemeinsam unter einem Dach leben <strong>und</strong><br />

es nicht gelingt, sich über allgemeingültige Regeln zu verständigen <strong>und</strong> z.B. gemeinsam<br />

zu kochen <strong>und</strong> zu essen. In einem Gespräch mit kurdischen Bewohner<strong>innen</strong> hieß<br />

es, die ausgegebenen Hygieneartikel wie Zahnbürste, Zahnpasta <strong>und</strong> Shampoo sowie<br />

Geschirrspülmittel seien von schlechter Qualität. Es gebe auch keinen WC-Reiniger.<br />

Man kaufe sich viele dieser Artikel gesondert neu. 77<br />

Als sehr großes Problem werden seitens der <strong>Flüchtlinge</strong> - insbesondere seitens weiblicher<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> - die Gemeinschaftsduschen wahrgenommen. In r<strong>und</strong> 90 Gesprächen<br />

mit <strong>Flüchtlinge</strong>n verwiesen die meisten Frauen darauf, dass die Duschen sehr<br />

schmutzig seien. Einige Frauen berichten von Würmern an Wänden <strong>und</strong> Decken der<br />

Duschen. Für manche Frauen ist die Vorstellung, die Gemeinschaftsduschen zu benutzen,<br />

so abstoßend, dass sie sich nur <strong>im</strong> Toilettenraum waschen. Ebenso kommt es<br />

vor, dass sich Familien oder Einzelpersonen provisorische Duschen auf den Balkonen<br />

77 Gespräch mit kurdischen Bewohner<strong>innen</strong> am 08.09.04.<br />

57


58<br />

bauen. Ein Psychiater der Tagesklinik Lebach berichtet, dass sich sehr viele Patient<strong>innen</strong>/Patienten<br />

über die Gemeinschaftsduschen beklagen; viele würden es vorziehen,<br />

die Dusche in der Tagesklinik zu benutzen, die auch „nicht besonders komfortabel<br />

ist“. 78<br />

Einige Frauen stören sich daran, dass ihr Duschraum in unmittelbarer Nähe zum<br />

Duschraum der Männer liegt, wodurch sie sich nicht ausreichend geschützt fühlen. Um<br />

dieses Problem zu entschärfen, wacht ein gemeinnütziger Arbeiter an den Duschen.<br />

Anscheinend reicht dies jedoch für das Sicherheitsempfinden der Frauen nicht aus. Ein<br />

weiteres Problem sind die Öffnungszeiten der Duschen: Sie sind Wochentags geöffnet<br />

von 10.00 bis 17.30 Uhr, samstags von 13.00 bis 16.30 Uhr, sonntags sind die Räume<br />

geschlossen. Dies bedeutet, dass <strong>Flüchtlinge</strong>, die einer „normalen“ Beschäftigung<br />

nachgehen, nicht morgens vor der Arbeit duschen können; sollten sie bis 17 Uhr arbeiten,<br />

können sie jedoch auch nicht nach der Arbeit duschen. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche,<br />

die aktiv in Vereinen Sport treiben, können abends auch nicht mehr duschen. Sie äußerten<br />

in Gesprächen, dass sie sich zuweilen schämen, gemeinsam mit anderen Vereinsmitgliedern<br />

<strong>im</strong> Vereinshaus/in der Turnhalle etc. zu duschen <strong>und</strong> dies gerne<br />

abends tun würden, was nicht möglich sei.<br />

Bei einer Begehung am 8. September wurde festgestellt, dass von den 15 Frauenduschen<br />

vier bis fünf defekt sind, von den 15 Männerduschen ebenfalls fünf. Defekte Duschen<br />

würden nach etwa drei Tagen repariert, erläuterte der dort arbeitende gemeinnützige<br />

Arbeiter. Ferner sind alle drei elektrischen Haartrockner seit einer Woche defekt.<br />

Das Landesamt habe neue bestellt, sagte der Arbeiter. Die Trockner würden<br />

durch spielende Kinder durch „übermäßiges Hauen auf den Startknopf“ außer Funktion<br />

gesetzt. Die Trockner seien häufig defekt, es dauere über eine Woche, ehe sie repariert<br />

würden. Im Gebäude der Gemeinschaftsduschen gibt es je Geschlecht zwei Toiletten.<br />

Dazu kommt <strong>im</strong> Frauentrakt ein Bad, dessen Schloss jedoch kaputt war. Eine<br />

Person habe das Bad benutzt <strong>und</strong> um Hilfe gerufen, woraufhin die Polizei kam <strong>und</strong> die<br />

Tür aufbrach. Insgesamt macht die Anlage einen hygienisch fragwürdigen Eindruck. 79<br />

Möglichkeiten zum Wäsche waschen bestehen zwar, doch erscheint die Handhabung<br />

kompliziert, stark reglementiert <strong>und</strong> zeitaufwändig. So müsse man sich zwischen 6.00<br />

<strong>und</strong> 8.00 Uhr einen Termin geben lassen, zu diesem dann die Wäsche bringen <strong>und</strong><br />

nach dem von gemeinnützig beschäftigten Personen erledigten Waschgang ein drittes<br />

Mal kommen, um die Wäsche abzuholen. 80<br />

Telefonanschlüsse in den Wohnungen sind nicht erlaubt, es gibt jedoch fünf öffentliche<br />

Fernsprecher in der Anlage. Viele <strong>Flüchtlinge</strong> benutzen Handys.<br />

Generell problematisch ist das Zusammenleben unterschiedlichster Nationen <strong>und</strong><br />

Kulturen auf engem Raum. Selbst das Zusammenleben von Menschen gleicher Herkunft<br />

bietet nicht automatisch Gewähr dafür, dass weniger Reibungspunkte aufkommen.<br />

Zum Beispiel sind Kurd<strong>innen</strong>/Kurden sehr unterschiedlich in ihrer Sozialisation.<br />

Sehr westlich orientierte, gebildete <strong>und</strong> selbstbewusste Frauen treffen auf sehr ländlich<br />

aufgewachsene, sehr traditionelle Frauen. Auch unter Iraner<strong>innen</strong>/Iranern gibt es nach<br />

78 Gespräch mit einem Arzt der Tagesklinik Lebach am 20.09.04.<br />

79 Begehung am 08.09.04.<br />

80 Gespräch mit einer Kurdin am 08.09.04.


Aussagen von <strong>Flüchtlinge</strong>n zahlreiche Auseinandersetzungen hinsichtlich der zu Gr<strong>und</strong>e<br />

gelegten Werte.<br />

Den Entfaltungsmöglichkeiten der in der LGU untergebrachten Personen sind durch<br />

die räumliche Enge deutlich Grenzen gesetzt. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche haben wenig<br />

Raum zum Lernen. Das Sexualleben der Eltern ist durch das dichte Zusammenleben<br />

oftmals gestört oder findet nicht statt.<br />

Besonders schwierig scheinen Wohneinheiten, in denen alleinstehende Männer untergebracht<br />

sind. Sowohl was die Sauberkeit als auch was den sozialen Umgang anbelangt,<br />

scheint es hier deutliche Defizite zu geben. Auch von Lärm aus diesen Häusern<br />

wird berichtet.<br />

Beispiel:<br />

Eine 31-jährige Iranerin lebt seit einem Jahr <strong>und</strong> drei Monaten als alleinstehende Frau in Lebach.<br />

Sie hat <strong>im</strong> Iran Psychologie studiert mit dem Ziel, mit taubstummen Kindern zu arbeiten.<br />

Im Iran war sie verheiratet <strong>und</strong> hat sich scheiden lassen. Bevor sie nach Deutschland kam, hat<br />

sie zwei Jahre in den Niederlanden gelebt. Dort hätte die Möglichkeit bestanden, als <strong>Asylbewerber</strong>in<br />

zu studieren. Bis der Antrag jedoch durch war, wurde sie nach Deutschland geschickt.<br />

In den Niederlanden bekam sie 40 Euro pro Woche. Die Situation in der LGU empfindet sie als<br />

schl<strong>im</strong>m. Sie sagt: „Ich bekomme <strong>im</strong>mer gesagt, ´Du lebst in Deutschland´, dann erwidere ich<br />

´Ich lebe <strong>im</strong> Lager, das ist was anderes´. Starke Kritik äußert sie an den Essenspaketen. Als<br />

Vegetarierin bekäme sie viel zu wenig Gemüse. Aus Protest habe sie vergangene Woche kein<br />

Paket abgeholt. Darüber hinaus kritisiert sie die Duschräume. Diese seien schmutzig. Auch die<br />

Tatsache, dass die Duschen sonntags geschlossen sind, ist ihr unverständlich. Sie sagt, sie<br />

könne sich sehr gut durchsetzen, habe aber dennoch sehr viele Probleme mit Männern. Sie<br />

erweckt den Eindruck, eine sehr starke Frau zu sein, die ein großes Interesse daran hat, Missständen<br />

entgegenzutreten <strong>und</strong> Frauen zu organisieren. Sie sagt, Frauenbelange seien ihr wichtig.<br />

Ihr Traumberuf wäre Friseurin, sie wirkt sehr gepflegt, sehr gut gekleidet, schön geschminkt<br />

<strong>und</strong> scheint für diesen Beruf auch sehr geeignet. Eine Idee, die ihr sehr am Herzen liegt, ist ein<br />

Sportraum. Sie ist der Meinung, wenn die Frauen Sport treiben könnten, hätten sie eine Beschäftigung,<br />

außerdem sei es ges<strong>und</strong>. Sie selbst macht Aerobic <strong>und</strong> Meditation in ihrem Z<strong>im</strong>mer<br />

<strong>und</strong> wünscht sich einen Raum <strong>und</strong> Musik, so dass sie andere Frauen unterrichten kann.<br />

Für sie ist es schier unerträglich, dass die Frauen den ganzen Tag in ihrem kleinen Z<strong>im</strong>mer<br />

sitzen. Auch die Männer müssten dringend beschäftigt werden, „denn wenn sie nur zu Hause<br />

sitzen, bereiten sie den Frauen Probleme“.<br />

Eine besondere Problematik ist die Unterbringung von Personen, die bereits psychische<br />

Störungen aufweisen. Hier kann die Enge des Zusammenlebens zusätzlich<br />

eine Belastung darstellen (vgl. Kapitel 4.3.5).<br />

Gesondert hervorgehoben werden muss an dieser Stelle auch die Situation von Kindern.<br />

Sie leiden in besonderer Weise unter der Wohnsituation. Während sie <strong>im</strong> Sommer<br />

die Möglichkeit haben, draußen zu toben, sind sie <strong>im</strong> Winter an die kleine Wohnung<br />

geb<strong>und</strong>en, die sie mit der Familie teilen. Deutsche Altersgenossen treffen sie nur<br />

59


60<br />

in der Schule bzw. <strong>im</strong> Kindergarten. Das Alltagsleben in der Unterkunft findet relativ<br />

isoliert statt. 81<br />

Im Zuge der geschilderten Problematiken, die angesichts der Enge des Zusammenlebens<br />

existieren (sie werden <strong>im</strong> Folgenden unter „räumlicher Enge“ subsumiert), muss<br />

positiv hervorgehoben werden, dass das LAFL sehr bemüht ist, Problemen entgegenzuwirken.<br />

Umzugswünsche werden weitestgehend berücksichtigt. Die Kooperationsbereitschaft<br />

des LAFL in diesem Zusammenhang wird auch seitens der Wohlfahrtsverbände<br />

betont. 82<br />

Die Anwesenheit <strong>und</strong> die Angebote zahlreicher Wohlfahrtsverbände innerhalb der<br />

LGU wirken sich sehr positiv aus. Sie sind für unzählige Fragen erste Anlaufstelle (z.B.<br />

Rechtliches, Unterbringung, Versorgung mit Essenspaketen, Bereitstellung von Kleidern,<br />

medizinische Versorgung etc.) <strong>und</strong> nehmen dadurch eine enorm wichtige Funktion<br />

wahr; gleichzeitig bieten sie Freizeitaktivitäten an, die Abwechslungen in den „Lageralltag“<br />

bringen (siehe Kapitel 4.4), insbesondere für Jugendliche (z.B. Angebote der<br />

Caritas).<br />

4.1.4 Zusammenfassung<br />

Insgesamt herrscht Konsens in einer Bewertung der Wohnsituation innerhalb der LGU<br />

als akzeptabel, wenn es sich um einen relativ kurzen Zeitraum des Aufenthalts handelt,<br />

jedoch als nicht akzeptabel, wenn es sich um einen langjährigen Aufenthalt handelt,<br />

d.h. wenn Einzelpersonen oder Familien über einen Zeitraum von zum Teil mehreren<br />

Jahren dort leben.<br />

„Diese Art der Unterbringung kann nur ein Provisorium<br />

<strong>und</strong> eine erste Anlaufstelle sein!“ 83<br />

Während das äußere Erscheinungsbild der LGU durchaus akzeptabel ist, ist das Leben<br />

<strong>im</strong> Innern durch eine dichte Belegung gekennzeichnet, die in mannigfacher Weise eine<br />

Beeinträchtigung der Lebensqualität der Bewohner/<strong>innen</strong> mit sich führt.<br />

An dieser Stelle sei hervorgehoben: Für alle Akteure der Flüchtlingspolitik wird angenommen,<br />

dass Übereinst<strong>im</strong>mung dahingehend besteht, dass mit der zentralen Unterbringung<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich eine Abschreckungstaktik verfolgt wird. Die Unterbringung<br />

entspricht den gesetzlichen Mindestanforderungen, doch diese sind nicht für längere<br />

Aufenthalte ausgelegt.<br />

81 Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes an der Saar am 17.08.04.<br />

82 Z.B. Gespräch mit DRK-Mitarbeitern/Mitarbeiter<strong>innen</strong> am 12.08.04.<br />

83 Aussage eines Psychiaters in Lebach am 21.09.04.


4.2 Versorgungslage<br />

4.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick<br />

Der rechtliche Rahmen zu finanziellen Leistungen an <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

wird durch das AsylbLG gesetzt. Gemäß § 1 AsylbLG erhalten <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

für die Dauer ihres Anerkennungsverfahrens Leistungen nach diesem Gesetz,<br />

ebenso Personen, die in Besitz einer Duldung nach § 55 sind, sowie vollziehbar<br />

ausreisepflichtige Personen, wenn eine Abschiebungsandrohung nicht mehr oder noch<br />

nicht vollziehbar ist.<br />

Seit 1990 kommt <strong>im</strong> Saarland das Sachleistungsprinzip zur Anwendung, das seine<br />

Gr<strong>und</strong>lage in der durch den Gesetzgeber getroffenen Entscheidung zur Gewährung<br />

von Gr<strong>und</strong>leistungen nach § 3 AsylbLG an Regelleistungsempfänger/<strong>innen</strong> findet.<br />

Nach dieser Vorschrift wird der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung,<br />

Kleidung, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Körperpflege sowie Gebrauchs- <strong>und</strong> Verbrauchsgüter des<br />

Haushalts durch Sachleistungen gedeckt. Darüber hinaus wird zur Deckung persönlicher<br />

Bedürfnisse des täglichen Lebens ein (nach Lebensalter gestaffelter) Bargeldbetrag<br />

(„Taschengeld“) gewährt. In der LGU Lebach wird das Sachleistungsprinzip in der<br />

beschriebenen Form so weit wie möglich umgesetzt. Nahrungsmittel werden in Form<br />

von Essenspaketen ausgegeben. Die Ausgabe von Lebensmitteln <strong>und</strong> Verbrauchsgütern<br />

(z.B. Hygieneartikel) ist zentral geregelt. Eine Leistungsabteilung ist zuständig für<br />

die Auszahlung des „Taschengeldes“ <strong>und</strong> das Ausstellen von Krankenscheinen.<br />

Essenspakete werden zwei Mal pro Woche ausgegeben, Sonderbedarfe - z.B. bei<br />

Schwangeren oder Kranken - werden nach Aussage des LAFL weitestgehend berücksichtigt.<br />

Der Inhalt der Pakete wiederholt sich <strong>im</strong> Turnus von vier bis sechs Wochen.<br />

Zur Frage, inwieweit kulturelle Essgewohnheiten bei den Essenspaketen berücksichtigt<br />

werden, gibt es unterschiedliche Aussagen. Während <strong>Flüchtlinge</strong> mehrfach betonten,<br />

dass sie viele Lebensmittel nicht nutzen bzw. zum Abfall geben, weil sie ihren kulturellen<br />

Gewohnheiten nicht entsprechen <strong>und</strong> sie sich stattdessen gewohnte Lebensmittel<br />

<strong>im</strong> Supermarkt oder in einem türkischen Laden nahe der LGU kaufen, betont zum Beispiel<br />

die Caritas Lebach, dass kulturelle Belange sehr wohl Berücksichtigung fänden.<br />

Für die Auszahlung der Leistungen nach AsylbLG ist die Leistungsabteilung des<br />

LAFL zuständig. Drei Zielgruppen werden diesbezüglich unterschieden:<br />

1. Gr<strong>und</strong>leistungen nach § 3 AsylbLG: Nach § 3 wird der notwendige Bedarf an<br />

Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Körperpflege <strong>und</strong><br />

Gebrauchs- <strong>und</strong> Verbrauchsgütern des Haushalts durch Sachleistungen gedeckt.<br />

Zusätzlich erhalten Erwachsene 40,90 Euro <strong>und</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche bis 15<br />

Jahre 20,45 Euro monatlich als Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse<br />

des täglichen Lebens.<br />

61


62<br />

2. Gekürzte Leistungen nach § 1 a AsylbLG: Leistungsberechtigte <strong>und</strong> deren<br />

Familienangehörige erhalten gekürzte Leistungen auf das unabweisbar Gebotene<br />

(kein Taschengeld, sondern nur Sachleistungen), wenn sie zum Beispiel nach<br />

Deutschland eingereist sind, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten, sie<br />

ihre Identität nicht preisgeben oder wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus<br />

von ihnen zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt werden können.<br />

3. Leistungen nach § 2 AsylbLG: Leistungsberechtigte erhalten nach § 2 AsylbLG<br />

Leistungen nach dem BSHG (erhöhtes Taschengeld, alle anderen Leistungen<br />

hier auch nach dem Sachleistungsprinzip), wenn sie über eine Dauer von insgesamt<br />

36 Monaten, frühestens beg<strong>innen</strong>d am 01.07.97 Leistungen nach § 3 AsylbLG<br />

erhalten haben <strong>und</strong> die Ausreise nicht erfolgen kann bzw. aufenthaltsbeendende<br />

Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil humanitäre, rechtliche<br />

oder persönliche Gründe dem entgegenstehen. 84<br />

Die Auszahlung der Leistungen erfolgt einmal pro Monat. Für andere als AsylbLG-<br />

Leistungen, u.a. BSHG-Leistungen, sind die örtlichen Sozialämter zuständig.<br />

Die Neueinkleidung von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n hat das DRK in Kooperation<br />

mit dem LAFL übernommen. Zwei Mal <strong>im</strong> Jahr bekommen <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

über einen Berechtigungsschein Kleidung (Sommer- <strong>und</strong> Winterbekleidung),<br />

wobei Erwachsene nur alle zwei Jahre voll ausgestattet werden, Kinder jedoch<br />

jedes Jahr. Für Babys werden Sonderausstattungen bereitgestellt. Darüber hinaus existiert<br />

eine sog. Altkleiderkammer.<br />

Die finanzielle Situation ist demnach einheitlich für alle in der LGU Lebach untergebrachten<br />

Personen, mit Ausnahme jener, die ein eigenes Einkommen beziehen. Hierbei<br />

handelt es sich um 104 Personen. 85 In welcher Höhe diese Einkünfte sind, lässt<br />

sich nach Auskunft des LAFL aus der Statistik nicht erschließen. Es wird jedoch an<br />

vielen Stellen die Vermutung geäußert, dass die meisten Beschäftigungsverhältnisse -<br />

wenn sie überhaupt gemeldet werden - als 400 Euro-Jobs deklariert sind (auch wenn<br />

es in vielen Fällen wohl höher bezahlte Tätigkeiten/Beschäftigungsverhältnisse sind).<br />

4.2.2 Bewertung der Versorgungslage<br />

Hinsichtlich der Versorgungslage stehen vor allen Dingen die Essenspakete <strong>im</strong> Zentrum<br />

der Diskussion.<br />

Sie sind - ebenso wie die Wohnsituation - ein Thema, an dem sich sehr viel Unmut<br />

entlädt. Nach Aussagen von <strong>Flüchtlinge</strong>n werden ihre kulturellen Belange nicht in der<br />

gewünschten Form berücksichtigt. Dies führt dazu, dass die <strong>Flüchtlinge</strong> einige Dinge<br />

aus Prinzip nicht essen; dieses Essen landet u.U. <strong>im</strong> Müll <strong>und</strong> führt bei der Lebacher<br />

Bevölkerung zu dem Vorurteil: „Sieh mal, denen geht es so gut, die schmeißen sogar<br />

ihr Essen weg“ - ein fatales Missverständnis. Vegetarier beklagen, dass zu wenig Ge-<br />

84 Nach Änderungen des § 2 dieses Gesetzes zum 01.01.05 gilt: „...Leistungen nach § 3 erhalten<br />

haben <strong>und</strong> die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben“.


müse in den Essenspaketen sei. Gleichermaßen wird kritisiert, die Essenmengen seien<br />

insgesamt zu gering. Unabhängig vom Inhalt der Pakete gibt es augenscheinlich ein<br />

weiteres Problem: Viele <strong>Flüchtlinge</strong> beklagen sich über das lange Schlange-Stehen,<br />

bis man das Essenspaket erhält. Die <strong>Flüchtlinge</strong> berichten davon, dass sie teilweise bis<br />

zu zwei, drei St<strong>und</strong>en warten müssen, bis sie an der Reihe sind. Einige sind deshalb<br />

so verärgert, dass sie aus Protest kein Paket mehr abholen. Nach Aussage einer Mitarbeiterin<br />

eines Bildungsträgers hat „das Schlange-Stehen System, es ist eine Schikane“.<br />

Nach Aussagen des Innenministeriums gibt es zu den Ausgabezeiten gleichermaßen<br />

aber auch Leerzeiten, in denen fast keine Person ein Paket abholt.<br />

4.2.3 Zusammenfassung<br />

Die Versorgung von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>im</strong> Saarland ist <strong>im</strong> Wesentlichen vom Sachleistungsprinzip<br />

gekennzeichnet. Der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung,<br />

Kleidung, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Körperpflege sowie Gebrauchs- <strong>und</strong> Verbrauchsgüter des<br />

Haushalts wird danach durch Sachleistungen gedeckt. Am meisten Diskussionsstoff<br />

bergen die Essenspakete. <strong>Flüchtlinge</strong> kritisieren, kulturelle Belange würden nicht ausreichend<br />

berücksichtigt, ebenso sei die Menge <strong>und</strong> die Zusammensetzung der Pakete<br />

nicht angemessen. Anderslautende Aussagen bestreiten diesen Vorwurf.<br />

4.3 Ges<strong>und</strong>heitssituation<br />

4.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick<br />

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen <strong>im</strong> Hinblick auf das Thema „Ges<strong>und</strong>heit von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n“ sind <strong>im</strong> Wesentlichen durch das AsylbLG vorgegeben. Danach sind bei<br />

entsprechender Bedürftigkeit folgende Personengruppen leistungsberechtigt:<br />

- <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>,<br />

- Kriegs- <strong>und</strong> Bürgerkriegsflüchtlinge, die wegen des Krieges in ihrem He<strong>im</strong>atland<br />

eine Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz besitzen,<br />

- Ausländer/<strong>innen</strong>, die <strong>im</strong> Besitz einer Duldung sind,<br />

- vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

- die Ehepartner/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> minderjährigen Kinder dieser Personen.<br />

In Bezug auf die ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung dieser Personengruppen unterscheidet<br />

das AsylbLG zwischen akuten <strong>und</strong> chronischen Erkrankungen. Für die Behandlung<br />

akuter Erkrankungen besteht ein Anspruch auf Leistungen nach AsylbLG (§4). Für die<br />

85 Auskunft des LAFL am 12.08.04: Anzahl der Personen, die eigene Einkünfte erzielen <strong>und</strong> demnach<br />

bei der Leistungsabteilung des LAFL registriert sind.<br />

63


64<br />

Behandlung chronischer Krankheiten können sog. „sonstige Leistungen“ nach dem<br />

AsylbLG gewährt werden (§6) - hierauf besteht aber gr<strong>und</strong>sätzlich kein Anspruch. 86<br />

Bei einer akuten Erkrankung bzw. <strong>im</strong> Falle von Schmerzzuständen haben <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> einen Anspruch auf die zur ärztlichen <strong>und</strong> zahnärztlichen<br />

Behandlung erforderlichen Leistungen. Dazu gehören auch Arznei- <strong>und</strong> Verbandsmittel<br />

<strong>und</strong> sonstige Leistungen, die zur Besserung oder Linderung von Krankheiten oder<br />

Krankheitsfolgen erforderlich sind.<br />

Darüber hinaus haben schwangere Frauen <strong>und</strong> Wöchner<strong>innen</strong> einen Anspruch auf<br />

ärztliche <strong>und</strong> pflegerische Hilfe <strong>und</strong> Betreuung, auf Hebammenhilfe sowie auf Arznei-,<br />

Verbands- <strong>und</strong> Heilmittel.<br />

Zur Klärung des Rechtsanspruchs auf Leistungen bedarf es der Unterscheidung zwischen<br />

akuter <strong>und</strong> chronischer Erkrankung. Dabei wird der Begriff der akuten Erkrankung<br />

von der Rechtssprechung eng ausgelegt. Nach gängiger medizinischer Definition<br />

ist eine akute Erkrankung „ein unvermittelt auftretender, schnell <strong>und</strong> heftig verlaufender<br />

regelwidriger Körper- <strong>und</strong> Geisteszustand, der aus medizinischen Gründen der ärztlichen<br />

oder zahnärztlichen Behandlung bedarf.“ 87 Eine chronische Erkrankung ist dagegen<br />

ein „langsam sich entwickelnder, über mindestens 8 bis 10 Wochen andauernder<br />

regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der seinerseits aus einer akuten Erkrankung<br />

hervorgehen kann.“ 88 Bei chronischen Erkrankungen besteht gr<strong>und</strong>sätzlich kein<br />

Anspruch auf Leistungen zur Ges<strong>und</strong>heitsversorgung nach dem AsylbLG. Eine Ausnahme<br />

bilden akute Krankheitszustände, die <strong>im</strong> Verlauf einer chronischen Erkrankung<br />

auftreten können, z.B. die akute Lungenentzündung eines AIDS-Kranken. In diesen<br />

Fällen besteht Anspruch auf Leistungen, aber nur für die akute Erkrankung <strong>und</strong> nicht<br />

für die zugr<strong>und</strong>eliegende chronische Erkrankung.<br />

Für die Behandlung von chronischen Erkrankungen können lediglich „sonstige Leistungen“<br />

gewährt werden, wenn sie <strong>im</strong> Einzelfall zur „Sicherung der Ges<strong>und</strong>heit unerlässlich<br />

sind“. Über die Erbringung dieser sonstigen Leistungen entscheidet die zuständige<br />

Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen. Hinsichtlich der Ermessensfrage sind<br />

auch psychotherapeutische oder ähnliche Behandlungen für traumatisierte <strong>Flüchtlinge</strong><br />

von Bedeutung. Wenn nicht bereits eine akute Erkrankung vorliegt, für deren Behandlung<br />

eine Psychotherapie erforderlich ist, kommt eine Traumatherapie nur als sonstige<br />

Leistung <strong>im</strong> Sinne des § 6 AsylbLG in Betracht. Sie wird als chronische Erkrankung <strong>im</strong><br />

Sinne des AsylbLG angesehen. 89<br />

Bei einem längeren Aufenthalt in Deutschland haben ausländische <strong>Flüchtlinge</strong> bei Bedürftigkeit<br />

<strong>im</strong> Krankheitsfall einen umfassenderen Leistungsanspruch nach dem B<strong>und</strong>essozialhilfegesetz<br />

(BSHG). Nach derzeit geltendem Recht ist dazu erforderlich, dass<br />

die <strong>Flüchtlinge</strong> über die Dauer von insgesamt 36 Monaten, frühestens ab dem<br />

01.06.97, Gr<strong>und</strong>leistungen nach dem AsylbLG erhalten haben. Weitere Voraussetzung<br />

ist, dass die Ausreise <strong>und</strong> aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden<br />

86<br />

Vgl. Block, Helga: Rechtliche Rahmenbedingungen für die ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung von <strong>Flüchtlinge</strong>n,<br />

in: Bündnis 90/Die Grünen <strong>im</strong> Landtag NRW (Hg.): Ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung von <strong>Flüchtlinge</strong>n.<br />

Dokumentation des Fachgesprächs vom 15. April 2002, Düsseldorf 2002, S. 20.<br />

87<br />

Block, Helga: Rechtliche Rahmenbedingungen für die ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung von <strong>Flüchtlinge</strong>n,<br />

a.a.O., S. 21.<br />

88<br />

89<br />

Ebd., S. 21.<br />

Vgl. ebd. S. 21.


können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse<br />

entgegenstehen. Das BSHG unterscheidet nicht zwischen akuten <strong>und</strong> chronischen<br />

Erkrankungen. <strong>Flüchtlinge</strong>, die Leistungen nach BSHG beziehen, werden seit<br />

01.01.04 gesetzlich krankenversichert. Dies schließt die freie Wahl der gesetzlichen<br />

Krankenkasse ein, ist aber auch mit dem Nachteil möglicher Zuzahlungen etc. verb<strong>und</strong>en.<br />

Diesbezüglich findet jedoch eine Beratung der <strong>Flüchtlinge</strong> über mögliche Befreiungen<br />

statt. Derzeit beziehen in Lebach 60 Personen Leistungen analog BSHG.<br />

Die Situation in Lebach<br />

Alle in Lebach ankommenden <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> werden in der Erstuntersuchungsstelle,<br />

die dem LAFL angegliedert ist, untersucht. Kinder erhalten Kinderschutz<strong>im</strong>pfungen,<br />

zum Teil werden Blutuntersuchungen vorgenommen.<br />

Im Krankheitsfall sind <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> verpflichtet, zuerst eine(n)<br />

Allgemeinmediziner/in aufzusuchen, der/die ihnen eine Überweisung zur Fachärztin/zum<br />

Facharzt ausstellen kann. Diese Überweisung wird durch das LAFL geprüft. Es<br />

kann entweder positiv entscheiden <strong>und</strong> der entsprechenden Person den Besuch bei<br />

der Fachärztin/be<strong>im</strong> Facharzt erlauben - die Kosten werden in diesem Fall übernommen<br />

- oder aber die Überweisung zur Prüfung an das zuständige Ges<strong>und</strong>heitsamt<br />

senden. Wenn das Ges<strong>und</strong>heitsamt positiv entscheidet, kann die Person die Fachärztin/den<br />

Facharzt an ihrem Wohnort frei wählen.<br />

Entsprechend den Regelungen des AsylbLG, wodurch nur die Behandlung akuter Erkrankungen<br />

gedeckt ist, werden Operationen <strong>und</strong> aufwendige Behandlungen restriktiv<br />

bewilligt.<br />

Eine Recherche bei in Lebach ansässigen Allgemein- <strong>und</strong> Fachärzt<strong>innen</strong>/-ärzten<br />

hat folgendes ergeben: Eine häufige Erkrankung, die zur Konsultation einer Ärztin/eine<br />

Arztes führt, sind Erkrankungen der Atemwege <strong>und</strong> Bronchitis. Auch Darminfektionen<br />

kommen relativ häufig vor. Die Ansteckungsgefahr unter <strong>Flüchtlinge</strong>n, insbesondere<br />

unter Kindern ist hoch, da viele Personen auf engem Raum untergebracht sind. Frauenärzt<strong>innen</strong>/-ärzte<br />

berichten, sie behandeln <strong>und</strong> betreuen Flüchtlingsfrauen <strong>im</strong> Wesentlichen<br />

<strong>im</strong> Rahmen von Schwangerschaften <strong>und</strong> allgemeinen Schmerzen <strong>im</strong> Unterleib.<br />

Zu lediglich zwei Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzten liegt statistisches Material vor: Danach behandelt ein<br />

Lebacher Frauenarzt ca. 10 Flüchtlings-Patient<strong>innen</strong> pro Monat, ein Augenarzt 10 bis<br />

15 pro Monat. Der Augenarzt wird überwiegend wegen Schmerzen <strong>im</strong> Auge aufgesucht.<br />

Diese sind zum größten Teil Folge von trockenen Augen <strong>und</strong> leichter Bindehautentzündung.<br />

Die Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzte geben an, dass sie <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Rahmen der<br />

gesetzlichen Vorschriften in medizinisch angemessener Weise behandeln können.<br />

Eine Sonderthematik ist das Thema Drogen bzw. Alkohol. Zum Drogenkonsum können<br />

keine gesicherten Aussagen gemacht werden, da hierzu keine empirische Basis<br />

vorliegt. Zur Frage, inwieweit Drogen in der LGU eine Rolle spielen, könnten demnach<br />

nur Mutmaßungen angestellt werden (siehe auch Kapitel 4.5). Als Genussmittel ist Alkohol<br />

in Deutschland völlig legal, doch können seine negativen Auswirkungen erheblich<br />

sein. Plakativ formuliert gibt es theoretisch zwei entgegengesetzte Tendenzen: Die<br />

Langeweile <strong>und</strong> das Nichtstun könnten dazu an<strong>im</strong>ieren, Alkohol zu trinken, um sich<br />

den Alltag „etwas schöner zu gestalten“. Andererseits spricht das sehr knappe „Taschengeld“<br />

dafür, den Alkoholkonsum doch erheblich in Grenzen zu halten. Allgemeine<br />

65


66<br />

Erkenntnisse zum Alkoholkonsum der <strong>Flüchtlinge</strong> konnten nicht gewonnen werden.<br />

Teilweise gibt es auch widersprüchliche Aussagen. Ein Anwohner sowie der Leiter des<br />

min<strong>im</strong>al-Marktes berichten, dass eine Gruppe von Chinesen regelmäßig gegen 18 Uhr<br />

hochprozentige Alkoholika kauft <strong>und</strong> diese dann in den Grünanlagen der Anlage konsumiert.<br />

90 Auch der Sozialdienst des Krankenhauses in Lebach gab gegenüber einem<br />

Mitarbeiter der Caritas zu verstehen, dass es Probleme mit verstärktem Alkoholkonsum<br />

gebe. Gleichzeitig weist das LAFL jedoch darauf hin, dass Alkohol in der LGU derzeit<br />

kein Problem sei. Zu Zeiten vieler Aussiedler/<strong>innen</strong> sei Alkoholkonsum dagegen tatsächlich<br />

ein ernst zu nehmendes Thema gewesen. 91<br />

4.3.2 Traumatisierungen <strong>und</strong> psychische Ges<strong>und</strong>heit<br />

Neben der allgemeinen ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung <strong>und</strong> dem generellen Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />

der <strong>Flüchtlinge</strong> muss vor allem dem Themenkomplex Folter, Traumatisierung<br />

<strong>und</strong> Retraumatiserung ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Denn nicht erst<br />

seit dem Bürgerkrieg <strong>im</strong> früheren Jugoslawien stellen Menschen einen Asylantrag, die<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Erlebnisse <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland <strong>und</strong> auf der Flucht traumatisiert sind. Gleichzeitig<br />

muss der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Lebensumstände <strong>im</strong> Aufnahmeland<br />

die bereits vorhandenen Störungen forcieren. Dem Thema „Trauma“ soll<br />

daher ein breiter Raum gewidmet werden.<br />

An dieser Stelle kann seitens der Gutachter keine umfassende <strong>und</strong> psychologisch f<strong>und</strong>ierte<br />

Betrachtung stehen - vielmehr sind wir darum bemüht, die Gr<strong>und</strong>züge der Problematik<br />

aufzuzeigen <strong>und</strong> die Situation der <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Saarland zu beschreiben. Ein<br />

herzlicher Dank sei an dieser Stelle an den SEPA-Partner DRK gerichtet, der uns bezüglich<br />

dieses Themas tatkräftig unterstützte.<br />

Folter als Ausgangspunkt von Traumatisierungen<br />

Folter hat es in der Geschichte der Menschheit <strong>im</strong>mer wieder in unterschiedlichen<br />

Formen gegeben. Sie wirkt sich verheerend auf die menschliche Psyche aus. Nach<br />

einem Bericht von Amnesty International wurden in den vergangenen Monaten in über<br />

130 Ländern Menschen gefoltert <strong>und</strong> misshandelt. 92 Ziele der Folter sind v.a.:<br />

- Erpressen von Aussagen,<br />

- Schädigen der politischen, kulturellen <strong>und</strong> psychosozialen Integrität,<br />

- Zerstörung des Individuums <strong>und</strong> der Persönlichkeit,<br />

- Bestrafung politisch missliebiger Meinungen,<br />

- Erschütterung des Selbst,<br />

- Vernichtung ethnischer Minderheiten,<br />

- Einschüchterung von Bevölkerungsgruppen sowie<br />

- Herbeiführung des „politischen, geistigen <strong>und</strong> seelischen Tods“.<br />

90 Gespräche am 05.08.04.<br />

91 Gespräch mit LAFL <strong>und</strong> GAB am 12.08.04.<br />

92 Vgl. URL: www.amnesty.de.


Dabei werden unterschiedliche Formen der Folter angewandt:<br />

- physische Folter: z.B. Verbrennung von Körperteilen, Anwendung von Elektroschocks,<br />

Verstümmelungen, Aufhängung an Händen <strong>und</strong> Füßen, Schlagen der<br />

Fußsohlen (Falaka);<br />

- psychische Folter: u.a. sensorische Deprivationen aller Art, z.B. Dunkel- <strong>und</strong> Einzelhaft,<br />

Scheinhinrichtungen, Verletzungen des Int<strong>im</strong>bereichs <strong>und</strong> sexuelle Folter;<br />

- pharmakologische Folter: Einsetzen von Medikamenten, Substanzen <strong>und</strong> Psychopharmaka<br />

zum Auslösen unerträglicher Schmerzen, zum Brechen der somatischen<br />

<strong>und</strong> psychischen Widerstandskraft, zur Herbeiführung künstlich psychotischer<br />

Zustände, zur Zerstörung der kognitiven <strong>und</strong> emotionalen Orientierung, zur<br />

Herstellung völliger Abhängigkeit vom Folterer. 93<br />

In der Öffentlichkeit wird häufig davon ausgegangen, dass es sich bei gefolterten Personen<br />

überwiegend um Männer handele. Doch diese Annahme ist falsch. Auch Frauen<br />

erfahren in erheblichem Maße Verfolgung, Folter <strong>und</strong> anschließende Traumatisierung:<br />

- zum Teil werden Frauen unmittelbar aufgr<strong>und</strong> ihres Geschlechtes diskr<strong>im</strong>iniert <strong>und</strong><br />

verfolgt; grausame Bestrafungen erfolgen auf das tatsächliche oder angebliche<br />

Übertreten best<strong>im</strong>mter frauenspezifischer Regeln (z.B. Bekleidungs- <strong>und</strong> Verhaltensvorschriften);<br />

- Frauen werden Opfer von Praktiken, die nicht direkt vom jeweiligen Staat durchgeführt,<br />

aber teilweise gesetzlich geschützt oder zumindest geduldet werden; hierzu<br />

zählen genitale Verstümmelungen, Zwangsverheiratungen, Kinderehen, Mitgiftmorde<br />

<strong>und</strong> Tötungen von Frauen mit der Begründung, auf diese Weise werde die<br />

Familienehre wiederhergestellt;<br />

- Frauen werden - insbesondere in Kriegssituationen - Opfer von sexueller Gewalt;<br />

teilweise wird sexuelle Gewalt systematisch als Verfolgungsmethode angewandt<br />

(z.B. bei Hausdurchsuchungen, Razzien, in Untersuchungshaft);<br />

- in repressiven Systemen droht politisch aktiven Frauen (z.B. in Oppositionsgruppen<br />

<strong>und</strong> Befreiungsbewegungen) Verfolgung, Folter <strong>und</strong> die Anwendung von sexueller<br />

Gewalt 94 ;<br />

- auch werden häufig Frauen gezielt verfolgt, wenn ethnische, religiöse <strong>und</strong> andere<br />

Minderheiten vertrieben oder ausgelöscht werden sollen. 95<br />

Durch sexuelle Gewalt - als häufig eingesetztes Mittel der Folter gegen Frauen - wird<br />

sowohl die psychische <strong>und</strong> physische, als auch die soziale Integrität der Frauen zerstört.<br />

Dadurch, dass auf diese Weise die ganze Familie ihre Ehre <strong>und</strong> Würde verliert,<br />

wird sexuelle Gewalt als Mittel zur Rache, Einschüchterung <strong>und</strong> Machtdemonstration<br />

gegenüber Familien, Gruppen etc. eingesetzt. Der jeweiligen Gruppe soll die Schutzun-<br />

93 Vgl. Dr. Mehari, Fetsum: Trauma <strong>im</strong> interkulturellen Kontext, in: „Traumatisierte <strong>Flüchtlinge</strong>“. Dokumentation<br />

der Fachtagung vom 26.04.2001 <strong>im</strong> B<strong>und</strong>esamt, Schriftenreihe des B<strong>und</strong>esamtes für<br />

die Anerkennung ausländischer <strong>Flüchtlinge</strong>, Band 9, Nürnberg 2001, S. 19ff.<br />

94 Vgl. Kaya, Devr<strong>im</strong>: „Meine einzige Schuld ist, als Kurdin geboren zu sein“. Eine junge Frau auf der<br />

Flucht vor türkischer Folter <strong>und</strong> deutscher Justiz, Frankfurt/New York 1998.<br />

95 Vgl. Herzig, Jutta; Fischer, Dorothee; Foka, Claudia: Fallgruppen traumatisierter <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong><br />

Asylverfahren, in: „Traumatisierte <strong>Flüchtlinge</strong>“, a.a.O., S. 46ff.<br />

67


68<br />

fähigkeit demonstriert werden. Darüber wird sexuelle Gewalt eingesetzt, um Geständnisse<br />

von männlichen Angehörigen der Frau zu erpressen. 96<br />

Die Folgen von Folter bzw. die Tragik der Folteropfer wird treffend mit dem Zitat von<br />

Jean Améry beschrieben:<br />

„Wer der Folter erlag, kann nicht mehr he<strong>im</strong>isch werden in dieser Welt.“ 97<br />

Folter oder sonstige Menschenrechtsverletzungen in der He<strong>im</strong>at sind für <strong>Flüchtlinge</strong> -<br />

abgesehen von so genannten „Wirtschaftsflüchtlingen“, die der Armut in ihrem Land<br />

entkommen wollen - der wohl wichtigste Ausgangspunkt der Flucht. Gleichzeitig haben<br />

die Erlebnisse <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland <strong>und</strong> auf der Flucht eine Vielzahl von Belastungen <strong>und</strong><br />

Störungen zur Folge; Psychologen/<strong>innen</strong> sprechen von „komplexer Belastung“.<br />

Traumatisierte in Deutschland<br />

„Die aktive Vertreibung <strong>und</strong> Bedrohung, Gefährdung <strong>und</strong> Beeinträchtigung von Leben<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit fügt Verw<strong>und</strong>ungen <strong>und</strong> Verletzungen zu, die oft jede Vorstellungsmöglichkeit<br />

überschreiten. Die Betroffenen sind sprachlos, <strong>und</strong> das Unsagbare belastet<br />

sie noch nach der Ankunft <strong>im</strong> Aufnahmeland Deutschland, dem sicheren Hafen nach<br />

ihrer zum Teil beschwerlichen Flucht.“ 98<br />

Bei ihrer Ankunft in Deutschland ergibt sich sogleich eine besondere Schwierigkeit:<br />

Traumatisierte <strong>Flüchtlinge</strong> sind zwar anerkanntermaßen besonders schutzwürdig 99 , es<br />

fällt ihnen jedoch schwer, das „Unsagbare“, das sie erlitten haben, detailliert <strong>und</strong> widerspruchsfrei<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Anhörung durch das BAFl in Worte zu fassen. Es wird<br />

auf folgende Besonderheiten aufmerksam gemacht:<br />

- Traumatisierungsbedingte Verzerrungen <strong>und</strong> Ungere<strong>im</strong>theiten in den Aussagen<br />

eines Folteropfers sind für das Krankheitsbild typisch. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> entschied<br />

die Europäische Menschenrechtskommission, dass von Folteropfern selten<br />

vollständige Genauigkeit <strong>und</strong> Widerspruchsfreiheit zu verlangen sei, auch wenn <strong>im</strong><br />

Gr<strong>und</strong>satz Widersprüche <strong>und</strong> Ungere<strong>im</strong>theiten bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung<br />

berücksichtigt werden dürften.<br />

- Auch die Lückenhaftigkeit <strong>im</strong> Vortrag eines Folteropfers ist wahrscheinlich. Sofern<br />

jedoch eine durch Gutachten erwiesene, auf Folter zurückzuführende schwere<br />

körperliche/seelische Schädigung des Flüchtlings vorliegt, kann dies <strong>im</strong> Einzelfall<br />

ausnahmsweise auch ohne detaillierte Schilderung der genauen Umstände <strong>und</strong><br />

Abläufe für eine Anerkennung genügen.<br />

- Die Gutachten, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Traumatisierung<br />

erstellt werden, sind umstritten. Fachärzten von Behandlungszentren für Fol-<br />

96 Vgl. Herzig, Jutta; Fischer, Dorothee; Foka, Claudia: Fallgruppen traumatisierter <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong><br />

Asylverfahren, in: „Traumatisierte <strong>Flüchtlinge</strong>“, a.a.O., S. 47f.<br />

97 Zitat von Jean Améry in: Améry, Jean: Die Tortur, o.O., o.J.<br />

98 Emminghaus, Wolf B.: Traumatisierte <strong>und</strong> Traumatisierung in Deutschland. Ein Anliegen der DRK-<br />

Beratungszentren für <strong>Flüchtlinge</strong>, in: DRK (Hg.): Materialien zur Traumaarbeit mit <strong>Flüchtlinge</strong>n, Manual<br />

1, Karlsruhe 2003, S. 7.<br />

99 Rechtlich hat die psychische Sondersituation von Verfolgungsopfern ihre Anerkennung in Art. 1 C<br />

Nr. 5 II der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) <strong>und</strong> in der darauf beruhenden Vorschrift des § 73<br />

Abs.1 S. 3 AsylVfG gef<strong>und</strong>en.


teropfer beispielsweise wird gelegentlich fehlende Neutralität <strong>und</strong> Distanzlosigkeit<br />

vorgehalten. Amts- <strong>und</strong> Polizeiärzte hingegen sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt,<br />

zu Lasten der <strong>Flüchtlinge</strong> allzu vollzugsorientiert <strong>und</strong> unqualifiziert zu sein. 100<br />

Für die Störung nach schwerwiegenden Ereignissen hat die Wissenschaft in den<br />

1980er <strong>und</strong> 1990er-Jahren den Begriff „Posttraumatische Belastungsstörung<br />

(PTBS/PTSD)“ gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> in die internationale Klassifikation von psychischen Störungen<br />

integriert (DSM IV <strong>und</strong> ICD-10). 101<br />

Der Begriff „Trauma“ wird mittlerweile nahezu inflationär verwendet. Er kommt ursprünglich<br />

aus dem Griechischen <strong>und</strong> bedeutet „W<strong>und</strong>e“ oder „Verletzung“. Anwendung<br />

fand der Begriff zunächst <strong>im</strong> medizinischen Bereich, um Zustände zu beschreiben,<br />

die nach einem Unfall auftreten (z.B. Schleudertrauma etc.). Die Psychotraumatologie<br />

ist ein relativ junges Forschungsgebiet in Deutschland.<br />

„Nach ICD-10 wird ein traumatischer Stressor als ein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher<br />

Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß beschrieben. Das Ereignis<br />

muss eine best<strong>im</strong>mte traumatisierende Kraft aufweisen, die nach menschlichem<br />

Ermessen ausreichend ist, um bei fast jedem Betroffenen starke Angst <strong>und</strong> Verzweiflung<br />

auszulösen. Das Ereignis muss seiner Natur nach geeignet sein, die traumatische<br />

Symptomatik zu determinieren.<br />

Das DSM IV gibt einem Ereignis dann eine traumatische Qualität, wenn es eine reale<br />

oder drohende Todesgefahr, ernsthafte Verletzung oder Gefahr für die körperliche Integrität<br />

beinhaltet, <strong>und</strong> die Person mit intensiver Angst, Hilflosigkeit oder panischem<br />

Schrecken erfüllt <strong>und</strong> entsprechend reagiert. Bei Kindern kann sich die Reaktion auch<br />

in desorganisiertem oder agitiertem Verhalten ausdrücken. Dabei reicht es aus, wenn<br />

die betroffene Person auch nur unmittelbar Zeuge eines solchen Ereignisses wird.“ 102<br />

Traumatische Erfahrungen äußern sich unterschiedlich. Der Eintritt einer Notfallsituation<br />

bzw. eines Traumas wird durch folgende Elemente beschrieben:<br />

- Zusammenbruch des Handlungspotenzials,<br />

- Verlust der Routinehandlungen,<br />

- Verlust eigener Zielsetzungen <strong>und</strong><br />

- Verlust von Selbstverantwortung. 103<br />

All diese Faktoren äußern sich in den unterschiedlichsten Symptomen, z.B. Schlafprobleme,<br />

Aggression, Depression, Lethargie, psychosomatische Erkrankungen <strong>und</strong><br />

körperliche Beschwerden. Ziel der Therapie ist „die Integration der Ereignisse als<br />

100 Vgl. Dr. Treiber, Wilhelm: Fallgruppen traumatisierter <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Asylverfahren, in: Asylpraxis:<br />

Traumatisierte <strong>Flüchtlinge</strong>. Schriftenreihe des B<strong>und</strong>esamtes für die Anerkennung ausländischer<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, Band 7, Nürnberg 2001, S. 17ff.<br />

101 Vgl. Emminghaus: Traumatisierte <strong>und</strong> Traumatisierung in Deutschland, a.a.O., S. 7.<br />

102 Koch, Dietrich F.: Verifizierung von psychischen Folgeschäden nach Extremtraumatisierung, Feststellung<br />

<strong>und</strong> Behandlungsmöglichkeiten, Glaubhaftigkeit von Ereignisberichten, in: „Traumatisierte<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>“, a.a.O., S. 68.<br />

103 Vgl. Emminghaus: „Trauma <strong>und</strong> Traumatisierung. Konzeption, Diagnose, Behandlung“. DRK-<br />

Workshop in Freiburg: Trauma als Alltagserfahrung - in der Rotkreuzarbeit, speziell mit <strong>Flüchtlinge</strong>n,<br />

vom 10. bis 12. Juni 2002.<br />

69


70<br />

perliche Beschwerden. Ziel der Therapie ist „die Integration der Ereignisse als Erfahrungen<br />

der Biographie“. 104<br />

Traumatisierungen in Deutschland: „The trauma of exile“<br />

Neben den Traumatisierungen, die <strong>Flüchtlinge</strong> aufgr<strong>und</strong> ihrer Erlebnisse <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

erfahren, besteht die Gefahr, dass weitere Störungen hinzukommen, nämlich akkulturative<br />

Belastungen <strong>im</strong> Aufnahmeland sowie Belastungen durch die hier vorherrschenden<br />

Lebensbedingungen. Auch diese Belastungen gehören zum Flüchtlingsschicksal<br />

<strong>und</strong> müssen als posttraumatische Belastungen gesehen <strong>und</strong> verstanden werden, damit<br />

Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung <strong>im</strong> Rahmen der Traumaarbeit gezielt erfolgen kann. 105<br />

Das Leiden der <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Aufnahmeland entsteht durch die zusätzliche Last das<br />

Fremdseins; alles Vertraute fällt plötzlich weg. Darüber hinaus erfordert die Umstellung<br />

in der Fremde eine Anstrengung, die die Kapazitäten oftmals überfordert <strong>und</strong> Anpassungsstörungen<br />

zur Folge hat. Die Fremde wird als feindselig <strong>und</strong> zurückweisend erlebt,<br />

wozu nicht zuletzt die restriktiven Bedingungen während des Asylverfahrens beitragen.<br />

Darüber hinaus sind die Lebensbedingungen in Deutschland für <strong>Flüchtlinge</strong><br />

derart gestaltet, dass diese zur Tatenlosigkeit verdammt sind <strong>und</strong> ihnen keine Eigeninitiative<br />

zugestanden wird. 106 Das erzwungene Nichtstun hat fatale Auswirkungen auf das<br />

Befinden der <strong>Flüchtlinge</strong>. Die Situation <strong>im</strong> Aufnahmeland ist geprägt durch das Erleben<br />

der kulturellen Fremdheit (akkulturative Belastung, „Kulturschock“) sowie das Gefühl<br />

der Ausgrenzung bzw. Zurückweisung („Trauma des Exils“). 107 Auf die Phase der Erleichterung<br />

<strong>und</strong> eines Gefühls der Sicherheit folgen somit problematische Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> Anpassungserfordernisse in der Fremde. Die Lebensbedingungen <strong>im</strong> Aufnahmeland,<br />

die durch den rechtlichen Rahmen vorgegeben sind, verstärken die Belastungen<br />

auf Seiten der <strong>Flüchtlinge</strong>. Dazu zählen:<br />

- das Leben in der Sammelunterkunft auf engstem Raum, ohne Möglichkeit zur freien<br />

Entfaltung,<br />

- die Fremdverpflegung,<br />

- das erzwungene Nichtstun,<br />

- der sehr stark eingeschränkte Zugang zu Schule, Ausbildung <strong>und</strong> Arbeitsmarkt.<br />

Die Situation in Lebach <strong>und</strong> sonstigen saarländischen Kommunen<br />

Wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 30 % aller in Deutschland<br />

lebenden <strong>Flüchtlinge</strong> traumatisiert sind. Allein bezogen auf die in der LGU untergebrachten<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> wären dies knapp 500 Personen. Sie sind angewiesen auf psychiatrische<br />

<strong>und</strong> psychologische Unterstützung <strong>und</strong> Behandlung.<br />

104 Emminghaus: „Trauma <strong>und</strong> Traumatisierung. Konzeption, Diagnose, Behandlung“. DRK-Workshop<br />

in Freiburg: Trauma als Alltagserfahrung - in der Rotkreuzarbeit, speziell mit <strong>Flüchtlinge</strong>n, vom 10.<br />

bis 12. Juni 2002.<br />

105 Vgl. Emminghaus, W.B; Grodhues, J.; Morsch, W.: Umgang mit akkulturativen Belastungen bei<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n: Trauma des Exils <strong>und</strong> Abhängigkeitssyndrom, in: DRK (Hg.): Materialien zur Traumaarbeit<br />

mit Flüchtlungen, Manual 2, Karlsruhe 2003, S. 11.<br />

106 Vgl. Emminghaus: Traumatisierte <strong>und</strong> Traumatisierung in Deutschland, a.a.O., S. 8.<br />

107 Vgl. ebd., S. 15.


In Lebach ist ein Psychiater ansässig, darüber hinaus befindet sich dort die Tagesklinik<br />

des St. Nikolaus-Hospitals (Hauptstelle: Wallerfangen). 108 Den Psychiater suchen ca.<br />

75 <strong>Flüchtlinge</strong> pro Quartal (Angabe bezieht sich auf III. Quartal 2004) auf. Die Klinik hat<br />

27 tagesklinische Plätze, davon sind derzeit 9 durch <strong>Flüchtlinge</strong> belegt, sowie 66 ambulante<br />

Plätze, wovon 18 von Personen ohne sicheren Aufenthalt belegt sind. Die Patient<strong>innen</strong>/Patienten<br />

des Psychiaters <strong>und</strong> der Tagesklinik leben in der Regel schon<br />

mehrere Jahre in Deutschland - durchschnittlich zwischen acht <strong>und</strong> zwölf Jahren. Viele<br />

Ereignisse, die nie verarbeitet wurden, kommen spätestens dann wieder zum Vorschein,<br />

wenn die betreffenden Personen vor einer Abschiebung ins He<strong>im</strong>atland stehen.<br />

Die meisten Patient<strong>innen</strong>/Patienten stammen aus der Türkei (Kurd<strong>innen</strong>/Kurden) bzw.<br />

aus Ex-Jugoslawien. Es handelt sich überwiegend um relativ junge Personen.<br />

Die Männer waren oftmals sowohl in der Opfer- als auch in der Täterrolle. Viele plagen<br />

Schuldgefühle („Warum hab ich zugesehen?“, „Hätte ich nicht früher aussteigen können?“<br />

etc.). Der Psychiater berichtet von einem Mann, der <strong>im</strong> Krieg mit ansah, wie ein<br />

anderer Mann eine Frau mit drei Kindern fragte, welches Kind sie am meisten liebte.<br />

Als sie nicht antwortete, nahm er ein Kind <strong>und</strong> schnitt diesem die Kehle durch. Die Gewaltbereitschaft<br />

der Männer hat in vielen Fällen zu ihrer Erkrankung geführt. Die<br />

Kriegserlebnisse kommen in den Träumen wieder hoch. Sie sehen Leichenteile, Blut<br />

etc.<br />

Posttraumatische Belastungsstörungen sind mit Abstand die Hauptdiagnose bei <strong>Flüchtlinge</strong>n.<br />

Die Personen leiden unter Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit (Alpträume), Konzentrationsschwierigkeiten,<br />

sind leicht reizbar (manche Frauen schlagen z.B. schnell<br />

ihre Kinder, obwohl sie dies nicht möchten). Auch tagsüber treten dissoziative Zustände<br />

auf. Die Betroffenen leiden unter Psychosen. Die Patient<strong>innen</strong>/Patienten sind sehr<br />

schreckhaft. Erlebtes wird durch Geräusche reaktiviert. Z.T. gehen die Personen nicht<br />

mehr vor die Tür. Die Erkrankung wird durch die unsichere Situation, in der sich die<br />

Patientin/der Patient befindet, deutlich verschl<strong>im</strong>mert. Nach Ansicht des in der Tagesklinik<br />

arbeitenden Arztes, setzt eine sinnvolle Aufarbeitung des Erlebten einen sicheren<br />

Aufenthalt voraus. Es gebe derzeit keine Möglichkeit, eine Perspektive zu erarbeiten.<br />

Ein Problem bei der Behandlung traumatisierter <strong>Flüchtlinge</strong> sind die Sprachbarrieren.<br />

Zu dem in Lebach ansässigen Psychiater bringen viele Patient<strong>innen</strong>/Patienten einen<br />

„Dolmetscher“ mit; es handelt sich dabei in den meisten Fällen um Familienangehörige<br />

oder Bekannte. Dies ist einerseits positiv, weil so überhaupt erst Kommunikation zustande<br />

kommt, andererseits beurteilt der Arzt dies außerordentlich skeptisch: Es gebe<br />

Fälle, da brächten Mütter ihren achtjährigen Sohn mit <strong>und</strong> würden über Folter <strong>und</strong> Vergewaltigungen<br />

berichten - der Sohn dolmetscht. Es dürfe jedoch nicht sein, dass Kinder<br />

in diesem Alter mit solchen Erlebnissen konfrontiert werden. Die Tagesklinik hat<br />

nur in beschränktem Maße die Möglichkeit, bezahlte Dolmetscher/<strong>innen</strong> einzusetzen.<br />

Es gab Zeiten, in denen für bis zu 50 % der Patient<strong>innen</strong>/Patienten der Tagesklinik<br />

Deutsch nicht Muttersprache war. Dies macht konstruktive Gruppenarbeit unmöglich.<br />

Eine dezentrale Unterbringung wäre unter diesen Gesichtspunkten deutlich sinnvoller.<br />

Bevor <strong>Flüchtlinge</strong> verpflichtet wurden, Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzte in Lebach aufzusuchen, war die<br />

Inanspruchnahme von psychiatrischer Hilfe sehr viel breiter gestreut (z.B. Saarbrücken,<br />

Dillingen).<br />

108 Die <strong>im</strong> Folgenden getroffenen Aussagen beziehen sich auf ein Gespräch mit einem Lebacher Psychiater<br />

sowie einem Arzt der Tagesklinik am 20.09.04.<br />

71


72<br />

Die Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzte berichten, dass sie sich selbst in sehr großen Konflikten befinden.<br />

Sobald ihre Patient<strong>innen</strong>/Patienten ges<strong>und</strong> würden, falle das Abschiebehindernis weg.<br />

Auch sind sie mit weitreichenden „Drohungen“ konfrontiert: „Wenn ich zurück muss,<br />

werde ich mich <strong>und</strong> meine Töchter umbringen; ich kann nicht zulassen, dass wir unter<br />

diesen Lebensbedingungen weiter leben.“ Die Ärzte leiden unter dem Vorurteil, sie<br />

würden Gefälligkeitsgutachten schreiben, um den Aufenthalt der Patient<strong>innen</strong>/Patienten<br />

zu verfestigen. Sie wehren sich heftig <strong>und</strong> glaubhaft gegen diesen Vorwurf<br />

<strong>und</strong> betonen, dass alle Personen, die sie behandeln, schwer krank sind. Der Psychiater<br />

mit Praxis in Lebach verweist eindringlich auf die Tatsache, dass doch kein<br />

Mensch der Welt leichten Herzens seine He<strong>im</strong>at verlasse. Es müsse dafür sehr triftige<br />

Gründe geben.<br />

Nach Ansicht der Ärzte verschlingt das in Deutschland praktizierte Verfahren Unsummen<br />

an Kosten. Die Lebensbedingungen würden <strong>Flüchtlinge</strong> krank machen, was das<br />

Ges<strong>und</strong>heitssystem belaste, die langen Verfahren kosteten viel, zudem würden hohe<br />

Gerichtskosten anfallen. Die Gerichte sind nach Meinung der Ärzte sehr bemüht, sie<br />

würden in vielen Fällen detaillierte Informationen bei den Konsulaten einholen etc.<br />

Beispiel:<br />

Eine alevitische Kurdin (22) stammt aus einem Dorf in der Türkei. Nach Deutschland floh sie<br />

2002 alleine per Flugzeug, u.a. ausgelöst durch die Anwesenheit radikaler (sunnitischer) Musl<strong>im</strong>e<br />

<strong>und</strong> entsprechender Probleme als Alevitin bzw. politischer Verfolgung. Im September 2002<br />

kam sie nach Lebach, ihr Asylverfahren läuft noch. Die einzelnen Stationen der Flucht hat sie<br />

vergessen bzw. verdrängt, sagt sie, da es ihr psychisch sehr schlecht ging. Die Schule hat sie<br />

lediglich für fünf Jahre besucht. Es sei der Einfluss der Umgebung gewesen, der einen weiteren<br />

Schulbesuch verhinderte. Für Mädchen sei die Schule nicht gut, habe u.a. eine Nachbarin gesagt.<br />

Sie wollte gleichwohl weiter zur Schule gehen. „Aber für mich ist das Leben eine Schule<br />

ohne Ende. Ich weiß nicht, mein Leben ist kaputt, ich war <strong>im</strong>mer krank“ sagt sie, die scheinbar<br />

unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidet <strong>und</strong> sehr dünn ist. Ihr Wunschberuf ist, als<br />

Krankenschwester oder Ärztin zu arbeiten. Sie wisse aber noch nicht, wie es weitergehen soll.<br />

Sie habe keinen Lebensplan <strong>und</strong> sei sehr verunsichert. Sie n<strong>im</strong>mt seit sechs Jahren Schlaftabletten,<br />

war sechs Monate lang in der Psychiatrie in Saarlouis-Wallerfangen <strong>und</strong> hat auch dort<br />

Tabletten verschrieben bekommen. Sie hat mehrere Suizidversuche unternommen. In den<br />

Schlagen der Essensausgabe hat sie Angst bekommen, daher geht sie dort nicht mehr hin,<br />

kauft sich Lebensmittel lieber selber in Geschäften. Gleichwohl wirkt sie wie eine prinzipiell starke<br />

Persönlichkeit mit positiver, auch dominanter Wirkung innerhalb der Gruppe kurdischer<br />

Fre<strong>und</strong><strong>innen</strong>.<br />

Über die psychiatrische Betreuung der <strong>Flüchtlinge</strong> hinausgehend wird therapeutische<br />

<strong>und</strong> psychologische Hilfe in erster Linie durch das DRK bereitgestellt. Es leistet mit<br />

seinem psychologischen Beratungsangebot einen großen Beitrag zur Betreuung von<br />

psychisch instabilen oder kranken <strong>Flüchtlinge</strong>n. In den LGUs <strong>und</strong> in der Beratungsstelle<br />

Saarbrücken sind Psycholog<strong>innen</strong>/Psychologen <strong>und</strong> Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> vor Ort, die<br />

die <strong>Flüchtlinge</strong> beraten <strong>und</strong> therapieren (in Lebach ist auch ein Kinderpsychologe).<br />

Aufgr<strong>und</strong> der bisherigen Erfahrungen in der Traumaarbeit legt das DRK besonderen<br />

Wert darauf, auch <strong>im</strong> Rahmen von SEPA eine psychologisch/therapeutische Komponente<br />

sicherzustellen.


Derzeit befinden sich über 120 <strong>Flüchtlinge</strong> be<strong>im</strong> DRK in Therapie, darunter über 70<br />

Frauen <strong>und</strong> ca. 50 Männer. 109 Häufigstes Herkunftsland ist Bosnien, gefolgt von der<br />

Türkei.<br />

Die Auslöser von Traumata sind nach Aussagen des DRK bei Männern <strong>und</strong> Frauen<br />

unterschiedlich. Dies bestätigt die bereits durch die Psychiater gemachten Aussagen:<br />

Männer leiden überwiegend unter der Täter-Opfer-Problematik. Sie haben subjektiv<br />

das Gefühl, keine andere Wahl gehabt zu haben, als zu töten. Sie befinden sich in einem<br />

moralischen Dilemma <strong>und</strong> sind geprägt von Schuldgefühlen. Darüber hinaus haben<br />

viele männliche <strong>Flüchtlinge</strong> das Gefühl, versagt zu haben - die Familie oder sonstige<br />

Personen nicht ausreichend beschützt zu haben. Sie sind geplagt von der Frage,<br />

ob sie die richtigen Entscheidungen <strong>im</strong> richtigen Moment getroffen haben oder wie sie<br />

sich hätten anders entscheiden können. Zahlreiche Männer leiden auch unter den Folterungen,<br />

die ihnen in Gefangenlagern widerfahren sind oder unter den Erlebnissen<br />

ihres Versteckens vor ethnischer Verfolgung.<br />

Die sich in Therapie befindenden Frauen sind zu einem Großteil Opfer sexueller<br />

(Kriegs-)Gewalt. Sie stammen überwiegend aus der Türkei (Folter <strong>und</strong> Vergewaltigungen<br />

in Gefängnissen), Syrien <strong>und</strong> dem Kosovo (hier insbesondere ethnische Minderheiten).<br />

Zahlreiche kosovo-albanische Frauen wurden durch serbische Milizen vergewaltigt<br />

<strong>und</strong> befinden sich deshalb in Behandlung. Ein besonderes Problem stellt die<br />

Tatsache dar, dass Frauen über sexuelle Gewalt nur sehr schwer sprechen können.<br />

Sie haben das Gefühl, „beschmutzt“ zu sein. In Gegenwart ihrer Männer wird das<br />

Thema „Vergewaltigung“ so gut wie nie angesprochen.<br />

Das DRK legt <strong>im</strong> Rahmen der Therapie großen Wert darauf, die gesamte Familie <strong>im</strong><br />

Blick zu haben.<br />

Die Behandlungsmethoden sind bei Männern <strong>und</strong> Frauen durchaus ähnlich, wenn auch<br />

Unterschiede dahingehend bestehen, in welcher Art <strong>und</strong> Weise best<strong>im</strong>mte Methoden<br />

Anwendung finden. So können beispielsweise best<strong>im</strong>mte Entspannungsübungen bei<br />

Männern Erinnerungen an die Gymnastik be<strong>im</strong> Militär hervorrufen. Das Angebot des<br />

DRK ist diesbezüglich sehr breit gefächert <strong>und</strong> in besonderer Weise geeignet, den unterschiedlichen<br />

Bedürfnissen der traumatisierten <strong>Flüchtlinge</strong> zu begegnen.<br />

4.3.3 Zusammenhang zwischen Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Beschäftigung: Berufliche<br />

Handlungsfähigkeit<br />

Eine der zentralen Zielsetzungen sowie Tätigkeitsschwerpunkt von SEPA ist die (Wieder-)Herstellung<br />

individueller beruflicher Handlungsfähigkeit. Dazu leisten alle<br />

Teilprojekte einen Beitrag: Das DRK durch die psychologische Stabilisierung von (z.T.<br />

traumatisierten) <strong>Flüchtlinge</strong>n, die Caritas durch die Berufsvorbereitung <strong>und</strong> die Vermittlung<br />

beruflicher Bildung für Jugendliche sowie alle Qualifizierungsprojekte durch ihren<br />

praktischen Beitrag zum Ziel, Menschen (wieder) an Arbeit heranzuführen.<br />

109 Diese <strong>und</strong> nachfolgende Aussagen beziehen sich auf ein Gespräch mit zwei Psycholog<strong>innen</strong>/Psychologen<br />

des DRK am 20.07.04 in Saarbrücken.<br />

73


74<br />

Eine Arbeit kann nur ausgeübt werden, wenn ein Mindestmaß an (beruflicher) Handlungsfähigkeit<br />

gegeben ist. <strong>Flüchtlinge</strong>, die oftmals psychologisch beeinträchtigt sind,<br />

leiden diesbezüglich in doppelter Hinsicht: Sie sind angesichts ihrer psychischen Verfassung<br />

in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt, <strong>und</strong> wenn sie arbeiten wollten, weil<br />

sie der Meinung sind, dass Arbeit ihrer seelischen Verfassung gut tun würde, sehen sie<br />

sich hohen gesetzlichen Hürden gegenüber.<br />

Das DRK, das die psychosoziale Betreuung von <strong>Flüchtlinge</strong>n wahrn<strong>im</strong>mt, macht deutlich,<br />

dass die berufliche Handlungsfähigkeit sehr unterschiedlich ausgeprägt ist <strong>und</strong><br />

auch die Motivation, das vorhandene Maß an Handlungsfähigkeit zu nutzen, stark variiert.<br />

110 So gäbe es Personen, die in ihrer derzeitigen Verfassung keineswegs beruflich<br />

tätig werden können, da sie psychisch zu stark beeinträchtigt seien. Ein „normaler“<br />

Arbeitsalltag überfordere sie erheblich. Gleichsam gebe es eine Vielzahl von Personen,<br />

die in ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit ebenfalls stark beeinträchtigt sind, die aber<br />

unbedingt arbeiten wollen, weil sie für sich selbst spüren, dass das Nichtstun zu einer<br />

Verschlechterung ihrer seelischen Verfassung führt.<br />

Beispiel:<br />

Ein junger Mann aus dem Kosovo, der durch den Krieg stark traumatisiert wurde, ist seit dem<br />

Jahr 2000 in Deutschland <strong>und</strong> befindet sich be<strong>im</strong> DRK in Therapie. Trotz seiner Beeinträchtigungen<br />

arbeitet er - nach der Teilnahme an einer SEPA-Qualifizierungsmaßnahme - seit<br />

Herbst 2002 in verschiedenen Jobs. Dieses Jahr hat er es geschafft, einen festen Arbeitsplatz<br />

zu bekommen. Die Arbeit hilft ihm, das Erlebte zu verarbeiten.<br />

Dieses „Positiv-Beispiel“ demonstriert, wie Arbeit stabilisierend wirken kann. Viele<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> sind jedoch so stark beeinträchtigt, dass sie nicht arbeiten können. Ihre<br />

Ängste sind so groß, dass kaum eine Chance besteht, dass sie vor die Tür bzw. unter<br />

Menschen gehen. Die Psychologin des DRK spricht diesbezüglich von Agoraphobie:<br />

Man meidet Menschenansammlungen, leidet unter Panikattacken „<strong>und</strong> irgendwann<br />

traut man sich kaum mehr aus dem Haus“.<br />

Berufliche Handlungsfähigkeit wird nicht nur durch traumatische Erlebnisse, sondern<br />

auch durch langes Nichtstun eingeschränkt. Wer über mehrere Jahre keiner geregelten<br />

Beschäftigung nachgegangen ist, hat in der Regel Schwierigkeiten, wieder in den Berufsalltag<br />

mit all den damit verb<strong>und</strong>enen Pflichten, z.B. Pünktlichkeit, zu finden. An dieser<br />

Stelle leisten die Qualifizierungsprojekte einen sehr wertvollen Beitrag, da sie gewissermaßen<br />

einen sanften „(Wieder-)Einstieg“ ins Berufsleben ermöglichen. Auch<br />

sogenannte „soft skills“ werden durch Qualifizierungsmaßnahmen geschult, beispielsweise<br />

die korrekte Verhaltensweise gegenüber Vorgesetzten, der Umgang mit eigenem<br />

Ärger, Teamfähigkeit etc.<br />

Arbeit ist für <strong>Flüchtlinge</strong> ein entscheidendes Mittel, um aus dem Mangel an Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />

<strong>und</strong> der Isolation ausbrechen zu können. Berufliche Handlungsfähigkeit ist<br />

dazu die wichtigste Voraussetzung. Da aber angesichts der Gesetzgebung die Fähigkeit<br />

zu arbeiten nicht gleichbedeutend ist mit der Möglichkeit zu arbeiten, bewegt sich<br />

unter Umständen gerade der ges<strong>und</strong>e Flüchtling, der beruflich handlungsfähig ist <strong>und</strong><br />

110 Nachfolgende Aussagen basieren auf einem Gespräch mit Mitarbeiter/<strong>innen</strong> des DRK am 12.08.04.


es geschafft hat, die hohen Hürden der Arbeitsplatzaufnahme zu überwinden, an der<br />

Grenze zur Illegalität. Gerade psychisch stabile <strong>Flüchtlinge</strong> werden den unbedingten<br />

Durchsetzungswillen haben, Arbeit zu finden. Sie werden sämtliche Arbeitgeber der<br />

Region aufsuchen. Ihnen ist es möglich, sehr viel Energie in ein schwieriges Unterfangen<br />

zu investieren. Realisieren lässt sich der Wunsch nach Arbeit dann oftmals nur <strong>im</strong><br />

Bereich der Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis o.ä.<br />

4.3.4 Zur Frage eines Zusammenhangs zwischen Wohnsituation <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit<br />

Dass Kriegs- <strong>und</strong> Fluchterlebnisse einen <strong>im</strong>mensen Einfluss auf die menschliche Psyche<br />

haben, steht außer Frage. Dass durch solche Ereignisse Menschen in ihrer (beruflichen)<br />

Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden, ist ebenso nachgewiesen, auch<br />

wenn das Ausmaß dieser Einschränkungen variiert.<br />

Doch inwieweit haben die Umstände <strong>im</strong> Zukunftsland, d.h. konkret bezogen auf das<br />

Saarland: in der LGU Lebach, Auswirkungen auf die psychische <strong>und</strong> körperliche Ges<strong>und</strong>heit<br />

von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n?<br />

Der Frage ist an dieser Stelle schon deshalb nachzugehen, weil allzu oft der Vorwurf<br />

zu hören ist: „Das Leben <strong>im</strong> Lager macht krank!“, sowohl seitens der <strong>Flüchtlinge</strong> selbst,<br />

als auch seitens verschiedener Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingsorganisationen, aber<br />

auch von Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzten.<br />

In Kapitel 4.1.3 wurde bereits analysiert, welche Probleme mit dem Zusammenleben in<br />

der LGU verb<strong>und</strong>en sind. Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Wohn- <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitssituation sei ein prägnanter Satz vorweg gestellt, den zwei Ärzte diesbezüglich<br />

geäußert haben:<br />

„Das „Lager“ selbst ist traumatisierend <strong>und</strong> chronifiziert<br />

jeden Prozess, den <strong>Flüchtlinge</strong> bereits mit sich bringen.“<br />

Worauf ist eine solche Feststellung zurückzuführen?<br />

1. Einige <strong>Flüchtlinge</strong> fühlen sich allein durch die Unterbringung (insbesondere Enge<br />

etc.) an jene Zustände erinnert, denen sie entkommen zu sein glaubten.<br />

2. In der LGU kommt es häufig zu Spannungen zwischen verschiedenen ethnischen<br />

Gruppen, die zum Teil in körperlichen Auseinandersetzungen mit Verletzungen<br />

kulminieren. Einige <strong>Flüchtlinge</strong> werden dadurch retraumatisiert - zum Teil durch<br />

Erinnerungen an konkrete Ereignisse (Widerhall-Erlebnisse), zum Teil durch das<br />

allgemeine Gefühl, nicht geschützt zu sein (ein Beispiel sind Ethnien aus dem<br />

ehemaligen Jugoslawien, die bereits in der He<strong>im</strong>at verfeindet waren, z.B. Roma<br />

vs. Albaner vs. Moslems aus Bosnien <strong>und</strong> aus dem Kosovo).<br />

3. In der LGU ist die Polizei regelmäßig präsent. Diese Polizeipräsenz wirkt häufig<br />

nicht <strong>im</strong> Sinne eines verbesserten Sicherheitsgefühls, sondern umgekehrt als Bedrohung.<br />

Dies gilt insbesondere, wenn es zu Abschiebungen kommt.<br />

75


76<br />

4. Bei der Ausgabe von Essenspaketen sowie des „Taschengeldes“ kommt es zu<br />

Streitigkeiten, zum Teil zu Gewaltanwendungen. Auch diese erinnern <strong>Flüchtlinge</strong><br />

an frühere Erlebnisse.<br />

5. Frauen, insbesondere alleinstehende Frauen, berichten von großen Problemen in<br />

der Unterkunft. Sie fühlen sich von Männern beobachtet, haben große Scheu, duschen<br />

zu gehen. Auch fühlen sie sich belästigt. 111<br />

An diese Feststellungen lassen sich die Erfahrungen des Ges<strong>und</strong>heitsamtes Bremen<br />

anschließen, das seit Jahren intensiv die Lebens- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsbedingungen von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n untersucht. Es vergleicht das Leben in Gemeinschaftsunterkünften mit<br />

dem Märchen von den Bremer Stadtmusikanten:<br />

„„Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.“, sagten sich die<br />

Bremer Stadtmusikanten. Zu diesem „Besseren“ gehört auch ihr Kampf<br />

um eine Wohnstätte, in der es sich glücklich <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> leben lässt.<br />

Nun ist die Wohnstätte, um die der Flüchtling ringen muss, nicht von<br />

Räubern besetzt. Die Räuber tragen andere Namen als <strong>im</strong> Märchen. Sie<br />

heißen Enge, Schamverletzung, Langeweile <strong>und</strong> Feindseligkeit. Es sind<br />

die Enge der Raumverhältnisse, die Schamverletzung kulturunverträglicher<br />

Nähe der Geschlechter, die Langeweile erzwungener<br />

Untätigkeit, die Feindseligkeit der Architektur, die den Migranten gefangen<br />

setzt, seine Kultur jedoch ausschließt.“ 112<br />

Auf die plakative Frage, ob Sammelunterkünfte krank machen, antwortet Frau Dr.<br />

Mohammadzadeh vom Ges<strong>und</strong>heitsamt Bremen folgendermaßen:<br />

- „Erstens: Sammelunterkünfte können krank machen, wenn die in ihnen herrschenden<br />

Bedingungen die Gr<strong>und</strong>bedürfnisse der Menschen missachten oder sogar ihnen<br />

entgegen wirken.<br />

- Zweitens: Das Gleiche gilt aber auch für jede andere Unterkunftsform. Der wichtigere<br />

Punkt ist also nicht die Frage Sammelunterkunft oder Einzelwohnung, sondern<br />

die Frage, in welchem Maße die Gr<strong>und</strong>bedürfnisse der Bewohner berücksichtigt<br />

<strong>und</strong> erfüllt sind.<br />

- Drittens: Unterkünfte für Migrant<strong>innen</strong>/Migranten gleich welcher Form müssen so<br />

gestaltet sein, dass die kulturellen Eigenarten der Bewohner berücksichtigt werden.<br />

Denn das Ausleben der kulturellen Eigenarten gehört zu den Gr<strong>und</strong>bedürfnissen<br />

des Menschen, der ja bekanntlich nicht vom Brot allein lebt.<br />

- Viertens: Das bedeutet vor allem auch das Zulassen des Gedankens der Unterschiedlichkeit<br />

der Menschen, um die es hier geht. Sie sind verschieden von denen,<br />

die sich um sie kümmern sollen. Und sie sind auch verschieden untereinander....“<br />

113<br />

111<br />

Vgl. Schreiben des DRK Saarland an Amnesty International über die Unterbringungssituation von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n in Sammelunterkünften.<br />

112<br />

Dr. rer. nat. Mohammadzadeh, Zahra: Nichts als ein Dach über dem Kopf? Vortrag zur Fachtagung<br />

„Folterüberlebende in Baden-Württemberg“.<br />

113<br />

Dr. rer. nat. Mohammadzadeh, Zahra: Nichts als ein Dach über dem Kopf? Vortrag zur Fachtagung<br />

„Folterüberlebende in Baden-Württemberg“.


Nach Auskunft von Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzten, Psycholog<strong>innen</strong>/Psychologen <strong>und</strong> Mitarbeiter/<strong>innen</strong><br />

der Wohlfahrtsverbände <strong>und</strong> Flüchtlingsorganisationen bewirken die Lebensumstände<br />

der <strong>Flüchtlinge</strong> folgende körperlichen <strong>und</strong> geistigen Reaktionen: psychosomatische<br />

Erkrankungen, Depressionen, Aggressionen, Lethargie, Schlafstörungen <strong>und</strong><br />

sonstige körperliche Beschwerden. Einige Fachärzt<strong>innen</strong>/-ärzte wiesen darauf hin,<br />

dass die Unterbringung in der LGU keine Auswirkungen auf die Ges<strong>und</strong>heit der <strong>Flüchtlinge</strong><br />

habe. Dennoch ist entscheidend, dass insbesondere Psycholog<strong>innen</strong>/Psychologen<br />

<strong>und</strong> Psychiater/<strong>innen</strong> in besonderer Weise hervorhoben, dass „das<br />

Lager krank macht“. Diese Feststellung steht <strong>im</strong>mer verb<strong>und</strong>en mit einer Kritik an den<br />

langen Verfahrenszeiten. Der „nervlich stabilste Mensch“ würde durch die Länge der<br />

Verfahren <strong>und</strong> die kurzen Duldungszeiträume „zermürbt“. 114<br />

Nach Ansicht der Gutachter hängt sich die Frage, ob <strong>und</strong> inwieweit die Unterbringung<br />

in LGUs krank mache, demnach <strong>im</strong> Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:<br />

- Die Dauer der Unterbringung: Für einen begrenzten Zeitrahmen ist die Unterbringung<br />

in zentralen Gemeinschaftsunterkünften vertretbar, nicht jedoch über einen<br />

Zeitraum von mehreren Jahren. Bei einem allzu langen Aufenthalt in den Unterkünften<br />

schwindet zunehmend die Zukunftsperspektive, gleichzeitig steigert sich<br />

die Angst, nicht zu wissen, wie es weiter geht.<br />

- Die Größe der Unterkunft: Dies betrifft sowohl das äußere Erscheinungsbild, sprich<br />

die Weitläufigkeit <strong>und</strong> Offenheit der Anlage inklusive der Spielmöglichkeiten für<br />

Kinder, als auch die „innere Größe“, d.h. der jeder einzelnen Person zur Verfügung<br />

stehende Wohnraum <strong>und</strong> ihre Möglichkeiten zur Entfaltung.<br />

- Die Versorgungslage: Eine Abhängigkeit von öffentlicher Al<strong>im</strong>entierung ist für die<br />

meisten <strong>Flüchtlinge</strong>, die sich <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland eine Existenz aufgebaut hatten <strong>und</strong><br />

beruflich integriert waren, sehr frustrierend. Diese Zustände lassen sich zudem nur<br />

schwer mit den vorhandenen Rollenbildern innerhalb der Familien vereinbaren.<br />

Die Versorgung mit Essenspaketen wird kulturellen Gesichtspunkten nicht in dem<br />

Maß gerecht, wie es eine Erfüllung der Gr<strong>und</strong>bedürfnisse - zu denen das Ausleben<br />

kultureller Eigenheiten gehört - verlangt. Die ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n hat ebenfalls maßgeblichen Einfluss auf deren psychische <strong>und</strong> körperliche<br />

Verfassung.<br />

4.3.5 Zusammenfassung<br />

Die ges<strong>und</strong>heitliche Situation von <strong>Flüchtlinge</strong>n wurde unter zweierlei Gesichtspunkten<br />

untersucht: Der allgemeinen ges<strong>und</strong>heitlichen Verfassung <strong>und</strong> Versorgung von <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

sowie deren psychischen Ges<strong>und</strong>heit - mit besonderem Fokus auf die Thematik<br />

„Trauma“.<br />

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung sind durch<br />

das AsylbLG vorgegeben. Die Recherche bei in Lebach ansässigen Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzten<br />

ergab folgendes: <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Allgemeinen sind nicht in auffallendem Maße kränker<br />

114 Aussage zweier Ärzte am 20.09.04.<br />

77


78<br />

als die durchschnittliche Bevölkerung, es gibt jedoch Krankheiten, die - insbesondere<br />

aufgr<strong>und</strong> der Enge des Zusammenlebens - relativ häufig vorkommen. Dazu zählen<br />

Erkrankungen der Atemwege, Bronchitits <strong>und</strong> Darminfektionen. Die medizinische Versorgung<br />

ist in Lebach in ausreichendem Maße sichergestellt.<br />

Zur psychiatrischen <strong>und</strong> psychologischen Behandlung von psychisch instabilen oder<br />

traumatisierten <strong>Flüchtlinge</strong>n ist in Lebach ein Psychiater ansässig, darüber hinaus befindet<br />

sich dort die Tagesklinik des St. Nikolaus-Hospitals. Viele <strong>Flüchtlinge</strong> befinden<br />

sich dort in Behandlung. Während Männer oftmals unter ihrer <strong>im</strong> Krieg erlebten sowohl<br />

Täter- als auch Opferrolle leiden, wurden Frauen in vielen Fällen Opfer von (sexueller)<br />

Kriegsgewalt. Die Diagnose lautet in die meisten Fällen: Posttraumatische Belastungsstörung.<br />

Diese äußert sich durch Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten,<br />

Psychosen etc. Für die Behandlung dieser Patient<strong>innen</strong>/Patienten sei<br />

die Schaffung einer sicheren Zukunftsperspektive mitunter die wichtigste Voraussetzung,<br />

was unter aufenthaltsrechtlichen Gesichtspunkten in der Mehrzahl der Fälle jedoch<br />

kaum möglich ist.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Ges<strong>und</strong>heit braucht Information, Kommunikation,<br />

Sicherheit, eine unterstützende soziale Umwelt <strong>und</strong> Lebensmut. 115<br />

4.4 Gesellschaftliches Leben<br />

Eine Eingliederung von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> in das gesellschaftliche<br />

Leben Lebachs bzw. der Städte, in denen sie dezentral untergebracht sind, ist von entscheidender<br />

Bedeutung sowohl für das psychische Befinden der Personen als auch für<br />

das Zusammenleben mit der Mehrheitsgesellschaft. Diese Eingliederung ist jedoch<br />

dadurch in besonderer Form vorbelastet, dass sich einerseits die <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

ihren Aufenthaltsort nicht selbst ausgesucht haben <strong>und</strong> sich andererseits<br />

die Mehrheitsgesellschaft vor Ort nicht aktiv <strong>und</strong> aus eigenem Willen um die Unterbringung<br />

der <strong>Flüchtlinge</strong> bemüht hat.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist hier in besonderer Weise zu unterscheiden zwischen der Unterbringung<br />

in der seit August 2004 einzig verbliebenen Landesunterkunft in Lebach <strong>und</strong> der<br />

dezentralen Unterbringung. Ein Großteil der in der LGU untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong> ist<br />

allein aufgr<strong>und</strong> dieser Unterbringung vom städtischen Leben Lebachs weitgehend ausgeschlossen.<br />

In Gemeinden sind <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nicht von vorne<br />

herein durch die Unterbringung segregiert. Kontakte zur Mehrheitsbevölkerung ergeben<br />

sich hier wesentlich schneller.<br />

115 Vgl. umfassend zum Thema auch: Flüchtlingsrat, Zeitschrift für Flüchtlingspolitik in Niedersachsen:<br />

Ges<strong>und</strong>heit von <strong>Flüchtlinge</strong>n - zwischen Staatsinteresse <strong>und</strong> Patientenwohl. Erfahrungen aus der<br />

Praxis. 2. Dokumentation <strong>im</strong> Rahmen des Projekts SpuK - Sprache <strong>und</strong> Kultur: Gr<strong>und</strong>lagen für eine<br />

effektive Ges<strong>und</strong>heitsversorgung, Sonderheft 99, Hildeshe<strong>im</strong>, September 2004.


4.4.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick<br />

Die Befriedigung der genannten Bedürfnisse ist nur geringfügig durch rechtliche Vorgaben<br />

bzw. Zugangsbarrieren beschränkt. Ein Beispiel hierfür ist die Residenzpflicht,<br />

die sich <strong>im</strong> Saarland jedoch auf das gesamte Saarland <strong>und</strong> nicht, wie in manchen anderen<br />

B<strong>und</strong>esländern, ausschließlich auf den Stadt- oder Landkreis beschränkt. Das<br />

bedeutet, <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> genießen innerhalb des Saarlandes Bewegungsfreiheit.<br />

Weder die Mitgliedschaft in Vereinen noch die Ausübung der Religion ist rechtlich beschränkt.<br />

Für Letztere mangelt es zum Teil jedoch an religiösen Gemeinschaften oder<br />

Zentren. So gibt es in Lebach keine Moschee <strong>und</strong> keine buddhistischen oder hinduistischen<br />

Tempel, wohl aber in Saarbrücken, Dudweiler 116 , Völklingen 117 , Neunkirchen,<br />

Homburg, Sulzbach <strong>und</strong> dem nahen Forbach (Lothringen), die auch von <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

frequentiert werden. Vor allem afrikanische <strong>Flüchtlinge</strong> besuchen häufig christliche<br />

Kirchen vor Ort.<br />

Da die LGU nicht weit vom Lebacher Stadtzentrum entfernt ist, ist der Zugang zum<br />

gesellschaftlichen Leben theoretisch nicht beschränkt. Erwähnenswert sind jedoch<br />

finanzielle Restriktionen, die den Zugang zu Vereinen, kulturellen Veranstaltungen <strong>und</strong><br />

dem gesellschaftlichen Leben <strong>im</strong> weitesten Sinne (z.B. Besuche von Gaststätten, Kinos<br />

oder Theatern) behindern. Oftmals existieren auch psychologische Hemmnisse<br />

seitens der <strong>Flüchtlinge</strong>, an Veranstaltungen teilzunehmen, da damit Berührungsängste<br />

<strong>und</strong> Ängste vor Abweisung sowie Fremdheitsgefühle verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Zunächst von Bedeutung ist die Integration des Einzelnen in die bestehenden Strukturen<br />

der LGU. Dazu zählen Kontakte zu anderen Bewohner/<strong>innen</strong> - insbesondere denjenigen<br />

aus dem gleichen Herkunftsland -, aber auch Kontakte zu sozialpädagogischen<br />

Betreuer/<strong>innen</strong> der Beratungsstellen, die bei der Integration eine wichtige Funktion innehaben.<br />

Gelingt die Integration in diesen Kontext, geht es in einem zweiten Schritt um<br />

die Eingliederung in das Gemeindeleben <strong>und</strong> die Befriedigung best<strong>im</strong>mter gesellschaftlicher<br />

Bedürfnisse.<br />

Zu Letzteren können gehören: das Bedürfnis nach einer Orientierung <strong>im</strong> anfangs noch<br />

fremden Aufnahmeland, das Bedürfnis nach Bildung (insbesondere Sprache, siehe<br />

Kapitel 5.2), das Bedürfnis nach Unterbringung der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen in vorschulischen<br />

<strong>und</strong> schulischen Einrichtungen (siehe Kapitel 6), das Bedürfnis nach sportlicher<br />

<strong>und</strong> anderer Betätigung in der <strong>im</strong> Übermaß vorhandenen „Freizeit“, das Bedürfnis<br />

nach religiöser Betätigung, das Bedürfnis nach Sozialkontakten innerhalb der eigenen<br />

Community wie auch zur Mehrheitsgesellschaft sowie - nicht zuletzt - auch das<br />

Bedürfnis nach Anerkennung <strong>und</strong> Geborgenheit, das durch Fre<strong>und</strong>schaften befriedigt<br />

werden kann.<br />

Die Integration in die Migrantencommunities ist insbesondere bei längerer Aufenthaltsdauer<br />

von Bedeutung. Diese bestehen <strong>im</strong> Falle der meisten Flüchtlingsgruppen vor<br />

allem aus anderen - zentral <strong>und</strong> dezentral untergebrachten - <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> sind rela-<br />

116<br />

In der Moschee in Dudweiler treffen sich somalische Musl<strong>im</strong>e, so eine Gesprächspartnerin am<br />

02.09.04.<br />

117<br />

Besuch der Moschee in Völklingen <strong>und</strong> Gespräch mit dem Hodscha, 01.10.02.<br />

79


80<br />

tiv unstrukturiert. Im Falle von Kosovo-Albaner/<strong>innen</strong>, Kurd<strong>innen</strong>/Kurden, Iraner/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> zum Teil auch Araber/<strong>innen</strong> wurden Communitystrukturen jedoch oft über Jahrzehnte<br />

von Arbeits- <strong>und</strong> Bildungsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten aufgebaut.<br />

4.4.2 Die Situation in Lebach<br />

Gesellschaftliche Integration <strong>im</strong> Allgemeinen<br />

Die Situation in Lebach ist ganz entscheidend dadurch geprägt, dass die <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> in sehr großer Zahl in der LGU untergebracht sind. Obwohl<br />

die Unterkunft in das städtische Gefüge integriert ist, wirkt das „Lager“ aufgr<strong>und</strong> seiner<br />

Größe, der von Externen kaum genutzten Durchgangsstraßen, der barriereartig verlaufenden<br />

Hauptstraße <strong>und</strong> dem großen Schulgelände daneben etwas isoliert. Das Stadtzentrum<br />

ist zwar nicht weit entfernt, dennoch ist auffällig, dass <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Alltagsleben<br />

der Innenstadt keine ihrem Bevölkerungsanteil entsprechende Rolle spielen. Es<br />

gibt keine Gaststätten in der Stadt, die als Treffpunkte genutzt werden. Von <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

besuchte Kindergärten, Schulen <strong>und</strong> Geschäfte liegen eher am Stadtrand.<br />

Das Zusammenleben in Lebach funktioniert nach Einschätzung vieler Gesprächspartner/<strong>innen</strong><br />

„erstaunlich reibungslos“ in Relation zu dem schon durch die Größe der Unterkunft<br />

zu erwartenden Konfliktpotenzial. Insbesondere die Flüchtlingskinder sind über<br />

Kindergärten <strong>und</strong> Schulen vergleichsweise gut integriert. Insbesondere in der von der<br />

Caritas betreuten Kindertagesstätte <strong>und</strong> dem Kinderhort findet eine Begegnung von<br />

ausländischen <strong>und</strong> einhe<strong>im</strong>ischen Kindern <strong>und</strong> Erwachsenen statt. Sie gehört zum<br />

Konzept beider Einrichtungen <strong>und</strong> wird durch vielfältige Maßnahmen bewusst gefördert.<br />

Einige Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sind Mitglied in Sportvereinen, haben Kontakte zu<br />

Gleichaltrigen <strong>und</strong> gehen regelmäßig in ein Jugendzentrum. 118 In Gesprächen wurde<br />

jedoch gleichermaßen betont, dass sich die Kontakte vieler Jugendlicher zu Einhe<strong>im</strong>ischen<br />

- insbesondere je älter sie werden - wesentlich auf den Schulbesuch konzentrieren.<br />

Während viele Kinder <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>schulalter sich auch nach der Schule mit Schulfre<strong>und</strong><strong>innen</strong>/-fre<strong>und</strong>en<br />

treffen, sind ältere Jugendliche weniger in das gesellschaftliche<br />

Leben Lebachs integriert. Für Erwachsene gilt dies in verstärktem Maße: Insgesamt<br />

bestehen vergleichsweise wenig Kontakte zur einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung. Gesprächspartner/<strong>innen</strong><br />

machen darauf aufmerksam, dass es erwachsene <strong>Flüchtlinge</strong> gar<br />

nicht lernen würden, in Kontakt zu Deutschen zu treten. Ihr Leben spielt sich ganz wesentlich<br />

innerhalb der LGU ab, sie sind den Kontakt nicht gewohnt. Darüber hinaus<br />

bestehen auf beiden Seiten - auf Seiten der <strong>Flüchtlinge</strong> wie auf Seiten der Einhe<strong>im</strong>ischen<br />

- Vorurteile, die sich verfestigen, wenn keine Kommunikation gegeben ist 119 (z.B.<br />

„Die deutschen Mädchen sind viel zu freizügig <strong>und</strong> schnell zu haben, deshalb sollen<br />

meine Kinder keinen Kontakt zu ihnen haben.“).<br />

Dennoch betonen alle Gesprächspartner/<strong>innen</strong>, dass es in der Öffentlichkeit kaum<br />

einmal Auseinandersetzungen oder Pöbeleien, beispielsweise bei Volksfesten, gebe.<br />

Man habe sich an die Anwesenheit vieler Fremder gewöhnt, wisse sie <strong>im</strong> „Ghetto“ bzw.<br />

„Lager“ untergebracht, bemühe sich aber auch nicht besonders, sie ins städtische Leben<br />

einzubeziehen. Lediglich bei dem alle zwei Jahre durchgeführten Kinderfest der<br />

118 Vgl. Schreiben der Caritas vom 18.03.03.<br />

119 Gespräch mit Mitarbeiter/<strong>innen</strong> der Caritas Lebach am 09.09.04.


Caritas beteilige man sich. Von städtischer Seite gebe es auch keine Angebote etwa<br />

spezifisch für Jugendliche aus der LGU. 120<br />

Die Stadt unterstützt allerdings in „großzügiger“ Weise viele Aktivitäten, ohne dies ausdrücklich<br />

als „Maßnahme“ zu benennen, heißt es seitens der Caritas. Insbesondere<br />

werden oft - z.B. in der Kindertagesstätte St. Nikolaus - Kosten übernommen, die die<br />

Stadt aufgr<strong>und</strong> der Zuständigkeit des Landes nicht übernehmen müsste. 121 Nach Einschätzung<br />

anderer Institutionen wird darüber hinaus jedoch wenig Engagement der<br />

Stadt spürbar.<br />

Von verschiedenen Seiten ist zu hören, dass die Beziehungen zwischen den Betreuer/<strong>innen</strong><br />

der Wohlfahrtsverbände einerseits <strong>und</strong> dem Personal des LAFL andererseits<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich gut seien. Das Verhältnis zwischen dem Personal <strong>und</strong> den Bewohner/<strong>innen</strong><br />

ist nicht <strong>im</strong>mer problemlos, was sich beispielsweise darin zeigt, dass Hausmeister<br />

<strong>und</strong> andere Personen oftmals unvermittelt oder nur nach kurzem Anklopfen die<br />

Wohnungen betreten. Durch die fehlende Sicherheit, dass die Privatsphäre beachtet<br />

wird, entstehen insbesondere bei Frauen negative Gefühle (vgl. dazu auch Kapitel 4.6).<br />

Auf dem Gelände der Unterkunft hat sich ein sehr starkes Eigenleben entwickelt. Die<br />

Polizei spricht von einem relativ konfliktarmen „Nebeneinanderher“. Seitens vieler Einhe<strong>im</strong>ischer<br />

bestünden Berührungsängste. Man gehe nicht durch das Lager <strong>und</strong> kommuniziere<br />

wenig. Manchmal gebe es Ärger mit den Nachbarn. 122 Hauptgründe für fehlende<br />

Kommunikation sind die Sprachbarriere, fehlende Kontaktmöglichkeiten <strong>und</strong> ein<br />

Fremdheitsgefühl be<strong>im</strong> Durchqueren der Anlage. Der Stadtjugendpfleger spricht von<br />

„einer unsichtbaren Mauer“ zwischen den Bewohner/<strong>innen</strong> der LGU <strong>und</strong> den Einwohner/<strong>innen</strong><br />

Lebachs. Dies zeige sich beispielsweise in der Gr<strong>und</strong>schule Lebach, wo kulturelle<br />

Unterscheide aufeinander träfen, die nicht aufgearbeitet würden. 123<br />

Außerhalb der LGU besteht heute vor Ort keine interkulturell arbeitende Institution<br />

mehr. Lediglich Institutionen wie der „Lions Club“ engagieren sich mehr oder weniger<br />

sporadisch - <strong>und</strong> dann durchaus positiv.<br />

Freizeitgestaltung<br />

Die Stadtjugendpflege hat nach eigenen Angaben keine Möglichkeiten einer intensiveren<br />

Betreuung der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen der LGU <strong>und</strong> sieht aufgr<strong>und</strong> der Anwesenheit<br />

der Caritas auch keine Notwendigkeit dazu. Sie betreibt eine angebotsorientierte<br />

Jugendarbeit, d.h. Freizeitangebote werden entsprechend den Bedürfnissen erarbeitet.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der bescheidenen Stellenausstattung sei jedoch kein wirklich<br />

sozialpädagogisches (nachfrageorientiertes) Angebot möglich. Bis ins Jahr 2000 gab<br />

es mit der Kindertagesstätte gemeinsame Projekte, zurzeit jedoch nicht. Bei den Angeboten,<br />

beispielsweise der „Sommerferien-Aktion 2004“, finden sich keine spezifisch für<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche der LGU. 124<br />

120 Gespräch mit der SPD-Fraktionsvorsitzenden <strong>im</strong> Stadtrat, 21.03.03.<br />

121 Gespräch mit dem Leiter der Caritas Lebach, 26.03.03.<br />

122 Gespräch mit dem Leiter der Polizeidienststelle Lebach, 09.10.02.<br />

123 Gespräch mit dem Stadtjugendpfleger, 05.08.04.<br />

124 Gespräch mit dem Stadtjugendpfleger, 05.08.04.<br />

81


82<br />

Abbildung 9: Freizeitgestaltung in der LGU<br />

Das Jugendzentrum in der Jabacher Straße, gelegen zwischen LGU <strong>und</strong> Bahnhof,<br />

wird auch von Flüchtlingsjugendlichen frequentiert. Sie stellen jedoch nur eine Minderheit.<br />

Bis 2003, als es hier noch ein Internetcafé gab, seien noch mehr gekommen,<br />

heißt es seitens einer Sozialpädagogin. Einige seien auch sehr aktiv gewesen, hätten<br />

bei der Organisation von Veranstaltungen mitgewirkt. Die Besucherfrequenz ist jedoch<br />

recht schwankend. Best<strong>im</strong>mte Nationalitäten können nicht hervorgehoben werden. Die<br />

Flüchtlingsjugendlichen sind innerhalb der Gleichaltrigen durch gemeinsame Interessen<br />

recht gut integriert. Es handelt sich jedoch eher um jene Jugendlichen, die schon<br />

sehr lange in Deutschland leben <strong>und</strong> sich in gewisser Weise „deutsch“ fühlen. Das<br />

Verhältnis wird als unproblematisch geschildert. Um die Integration der Jüngeren müsse<br />

man sich eher kümmern. 125<br />

An öffentlichen Einrichtungen zur Freizeitgestaltung stehen in Lebach des Weiteren<br />

ein Hallenbad, ein Sportzentrum (Tennis, Fitness, Kegeln), eine Stadthalle, eine Stadtbibliothek<br />

sowie ein Kino zur Verfügung. Die Stadtbibliothek wird von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

kaum genutzt. Zur Verfügung stehen neben deutschen Büchern lediglich 30 -<br />

50 englisch- <strong>und</strong> französischsprachige Bücher. Das zentral in der Innenstadt gelegene<br />

Hallenbad bietet eine der wenigen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>.<br />

Es ist die ganze Woche über geöffnet. <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> kommen durchaus<br />

relativ häufig in das Bad, sagen Mitarbeiter/<strong>innen</strong> an der Kasse des Hallenbades.<br />

Gerne genutzt wird ferner das Internetcafé am Bahnhof.<br />

Viele <strong>Flüchtlinge</strong> besuchen in Lebach die Kirche, insbesondere Christen aus dem Irak,<br />

aus Syrien <strong>und</strong> afrikanischen Ländern. Da der Weg von der Unterkunft zur Kirche relativ<br />

weit ist, fragen sie in der kalten Jahreszeit, ob nicht der Bus der Caritas einsetzbar<br />

wäre. 126<br />

Zahlreiche Vereine bereichern das Freizeitangebot - in Lebach <strong>und</strong> den Stadtteilen gibt<br />

es annähernd 300, die Sport, Kultur <strong>und</strong> viele andere Hobbys bedienen. Das Interesse<br />

an den meisten Vereinen ist als eher gering einzuschätzen. Es fehlt ein interkulturell<br />

geprägter Treff, der v.a. Jugendlichen Kommunikationsmöglichkeiten bietet. Viele Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche, zum Teil auch Erwachsene, sind jedoch in nahe gelegenen<br />

Sportvereinen, insbesondere Fußballvereinen, aktiv.<br />

125 Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Jugendzentrums, 31.08.04.<br />

126 Gespräch mit der Leiterin eines Sprachkurses der Caritas, 08.09.04.


Von den acht ortsansässigen Fußballvereinen verfügen sieben über eine eigene Jugendabteilung.<br />

Die meisten Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen sind <strong>im</strong> FC Lebach aktiv, der sich<br />

in direkter Nachbarschaft zur LGU befindet. Unter den 170 aktiven Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

stammen etwa 20 bis 25 aus der LGU, schätzt der Vorsitzende des Vereins.<br />

Sie seien vor allem technisch sehr begabt <strong>und</strong> gerne gesehen. Man erlasse ihnen<br />

die Zahlung eines Mitgliedsbeitrages <strong>und</strong> stelle ihnen unter anderem auch Fußballschuhe<br />

(über Sponsorengelder). Viele kennen sich aus der Schule, es gebe keine Reibereien.<br />

Sie seien jedoch lebendiger, manchmal auch aufmüpfiger als ihre deutschen<br />

Mitspieler. Dadurch sei die Betreuung nicht <strong>im</strong>mer ganz einfach. Viel Fingerspitzengefühl<br />

der Trainer sei hier wichtig. Man lege Wert auf eine ausgewogene Mischung der<br />

einzelnen Mannschaften. Dies zum einen, damit deren Beteiligung nicht zu Lasten der<br />

Lebacher Kinder gehe oder zu Vorwürfen anderer Vereine führe. Zum anderen, damit<br />

eingespielte Mannschaften in der Folge von Abschiebungen nicht abrupt auseinanderbrechen.<br />

Unter den Erwachsenen fänden sich auch talentierte Fußballer, sie seien zum<br />

Teil auch in Lebacher Vereinen aktiv. 127<br />

Der TV Lebach, der 2004 sein 100-jähriges Bestehen feiert, ist ein Breitensportverein<br />

mit Angeboten von Laufen, Gymnastik <strong>und</strong> Turnen über Basketball <strong>und</strong> Volleyball bis<br />

zu Aerobic. Mehrere Sporthallen sowie ein Stadion des Vereins befinden sich in unmittelbarer<br />

Nähe der Landesunterkunft. Hin <strong>und</strong> wieder nehmen - seit Einrichtung der Unterkunft<br />

- auch <strong>Flüchtlinge</strong> am Sportbetrieb teil, vor allem Jugendliche. Wenn Letztere<br />

kommen, dann meist in einer Gruppe. Zur Leistungsspitze hin werden es jedoch weniger<br />

als <strong>im</strong> Breitensport. Sie kommen von sich aus oder werden von Klassenkameraden<br />

mitgebracht bzw. kommen auf Empfehlung der Caritas. Sie integrieren sich gut, ihre<br />

Aufnahme ist aus Vereinssicht „nichts besonderes; das ist schon Gewohnheit“, sagt<br />

der Vorsitzende. Der Mitgliedsbeitrag wird <strong>Flüchtlinge</strong>n meist erlassen, auch Sportschuhe<br />

<strong>und</strong> andere Utensilien werden ihnen zum Teil frei zur Verfügung gestellt. In<br />

früheren Jahren fanden sich unter den Aussiedlern <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n aus Osteuropa<br />

vereinzelt auch sehr erfolgreiche Sportler unter den Teilnehmer/<strong>innen</strong>. 128<br />

Auch be<strong>im</strong> Karate Dojo Lebach nehmen neben Aussiedler/<strong>innen</strong> seit Jahren auch<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> (Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene) am Übungsbetrieb teil. Es handelt sich zurzeit<br />

vor allem um Kurden, früher seien jedoch auch Ghanaer <strong>und</strong> Ostasiaten zum Training<br />

gekommen, so der Vorsitzende. Die meisten bleiben - wie Deutsche auch - nur<br />

wenige Monate dabei, um sich in dieser Sportart zu probieren. Einige bleiben auch<br />

aufgr<strong>und</strong> eines Umzugs oder Vereinswechsels nur wenige Monate. Derzeit trainieren<br />

zwei kurdische Brüder mit Bleiberecht. <strong>Flüchtlinge</strong> integrieren sich nach Vereinsangaben<br />

generell gut. Ihre Motivation sei auch durchweg sportlicher Natur. 129<br />

Bei den meisten anderen Lebacher Vereinen, die zum Teil in entfernter gelegenen<br />

Ortsteilen angesiedelt sind, nehmen <strong>Flüchtlinge</strong> nur selten am Sportbetrieb teil. Eine<br />

Ausnahme ist beispielsweise der Sportverein Landsweiler, in dessen 1. Fußballmannschaft<br />

ein Flüchtling mitspielt. Die Entfernung zur Unterkunft ist vor allem für Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche zu groß, sie müssten mit dem Pkw gebracht werden. 130<br />

127<br />

Gespräch mit dem Vorsitzenden des FC Lebach, 05.08.04.<br />

128<br />

Gespräch mit dem Vorsitzenden des TV Lebach, 17.08.04.<br />

129<br />

Gespräch mit dem Vorsitzenden des Karate Dojo Lebach, 18.08.04.<br />

130<br />

Gespräche mit Vertreter/<strong>innen</strong> des Sportvereins Landsweiler <strong>und</strong> des Sportclubs „Grün-Weiß“,<br />

17.08.04.<br />

83


84<br />

In der LGU wird relativ viel Fernsehen geschaut. Ursachen sind sicherlich Langeweile<br />

<strong>und</strong> Beschäftigungslosigkeit. Fast jede Wohnung ist mit einer Satellitenschüssel ausgestattet,<br />

die zum Teil auch auf den Rasenflächen mit aufwändigen Konstruktionen in<br />

die richtige Richtung ausgerichtet wurden. So ist es den meisten möglich, He<strong>im</strong>atsender<br />

- bzw. <strong>im</strong> Fall der Kurd<strong>innen</strong>/Kurden den oppositionellen Sender ROJ aus Belgien -<br />

zu empfangen. Diese Möglichkeit wird offenbar gerne genutzt.<br />

Angebote der Wohlfahrtsverbände<br />

Insgesamt gesehen ist eine relativ geringe Integration in das Lebacher Vereinsleben zu<br />

konstatieren. Von größter Bedeutung für die Bewohner sind Aktivitäten, die von den<br />

Beratungsstellen (Caritas, DRK, Diakonie) vor Ort angeboten werden.<br />

Die Katholische Flüchtlings- <strong>und</strong> Aussiedlerhilfe der Caritas ist aus dem früheren<br />

Katholischen Lagerdienst (seit damals abgekürzt KLD) entstanden, der ursprünglich<br />

nur für Aussiedler/<strong>innen</strong> eingerichtet worden war. Die Beratungs- <strong>und</strong> Betreuungsangebote<br />

des KLD waren originär für Erwachsene gedacht, während der Jugendmigrationsdienst<br />

(siehe unten) Jugendliche betreut. Schwerpunkt der Arbeit des KLD ist die<br />

Betreuung <strong>und</strong> Begleitung <strong>im</strong> Asylverfahren. Die bei der Caritas beschäftigten Personen<br />

sehen sich auch als „Mediator/in“, indem sie vermittelnd zwischen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> dem LAFL tätig werden. Täglich treten <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> mit Fragen<br />

zum Umgang mit Behörden an sie heran. Formulare <strong>und</strong> das nötige Vorgehen <strong>im</strong> Asylverfahren<br />

werden unter Mitwirkung einer Dolmetscherin/eines Dolmetschers erklärt. Oft<br />

wird auch ein Kontakt zu Rechtsanwält<strong>innen</strong>/Rechtsanwälte hergestellt. Es handelt<br />

sich hierbei nicht um eine Rechtsberatung, sondern um eine Verfahrensberatung. KLD-<br />

Mitarbeiter/<strong>innen</strong> übernehmen insofern auch eine Vermittlerfunktion zwischen Klient/in<br />

<strong>und</strong> Rechtsanwältin/Rechtsanwalt. Jährlich betreut der KLD über 1.500 Personen in<br />

Form von intensiveren Einzelkontakten. 131<br />

Ferner bietet der KLD ein Freizeit- <strong>und</strong> Bildungsangebot. Seit gut 25 Jahren werden<br />

aus Kirchensteuermitteln Sprachkurse in dre<strong>im</strong>onatigen Modulen (Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Aufbaukurse)<br />

angeboten. Sie sind kostenlos <strong>und</strong> finden mit i.d.R. 10 - 15 Teilnehmer/<strong>innen</strong> in<br />

den Räumlichkeiten der Caritas statt, die vom LAFl zur Verfügung gestellt werden. Die<br />

Kurse werden von einer hauptamtlichen Lehrerin durchgeführt. Über das SEPA-Projekt<br />

konnte das Angebot zur Spracherweiterung für Jugendliche vergrößert werden.<br />

Die KLD ist neben der Caritas Saarlouis Träger eines SEPA-Teilprojektes. In diesem<br />

Rahmen werden die Angebote <strong>im</strong> Bereich der schulischen <strong>und</strong> beruflichen Qualifizierung<br />

durch verschiedene freizeitpädagogische Angebote ergänzt, unter anderem durch<br />

einen Mädchentreff oder einen offenen Treff in Zusammenarbeit mit dem Katholischen<br />

Jugendmigrationsdienst. Ferner wird mit anderen SEPA-Partnern, v.a. der KEB vernetzt<br />

zusammengearbeitet.<br />

Der Caritas-Jugendmigrationsdienst Lebach ist zuständig für den Landkreis Saarlouis,<br />

den Landkreis Merzig-Wadern sowie für die Stadt <strong>und</strong> den Stadtverband von<br />

Saarbrücken. Zielgruppe der Einrichtung sind alle jungen Migrant<strong>innen</strong>/Migranten <strong>im</strong><br />

Alter zwischen 12 <strong>und</strong> 27 Jahren. Im Jahr 2003 wurden 789 junge Migrant<strong>innen</strong>/Migranten<br />

begleitet, 657 waren Aussiedler/<strong>innen</strong>, 132 waren Ausländer/<strong>innen</strong> (ein<br />

131<br />

Die Angaben zur Caritas entstammen Gesprächen mit Caritas-Mitarbeiter/<strong>innen</strong> am 13.09.02 <strong>und</strong><br />

26.03.03.


Großteil davon <strong>Flüchtlinge</strong>). Der Caritas-Jugendmigrationsdienst bietet vorrangig individuelle<br />

Integrationsbegleitung für junge Migrant<strong>innen</strong>/Migranten <strong>im</strong> Wege des Case<br />

Managements sowie die Moderation des Integrationsprozesses.<br />

Des Weiteren werden in Lebach mehrmonatige Vollzeitsprachfördermaßnahmen für<br />

junge Migrant<strong>innen</strong>/Migranten mit schul- <strong>und</strong> berufsorientierenden Bestandteilen angeboten.<br />

Der Unterricht findet an fünf Tagen der Woche statt. Die Maßnahmen dauern 9<br />

Monate <strong>und</strong> werden bisher vorrangig von Aussiedler/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> ausländischen Ehegatten<br />

besucht; vereinzelt können auch <strong>Flüchtlinge</strong> aufgenommen werden.<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> besuchen darüber hinaus verschiedene Gruppenangebote der<br />

Einrichtung, z.B. nahmen sie an einer mehrtägigen Jugendintegrationsmaßnahme in<br />

den Osterferien 2004 teil, nehmen regelmäßig die eigens für sie eingerichteten Sportangebote<br />

wahr oder besuchen regelmäßig unterschiedliche Gruppen des offenen Internettreffs<br />

in Lebach.<br />

Fachbereichsübergreifend ist der Caritas die Förderung des Zusammenlebens ein<br />

großes Anliegen. So wird seit einem Jahrzehnt alle zwei Jahre in der LGU ein großes<br />

<strong>und</strong> öffentlichkeitswirksames internationales Kinderfest gefeiert (ursprünglich initiiert<br />

zum „Tag des Flüchtlings“), an dem bis zu 3.000 Besucher/<strong>innen</strong> teilnehmen, darunter<br />

auch viele Einwohner/<strong>innen</strong> Lebachs. Auch an dem 2004 zum achten Mal in der LGU<br />

veranstalteten „Hirtenfeuer“ zu Weihnachten nahmen viele Einhe<strong>im</strong>ische teil. Zu nennen<br />

sind ferner Fußballturniere <strong>und</strong> ein Kulturfest. Diese Veranstaltungen finden in<br />

angenehmer Atmosphäre statt <strong>und</strong> führen zu Begegnungen zwischen Einhe<strong>im</strong>ischen<br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n. Ferner werden Info-Veranstaltungen an Schulen, bei Jugendgruppen<br />

<strong>und</strong> in Pfarrgemeinderäten durchgeführt. Bewohner/<strong>innen</strong> der LGU beteiligen sich zudem<br />

mit Auftritten am Lebacher Stadtfest.<br />

4.4.3 Die Situation in anderen Wohnorten<br />

Saarbrücken<br />

In einer Großstadt wie Saarbrücken ist einerseits zu erwarten, dass sich die gesellschaftliche<br />

Integration von <strong>Flüchtlinge</strong>n wesentlich leichter gestaltet als in kleineren<br />

Kommunen. Begründen lässt sich dies mit einer aufgr<strong>und</strong> jahrzehnte alter Zuwanderung<br />

von Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten besser ausgebauten Infrastruktur an Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Betreuungseinrichtungen sowie an Migrantenselbstorganisationen, aber<br />

auch dem Vorhandensein von Gaststätten als Treffpunkte. Andererseits besteht <strong>im</strong><br />

anonymeren Großstadtleben allgemein die Gefahr von Desintegration <strong>und</strong> Randgruppendasein<br />

insbesondere auch von einzelnen <strong>Flüchtlinge</strong>n, deren Gruppe zu klein zum<br />

Aufbau von Community-Strukturen ist (vgl. hierzu Kapitel 4.5.4).<br />

Der seit 1989 bestehende Ausländerbeirat der Stadt Saarbrücken fühlt sich vom<br />

Selbstverständnis <strong>und</strong> von der Entstehungsgeschichte her nicht für <strong>Flüchtlinge</strong> zuständig.<br />

132 Schon rechtlich ist er als Institution vor allem für die Vertretung der Interessen<br />

von Migrant<strong>innen</strong>/Migranten mit verfestigtem Aufenthaltsstatus, das heißt vor allem für<br />

Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten <strong>und</strong> ihre Familienangehörigen eingerichtet worden.<br />

132 Gespräch mit der Geschäftsführerin des Ausländerbeirates, 12.12.02.<br />

85


86<br />

Wenngleich <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> wählen dürfen, dürfen sie selbst nicht gewählt werden.<br />

133 So hat es bislang keine <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, aber auch keine anerkannten<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> als Ratsmitglieder gegeben. Der Ausländerbeirat geht seinerseits nicht auf<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> zu, wird jedoch von diesen angesprochen. Durch M<strong>und</strong>-zu-M<strong>und</strong>-<br />

Propaganda kommen <strong>im</strong>mer wieder auch <strong>Flüchtlinge</strong>, die Beratung <strong>und</strong> Unterstützung<br />

suchen. 134<br />

Die Stadt Saarbrücken hat <strong>im</strong> März 2003 ein Zuwanderungs- <strong>und</strong> Integrationsbüro<br />

(ZIB) eingerichtet. Vorher existierte keine den „Ausländer- oder Integrationsbeauftragten“<br />

anderer Städte vergleichbare Stelle. In der kurzen bisherigen Arbeit konzentrierte<br />

sich das ZIB - insofern mit dem Ausländerbeirat vergleichbar - auf Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten<br />

<strong>und</strong> ihre Familienangehörigen. Die fachliche Kompetenz, auch <strong>Flüchtlinge</strong><br />

zu beraten, wäre gleichwohl vorhanden, da ein Mitarbeiter über gut zwei Jahrzehnte<br />

Beratungserfahrungen mit <strong>Flüchtlinge</strong>n verfügt. 135<br />

Weitere in Saarbrücken <strong>im</strong> interkulturellen Bereich tätige Einrichtungen konzentrieren<br />

sich überwiegend auf das Nauwieser Viertel. Hier arbeiten einige Institutionen der<br />

Bereiche Kultur <strong>und</strong> Soziales, die interkulturell ausgerichtet sind bzw. zu deren Zielgruppen<br />

auch Migrant<strong>innen</strong>/Migranten gehören. Zu nennen sind an erster Stelle Der<br />

Andere JugendClub (DAJC), das Jugendzentrum Försterstraße <strong>und</strong> das Café Exodus,<br />

welche auch von Flüchtlingsjugendlichen besucht werden. 136 Ferner zu nennen sind der<br />

Verband binationaler Familien <strong>und</strong> Partnerschaften e.V. (iaf), Ramesch - Forum für<br />

interkulturelle Begegnung e.V. <strong>und</strong> der Verein Therapie Interkulturell <strong>im</strong> „Haus der Kulturen“.<br />

In der „Alten Feuerwache“ haben neben der AWO-Beratungsstelle <strong>und</strong> der Antifa<br />

Saar AG auch Migrantenvereine wie Behrang e.V. - Verein für multikulturelle Angelegenheiten<br />

<strong>und</strong> der Kurdische Kulturverein ihren Sitz. Ferner zu nennen ist der Verein<br />

Notruf & Beratung für vergewaltigte <strong>und</strong> misshandelte Frauen.<br />

Viele dieser Einrichtungen arbeiten in dem Sinne interkulturell, dass Menschen mit <strong>und</strong><br />

ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> zusammen für eine breite Zielgruppe tätig sind. Gemeinsam<br />

ist ihnen, dass sie prinzipiell <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n offen stehen.<br />

Einige Migrantenselbstorganisationen agieren allerdings weitestgehend ohne Kontakte<br />

zu Deutschen. Bemerkenswert ist ferner, dass eine Vielzahl weiterer in Saarbrücken<br />

politisch <strong>und</strong> sozialpolitisch tätiger Vereine <strong>und</strong> Gruppen in ihrer Arbeit zwar Themen<br />

ansprechen, die für <strong>Flüchtlinge</strong> relevant sind, zu diesen jedoch keine oder kaum Kontakte<br />

bestehen. 137<br />

Flüchtlingsberatung durch Wohlfahrtsverbände ist mittlerweile - gemessen an der<br />

Größe des Stadtverbandes - relativ rar geworden. Die über den EFF geförderte Rückkehrberatung<br />

der Caritas Saarbrücken ist ausgelaufen. Die Beratungsstelle für türkische<br />

<strong>und</strong> jugoslawische Arbeitnehmer/<strong>innen</strong> der AWO steht <strong>Flüchtlinge</strong>n prinzipiell<br />

offen. Die Arbeit des DRK ist in Kapitel 3 dargestellt worden.<br />

133<br />

Gespräch mit dem Sprecher des Ausländerbeirates,16.10.02. Vgl. auch Landeshauptstadt Saarbrücken:<br />

Ortsrecht der Landeshauptstadt Saarbrücken, IA05 Satzung für den Ausländerbeirat der<br />

Landeshauptstadt Saarbrücken vom 07.07.98, Saarbrücken 1998.<br />

134<br />

Gespräche mit der Geschäftsführerin des Ausländerbeirates, 12.12.02 <strong>und</strong> 24.08.04.<br />

135<br />

Gespräche mit der Leiterin des ZIB, 03.06., 16.08. <strong>und</strong> 24.08.04.<br />

136<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin von JUZ United, 31.08.04.<br />

137<br />

Vgl. hierzu auch isoplan-Institut (Hg.): <strong>Weißbuch</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong> <strong>im</strong> Saarland 2002,<br />

Saarbrücken 2003, S. 86-88.


Sonstige saarländische Kommunen<br />

In der weiteren Umgebung der <strong>im</strong> Sommer 2004 aufgelösten LGU Homburg konzentrierten<br />

sich Bevölkerungsgruppen, die in hohem Maße durch eine sozioökonomische<br />

Benachteiligung <strong>und</strong> eine mangelhafte gesellschaftliche Teilhabe gekennzeichnet sind<br />

(Migrant<strong>innen</strong>/Migranten, Sinti, Sozialhilfeempfänger/<strong>innen</strong>, Alleinerziehende, ältere<br />

Menschen). 138 Viele dieser Bevölkerungsgruppen sind (bzw. waren <strong>im</strong> Falle der LGU) in<br />

einem Wohnblock oder Straßenzug angesiedelt. Diese Konzentration förderte die Abgrenzung<br />

der einzelnen Gruppen voneinander <strong>und</strong> verhinderte eine rasche Integration.<br />

139 Nach Einschätzung eines Mitarbeiters der Caritas war insgesamt eher ein Nebeneinander<br />

von Ausländer/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Einhe<strong>im</strong>ischen zu konstatieren. 140 Verb<strong>und</strong>en<br />

mit diesen Segregationstendenzen kam es sowohl innerhalb der genannten<br />

Gruppen als auch zwischen den unterschiedlichen Gruppen zu Konflikten unterschiedlicher<br />

Art, jedoch kaum zu einer gesellschaftlichen Integration in die Gesamtstadt. Zwar<br />

gab es <strong>im</strong> Rahmen der Umsetzung des B<strong>und</strong>-Länder-Programms „Die soziale Stadt“<br />

sowie SEPA einige positive Ansätze, dem entgegenzuwirken. Im Kern blieb jedoch die<br />

teilweise Isolation der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> bis zur Auflösung der LGU bestehen. Dies<br />

lag auch an fehlenden Bemühungen einhe<strong>im</strong>ischer Vereine <strong>und</strong> anderer Institutionen.<br />

Ähnliches galt bis zur Auflösung der LGU <strong>im</strong> Sommer 2003 auch für Völklingen. Die<br />

St<strong>im</strong>mung in der Stadt war jedoch in deutlicher Weise ablehnender gegenüber <strong>Flüchtlinge</strong>n,<br />

als dies in Homburg der Fall war. Schon bei der Umwandlung des früheren Altershe<strong>im</strong>s<br />

in eine LGU gab es 1992/93 Proteste einer Bürgerinitiative. Aber auch generell<br />

- etwa seitens besser situierter Personen - besteht nach Einschätzung eines Pfarrers<br />

eine ablehnende Haltung gegenüber Ausländer/<strong>innen</strong> allgemein. Das<br />

vorherrschende Bild sei vorurteilsbehaftet. Es zeigten sich - nicht nur seitens sozial<br />

Schwacher - Zeichen von Sozialneid. Es bestünde ein großes Bedürfnis nach einem<br />

„Sündenbock“ für die schwierige Situation der Stadt. 141<br />

An allgemeinen für Einhe<strong>im</strong>ische wie für Migrant<strong>innen</strong>/Migranten tätigen Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Betreuungseinrichtungen zu nennen sind die Wohlfahrtsverbände (AWO, Caritas,<br />

Diakonisches Werk) <strong>und</strong> die Kirchen sowie insbesondere das Gemeinwesenprojekt mit<br />

den Angeboten von BARIS e.V. <strong>und</strong> dem Verein Multikultur. Letztere haben ihren<br />

Standort jedoch <strong>im</strong> relativ weit entfernten Stadtteil Wehrden <strong>und</strong> konzentrieren ihre<br />

Arbeit - wie andere Einrichtungen auch - auf Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten. Viele<br />

Aktivitäten der genannten Einrichtungen sind wichtig <strong>im</strong> Kontext der Förderung des<br />

gesellschaftlichen Zusammenlebens <strong>und</strong> der Sensibilisierung für Flüchtlingsfragen. Sie<br />

sind jedoch 2004 nicht mehr mit ihrer früheren Bedeutung vergleichbar.<br />

Von Bedeutung ist ferner, dass die Evangelische Versöhnungskirche von Frühjahr<br />

1997 bis Ende 2001 in insgesamt elf Fällen Menschen Kirchenasyl gegeben hat, <strong>im</strong><br />

letzten Fall über einen Zeitraum von anderthalb Jahren. Bis auf einen Fall eines Romapaares<br />

habe es sich <strong>im</strong>mer um Kurd<strong>innen</strong>/Kurden gehandelt. Nach dreijähriger<br />

138<br />

Vgl. Isoplan-Institut / Stadt Homburg (Hg.): „Lebendiges Erbach“. Ein Programm der Kreis- <strong>und</strong><br />

Universitätsstadt Homburg <strong>im</strong> Rahmen des B<strong>und</strong>-Länder-Programms „Die soziale Stadt“. 1. Integriertes<br />

Handlungskonzept, Saarbrücken <strong>und</strong> Homburg, September 2002, S. 4.<br />

139<br />

Vgl. AWO Vespe (a.a.O.), S. 5.<br />

140<br />

Gespräch am 11.11.02.<br />

141<br />

Gespräch mit einem der Pfarrer der Evangelischen Versöhnungskirchengemeinde Völklingen<br />

24.03.03.<br />

87


88<br />

Pause wurde am 1. November erneut eine türkisch-kurdische Familie aufgenommen. 142<br />

Die Gewährung des Kirchenasyls setze eine Entscheidung des Presbyteriums voraus<br />

<strong>und</strong> bedeute viel Überzeugungsarbeit. Kirchenasyl werde jedoch nur dann gewährt,<br />

wenn eine realistische Aussicht auf die Erlangung eines Bleiberechtes besteht. Es gehöre<br />

viel Mut dazu, da der Gemeinde jedes Mal auch ablehnende Haltungen von Bürger/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> Gemeindemitglieder/<strong>innen</strong> entgegenschlügen. Beispielsweise wurde<br />

einmal ein Graffiti „Kirchensteuer für Kurden!“ an Gemeindegebäude gesprüht. 143<br />

Insgesamt vollzog sich die Integration in Völklingen eher in Gruppen gleicher Nationalität<br />

außerhalb der LGU als in Strukturen der Unterkunft selbst. Eine Integration in das<br />

gesellschaftliche Leben der Mehrheitsgesellschaft war kaum gegeben.<br />

In Neunkirchen sind die in regelmäßigen Abständen durchgeführten Treffen zwischen<br />

der internationalen Frauengruppe eines Beratungsangebotes des Diakonischen Werks<br />

<strong>und</strong> deutschen Frauengruppen erwähnenswert. Dies geschieht überwiegend auf kirchlicher<br />

Ebene. Das gegenseitige Interesse ist sehr groß <strong>und</strong> die deutschen Frauen werden<br />

für die Erfahrungen der Flüchtlingsfrauen sensibilisiert. Es findet ein reger Austausch<br />

statt, insbesondere über familiäre Dinge. 144<br />

„Was heißt Integration? Wenn es heißt, dass sich alle relativ wohlfühlen, dann sind<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> hier integriert. Wenn es heißt, dass sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben,<br />

dann sind sie erst seit Einrichtung des ‚R<strong>und</strong>en Tisches - Interkulturelle Zusammenarbeit‘<br />

145 integriert“, sagt die Jugendreferentin der Stadt Ottweiler. Es gebe zum<br />

Teil gute Nachbarschaftsverhältnisse, jedoch so gut wie keine Integration in das Vereinsleben.<br />

146 Generell blieben insbesondere die kurdischen Yeziden als wichtigste<br />

Flüchtlingsgruppe <strong>und</strong> religiöse Minderheit unter sich.<br />

Die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien sind zum Großteil gut integriert<br />

<strong>und</strong> haben - vor allem über den Jugendclub - Kontakte zu anderen Jugendlichen, auch<br />

zu deutschen. Auffällig ist jedoch, dass sie fast täglich den Basketballplatz neben dem<br />

Jugendclub zum Sport nutzen <strong>und</strong> dabei nur sehr selten einhe<strong>im</strong>ische Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

mitspielen. Andere betreiben Breakdance, bleiben dabei jedoch auch unter<br />

sich.<br />

Der überwiegende Teil der erwachsenen Migrant<strong>innen</strong>/Migranten <strong>und</strong> insbesondere<br />

der <strong>Flüchtlinge</strong> wird in Ottweiler nicht über die örtliche Vereinsarbeit integriert. Häufig<br />

trifft man sich außerhalb enger Wohnungen <strong>im</strong> öffentlichen Raum, was wiederum zu<br />

deutlich spürbaren Ressent<strong>im</strong>ents seitens der Einhe<strong>im</strong>ischen führt.<br />

Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft durch Information <strong>und</strong><br />

gemeinsame Aktivitäten zu fördern, um Fremdenfeindlichkeit abzubauen bzw. vorzubauen,<br />

war der Gr<strong>und</strong>gedanke, der 2001 zur Gründung des „R<strong>und</strong>en Tischs Interkulturelle<br />

Zusammenarbeit“ geführt hat. Hier engagieren sich Bürger/<strong>innen</strong> in seitdem<br />

142<br />

143<br />

Vgl. Saarbrücker Zeitung: Kirchen-Appell für Offenheit <strong>und</strong> Toleranz (06.11.2004).<br />

Gespräch mit einem der Pfarrer der Evangelischen Versöhnungskirchengemeinde Völklingen<br />

24.03.03.<br />

144<br />

145<br />

146<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werks an der Saar, 17.08.04.<br />

Dessen Arbeit wird unten beschrieben.<br />

Gespräche mit der Jugendreferentin der Stadt, 09.12.2002 <strong>und</strong> 31.08.04.


<strong>im</strong>merhin 24 Sitzungen für ein besseres Zusammenleben in ihrer Stadt. 147 Zu nennen<br />

sind ferner die Aktivitäten der evangelischen Kirchengemeinde, des Schulmuseums<br />

<strong>und</strong> des Gymnasiums <strong>im</strong> Bereich der Sensibilisierung gegen Rassismus. Als die<br />

Durchführung des vom Diakonischen Werk an der Saar bis Anfang 2001 vor Ort mit<br />

Unterstützung der Stadt Ottweiler <strong>und</strong> der Evangelischen Kirchengemeinde durchgeführten<br />

Alphabetisierungs- <strong>und</strong> Sprachkurses für ausländische Frauen durch Finanzierungsprobleme<br />

gefährdet war, konnte die Fortführung bis heute durch ehrenamtliches<br />

Engagement gesichert werden (vgl. Kapitel 5.2).<br />

Ein Ramesch-Mitarbeiter bietet ferner seit 2002 <strong>im</strong> Stadtteilbüro des ASB in Neunkirchen<br />

<strong>und</strong> seit 2003 <strong>im</strong> Rathaus Ottweiler ein- bis zwe<strong>im</strong>onatlich Sprechst<strong>und</strong>en für<br />

Ausländer/<strong>innen</strong> an. Es geht dabei um Themen wie Ausländerrecht, Zusammenleben<br />

mit Ausländern, Schulprobleme <strong>und</strong> Einbürgerung - Themen, zu denen in Ottweiler<br />

bislang keine Beratungsmöglichkeit bestand. 148<br />

Eine Infrastruktur an Geschäften zur Befriedigung spezifischer Konsumbedürfnisse<br />

existierte in Ottweiler bislang nicht - anders als in größeren Städten mit ihren türkischen,<br />

arabischen oder asiatischen Lebensmittelgeschäften. Ein yezidischer Händler<br />

aus dem rheinland-pfälzischen Alzey fährt jedoch seit Herbst 2002 mit einer mobilen<br />

Verkaufsstelle (Kleinbus) yezidische K<strong>und</strong><strong>innen</strong>/K<strong>und</strong>en <strong>im</strong> Osten des Saarlandes an<br />

<strong>und</strong> verkauft Waren vor der Haustür. 149 Erst <strong>im</strong> August 2004 wurde der erste türkische<br />

Lebensmittelladen eröffnet.<br />

Schwierigkeiten mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus <strong>und</strong> die drohende Gefahr<br />

von Abschiebungen führen in Kommunen mit dezentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

relativ häufig auch zur Solidarisierung von Teilen der Bevölkerung mit den <strong>Flüchtlinge</strong>n.<br />

So zuletzt in Ottweiler, Wadern, Bous oder Wallerfangen. Dies ist mangels persönlicher<br />

Kontakte in Lebach nicht zu beobachten.<br />

4.4.4 Zur Integration in Migrantencommunities<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> aus Staaten mit einer längeren Geschichte von<br />

Flucht <strong>und</strong> Migration nach Deutschland kommen in der Regel schon nach wenigen<br />

Wochen <strong>und</strong> Monaten des Aufenthalts in Kontakt mit Landsleuten außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft.<br />

Diese Kontakte entstehen zufällig oder durch gezielte ein- oder<br />

beidseitige Kontaktaufnahme.<br />

Solche Bezüge der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> zur schon ansässigen „Community“<br />

bestehen nicht nur in Form von lokalen <strong>und</strong> saarländisch-regionalen Kontakten,<br />

sondern auch in Form von überregionalen Verbindungen nach Frankreich, Luxemburg,<br />

Trier <strong>und</strong> Mannhe<strong>im</strong> oder auch entfernteren Orten. Einen hohen Stellenwert -<br />

147<br />

Zu den Aktivitäten der Initiative, an der auch Asylberechtigte <strong>und</strong> Personen mit einer Duldung teilnehmen,<br />

zählen die Erarbeitung einer Broschüre „Miteinander in Ottweiler“, mit der einerseits Vorurteilen<br />

entgegengetreten werden soll, andererseits Migrant<strong>innen</strong>/Migranten eine umfangreiche Adressliste<br />

von Ansprechpartnern geboten wird. Ferner wurden u.a. in Zusammenarbeit mit dem<br />

Saarbrücker Verein Ramesch Kulturveranstaltungen durchgeführt.<br />

148<br />

Vgl. Wochenspiegel Neunkirchen: Sprechst<strong>und</strong>e für Ausländer (16.10.02) <strong>und</strong> Gespräch mit einem<br />

Mitarbeiter von Ramesch, 03.06.04.<br />

149<br />

Gespräch mit einem yezidischen Asylberechtigten, 26.01.03.<br />

89


90<br />

insbesondere unter Kurd<strong>innen</strong>/Kurden - nehmen familiäre Kontakte (auch <strong>und</strong> vor allem<br />

außerhalb der LGU) ein. Insbesondere die Bezüge zwischen Lebacher <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> Geduldeten <strong>und</strong> in anderen Teilen des Saarlandes lebenden Landsleuten<br />

sollten untersucht werden. Hierbei sollten Fragen beantwortet werden wie: Wie<br />

sehen sie sich selbst? Welche Unterstützungs- <strong>und</strong> Arbeitsangebote gibt es? Welche<br />

Unterschiede in der Lebenssituation bestehen? Eine weitere Arbeitsfrage war: Welche<br />

Konsequenz hat die Entfernung <strong>und</strong> Zentralisierung der Unterbringung von <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

für die langansässigen Landsleute bzw. wie beurteilen sie diese Zentralisierung?<br />

Schon 2002 wurde festgestellt, dass sich Völklingen <strong>und</strong> Saarbrücken als (heute ehemalige)<br />

Standorte von LGUs <strong>und</strong> KGUs insofern von Lebach <strong>und</strong> Homburg unterscheiden,<br />

als in Ersteren relativ viele außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte lebende<br />

Migrant<strong>innen</strong>/Migranten starken Einfluss auf das gesellschaftliche Leben der Bewohner/<strong>innen</strong><br />

nahmen. Personen gleicher Nationalität wirkten <strong>und</strong> wirken hier sehr stark<br />

als Helfer/<strong>innen</strong> bei der Integration in die jeweilige Community („B<strong>innen</strong>integration“).<br />

So sind beispielsweise Kurd<strong>innen</strong>/Kurden aus der Türkei in beiden Städten stark vertreten.<br />

Diese Gruppe nahm insbesondere in Völklingen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

der gleichen Nationalität sehr schnell auf, trat aber relativ wenig in Kontakt mit<br />

anderen Migrant<strong>innen</strong>/Migranten <strong>und</strong> Einhe<strong>im</strong>ischen. Sie kümmerten sich organisiert<br />

um Kindererziehung <strong>und</strong> boten Sprach- <strong>und</strong> Musikunterricht an. Auch in der Unterkunft<br />

selbst lebten Kurd<strong>innen</strong>/Kurden sehr stark isoliert. Der Integration in die Mehrheitsgesellschaft<br />

war dies eher abträglich.<br />

Es gibt saarlandweit kein nennenswertes Vereinsleben ansässiger Migrant<strong>innen</strong>/Migranten,<br />

an dem <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> beteiligt wären. Eine Ausnahme<br />

sind am ehesten noch arabische, iranische <strong>und</strong> kurdische Vereine <strong>und</strong> Gruppen<br />

in Saarbrücken, deren Aktivitäten jedoch aus politischen Gründen nicht <strong>im</strong>mer von außen<br />

einsichtig sind. Es ist insbesondere bei Kurd<strong>innen</strong>/Kurden zu vermuten, dass<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> vergleichsweise große Unterstützung seitens der eigenen Community erhalten.<br />

Bei anderen Gruppen konnte dies nicht beobachtet werden.<br />

Zunehmend wichtig für die B<strong>innen</strong>integration in die jeweilige Community vor Ort sind<br />

neben der Infrastruktur an Vereinen <strong>und</strong> Geschäften auch religiöse Einrichtungen.<br />

Musl<strong>im</strong>ische <strong>Flüchtlinge</strong> sind eher schlecht in das religiöse Leben <strong>im</strong> Saarland integriert.<br />

Für die r<strong>und</strong> 25.000 hier lebenden Musl<strong>im</strong>e ist nicht Saarbrücken das wichtigste<br />

Zentrum. Von den 19 islamischen Gemeinden bzw. Moscheevereinen <strong>im</strong> Saarland, in<br />

denen sie sich organisiert haben, finden sich - bedingt durch die Standorte der Montanindustrie<br />

- nur drei in der Landeshauptstadt. 150 Sie werden von Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/migranten<br />

dominiert. Musl<strong>im</strong>ische <strong>Flüchtlinge</strong> sunnitischer Glaubensrichtung besuchen<br />

- zumindest zu wichtigen Feiertagen - die Moscheen in Neunkirchen, Saarbrücken,<br />

Völklingen oder Homburg. In Lebach gibt es keine Moschee.<br />

Eine schiitische Moschee, die <strong>Flüchtlinge</strong> aus dem Iran, dem Irak, Afghanistan oder<br />

Libanon besuchen könnten, gibt es <strong>im</strong> Saarland - mit Ausnahme eines Gebetsraumes<br />

in Burbach - nicht. Viele iranische <strong>Flüchtlinge</strong> praktizieren ihre Religion nicht mehr aktiv.<br />

151<br />

150 Vgl. Pressemitteilung des MiFAGS, 01.10.02.<br />

151 Gespräch mit der Vorsitzenden von Peywand e.V., 01.09.04.


Die in Kommunen mit einer Flüchtlingsbevölkerung bestehenden Kirchen werden von<br />

christlichen <strong>Flüchtlinge</strong>n auch besucht, so beispielsweise in Lebach 152 , Saarbrücken,<br />

Völklingen, Neunkirchen <strong>und</strong> Ottweiler. Die Angebote der Evangelischen Versöhnungskirche<br />

in Völklingen sind besonders zu erwähnen. Unter anderem konnte in deren<br />

Gemeindehaus eine Gruppe afrikanischer <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> -berechtigter<br />

über zehn Jahre lang eigene Gottesdienste feiern. Seit 1995/96 bestand hier eine ökumenische<br />

Asylhe<strong>im</strong>-Kontaktgruppe, ausgehend von einer kirchlichen Friedensgruppe,<br />

die präventiv gearbeitet hat <strong>und</strong> die Bewohner/<strong>innen</strong> der LGU mit Kleiderspenden<br />

<strong>und</strong> Ähnlichem unterstützte. Ferner lud die Gemeinde unter anderem Anfang 2002<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> zu einer Begegnung mit 8- bis 9-jährigen Kindern in die Kirche ein<br />

<strong>und</strong> besuchte Anfang 2003 mit ihnen die Unterkunft. Diese Begegnungen bedürfen<br />

vieler Vorbereitungen <strong>und</strong> Elterngesprächen. 153<br />

Iranische Anhänger der Bahaii-Religion werden in der Regel von hier ansässigen Bahaii<br />

(Deutschen <strong>und</strong> Iranern) gut integriert. Es bestehen aber auch starke Verbindungen<br />

zur Bahaii-Gemeinde in Luxemburg. 154<br />

Kurd<strong>innen</strong>/Kurden mit alevitischer oder yezidischer Religion verfügen in der Regel über<br />

keine eigenen Räumlichkeiten. Aleviten treffen sich einmal <strong>im</strong> Jahr in einem Cem-Haus<br />

in Völklingen. In Ottweiler feiern die Yeziden in Kooperation mit der Stadt seit 2001<br />

jeweils <strong>im</strong> Dezember ihr wichtigstes religiöses Fest in einer Sporthalle. 155 Religiöse Einrichtungen<br />

sind für ihre religiöse Praxis allerdings auch nicht zwingend nötig. Im Saarland<br />

gibt es solche auch nicht. Am 21.03.04 feierten erstmals Kurd<strong>innen</strong>/Kurden <strong>und</strong><br />

Iraner/<strong>innen</strong>, die aus dem gesamten Saarland kamen, in der LGU Lebach das Neujahrsfest<br />

„Newroz“ mit einem großen Feuer. Das LAFL half bei der Organisation. 156<br />

Für <strong>Flüchtlinge</strong> buddhistischer oder hinduistischer Religionszugehörigkeit bestehen<br />

ebenfalls kaum Möglichkeiten, ihre Religion in der Gemeinde zu praktizieren. Lediglich<br />

in Sulzbach besteht seit 1994 der hinduistische „Sri Mahamariamman Tempel“. Entstanden<br />

bzw. geplant wurde der Tempel wohl in der Zeit, als dort noch die einzige<br />

zentrale Flüchtlingsunterkunft des Saarlandes angesiedelt war.<br />

Die Frage der religiösen Zugehörigkeit bzw. Praxis der eigenen Religion berührt wichtige<br />

Fragen der Identität <strong>und</strong> des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Nicht <strong>im</strong>mer<br />

selbstverständlich ist die Integration in religiöse Strukturen der eigenen Community.<br />

Am Beispiel zweier in Saarbrücken lebender junger Erwachsener soll dies verdeutlicht<br />

werden:<br />

152<br />

Vor dem Gebäude der Caritas in der LGU wird mit einem großen Schild auf die Gottesdienste in<br />

der Pfarrkirche St. Michael aufmerksam gemacht.<br />

153<br />

Gespräch mit einem der Pfarrer der Evangelischen Versöhnungskirchengemeinde Völklingen<br />

24.03.03.<br />

154<br />

155<br />

Gespräch mit der Vorsitzenden von Peywand e.V., 01.09.04.<br />

An dem Fest nahm 2002 auch der Bürgermeister teil. Es entstand die Idee, dass man das Fest<br />

jedes Jahr zur Förderung der Begegnung <strong>und</strong> Kommunikation nutzen <strong>und</strong> die Öffentlichkeit dabei<br />

auch über den Sinn des Festes <strong>und</strong> den religiösen Hintergr<strong>und</strong> der Yeziden informieren könnte.<br />

Abgesehen von Mitgliedern des R<strong>und</strong>en Tischs kamen 2003 <strong>und</strong> 2004 jedoch kaum Einhe<strong>im</strong>ische.<br />

156<br />

Gespräche mit der Leitung des LAFL, 12.08.04, sowie der Vorsitzenden von Peywand e.V.,<br />

01.09.04.<br />

91


92<br />

Beispiel:<br />

Eine seit 1997 in Deutschland lebende Somalierin (21), die als unbegleitete minderjährige<br />

Flüchtlingsjugendliche nach Saarbrücken kam, ist zwar Musl<strong>im</strong>in, praktiziert ihren Glauben aber<br />

kaum. Sie fastet gelegentlich <strong>im</strong> Ramadan, war jedoch zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nie<br />

in einer Moschee in Deutschland, wohl aber schon einmal in einer Kirche. „In Somalia habe ich<br />

noch so richtig an Gott geglaubt, war so erzogen. Besonders religiös waren meine Eltern aber<br />

auch nicht - normal halt. Wie die anderen. Hier glaube ich zwar auch an Gott, aber nicht gerade<br />

so wie viele andere Musl<strong>im</strong>e.“ Manche Bekannte musl<strong>im</strong>ischen Glaubens fragen gelegentlich<br />

nach ihrer religiösen Praxis: „Sie gucken komisch, weil ich nicht bete <strong>und</strong> kein Kopftuch trage.<br />

Andere Somalis halten sich daran. Es ist besser, Distanz zu halten zu den Gläubigen, wenn<br />

man selber nicht sehr religiös ist. Ich bin halt auch jünger. Und will nicht so sein wie die älteren<br />

Frauen, wenn ich ehrlich bin. Anderen geht es auch so. Hier ist das möglich, so zu sein wie man<br />

will - also nicht so religiös <strong>und</strong> so. Zuhause wäre das schwieriger.“ 157<br />

Beispiel:<br />

Ein Tamile (22) aus hinduistischer Familie kam noch in der He<strong>im</strong>at durch den Besuch einer<br />

englischsprachigen christlichen Schule in Kontakt mit dem Christentum. Das hatte Folgen. „Da<br />

habe ich oft <strong>im</strong> Chor gesungen, fand das Christentum interessant. Ich habe sogar die Bibel<br />

gelesen. Seitdem hatte ich keine Lust mehr, mich mit dem Hinduismus auseinander zu setzen.<br />

Bei uns gibt's so viele Götter (...) Die anzubeten finde ich komisch, ich weiß nicht. Ich denke,<br />

man kann doch auch beten, ohne so eine Statue aus Stein anzusehen. Meine Eltern können<br />

das nicht verstehen, die sind schon so lange gläubig.“ Im Saarland besuchte er gelegentlich mit<br />

seinen Eltern einen Hindutempel bei Sulzbach, später jedoch nicht mehr. Miterlebt hat er jedoch<br />

schon viele tamilisch-hinduistische Feste, beispielsweise Hochzeiten <strong>und</strong> das Neujahrsfest, die<br />

er jedoch nicht als religiöse Feste empfand. Dass ihn seine He<strong>im</strong>atreligion nicht so sehr interessiert,<br />

heißt nicht, dass er unreligiös wäre: „Ich denke, es gibt einen Gott, aber ich glaube nicht<br />

an die vielen Götter der Hindus. Irgendwie glaube ich an den einen christlichen“. Konvertieren<br />

möchte er gleichwohl nicht. 158<br />

Einer gelungen Integration von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n in die Migrantencommunity<br />

der eigenen Gruppe stehen oft unterschiedliche politische Auffassungen<br />

<strong>und</strong> aus Konflikten in der He<strong>im</strong>at resultierende Spannungen entgegen. Am Beispiel<br />

der Maghrebiner/<strong>innen</strong> (insbesondere Algerier/<strong>innen</strong>) <strong>und</strong> der Iraner/<strong>innen</strong> soll dies<br />

ausführlicher beschrieben werden.<br />

Community der Maghrebiner/<strong>innen</strong><br />

Im Saarland leben 671 Algerier/<strong>innen</strong>, 474 Marokkaner/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> 247 Tunesier/<strong>innen</strong><br />

(Stand: 01.01.04). Nennenswert aktiv sind drei Vereine arabischsprachiger Migrant<strong>innen</strong>/Migranten:<br />

Terres d’Europe, die sich dem Dialog zwischen Religionen <strong>und</strong> Sozialgruppen<br />

widmen, der Deutsch-Algerische Kulturverein in Merzig <strong>und</strong> der Deutsch-<br />

Tunesische Kulturverein in Saarbrücken. In Letzterem, der vom tunesischen Konsulat<br />

unterstützt wird, treffen sich auch Marokkaner/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Algerier/<strong>innen</strong>, darunter auch<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>. Die beiden Erstgenannten bestehen heute de facto nur noch aus wenigen,<br />

157 Schmidt-Fink, Ekkehart: Porträt L.M. In: Ausländer in Deutschland, 15.Jg., Nr. 2/1999, S. 4.<br />

158 Vgl. derselbe: Porträt A.N. In: Ausländer in Deutschland, 15.Jg., Nr. 2/1999, S. 3.


aber sehr aktiven Mitgliedern. Die Gründer versuchten Anfang bis Mitte der 1990er-<br />

Jahre v.a. Maghrebiner/<strong>innen</strong> zu organisieren. Es bestand jedoch seitens der alteingesessenen<br />

(vor allem älteren) Marokkaner/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Algerier/<strong>innen</strong>, die in der Regel als<br />

Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten oder Student<strong>innen</strong>/Studenten nach Deutschland gekommen<br />

sind, ein Tabu, mit <strong>Flüchtlinge</strong>n in Kontakt zu treten. Sie haben, so ein arabischstämmiger<br />

Journalist, „Angst, ihr Land zu beschmutzen <strong>und</strong> fürchten negative<br />

Reaktionen ihrer Konsulate“. 159<br />

Begründet sei dies unter anderem dadurch, dass sie ein extrem negativ geprägtes Bild<br />

der <strong>Flüchtlinge</strong> haben („Dealer <strong>und</strong> Diebe“), u.a. aufgr<strong>und</strong> des bestehenden Stolzes auf<br />

ihr Land. Vorrangig bestehen jedoch Ängste, in politische Angelegenheiten hineingezogen<br />

zu werden. Dies gelte insbesondere für Marokkaner/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Tunesier/<strong>innen</strong>.<br />

Für Algerier/<strong>innen</strong> sei dies differenziert zu sehen. In den frühen 1990er-Jahren bestand<br />

die Angst, be<strong>im</strong> Konsulat als Islamist zu gelten, was möglicherweise Konsequenzen<br />

haben könnte. Die <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> hätten zudem zu einem großen Teil fälschlich<br />

angegeben, Islamisten zu sein, um mit Blick auf ihren Asylantrag bessere Chancen zu<br />

haben, als mit einer anderen Begründung (diese Aussage ist unabhängig davon zu<br />

sehen, ob eine tatsächliche Verfolgung besteht oder nicht). Der genannte Journalist<br />

schätzt, dass r<strong>und</strong> 90 % der Antragsteller/<strong>innen</strong> angegeben haben, Mitglied der islamistischen<br />

FIS zu sein.<br />

So war es schwer, überhaupt erste gemeinsame Veranstaltungen von Maghrebiner/<strong>innen</strong><br />

<strong>im</strong> Saarland zu organisieren. Bei der ersten Versammlung waren viele da, es<br />

kamen aber nur sehr wenige <strong>Flüchtlinge</strong>, die v.a. an einer Hilfestellung bei ihrem Asylantrag<br />

Interesse hatten. Es gab zwei bis drei solcher Versuche, dann wurden diese<br />

aufgegeben. Unter anderem seien die Unterschiede der Milieus zu groß gewesen.<br />

Auch seitens der Marokkaner/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Tunesier/<strong>innen</strong> gab es solche Versuche,<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> alteingesessene Landsleute miteinander in Kontakt zu bringen. Dies<br />

sei jedoch aufgr<strong>und</strong> „heftiger Reaktionen des Konsulats“ schwieriger gewesen. Die<br />

Konsulate würden solcherlei Aktivitäten genau beobachten.<br />

Das Verhältnis zum algerischen Konsulat habe sich seit der Demokratisierung des<br />

Landes verbessert. Organisationen vermittelten dem Ende der 1990er-Jahre<br />

eingesetzten neuen Konsul, dass es wichtig wäre, Landsleuten zu helfen <strong>und</strong> bei der<br />

Integration zu unterstützen, statt in ihnen nur potenzielle Islamisten <strong>und</strong> andere<br />

Oppositionelle zu sehen.<br />

Viele Maghrebiner/<strong>innen</strong> haben sich von der Caritas, der Diakonie <strong>und</strong> dem Ausländerbeirat<br />

zurückgezogen, nachdem ihnen klar wurde, dass ihnen diese Einrichtungen<br />

nicht bei ihrem Asylantrag helfen können. Dagegen bestünden seitens der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> relativ gute Kontakte zu arabischen Vereinen, Moscheen <strong>und</strong><br />

anderen Institutionen <strong>im</strong> Rahmen der von Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten aufgebauten<br />

Strukturen in Lothringen, aber auch zu Flüchtlingsunterkünften. Diese Kontakte werden<br />

durch bestehende Französischsprachkenntnisse stark erleichtert. Zu nennen ist insbesondere<br />

das „Mouvement contre le rassisme et l’antisemitisme (MRAP)“ in Sarreguémines<br />

<strong>und</strong> Forbach. Als Treffpunkt zu erwähnen sei insbesondere die Moschee in Forbach<br />

<strong>und</strong> eine Cafeteria <strong>im</strong> Cora-Supermarkt. Viele dieser Kontakte würden sehr zielgerichtet<br />

aufgenommen bzw. unterhalten, z.B. auf der Suche nach einer Beschäftigung<br />

159 Diese <strong>und</strong> die weiteren Ausführungen entstammen einem Gespräch mit einem auf Fragen des<br />

93


94<br />

oder sonstiger Unterstützung. Bis Anfang 2004 waren diese Kontakte auch wichtig,<br />

weil es in Frankreich gute Chancen gab, <strong>im</strong> Rahmen des „asyl territoire“ einen dem<br />

„kleinen Asyl“ vergleichbaren Status auch bei nichtstaatlicher Verfolgung zu erhalten.<br />

Dadurch hätten in den vergangenen Jahren sehr viele Fachkräfte <strong>und</strong> Intellektuelle in<br />

Frankreich Asyl erhalten.<br />

Sich als Islamist auszugeben kann auch zu Problemen führen. Zum einen werde man<br />

von den Konsulaten beobachtet, zum anderen führe dies zu einer Vorverurteilung. Es<br />

werde einem nicht geglaubt, wenn man erkläre, seine Meinung - insbesondere nach<br />

den Attentaten vom 11. September <strong>und</strong> 11. März - geändert zu haben. Dies sei nicht<br />

gut für die Integration. Einige junge Leute hätten die Rolle des politisch aktiven Islamisten<br />

auch so verinnerlicht, dass sie sich als Politiker sähen, ohne dies zu sein.<br />

Etwa 1999 ist <strong>im</strong> Saarland die „Solidaritätsliga“ gegründet worden, die nach Aussagen<br />

des Journalisten stark unter islamistischem Einfluss (FIS) gestanden habe, ohne dass<br />

dies nach außen hin deutlich gewesen sei. Viele <strong>Flüchtlinge</strong> seien in deren Räumen in<br />

der Alten Feuerwache in Saarbrücken mit Islamisten in Kontakt gekommen. Daher hielten<br />

algerische Demokraten in Neunkirchen eine Versammlung ab, in der <strong>Flüchtlinge</strong><br />

<strong>und</strong> andere Migrant<strong>innen</strong>/Migranten davon überzeugt wurden, dass der Verein politische<br />

Ziele (<strong>und</strong> nicht kulturelle, wie vorgegeben) verfolge. Die Solidaritätsliga existiert<br />

heute nicht mehr. Dort engagierte Personen hätten größtenteils Asyl erhalten, nicht<br />

aber Personen, die als Interessenten bzw. Ratsuchende kamen. Diese hätten bis heute<br />

Schwierigkeiten mit deutschen Behörden. Sie stünden unter dem Verdacht, Islamisten<br />

zu sein, dabei seien sie damals vorrangig deswegen zur Liga gegangen, weil sie Hilfe<br />

für ihr Asylverfahren suchten. Anders als die Konsulate, die den o.g. Zusammenhang<br />

verstanden hätten <strong>und</strong> nicht jeden als Islamisten sähen, der dies bei der<br />

Asylantragstellung angegeben habe, seien die deutschen Behörden nach wie vor sehr<br />

misstrauisch. Der Fall der algerischen Familie aus Bous, deren Abschiebung <strong>im</strong><br />

Sommer 2004 scheiterte, sei symptomatisch für Probleme, die aus falschen<br />

Fluchtbiografien entstehen können: Der Mann habe mit Blick auf seinen Asylantrag<br />

stets so tun müssen, als sei er Islamist. Er sei dann jedoch 1993 abgeschoben worden,<br />

hätte in der He<strong>im</strong>at keine Probleme gehabt, sei dann aber zurückgekehrt <strong>und</strong> habe<br />

einen neuen Antrag gestellt. Bei der Abschiebung habe das Konsulat aus humanitären<br />

Gründen kein „laisser-passer“ ausgestellt.<br />

Die Konsulate sind nach Aussage des Journalisten sehr gut informiert über <strong>Flüchtlinge</strong>.<br />

So braucht ein Flüchtling nicht zuletzt <strong>im</strong> Falle einer Ausreise ein für einen Monat gültiges<br />

„laisser-passer“ des Konsulats des He<strong>im</strong>atlandes als Einreisepapier. Insofern sind<br />

sie oft auch offiziell informiert.<br />

Es besteht für Algerier/<strong>innen</strong> die Möglichkeit, sich <strong>im</strong> Konsulat an Wahlen in der He<strong>im</strong>at<br />

zu beteiligen, so auch bei den Präsidentschaftswahlen <strong>im</strong> April 2004. Viele Algerier aus<br />

Lebach haben <strong>im</strong> Laufe der vierwöchigen Frist, in denen dies möglich war, gewählt.<br />

Interessant ist zuletzt auch die Einschätzung, dass es durch den Kontakt zu anderen<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n u.a. auch dazu kommen könne, ein objektiveres Bild der Situation in der<br />

He<strong>im</strong>at zu bekommen. So relativiere sich manche Einschätzung durch den Vergleich<br />

zur Situation in anderen Ländern.<br />

Islamismus <strong>und</strong> arabische <strong>Flüchtlinge</strong> spezialisierten Journalisten, 24.08.04.


Iranische Community<br />

Die Strukturen der iranischen Community <strong>im</strong> Saarland, die in der offiziellen Statistik<br />

mit 619 Personen (Stand: 01.01.04) durch eine hohe Einbürgerungsquote unterschätzt<br />

wird 160 , sind sehr viel älter, als die der arabischsprachigen Migrant<strong>innen</strong>/Migranten.<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> kamen insbesondere in den letzten Jahren des Schahreg<strong>im</strong>es <strong>und</strong> den ersten<br />

Jahren der Islamischen Republik. Viele wanderten nach einigen Jahren weiter in<br />

die USA. Die <strong>Flüchtlinge</strong> lassen sich mit Blick auf Fluchtgründe <strong>und</strong> Fluchtmuster in<br />

fünf Gruppen einteilen, deren Angehörige sich auch <strong>im</strong> Saarland finden. 161<br />

• In einer ersten Phase (1979 - 81) floh die politische <strong>und</strong> ökonomische Elite. Sie<br />

war dem alten Reg<strong>im</strong>e treu ergeben <strong>und</strong> gehörte bald nach der Revolution zu<br />

den ersten Opfern politischer Verfolgung. Die zum Teil heute noch schahtreuen<br />

Menschen flüchteten in der Regel mit der ganzen Familie <strong>und</strong> ihren beweglichen<br />

Besitztümern. Bevorzugte Fluchtländer waren die USA, Frankreich oder England,<br />

Deutschland weniger. In diesen Jahren flohen auch Angehörige religiöser Minderheiten,<br />

insbesondere Baha´i, armenische Christen <strong>und</strong> Juden, deren rechtliche<br />

<strong>und</strong> gesellschaftliche Existenz durch die zunehmende „Islamisierung“ <strong>im</strong>mer<br />

stärker gefährdet wurde. Sie sind heute <strong>im</strong> Saarland relativ etabliert.<br />

• In einer zweiten Phase (1982/83) flohen vor allem Angehörige der ethnischen<br />

Minderheiten - vor allem Kurd<strong>innen</strong>/Kurden. Auch die ersten Jahre des 1980 beg<strong>innen</strong>den<br />

Irak-Iran-Krieges veranlassten viele zur Flucht. Ferner verließen Vertreter<br />

<strong>und</strong> Sympathisanten oppositioneller politischer Organisationen, die als „anti<strong>im</strong>perialistische<br />

Opposition“ bereits gegen das Schahreg<strong>im</strong>e gekämpft hatten,<br />

das Land, nachdem sie in der Hoffnung auf interne Liberalisierung relativ lange<br />

geblieben waren. Nachdem sich die islamische Regierung etabliert hatte, begann<br />

sie, diese oppositionellen Gruppen nach <strong>und</strong> nach zu zerschlagen <strong>und</strong> ihre Aktivisten<br />

mit aller Härte zu verfolgen. Auch sie haben sich <strong>im</strong> Saarland relativ gut integriert.<br />

• In einer dritten Phase (1985/86) suchten 31.000 <strong>Flüchtlinge</strong> in Deutschland Asyl -<br />

vor allem Menschen, die den langjährigen Krieg zwischen Irak <strong>und</strong> Iran ablehnten<br />

oder nicht mehr unter Kriegsbedingungen leben wollten. Auch viele Familien, die<br />

verhindern wollten, dass ihre Söhne zum Kriegsdienst eingezogen werden, flohen<br />

in den letzten Kriegsjahren. Es kamen auch mehrere Tausend unbegleitete<br />

Jungen <strong>im</strong> Alter von 12 bis 17 Jahren (ins Saarland). Sie wurden in Jugendhe<strong>im</strong>en<br />

untergebracht <strong>und</strong> <strong>im</strong> Saarland von der Caritas betreut, hatten kaum Kontakt<br />

zur iranischen Community <strong>und</strong> sind - anders als die erstgenannten - meist<br />

gut integriert bzw. ass<strong>im</strong>iliert.<br />

• In der vierten Phase (seit Anfang der 1990er-Jahre) folgten Personen, die vor<br />

ihrer Flucht nach Deutschland als Oppositionelle <strong>im</strong> Irak gelebt hatten. Neben<br />

dieser Gruppe kamen auch Frauen (häufig mit Kindern), die die 1993 wieder verschärften<br />

Moralvorschriften als diskr<strong>im</strong>inierend empfanden, oder auch aufgr<strong>und</strong><br />

ihres Widerstandes einer frauenspezifischen Verfolgung ausgesetzt waren. Sie<br />

160 Iranische Gesprächspartner beziffern ihre Community auf bis zu 3.000 Personen.<br />

161 Die folgenden Ausführungen entstammen Schmidt-Fink, Ekkehart: Iraner in Deutschland: Mustergültig<br />

integriert? In: Ausländer in Deutschland, 19. Jg., Nr. 1/03, S. 2-5 (Saarbrücken).<br />

95


96<br />

waren aufgr<strong>und</strong> von Verstößen gegen die Kleiderordnung oder die Geschlechtertrennung<br />

am Arbeitsplatz, auf der Straße oder auf öffentlichen Plätzen Repressionen<br />

ausgesetzt.<br />

• Im Zuge der Niederschlagung der Studentenproteste (ab 1998) kam es wieder zu<br />

erhöhten Fluchtbewegungen. Viele dieser jungen Leute sind enttäuscht von Präsident<br />

Chatami <strong>und</strong> seinen Reformversprechungen oder fühlten sich <strong>im</strong> Machtkampf<br />

innerhalb des Reg<strong>im</strong>es ausgenutzt. Neben vielen durch den Kampf für<br />

Freiheit <strong>und</strong> Demokratie desillusionierten Student<strong>innen</strong>/Studenten verließen aber<br />

auch junge Menschen das Land, die sich eher gleichgültig <strong>und</strong> angepasst verhalten<br />

hatten. Diese beiden Gruppen haben zum Teil größere Integrationsprobleme.<br />

Die beiden Gruppen der vor <strong>und</strong> nach der Revolution gekommenen Iraner/<strong>innen</strong> haben<br />

wenig miteinander zu tun. Beide Gruppen sind unter sich geblieben. Eine Redewendung<br />

besagt: „Die Ärzte <strong>und</strong> Ingenieure kamen vor der Revolution, die Taxifahrer danach“.<br />

162 Ein typisches Wanderungsmuster zeigt sich bei Intellektuellen, die zu Schahzeiten<br />

zum ersten Mal in Deutschland lebten - ein Aufenthalt, den sie als Exil empfanden.<br />

Viele von ihnen kehrten 1979 in den Iran zurück. Doch nach einem kurzen oder<br />

längeren Aufenthalt kamen viele desillusioniert zurück nach Deutschland - in das „2.<br />

Exil“. Die Mehrheit freilich ist nach der Auswanderung in Deutschland geblieben.<br />

In den Vereinsstrukturen <strong>im</strong> Saarland spiegelt sich diese Trennung zum Teil wider. Die<br />

meisten <strong>Flüchtlinge</strong> der Zeit nach 1979 sind heute kaum noch politisch engagiert. Anders<br />

die vielen schon früh emigrierten iranischen Intellektuellen <strong>und</strong> Publizisten, von<br />

denen allerdings nur wenige <strong>im</strong> Saarland leben. Sie sind <strong>im</strong> deutschen Exil in journalistischer<br />

oder literarischer Weise politisch aktiv geblieben. Generell setzen sich die meisten<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> nur in den ersten Jahren für politische Fragen ein. Entsprechend gering<br />

erscheint das Engagement, mit Iraner/<strong>innen</strong> in Lebach in Kontakt zu treten.<br />

Allgemein schlug sich die politische Zerrissenheit <strong>im</strong> Iran auch <strong>im</strong> Saarland in Form<br />

eines breiten Spektrums an politischen Organisationen nieder, die heute jedoch an<br />

Bedeutung verloren haben. Sie lassen sich grob in drei Kategorien einteilen. Die wohl<br />

kleinste Gruppe bilden die Reg<strong>im</strong>etreuen. Ebenfalls klein ist mittlerweile, anders als<br />

früher, die Gruppe der oppositionellen Monarchisten. Die größte Gruppe ist die der<br />

Oppositionellen, die sowohl die Monarchie als auch das derzeitige islamische Reg<strong>im</strong>e<br />

ablehnen. Am aktivsten sind jedoch die so genannten Volksmudschaheddin, die Mitte<br />

der 1960er-Jahre als Anti-Schah-Bewegung <strong>im</strong> Iran entstanden sind. Sie treten ein für<br />

einen autoritären Sozialismus islamischer Prägung <strong>und</strong> gelten als radikal. Im Saarland<br />

sind sie nicht vertreten.<br />

Die Iraner/<strong>innen</strong> der ersten Generation haben in den 1960er- <strong>und</strong> 1970er-Jahren ein<br />

politisch ambitioniertes Organisationswesen aufgebaut. Die größte Auslandsorganisation<br />

der iranischen Opposition war die 1960 gegründete „Konföderation iranischer Studenten“<br />

(CIS/NU), die auch in Saarbrücken aktiv war. 163 In den 1980er Jahren kamen<br />

verstärkt Flüchtlingsorganisationen <strong>und</strong> Kulturverbände hinzu, so „Peywand“, „Banu“,<br />

„Cinema Azadi“ <strong>und</strong> „Behrang“ in Saarbrücken (die beiden Letztgenannten bestehen<br />

nicht mehr bzw. nicht mehr vor Ort). Zu erwähnen ist ferner die „Deutsch-Iranisch Akademikervereinigung“,<br />

bei der jedoch kaum <strong>Flüchtlinge</strong> aktiv sind.<br />

162 Gespräch mit der Vorsitzenden von Peywand e.V., 01.09.04.<br />

163 Vgl. Shokat, Hamid: Impressionen eines Exilanten. In: Saarbrücker Hefte Nr. 73, März 1995, S 4-6.


Beispiel:<br />

Eine in Saarbrücken lebende Iranerin (50), war - ohne Ausbildung - <strong>im</strong> Iran <strong>im</strong> Filmbereich tätig<br />

<strong>und</strong> engagierte sich politisch. Sie floh 1985 nach Deutschland, es zog sie ins Saarland, wo sie<br />

über Aktivitäten <strong>im</strong> Filmbereich einen Kontakt hatte. Sehr enttäuschend war, hier keine Beschäftigung<br />

zu finden, obwohl sie in Saarbrücken ein sehr großes Internationales Festival des Iranischen<br />

Films organisierte. Sie engagiert sich ehrenamtlich für andere <strong>Flüchtlinge</strong>, hat jedoch -<br />

abgesehen von einigen kleineren „Jobs“ <strong>und</strong> Projekten in Saarbrücken - nicht gearbeitet. Zurzeit<br />

besucht sie auf Anweisung der Agentur für Arbeit Umschulungen. In den vergangenen zwei<br />

Jahrzehnten hat sie <strong>im</strong> Kontext eines von ihr mitgegründeten persischen Kulturvereins sehr viel<br />

politische Arbeit <strong>im</strong> Bereich Frauenrechte <strong>und</strong> Opposition zum iranischen Reg<strong>im</strong>e geleistet. Sie<br />

ist sehr enttäuscht vom fehlenden Interesse bzw. „großen Desinteresse“ der Aufnahmegesellschaft<br />

an den Belangen <strong>und</strong> dem Kulturleben der Migranten, aber auch vom fehlenden Kontakt<br />

der einzelnen Migrantencommunities untereinander.<br />

Das politische Engagement der iranischen Migrant<strong>innen</strong>/Migranten hat <strong>im</strong> letzten Jahrzehnt<br />

stark nachgelassen. Die meisten sind heute parteiunabhängig. Sie sind zwar<br />

reg<strong>im</strong>ekritisch eingestellt, wollen jedoch in Ruhe ihr Leben leben. Viele haben kaum<br />

Kontakt untereinander. Dennoch wird versucht, soziale Kontakte sowie die Gemeinschaft<br />

zu pflegen <strong>und</strong> aufrecht zu halten. Lediglich bei „Peywand“ wird noch politische<br />

Arbeit geleistet. Zwischen „Banu“ <strong>und</strong> „Peywand“ bestehen offenbar Ressent<strong>im</strong>ents<br />

<strong>und</strong> Kommunikationsprobleme <strong>im</strong> Kontext der Frage, in wie weit hier politisch gearbeitet<br />

werden soll.<br />

Der 1986 gegründete Verein „Peywand“ hat bis heute über 100 Kulturprogramme, zwei<br />

große Seminare <strong>und</strong> Symposien organisiert. Zu nennen sind insbesondere Veranstaltungen<br />

mit iranischen Regisseuren Mitte der 1990er-Jahre. Nach einigen Jahren wurde<br />

von schon in „Peywand“ engagierten Filminteressiertem in Saarbrücken auch der Verein<br />

„Cinema Azadi“ (Freiheitskino) gegründet, der iranische Filme zeigte, nun jedoch<br />

nicht mehr von hier aus aktiv ist. Seit einigen Jahren konzentriert sich die Arbeit von<br />

Peywand auf Themen der Unterdrückung von Frauen. So wurde 2003 eine Veranstaltung<br />

zu iranischen Frauen <strong>im</strong> Exil sowie eine Veranstaltung gegen die Steinigung von<br />

Frauen organisiert, in Zusammenarbeit mit der Saarbrücker Frauenbibliothek.<br />

Die Vorsitzende von „Peywand“ zeigt sich sehr enttäuscht vom geringen Interesse bzw.<br />

„großen Desinteresse“ der Aufnahmegesellschaft an den Belangen <strong>und</strong> dem Kulturleben<br />

der Migrant<strong>innen</strong>/Migranten, aber auch vom fehlenden Kontakt der einzelnen<br />

Migrantencommunities untereinander. Die Nationalitäten blieben <strong>im</strong> Wesentlichen unter<br />

sich, selten gelinge es, bei Veranstaltungen ein gemischtes Publikum anzulocken.<br />

Auch bei Veranstaltungen unter Mitwirkung der Stadt komme selten jemand, andere<br />

Veranstaltungen seien <strong>im</strong>mer wichtiger. 164<br />

164 Ein exemplarisches Erlebnis war die Durchführung eines Filmfestivals bzw. Symposiums „Fern der<br />

He<strong>im</strong>at“ unter Mitwirkung von über 250 Teilnehmer/<strong>innen</strong> (insbesondere iranischen Regisseuren <strong>im</strong><br />

Exil), die aus ganz Europa angereist waren. Obwohl die Veranstaltung so groß war wie das Max-<br />

Ophüls-Filmfestival, seien nur 30 Zuschauer gekommen, darunter niemand von der Stadt. Es seien<br />

Pressevertreter aus dem Ausland, jedoch - mit Ausnahme des Saarländischen R<strong>und</strong>funks - keine<br />

lokale Presse für eine Berichterstattung gekommen. (Gespräch mit der Vorsitzenden von Peywand<br />

e.V., 01.09.04.).<br />

97


98<br />

Als problematisch sieht sie auch, dass Migrant<strong>innen</strong>/Migranten in Saarbrücken seit<br />

Jahren nur unzureichend informiert werden. Es gebe auch kein Konzept zur Integration<br />

von Migrant<strong>innen</strong>/Migranten. Durch Aktivitäten des ZIB habe sich das nun zwar gebessert,<br />

noch <strong>im</strong>mer würden Informationsmaterialien jedoch nicht bis in die Communities<br />

verteilt, sondern seien nur <strong>im</strong> Rathaus, be<strong>im</strong> Ausländerbeirat <strong>und</strong> wenigen anderen<br />

Institutionen erhältlich. Enttäuschung zeigt sich insbesondere über den fehlenden Einsatz<br />

des Ausländerbeirates für Belange von <strong>Flüchtlinge</strong>n.<br />

Deutsche fühlten sich offenbar unsicher gegenüber einer fremden Kultur, da ihnen der<br />

Bezugspunkt fehle. Eventuell bestünde auch eine gewisse Angst, ohne Begleitung <strong>und</strong><br />

Bezugspunkt auf Veranstaltungen von Migrant<strong>innen</strong>/Migranten zu gehen, selbst wenn<br />

sich diese ausdrücklich auch an ein deutsches Publikum richten.<br />

Kulturvereine wie „Banu“ konzentrieren sich darauf, die Menschen <strong>im</strong> kulturellen Bereich<br />

zueinander zu bringen, weil man politisch nicht mehr miteinander kommunizieren<br />

konnte. Zu nennen sind ein bis zwei Mal jährlich stattfindende Veranstaltungen <strong>im</strong><br />

VHS-Zentrum am Schloss in Saarbrücken oder - ebenfalls in Saarbrücken - „Persische<br />

Diskos“ bzw. „Persische Nächte“. Das gemeinsame Begehen von iranischen Festen<br />

<strong>und</strong> Musikveranstaltungen, aber auch regelmäßig trainierende Hobbyfußballmannschaften<br />

sind bis heute ein wichtiger Bestandteil der Kontaktpflege. Zu diesen Veranstaltungen<br />

kommen jedoch fast keine aktuell in Lebach lebenden <strong>Flüchtlinge</strong>. Insbesondere<br />

die Veranstaltungen der Kulturvereine - Abende mit oft sehr sent<strong>im</strong>entalen<br />

Darbietungen klassisch-persischer Musik - haben eher die ältere Generation als Zielgruppe.<br />

Die „Persischen Nächte“ werden von einem iranischen DJ in Kooperation mit deutschen<br />

Institutionen <strong>und</strong> Veranstaltern wie dem ZIB, Ramesch e.V. oder dem „Kunzwerk“<br />

veranstaltet. Am 25.09.04 fand die vierte derartige Veranstaltung seit 2003 <strong>im</strong><br />

Saarbrücker Schlosskeller statt. Die in angenehm-stilvoller Atmosphäre stattfindenden<br />

Abende mit 80 bis 100 Gästen aller Altersklassen <strong>und</strong> iranischer Popmusik sind Disko<br />

<strong>und</strong> Familientreffen zugleich. 165 Viele Iraner/<strong>innen</strong>, insbesondere die vielen Akademiker/<strong>innen</strong><br />

unter ihnen, treffen sich seit Jahren auch in best<strong>im</strong>mten Saarbrücker Gaststätten.<br />

4.4.5 Zusammenfassung<br />

Insgesamt lässt sich festhalten, dass <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> nur wenig in<br />

das gesellschaftliche Leben integriert sind. Insbesondere gilt dies für die in der LGU<br />

Lebach untergebrachten Personen, die nur sehr bedingt am gesellschaftlichen Leben<br />

der Stadt partizipieren. Auf dem Gelände hat sich ein Eigenleben entwickelt, das die<br />

Integration <strong>im</strong> Wesentlichen auf die Strukturen der Unterkunft beschränkt. Diese Integration<br />

gelingt weitestgehend. Lediglich bei best<strong>im</strong>mten Nationalitäten, so bei Chines<strong>innen</strong>/Chinesen<br />

oder Kurd<strong>innen</strong>/Kurden, sind best<strong>im</strong>mte Abgrenzungstendenzen zu<br />

konstatieren. Darüber hinaus gelingt noch die Integration in Gruppen der gleichen Nationalität,<br />

die außerhalb der Unterkunft leben („B<strong>innen</strong>integration“), vor allem über fami-<br />

165 Besuch am 25.09.04.


liäre Strukturen. Die Integration in das gesellschaftliche Leben der Stadt wird jedoch<br />

kaum vollzogen.<br />

Anders sieht dies in Städten <strong>und</strong> Kommunen aus, in denen dezentral untergebrachte<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> leben. In Ottweiler, St. Wendel oder Wadern beispielsweise sind <strong>Flüchtlinge</strong>,<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> -berechtigte bei allen gleichwohl bestehenden Problemen<br />

deutlich stärker in das gesellschaftliche Leben der Stadt integriert als in Lebach. Durch<br />

die innerstädtische Einzelunterbringung haben sie mehr Kontakt zu Einhe<strong>im</strong>ischen.<br />

Schwierigkeiten mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus <strong>und</strong> die drohende Gefahr<br />

von Abschiebungen führen relativ häufig auch zur Solidarisierung von Teilen der Bevölkerung.<br />

Dies ist mangels Kontakt in Lebach nicht zu beobachten.<br />

Die Integration in Migrantencommunities scheint - außer bei einigen Nationalitäten -<br />

wenig ausgeprägt zu sein. Sie beschränkt sich offenbar auf - falls noch ausgeprägt<br />

vorhanden - gemeinsames politisches Engagement <strong>und</strong> gelegentliche Unterstützung in<br />

der ersten Phase des Aufenthaltes sowie bei der Arbeitsplatzsuche.<br />

4.5 Konflikte<br />

4.5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick<br />

Einem Vorurteil zufolge heißt es, Ausländer/<strong>innen</strong> allgemein <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Besonderen seien kr<strong>im</strong>ineller als Deutsche. Um die Kr<strong>im</strong>inalität von<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n vor allem mit Blick auf die Gesamtzahlen richtig<br />

einzuordnen, ist das Vorhandensein spezifischer Deliktstrukturen zu beachten. Ausländer/<strong>innen</strong>,<br />

darunter auch <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>, fallen insbesondere aufgr<strong>und</strong><br />

von Verstößen gegen das AuslG bzw. das AsylVfG oder durch die Verletzung<br />

der Residenzpflicht auf. Dies sind Verstöße, die von Deutschen nicht begangen werden<br />

können. Ferner wird in der Polizeilichen Kr<strong>im</strong>inalstatistik nicht Kr<strong>im</strong>inalität, sondern<br />

die Zahl der Tatverdächtigen registriert. Daher sind Vergleiche entsprechender Kr<strong>im</strong>inalitätsstatistiken<br />

nur unter diesem Vorbehalt sinnvoll <strong>und</strong> angemessen. 166<br />

Darüber hinaus bereitet die Einschätzung von Diskr<strong>im</strong>inierungsfällen sowie von Fällen<br />

tatsächlicher oder vermeintlicher Delikte mit fremdenfeindlichem Hintergr<strong>und</strong> Schwierigkeiten.<br />

Straftaten mit ausländerfeindlichem Hintergr<strong>und</strong> werden b<strong>und</strong>eseinheitlich<br />

unter dem Begriff „Fremdenfeindliche Straftaten“ polizeilich erfasst. 167 Diskr<strong>im</strong>inierungsvorkommnisse<br />

sind dagegen weitaus schwieriger objektiv richtig einzuordnen. Es<br />

besteht oft eine starke Diskrepanz zwischen dem Empfinden des Betroffenen <strong>und</strong> dem<br />

Empfinden der Person, der eine Diskr<strong>im</strong>inierung zur Last gelegt wird.<br />

Im Zusammenleben von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n mit der Aufnahmegesellschaft<br />

lassen sich vier Konfliktarten unterscheiden. Zunächst zu nennen sind Kon-<br />

166 Vgl. Kaya, Semiran: Interview - Forschung: Mythos „Ausländerkr<strong>im</strong>inalität“. Statistik macht Ungleiches<br />

gleich. In: Ausländer in Deutschland, 14. Jg., Nr. 3/98, S. 5.<br />

167 Fremdenfeindliche Straftaten sind Taten, die aufgr<strong>und</strong> der tatsächlichen oder vermeintlichen Nationalität,<br />

Rasse, Hautfarbe, Religion oder Herkunft des Opfers verübt werden.<br />

99


100<br />

flikte auf zwischenmenschlicher Ebene <strong>im</strong> Zusammenleben mit anderen <strong>Flüchtlinge</strong>n.<br />

Dazu kommen einerseits Rechtsverstöße von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>,<br />

andererseits Situationen <strong>und</strong> Konflikte, in denen <strong>Flüchtlinge</strong> Kr<strong>im</strong>inalitätsopfer - mit<br />

fremdenfeindlichem Hintergr<strong>und</strong>, aber auch <strong>im</strong> Kontext sonstiger Kr<strong>im</strong>inalität - sind.<br />

Davon zu unterscheiden sind Diskr<strong>im</strong>inierungen von <strong>Flüchtlinge</strong>n. Es kann jedoch bereits<br />

an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Themen „<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

als Kr<strong>im</strong>inalitätsopfer“ <strong>und</strong> „Diskr<strong>im</strong>inierung von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>“ <strong>im</strong><br />

Saarland nur eine untergeordnete Rolle spielen.<br />

Thematisiert wird auch ein Konflikt, der sich durch die Abschiebeproblematik begründet<br />

<strong>und</strong> <strong>im</strong> Wesentlichen zwischen der politischen Ebene <strong>und</strong> Flüchtlingsvertreterorganisationen<br />

<strong>im</strong> weitesten Sinne ausgetragen wird. Das Thema soll hier näher untersucht<br />

werden, wenngleich nach wie vor gilt, dass die stark emotionalisierte Debatte der vergangenen<br />

Jahre die Möglichkeiten einer sachlich-neutralen Analyse stark einschränkt.<br />

4.5.2 Konflikte auf zwischenmenschlicher Ebene<br />

„Fremdenfeindlichkeit“ oder „Ausländerfeindlichkeit“ sind zumindest auf den ersten<br />

Blick wohlbekannte Begriffe. In der sozialwissenschaftlichen wie in der öffentlichen<br />

Diskussion über die Beziehungen zwischen Deutschen <strong>und</strong> „Ausländern“ gehören sie<br />

zum vermeintlich selbstverständlichen Sprachgebrauch. Dasselbe gilt für verwandte,<br />

scheinbar eindeutige Begriffe wie „Rassismus“ <strong>und</strong> „Diskr<strong>im</strong>inierung“ oder „Vorurteile“<br />

<strong>und</strong> „Stereotype“. Wer jedoch in einschlägigen Veröffentlichungen zu diesen Themen<br />

nach klaren Begriffsbest<strong>im</strong>mungen sucht, stößt auf starke Ungenauigkeiten. Diese<br />

Thematik kann hier nur kurz angerissen werden, um mit Blick auf Alltagsbegegnungen<br />

von <strong>Flüchtlinge</strong>n mit Mitbürger/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Behördenmitarbeiter/<strong>innen</strong> anzudeuten, welche<br />

Ausgrenzungserfahrungen wahrscheinlich relativ häufig erlebt werden.<br />

Der Begriff „ethnische Grenzziehung“ kann angewendet werden, wenn – zum Teil<br />

fragwürdige – Vorstellungen von (vermeintlich) relativ stabilen, herkunftsbedingten <strong>und</strong><br />

kulturellen Besonderheiten best<strong>im</strong>mter Bevölkerungsgruppen <strong>im</strong> Spiel sind. Stereotype,<br />

Vorurteile <strong>und</strong> Diskr<strong>im</strong>inierungen stellen unterschiedliche Aspekte oder D<strong>im</strong>ensionen<br />

ethnischer Grenzziehungen dar, die untereinander mehr oder weniger enge Verknüpfungen<br />

aufweisen <strong>und</strong> jeweils auch unterschiedlich stark fremdenfeindlich ausgerichtet<br />

sein können. 168<br />

Stereotype sind allgemein definiert als Überzeugung oder Annahmen über die Eigenschaften<br />

<strong>und</strong> Merkmale einer Gruppe von Personen. Diese beziehen sich entweder auf<br />

alle Angehörigen dieser Gruppe oder zumindest auf deren Mehrheit. Entscheidend ist<br />

dabei der Aspekt der Generalisierung: die Verallgemeinerung best<strong>im</strong>mter Meinungen<br />

über typische Zusammenhänge zwischen Personen <strong>und</strong> deren Eigenschaften auf alle,<br />

die einer best<strong>im</strong>mten Gruppe oder Kategorie zugeordnet werden. So ist zum Beispiel<br />

die Aussage „Asylanten wollen nicht arbeiten“ ein Stereotyp <strong>im</strong> Sinne einer verallgemeinerten<br />

Meinung über eine typische Verbindung zwischen einer Gruppe oder Kate-<br />

168 Die Begriffsbest<strong>im</strong>mungen wurden zusammengestellt nach: Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-<br />

Stiftung (Hg.): Ursache <strong>und</strong> Formen der Fremdenfeindlichkeit in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />

Bonn 1999.


gorie von Personen <strong>und</strong> einem Attribut. Solche Stereotype gibt es nicht nur für Angehörige<br />

von Fremdgruppen, sondern auch für die jeweilige Eigengruppe.<br />

Der Begriff des Vorurteils bezeichnet hingegen eine besondere Variante von Einstellungen,<br />

die ebenfalls allgemein dadurch gekennzeichnet sind, dass sie sich auf alle<br />

oder die meisten Personen beziehen, die einer Gruppe oder Kategorie zugeordnet<br />

werden. Charakteristische Merkmale von Vorurteilen sind:<br />

101<br />

1. mit Bewertungen verb<strong>und</strong>ene Überzeugungen <strong>und</strong> Meinungen über die<br />

Eigenschaften <strong>und</strong> Merkmale best<strong>im</strong>mter Personen oder Gruppen (z.B.<br />

„Neger sind faul“),<br />

2. emotionale Reaktionen in der Beziehung zu best<strong>im</strong>mten Personengruppen<br />

(z.B. Misstrauen oder Furcht) <strong>und</strong><br />

3. daran orientierte Verhaltensweisen (z.B. Kontaktvermeidung).<br />

Im Gegensatz zu Stereotypen <strong>und</strong> Vorurteilen bezeichnet der Begriff der (hier: ethnischen)<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung konkrete Handlungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen gegenüber Personen,<br />

die an deren Zugehörigkeit zu best<strong>im</strong>mten (ethnischen) Gruppen orientiert ist.<br />

Dazu zählen z.B. Benachteiligungen be<strong>im</strong> Zugang zu angestrebten Arbeitsplätzen,<br />

Wohnungen <strong>und</strong> Bildungsinstitutionen, die Verweigerung best<strong>im</strong>mter Rechte <strong>und</strong> politischer<br />

Beteiligungsmöglichkeiten, aber auch gewalttätige Angriffe oder eher subtile<br />

Formen der Kontaktvermeidung gegenüber Personen aufgr<strong>und</strong> ihrer Zugehörigkeit<br />

oder Zuschreibung zu einer best<strong>im</strong>mten ethnischen Gruppe.<br />

Wenngleich das Thema der aus diesen Haltungen heraus entstehenden Konflikte auf<br />

zwischenmenschlicher Ebene für diesen Bericht eher von untergeordneter Bedeutung<br />

ist, sollen doch einige Erfahrungen aus Lebach, aber auch aus anderen saarländischen<br />

Kommunen, genannt werden.<br />

Generell gilt, dass manche alltagskulturellen Praktiken von <strong>Flüchtlinge</strong>n - wie bis spätabends<br />

spielende Kinder - als störend empf<strong>und</strong>en werden. Es kann zu Konflikten<br />

kommen, weil meist noch kein Modus gef<strong>und</strong>en wurde, sich über Regeln des Zusammenlebens<br />

- wie z.B. die Nachtruhe - zu einigen <strong>und</strong> diese dann auch zu befolgen.<br />

Die Situation in Lebach<br />

Konflikte auf zwischenmenschlicher Ebene stellen in der LGU keine Sonderproblematik<br />

dar, auch wenn innerethnische, außerethnische <strong>und</strong> kulturelle Konflikte relativ häufig<br />

auftreten. Die räumliche Enge <strong>und</strong> Zusammenlegung unterschiedlicher Kulturen etc.<br />

bergen auch nach Ansicht der LAFL- <strong>und</strong> GAB-Mitarbeiter/<strong>innen</strong> Konfliktpotenzial. Das<br />

LAFL bemüht sich präventiv darum, Angehörige unterschiedlicher Nationalitäten bzw.<br />

Menschen aus kulturell unterschiedlichen Kulturkreisen getrennt unterzubringen. Ferner<br />

besteht die Möglichkeit des Umzugs innerhalb der LGU, was offenbar häufig beantragt<br />

wird. 169<br />

Ganz zu verhindern sind Konflikte jedoch nicht. Zu nennen sind insbesondere auch<br />

innerfamiliäre Konflikte einerseits zwischen Ehepartnern, andererseits zwischen Eltern<br />

169 Gespräch mit der Leitung des LAFL <strong>und</strong> der GAB, 12.08.04.


102<br />

<strong>und</strong> Kindern. Neben dem häufig genannten Thema häuslicher Gewalt erwähnenswert<br />

sind auch Konflikte zwischen Vätern bzw. Müttern <strong>und</strong> Töchtern. Hier aufwachsende<br />

Mädchen wollen - wie Jungen auch, bei denen jedoch hieraus seltener Konflikte entstehen<br />

- ein Leben in ähnlicher Freiheit wie ihre deutschen Klassenkamerad<strong>innen</strong>/kameraden<br />

führen. Hier kommt es häufig zu Auseinandersetzungen. 170<br />

Nach Angaben eines Mitarbeiters der Diakonie in Lebach gab es viele Konflikte zwischen<br />

Kurd<strong>innen</strong>/Kurden <strong>und</strong> Algerier/<strong>innen</strong>. Selten enden diese jedoch so negativ wie<br />

2002, als es zwischen Jugendlichen beider Gruppen zu einer Auseinandersetzung<br />

kam, in deren Verlauf ein Jugendlicher durch Messerstiche fast getötet wurde. 171 Zudem<br />

hätten die Roma sehr viel Angst vor Algerier/<strong>innen</strong> gehabt. 172 Während des Irak-<br />

Kriegs gab es häufig Konflikte, z.T. auch Schlägereien zwischen pro-amerikanischen<br />

irakischen Kurd<strong>innen</strong>/Kurden <strong>und</strong> Araber/<strong>innen</strong>, die gegen die amerikanische Intervention<br />

waren. Durch Umbelegungen konnten einige Konflikte entschärft werden. 173<br />

Nach Auffassung des Diakonie-Mitarbeiters erzeugen die Umstände der Unterbringung<br />

in der LGU zusätzlich Aggressionen, die Wohlfahrtsverbände könnten jedoch weitgehend<br />

deeskalierend tätig werden. Zudem ist die Polizei in der Unterkunft präsent <strong>und</strong><br />

fährt nachts ca. zwei Mal pro St<strong>und</strong>e Streife. 174 Durch den Zuzug von Personen aus<br />

Völklingen <strong>und</strong> Homburg <strong>im</strong> Sommer 2004 sind Probleme räumlicher Enge jedoch<br />

nicht mehr so leicht zu lösen wie vorher. 175 Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation<br />

entwickelt.<br />

Außerhalb der LGU sind in der jüngeren Vergangenheit keine nennenswerten Konflikte<br />

bekannt geworden. Eine Ausnahme ist seit 2001 die Situation am „Wertstoff-<br />

<strong>und</strong> Entsorgungshof“ der Stadt, wo es häufig zu Konflikten kommt, wenn <strong>Flüchtlinge</strong><br />

die auf Einlass wartenden Autos <strong>und</strong> Anhänger regelrecht stürmen <strong>und</strong> auf der Suche<br />

nach verwertbaren Dingen durchsuchen. 176 Der Wertstoffhof soll nun in den Gewerbepark<br />

verlegt werden, wodurch nicht zwingend eine Entschärfung der Situation zu erwarten<br />

ist. Es ist jedoch zu vermuten, dass es <strong>im</strong>mer wieder zu kleineren Konflikten<br />

zwischen <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> einerseits <strong>und</strong> Einhe<strong>im</strong>ischen andererseits<br />

kommt, die vielen „nicht der Rede wert“ sind <strong>und</strong> nicht benannt werden, wenngleich<br />

sie durchaus aussagekräftig für ein nicht ganz spannungsfreies Verhältnis sind.<br />

170 Gespräch mit der Vorsitzenden von Peywand e.V., 01.09.04.<br />

171 Dies bestätigt auch die Caritas bei einem Gespräch am 26.März 2003.<br />

172 Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beratungsstelle für Aussiedler <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> des Diakoni-<br />

schen Werks Lebach, 20.09.02.<br />

173 Gespräch mit der Leitung des LAFL <strong>und</strong> der GAB am 12.08.04.<br />

174 Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beratungsstelle für Aussiedler <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> des Diakoni-<br />

schen Werks Lebach, 20.09.02.<br />

175 Gespräch mit der Leitung des LAFL <strong>und</strong> der GAB, 12.08.04.<br />

176 Vgl. isoplan-Institut (Hg.): <strong>Weißbuch</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong> <strong>im</strong> Saarland 2002, Saarbrücken<br />

2003, S. 106.


Beispiel:<br />

Ein 18-jähriger Afghane erlebte <strong>im</strong> September 2004 einen Vorfall, der nicht direkt als „Konflikt“<br />

zu bezeichnen ist, aber von gewissen Spannungen zeugt. Auf dem Rückweg von der Schule<br />

zur Unterkunft fiel ihn in der Poststraße unvermittelt ein Jagdh<strong>und</strong> an <strong>und</strong> biss ihn in den Arm.<br />

Der Afghane war relativ schnell gegangen <strong>und</strong> hatte offenbar etwas abrupt angehalten, um<br />

einen Mann um Feuer zu bitten. In dieser Situation sprang ihn der H<strong>und</strong> an. Er blutete daraufhin<br />

stark, die W<strong>und</strong>e war schmerzhaft <strong>und</strong> seine Kleidung war zerrissen. Die kurz nach dem Vorfall<br />

erscheinende Halterin des H<strong>und</strong>es entschuldigte sich nicht für den Vorfall. Mit einer Betreuerin<br />

der Caritas fuhr der Junge ins Krankenhaus, wo es hieß, dass die W<strong>und</strong>e „nicht schl<strong>im</strong>m“ sei.<br />

Der H<strong>und</strong> war nicht ge<strong>im</strong>pft, aber wohl doch ges<strong>und</strong>. Später kam die H<strong>und</strong>ehalterin in die Unterkunft<br />

<strong>und</strong> brachte ihm ein neues T-Shirt, als Ersatz für die zerstörte Kleidung. Dieses war<br />

jedoch kein angemessener Ersatz, sondern ein eher billiges Hemd. Der Afghane äußerte sich<br />

nicht direkt negativ, fühlte sich aber insgesamt nicht angemessen behandelt.<br />

Die Situation in anderen saarländischen Kommunen<br />

Ein früherer Sprecher des Ausländerbeirates Saarbrücken formuliert die problematische<br />

Ausgangsbasis jeden Dialogs mit Deutschen folgendermaßen: „Der <strong>Asylbewerber</strong><br />

<strong>und</strong> der Kriegsflüchtling werden ... kurz zu Asylanten. Man kann sie ja verstehen, wenn<br />

sie aus politischen Gründen ihr He<strong>im</strong>atland verlassen, weil ihnen Gefahr droht. Wenn<br />

sie es nicht schaffen, in ihren Ländern zu leben, können wir aus humanitären Gründen<br />

einige aufnehmen, aber auf gar keinen Fall ALLE, das geht doch nicht“. 177<br />

Bis zur Auflösung der KGU in Saarbrücken kam es in der Landeshauptstadt <strong>im</strong>mer<br />

wieder zu kleineren Konflikten mit der Nachbarschaft. Ernstere Probleme oder<br />

Übergriffe wurden jedoch nicht bekannt. Insgesamt konnte das Zusammenleben als<br />

„gutes Nebeneinander“ 178 charakterisiert werden. Auch <strong>im</strong> Jahr 2004 wurden keine<br />

nennenswerten Konflikte <strong>im</strong> Zusammenleben der vielen in Einzelunterbringung<br />

lebenden <strong>Flüchtlinge</strong> mit der Aufnahmegesellschaft bekannt.<br />

Bis zur Auflösung der LGU galt ähnliches auch für die Situation in Homburg. Das Zusammenleben<br />

wurde von der Verwaltungsfachkraft der Unterkunft als relativ konfliktfrei,<br />

von Mitarbeiter/<strong>innen</strong> des DRK als relativ konfliktträchtig beschrieben. In früheren<br />

Jahren bestehende Konflikte zwischen Aussiedler/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

sowie zum Teil auch bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Gruppen<br />

waren 2004 nicht mehr gegeben. Gleichwohl wurde als Auffälligkeit genannt, dass das<br />

Miteinander der verschiedenen Volksgruppen untereinander sehr stark von Vorurteilen<br />

geprägt sei (Unter anderem heiße es: „Kurden sind Terroristen, Kosovo-Albaner klauen,<br />

Zigeuner sind dreckig“). Konflikte wurden nach Aussagen der DRK-<br />

Mitarbeiter/<strong>innen</strong> offen ausgetragen. Die Gruppen suchten zudem nur sehr wenig Kontakt<br />

zueinander <strong>und</strong> lebten stark isoliert in ihrer, einem eigenen Mikrokosmos ähnelnden<br />

Community. 179<br />

103<br />

177<br />

Mentes, Suat: „Oh, Sie sprechen aber sehr gut deutsch...“. Ein misslungener Dialog. In: Saarbrücker<br />

Hefte Nr. 73, März 1995, S. 12.<br />

178<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des AusländerInnenprojekts der Evangelischen Kirchengemeinde<br />

Brebach, 27.03.03.<br />

179<br />

Gespräch mit DRK-Mitarbeitern in Homburg, 26.09.02.


104<br />

In der 2004 aufgelösten LGU in Völklingen waren Konflikte unter den Bewohner/<strong>innen</strong><br />

nach Aussagen der Verwaltungsfachkraft der LGU eher selten. Bis heute problematisch<br />

sind jedoch Ängste bzw. eine fehlende Akzeptanz der ausländischen Bevölkerung<br />

generell seitens der einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung. Durch den hohen Ausländeranteil<br />

bzw. Zuzug von Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> ist das „Gefühl<br />

der feindlichen Übernahme“ ganzer Straßenzüge, entstanden. Diese häufig genannte<br />

Aussage bezieht sich auf einen Trend des Aufkaufs von Häusern in best<strong>im</strong>mten<br />

Straßen v.a. durch italienische <strong>und</strong> türkische Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten. „Bei den<br />

Alteingesessenen lasse sich“ - hieß es bei einer Bürgerversammlung 2001 - „eine Art<br />

versteckte Fremdenfeindlichkeit bis zum Fremdenhass beobachten. Berührungspunkte<br />

gebe es mit den Ausländer/<strong>innen</strong> nur sehr wenige“. 180 Der erneute Wahlerfolg<br />

der NPD bei den Kommunalwahlen <strong>im</strong> Frühsommer 2004 <strong>und</strong> bei den Landtagswahlen<br />

<strong>im</strong> Sommer 2004 (9,7 %) bestätigt ein Fortbestehen dieser Ressent<strong>im</strong>ents, von der<br />

auch in Einzelunterbringung lebende <strong>Flüchtlinge</strong> betroffen sind.<br />

Im alltäglichen städtischen Zusammenleben gibt es nach Einschätzung eines Pfarrers<br />

nur wenig echte Probleme. Wenn es einmal zu Vorfällen komme, beobachte er jedoch<br />

oft Negativreaktionen. So habe die Gewährung von Kirchenasyl unter anderem „Hasstiraden<br />

am Telefon“ zur Folge gehabt. Bei Einbrüchen oder ähnlichen Delikten komme<br />

es oft zu einer Vorverurteilung in dem Sinne, dass „dies best<strong>im</strong>mt wieder Ausländer<br />

waren“. Einhe<strong>im</strong>ische Kinder <strong>und</strong> Jugendliche hatten bis zur Umsiedlung nach Lebach<br />

unter anderem in der Schule eher Probleme mit der Cliquenbildung von Flüchtlingsjugendlichen<br />

als konkrete Probleme <strong>im</strong> Einzelkontakt. 181<br />

In Ottweiler lässt sich keine aggressive <strong>und</strong> offene Ausländerfeindlichkeit feststellen.<br />

Eher ist eine „latente Angst vor Fremden“ festzustellen, heißt es seitens der Mitglieder/<strong>innen</strong><br />

des 2001 gegründeten „R<strong>und</strong>en Tischs Interkulturelle Zusammenarbeit“. Vor<br />

allem bei Älteren <strong>und</strong> in den Schulen seien entsprechende Äußerungen zu hören. 182<br />

Aber auch <strong>im</strong> Jugendclub, der sich als „multikulti“ versteht, lässt sich gelegentlich eine<br />

gewisse subtile Fremdenfeindlichkeit feststellen. 183 Auch seitens der Polizei wird<br />

„eine distanzierte bis fremdenfeindliche Haltung der Deutschen <strong>im</strong> zwischenmenschlichen<br />

Kontakt zu <strong>Flüchtlinge</strong>n“ genannt. 184<br />

Exemplarisch genannt werden kann eine Veranstaltung von Stadt <strong>und</strong> R<strong>und</strong>em Tisch<br />

in Zusammenarbeit mit dem Adolf-Bender-Zentrum am 22.08.04. Flüchtlingsjugendliche<br />

aus St. Wendel (vor allem aus dem Kosovo) verarbeiteten konkrete Ausgrenzungserfahrungen<br />

in einer <strong>im</strong> Rahmen des XENOS-Projektes des Adolf-Bender-<br />

Zentrums erarbeiteten Musiktheater-Aufführung „Menschen wie Du <strong>und</strong> Ali“ (s. Fotos).<br />

Sie thematisierten Verdächtigungen seitens Kaufhausdetektiven, den verweigerten<br />

Eintritt in Diskotheken <strong>und</strong> Probleme mit Eltern deutscher Fre<strong>und</strong><strong>innen</strong>.<br />

180<br />

Kirchengemeinde Völklingen-Warndt (Hg.): Veränderung gestalten. Dokumentation der Zukunftskonferenz<br />

am 15. <strong>und</strong> 16. Juni 2001 in Völklingen, Völklingen 2002, S. 10.<br />

181<br />

Gespräch mit einem der Pfarrer der Evangelischen Versöhnungskirchengemeinde Völklingen<br />

24.03.03.<br />

182<br />

183<br />

184<br />

Vgl. Wochenspiegel Neunkirchen: R<strong>und</strong>er Tisch gegen Rechts (11.04.01).<br />

Gespräch mit der Jugendreferentin der Stadt, 09.12.02.<br />

Vgl. R<strong>und</strong>er Tisch - Interkulturelle Zusammenarbeit: Protokoll der Sitzung vom 03.06.02.


Abbildung 10: Theatergruppe aus St. Wendel: „Menschen wie Du <strong>und</strong> Ali“<br />

Viele von den Jugendlichen erdachte Szenen des Stücks thematisieren den Umgang<br />

mit <strong>Flüchtlinge</strong>n, Vorurteile <strong>und</strong> Verdächtigungen. So werden die Flüchtlingsjugendlichen<br />

seitens deutscher Jugendlicher <strong>im</strong>mer wieder „Schmarotzer“, „Schwarzkopf“ oder<br />

„Kanake“ genannt. Wenn es darum geht, woher sie kommen, heißt es beispielsweise<br />

bei Albanien: „Gibt’s da Telefon?“. Verarbeitet wurde zudem die ausgrenzende Erfahrung,<br />

dass sie aufgr<strong>und</strong> ihrer Duldung kaum oder keine Möglichkeiten haben, eine<br />

Ausbildung zu machen <strong>und</strong> eine Arbeit zu erhalten. Es ist anzunehmen, dass die ausgewählten<br />

Szenen relativ viel mit ihrer Lebensrealität zu tun haben. In einer Szene, die<br />

in einem Saarbrücker Kaufhaus spielt, kommt es zu einer Verdächtigung durch den<br />

Kaufhausdetektiv (Beispiel 1), in einer anderen Szene unter Jugendlichen, die sich aus<br />

der St. Wendeler Diskothek „Flash“ kennen, wird ein Flüchtling nach einer verbalen<br />

Eskalation schwer verletzt (Beispiel 2). 185<br />

Beispiel 1: Ausschnitt aus der Szene „Let’s dance“ (Kolay <strong>und</strong> Murat sind zwei kosovoalbanische<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, Hans ist ihr deutscher Kumpel.)<br />

Kolay: Weißt du was mir passiert ist?<br />

Murat: Ja.<br />

Kolay: Woher?<br />

Hans: Ein Scherz.<br />

Kolay: Klar. Ich bin zu Peek & Cloppenburg. Weil ich doch auf die Hochzeit eingeladen bin.<br />

Murat: Von deiner Cousine.<br />

Kolay: Meinem Onkel.<br />

Murat: Tschuldigung. (...)<br />

Kolay: Also ich bin in Peek & Cloppenburg rein gegangen, da kommt … Ich zeig dir das mal.<br />

Steh mal auf.<br />

Murat: Okay.<br />

Kolay: Geh mal so rum wie wenn du <strong>im</strong> Peek & Cloppenburg wärst <strong>und</strong> was suchen würdest.<br />

Murat: Okay.<br />

Kolay: Der Typ greift mich am Ellenbogen, so, <strong>und</strong> hält mich fest. „Kann ich Ihnen helfen?“<br />

185<br />

Adolf-Bender-Zentrum (Hg.): „Menschen wie Du <strong>und</strong> Ali“, Manuskript zu einem szenischen Theaterstück,<br />

St. Wendel 2004.<br />

105


106<br />

Murat: Nein.<br />

Kolay: Suchen Sie etwas best<strong>im</strong>mtes?<br />

Murat: Ich such was für meine Fre<strong>und</strong>in.<br />

Kolay: Das ist aber die Herrenabteilung.<br />

Murat: Ich dachte, wo ich da bin, such ich auch für mich.<br />

Kolay: Was darf‘s denn sein?<br />

Murat: Für meine Fre<strong>und</strong>in?<br />

Kolay: Für Sie.<br />

Murat: Ich weiß noch nicht.<br />

Kolay: Ich kann Sie ja mal rumführen.<br />

Murat: Danke, das war sehr aufschlussreich. Du kannst meinen Arm wieder loslassen.<br />

Kolay: Kennen wir uns?<br />

Murat: Das ist nicht witzig.<br />

Kolay: Würden Sie mal bitte die Tasche auspacken?<br />

Murat: Rufen Sie die Polizei <strong>und</strong> dann rede ich mit Ihnen weiter.<br />

Kolay: Kommen Sie bitte mit in mein Büro (Führen ihn in das Büro).<br />

Murat: Wie soll ich denn was stehlen, wenn Sie mich die ganze Zeit festhalten.<br />

Kolay: Ich bin ja erst dazugekommen. Zu Hans: Steh mal auf. So, das ist mein Kollege, der<br />

Herr Schneider, der wird Sie <strong>im</strong> Auge behalten, während ich die Polizei rufe.<br />

Hans: Pass bloß auf. Ich hau dir aufs Maul.<br />

Murat: Ich hab nichts getan.<br />

Hans: Jaja. Jetzt suchen wir mal in der Tasche.<br />

Murat: Nicht ohne Polizei. Ich müsste sonst Anzeige gegen Sie erheben.<br />

Kolay: So ein Schlaumeier.<br />

Hans: Will der uns belehren?<br />

Kolay: Sieht so aus.<br />

Murat: Haben Sie die Polizei gerufen?<br />

Kolay: Wir warten noch.<br />

Hans: Wir wollen dir erst was zeigen (Greift ihn heftig an).<br />

Murat: Loslassen! (Fällt auf den Boden)<br />

Hans: Du sollst doch Gr<strong>und</strong> für die Anzeige haben.<br />

Murat: Okay. Genug gespaßt.<br />

Kolay: Spaß?<br />

Hans: Spaß? Wir meinen es ernst. Wir zeigen dir mal deutsche Gastfre<strong>und</strong>schaft (Tritt ihn).


Beispiel 2: Szene „Ich kenn dich“ (Begegnung zwischen einem kosovo-albanischen Jugendlichen<br />

- dem „Besucher“ - <strong>und</strong> dem „Fre<strong>und</strong>“ seiner Bekannten, einer Deutschen)<br />

Fre<strong>und</strong>: Hei, du.<br />

Besucher: Redest du mit mir?<br />

Fre<strong>und</strong>: Klar.<br />

Besucher: Willst du was? (...)<br />

Fre<strong>und</strong>: Ich kenn dich.<br />

Besucher: Was soll das?<br />

Fre<strong>und</strong>: Ich kenn dich. Aus dem „Flash“.<br />

Besucher: Na <strong>und</strong>?<br />

Fre<strong>und</strong>: Du tanzt so schwul.<br />

Besucher: Dein Bus geht gleich.<br />

Fre<strong>und</strong>: Wie witzig.<br />

Besucher: Kommt noch was? Ich hab keine Zeit für Idioten.<br />

Fre<strong>und</strong>: Du bist mit meiner Fre<strong>und</strong>in gegangen.<br />

Besucher: Ich bin gar nichts.<br />

Fre<strong>und</strong>: Doch. Du bist mit meiner Fre<strong>und</strong>in aus dem „Flash“ gegangen.<br />

Besucher: Ach du bist das. Die ist nur mit mir rausgegangen.<br />

Fre<strong>und</strong>: Macht ihr Kanaken das <strong>im</strong>mer so?<br />

Besucher: Verschwinde.<br />

Fre<strong>und</strong>: Mitleid schinden <strong>und</strong> dann deutsche Mädels flachlegen. Ich werde dir schon<br />

Manieren beibringen.<br />

Besucher: Ich hab niemand flachgelegt. Vielleicht liegt‘s ja an dir.<br />

Fre<strong>und</strong>: Du hast die ganz große Klappe eingepackt, was? (Hält ihm ein Messer an die<br />

Kehle) Deutscher Stahl. Fast‘n bisschen schade für deinen ungewaschenen<br />

Hals. Was soll‘s.<br />

Besucher: (versucht sich zu befreien.)<br />

Fre<strong>und</strong>: Sehr nett. Komm mit, ich zeig dir mal was.<br />

Besucher: (Stellt F ein Bein <strong>und</strong> macht sich los.)<br />

Fre<strong>und</strong>: (Wirft sich auf B) Kein Benehmen. Ihr seid Gäste, aber ihr führt euch auf wie die<br />

Herren. Aber die Herren sind wir. Merks dir.<br />

Besucher: Hilfe!<br />

(Sticht zu) Merks dir gut, falls du das überlebst. (sticht zu.)<br />

Fre<strong>und</strong>: Dir hilft keiner. Dir nicht. Du hast ja mich angegriffen. Sag ich auf jeden Fall der<br />

Polizei. Um euch ist es nicht schad. (Sticht zu <strong>und</strong> rennt weg.)<br />

107


108<br />

Das auf dem Hauptplatz der Stadt präsentierte Stück mit vielen Breakdance-Einlagen<br />

schauten sich kaum Einhe<strong>im</strong>ische an. Die Zuschauer waren zu zwei Dritteln <strong>Flüchtlinge</strong>.<br />

An der Aufführung unbeteiligte Deutsche setzten sich nicht vor die Bühne, sondern<br />

blieben in umliegenden Cafés sitzen, um sich die Aufführung aus der Entfernung anzuschauen.<br />

186<br />

Bei einer Bürger-Befragung <strong>im</strong> Jahr 2000 gab es bei der Frage „Was gefällt Ihnen an<br />

Ottweiler <strong>im</strong> Vergleich zu anderen Städten überhaupt nicht, was muss verbessert werden?“<br />

einige Nennungen, die diese distanzierte Haltung stützen: „Camping der Ausländer<br />

Im Alten Weiher“, „zu hohe Ausländerzahl“ (<strong>und</strong> sechs weitere ähnlich lautende<br />

Aussagen), „zu viele Türken <strong>und</strong> andere Fremde“, „die vielen Ausländer, die auf unsere<br />

Kosten Siesta auf den Wiesen feiern“. Zusammengefasst wurde diese St<strong>im</strong>mung als<br />

„ablehnende Haltung gegenüber den wenigen <strong>Asylbewerber</strong>n vor Ort seitens der Bevölkerung“<br />

bezeichnet. 187 Die Nennungen zu „Camping“ <strong>und</strong> „Siesta“ beziehen sich<br />

darauf, dass einige kurdische Flüchtlingsfamilien sich <strong>im</strong> Sommer häufig nahe der Altstadt<br />

<strong>und</strong> ihrer Wohnungen auf einem Wiesengelände aufhalten, sich unterhalten <strong>und</strong><br />

ihre Kinder auf dem nahgelegenen Spielplatz spielen lassen. Eine Kontaktaufnahme<br />

wird kaum versucht.<br />

Zu Konflikten auf zwischenmenschlicher Ebene gehören auch Konflikte innerhalb<br />

von Familien. Viele Flüchtlingsfrauen leiden unter ihrer zum Teil ungewohnten beruflichen<br />

Isolation <strong>und</strong> familiären Problemen. Sie übernehmen in Deutschland oft einen<br />

Großteil der früher männlichen Rolle innerhalb der Familie, da viele Männer frustriert<br />

sind <strong>und</strong> sich stark zurückziehen. Auch das hiesige - <strong>im</strong> Vergleich zur He<strong>im</strong>at oft sehr<br />

unterschiedliche - Leben der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen birgt erhebliches Konfliktpotenzial.<br />

Mütter sind permanent hin- <strong>und</strong> hergerissen zwischen eigenen Vorstellungen <strong>und</strong><br />

dem Bemühen um einen Ausgleich, müssen „sehr viel aushalten“ <strong>und</strong> bekommen psychische<br />

Probleme. Viele Männer lassen zudem die Unzufriedenheit über ihre eigene<br />

Situation an ihren Frauen aus (vgl. zur Situation von Frauen auch Kapitel 4.6). 188<br />

Nach Auskunft einer Mitarbeiterin des Vereins Notruf & Beratung für vergewaltigte <strong>und</strong><br />

misshandelte Frauen, Notrufgruppe Saarbrücken 189 liegt bei Männern - unabhängig von<br />

deren Nationalität - eine gewisse „Gewaltdisposition“ vor. In Krisen bzw. extremen<br />

Ohnmachtsituationen kann diese zum Ausbruch kommen. Die beengte Lebenssituation,<br />

der u.a. durch fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten verlorene Status des Ernährers<br />

<strong>und</strong> vielfach vorhandene Ängste vor Abschiebung oder Ähnlichem legen nahe,<br />

dass es auch in Flüchtlingsfamilien zu Gewalttätigkeiten kommen kann. Der Verein<br />

sieht jedoch keinen Gr<strong>und</strong> zur Erfassung des Aufenthaltsstatus. Insofern liegen keine<br />

186<br />

Dass die ortsansässigen jugendlichen Skater <strong>und</strong> Breakdancer - darunter auch Migrantenjugendliche<br />

- nicht zuschauten, lag in deren Konkurrenz begründet: Man trete in „contests“ gegeneinander<br />

an, erklärte einer. Ihnen gefiel offenbar auch nicht, dass die St. Wendeler Breakdancer auf „Ottweiler<br />

Terrain“ auftreten konnten.<br />

187<br />

Vgl. Isoplan-Institut: Stadtmarketing Ottweiler. Teil 1: Bestandsaufnahme <strong>und</strong> Analyse der<br />

Befragungsergebnisse, Saarbrücken 2001, Anhang.<br />

188<br />

Gespräch mit der Leiterin der Beratungsstelle für Flüchtlingsfrauen des Diakonischen Werks am<br />

17.08.04.<br />

189<br />

Der Verein verfolgt das Ziel, jegliche Form sexualisierter Gewalt gegen Frauen <strong>und</strong> Mädchen öffentlich<br />

zu machen sowie betroffenen Frauen <strong>und</strong> Mädchen praktische Hilfe anzubieten. Er bietet<br />

Information, Beratung <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit zu jeder Form sexualisierter Gewalt wie Vergewaltigung,<br />

Misshandlung, sexuelle Ausbeutung in der Kindheit, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz,<br />

sexuelle Ausbeutung in der Therapie <strong>und</strong> Psychoterror. Der Verein ist saarlandweit aktiv (vgl.:<br />

www.frauennotrufe.de/notrufe/saa01.html).


Daten zu <strong>Asylbewerber</strong><strong>innen</strong> <strong>und</strong> Flüchtlingsfrauen vor. Registriert wird lediglich, ob<br />

ein Migrationshintergr<strong>und</strong> besteht. Die meisten Migrant<strong>innen</strong>, die sich an den Verein<br />

wenden, verfügen über leidliche bis gute Deutschkenntnisse, leben daher wahrscheinlich<br />

schon einige Jahre in Deutschland. Einzelne Nationalitäten oder Herkunftsregionen<br />

scheinen nicht zu dominieren. Es ist zu vermuten, dass mangels Kenntnis der Einrichtung<br />

relativ wenig <strong>Asylbewerber</strong><strong>innen</strong> mit Beratungsbedarf das Angebot nutzen. 190<br />

Auch aufgr<strong>und</strong> befürchteter aufenthaltsrechtlicher Folgen kann vermutet werden, dass<br />

eine relativ hohe Hemmschwelle besteht, sich bei häuslichen Gewalterfahrungen an<br />

die Einrichtung zu wenden. „Frauen haben sicherlich oft die Wahl zwischen einer<br />

Rückkehr oder dem Ertragen von Gewalt“, bringt eine Beraterin die Konfliktsituation auf<br />

den Punkt. 191<br />

In den vergangenen Jahren ließen sich eher mit Deutschen verheiratete Frauen mit<br />

Fluchthintergr<strong>und</strong> beraten. Sie seien häufig nicht darüber informiert, dass sie nach reformierter<br />

Gesetzgebung schon nach zwei Jahren Ehe (früher drei) über ein eigenständiges<br />

(eheunabhängiges) Aufenthaltsrecht verfügen, daher bevorzugen sie es häufig<br />

- trotz Gewaltanwendung - be<strong>im</strong> Partner zu bleiben. 192<br />

4.5.3 Rechtsverstöße von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

Die Polizeiliche Kr<strong>im</strong>inalstatistik des Saarlandes enthält Angaben zu der Anzahl der<br />

ermittelten Tatverdächtigen nach legalem <strong>und</strong> illegalem Aufenthaltstitel, nach Aufenthaltsgründen<br />

sowie der Art des begangenen Delikts. Bei den Aufenthaltsgründen werden<br />

verschiedene Gruppen aufgeführt, darunter auch <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>. Diese Kategorie<br />

umfasst keine geduldeten Personen, kommt der Zielgruppe dieser Untersuchung<br />

jedoch am nächsten.<br />

Im Jahr 2003 hat die saarländische Polizei nach einem Bericht des Landeskr<strong>im</strong>inalamtes<br />

r<strong>und</strong> 6.600 ausländische Tatverdächtige ermittelt. Davon hatten 3.100 nicht ihren<br />

Wohnsitz <strong>im</strong> Saarland. Es handelt sich um Personen aus 118 Ländern. Es dominieren<br />

Französ<strong>innen</strong>/Franzosen (1.172), Türk<strong>innen</strong>/Türken (940), Italiener/<strong>innen</strong> (793) <strong>und</strong><br />

Staatsangehörige der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (429). Von den<br />

6.598 ermittelten Ausländer/<strong>innen</strong>, denen Straftaten vorgeworfen werden, hielten sich<br />

nach LKA-Angaben 1.218 illegal in Deutschland auf. Bei weiteren 515 handelte es sich<br />

um <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, was 7,8% (2001 noch 5,8 %) der nichtdeutschen Tatverdächtigen<br />

<strong>und</strong> 1,7% aller Tatverdächtigen (2001 noch 1,4%) entsprach. Unter diesen dominierten<br />

mit 426 Tatverdächtigen die Männer. Im Vorjahresvergleich ging die Zahl<br />

ausländischer Tatverdächtiger um 198 (2,9 %) zurück. Nach Einschätzung von Roland<br />

Moser, Leiter des Kr<strong>im</strong>inaldienstes in der Landeshauptstadt Saarbrücken, ist die Entwicklung<br />

der Kr<strong>im</strong>inalität von Ausländer/<strong>innen</strong> nicht auffällig. Viele Tatverdächtige hätten<br />

ihren Wohnsitz <strong>im</strong> Ausland. In wohnsitzbereinigter Zählweise liege der Anteil der<br />

Ausländer/<strong>innen</strong> unter allen <strong>im</strong> Saarland lebenden Tatverdächtigen bei 13,6 %. 193<br />

109<br />

190<br />

Unter anderem aufgr<strong>und</strong> dieser Thematik wurde <strong>im</strong> Sommer 2004 in Zusammenarbeit mit dem ZIB<br />

eine mehrsprachige Adressliste mit Beratungseinrichtungen erarbeitet, die auch <strong>Flüchtlinge</strong>n zugängig<br />

gemacht werden soll.<br />

191<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Notrufs, 31.01.03.<br />

192<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Notrufs, 19.08.04.<br />

193<br />

Vgl. Jungmann, Michael: Franzosen auf Diebestour <strong>im</strong> Saarland. Bericht des Landeskr<strong>im</strong>inalamtes.<br />

In: Saarbrücker Zeitung, 16.08.04.


110<br />

Der Anteil der Nichtdeutschen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen lag 2003 bei<br />

21,4%. Im Jahr 2001 lag dieser Anteil noch bei 23,3 %. Von einer erhöhten Kr<strong>im</strong>inalität<br />

von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> kann trotz des Anstiegs in den absoluten Zahlen nicht gesprochen<br />

werden. Zahlenmäßig ins Gewicht fallen bei ihnen Diebstähle <strong>und</strong> Rohheitsdelikte<br />

sowie in ganz entscheidendem Maße Straftaten, die gegen das AuslG oder das AsylVfG<br />

gerichtet sind. Bei diesen Straftaten sind auch die sozialen Hintergründe - wie<br />

ungewohntes Leben in einer Konsumgesellschaft, dessen Angebote man mangels finanzieller<br />

Mittel kaum nutzen kann - zu berücksichtigen.<br />

Auffällig ist, dass es insgesamt sowie in fast allen Deliktarten zu einem Anstieg der<br />

Tatverdächtigen gekommen ist - bei Migrant<strong>innen</strong>/Migranten wie auch bei Deutschen.<br />

Zur besseren Übersicht sind in nachfolgender Tabelle andere Teilgruppen unter den<br />

nichtdeutschen Tatverdächtigen (so u.a. „Illegale“ <strong>und</strong> Touristen) nicht aufgeführt.<br />

Tabelle 13 Polizeiliche Kr<strong>im</strong>inalstatistik des Saarlandes: Ermittelte Tatverdächtige<br />

zu ausgewählten Delikten (2001 <strong>und</strong> 2003)<br />

Straftat Tatverdächtige<br />

insgesamt<br />

Jahr 2001 2003 Veränderung<br />

in %<br />

Diebstähle<br />

insgesamt<br />

Straftaten gegen<br />

die sexuelleSelbstbest<strong>im</strong>mung<br />

Straftaten gegen<br />

das Leben<br />

Rohheitsdelikte<br />

<strong>und</strong> Straftaten<br />

gegen die persönlicheFreiheit<br />

(Raub etc.)<br />

Vermögens-<br />

<strong>und</strong> Fälschungsdelikte<br />

Straftaten § 92<br />

AuslG u. AsylVfG<br />

Darunter:<br />

Nichtdeutsche<br />

Tatverdächtige<br />

2001 2003 Veränderung<br />

in %<br />

Darunter:<br />

<strong>Asylbewerber</strong><br />

2001 2003 Veränderung<br />

in %<br />

8.366 9.024 +7,9 1.783 1.961 +10,0 89 197 +121,3<br />

362 559 +54,4 58 71 +22,4 11 4 -63,6<br />

38 69 +81,6 8 17 +112,5 0 6 -<br />

5.939 7.612 +28,2 995 1.259 +26,5 71 107 +50,7<br />

3.822 6.764 +77,0 705 1.173 +66,4 90 80 -11,1<br />

1.859 1.490 -19,8 1.810 1.420 -21,5 78 136 +74,4<br />

Insgesamt 25.173 30.870 +22,6 5.867 6.598 +12,5 340 515 +51,5<br />

Straftaten insgesamt<br />

ohne<br />

Verstöße gegen<br />

§ 92 AuslG<br />

<strong>und</strong> AsylVfG*<br />

- 29.499 - - 5.289 - - 409 -<br />

Quelle: Landeskr<strong>im</strong>inalamt des Saarlandes; *Hier besteht eine Unst<strong>im</strong>migkeit bei der Subtraktion der entsprechenden<br />

Zahlen, die ohne weitere Erläuterung bereits bei den LKA-Daten vorliegt.


Bei den 197 <strong>im</strong> Jahr 2003 registrierten Personen, die eines Diebstahls verdächtigt<br />

wurden, handelte es sich überwiegend um Fälle von Diebstahl aus Warenhäusern, bei<br />

denen zu drei Viertel keine erschwerenden Umstände geltend gemacht wurden. In 29<br />

Fällen wurden <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> der Hehlerei von Diebesgut verdächtigt.<br />

Auffällig ist der Anstieg der einer Straftat gegen das Leben verdächtigten <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

von Null <strong>im</strong> Jahr 2001 auf sechs <strong>im</strong> Jahr 2003. Es handelte sich hier um zwei<br />

Mordfälle <strong>und</strong> vier Fälle von Totschlag <strong>und</strong> Totschlag auf Verlangen.<br />

Bemerkenswert - da Äußerungen von Gesprächspartner/<strong>innen</strong> höhere Zahlen vermuten<br />

ließen - ist die mit vier Tatverdächtigen geringe Zahl an Straftaten gegen die sexuelle<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mung. Lediglich zwei <strong>Asylbewerber</strong> wurden 2003 einer Vergewaltigung<br />

oder sexuellen Nötigung beschuldigt. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass<br />

betroffene Frauen möglicherweise häufig vor einer Anzeige zurückschrecken.<br />

Unter den 107 eines Rohheitsdeliktes oder einer Straftat gegen die persönliche<br />

Freiheit beschuldigten <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> fanden sich 12, denen ein Raub oder eine<br />

räuberische Erpressung bzw. ein räuberischer Angriff auf Kraftfahrzeuge zur Last gelegt<br />

wurde. Bei dieser Kategorie dominierte der Tatbestand der Körperverletzung (82<br />

Fälle) sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit (27 Fälle, überwiegend Nötigung<br />

<strong>und</strong> Bedrohung).<br />

Unter den 80 Fällen einer Verdächtigung, dass <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> Vermögens- <strong>und</strong><br />

Fälschungsdelikte begangen haben sollen, dominierten Betrugsfälle (60). Eher gering<br />

erscheint die Zahl von 20 Verdächtigungen einer Urk<strong>und</strong>enfälschung.<br />

Registriert wurden ferner 136 Fälle, in denen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> eines Verstoßes<br />

gegen § 92 AuslG <strong>und</strong> AsylVfG verdächtigt wurden. Darunter fanden sich 50 Fälle<br />

einer unerlaubten Einreise nach AuslG (die Zahl der „Illegalen“, die einer unerlaubten<br />

Einreise nach AuslG beschuldigt wurden, lag dagegen bei 433). In drei der oben genannten<br />

136 Fälle wurden <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> der Einschleusung verdächtigt, in einem<br />

Fall des Erschleichens des Aufenthaltes durch Scheinehe. Es dominieren hier 41 Fälle<br />

einer Straftat gegen § 85 AsylVfG 194 .<br />

Schließlich zu nennen sind noch 34 Verdächtigungen eines Deliktes gegen das Betäubungsmittelgesetz<br />

(siehe unten).<br />

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Verstöße gegen § 92 AuslG <strong>und</strong> AsylVfG in<br />

der Regel von Deutschen nicht begangen werden (können), ist es interessant, die Gesamtstatistik<br />

von diesen Fällen zu bereinigen (siehe letzte Zeile obiger Tabelle). Es<br />

111<br />

194<br />

AsylVfG § 85 Sonstige Straftaten: Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird<br />

bestraft, wer<br />

- entgegen § 50 Abs. 6, auch in Verbindung mit § 71a Abs. 2 Satz 1, sich nicht unverzüglich zu<br />

der angegebenen Stelle begibt,<br />

- wiederholt einer Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 Abs. 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung<br />

mit § 71a Abs. 3, zuwiderhandelt,<br />

- einer vollziehbaren Auflage nach § 60 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 71a Abs. 3, mit der die<br />

Ausübung einer Erwerbstätigkeit verboten oder beschränkt wird, zuwiderhandelt,<br />

- einer vollziehbaren Anordnung nach § 60 Abs. 2 Satz 1, auch in Verbindung mit § 71a Abs. 3,<br />

nicht rechtzeitig nachkommt oder<br />

- entgegen § 61 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 71a Abs. 3, eine Erwerbstätigkeit ausübt.


112<br />

zeigt sich, dass <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> lediglich 1,39 % der Tatverdächtigen der verbleibenden<br />

Straftatbestände stellen.<br />

Der Anteil ausländischer Tatverdächtiger ist <strong>im</strong> regionalen Vergleich am höchsten in<br />

Saarbrücken (26,2 % aller Tatverdächtigen). 195 Zur regionalen Verteilung kr<strong>im</strong>ineller<br />

Handlungen von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n liegen nur vereinzelte Angaben<br />

vor.<br />

Seitens der Polizeidienststelle Lebach hieß es <strong>im</strong> Jahr 2002, dass die Situation in Lebach<br />

insgesamt unproblematisch sei. Vereinzelt wurden jedoch Probleme genannt 196 :<br />

- In der LGU wurden Drogen gehandelt. Auch einhe<strong>im</strong>ische Suchtkranke kamen<br />

dort hin, können sich dort unbeobachtet fühlen. Jüngere Russen (keine Aussiedler)<br />

machen der Polizei Sorgen.<br />

- Seit Anfang 2001 traten verstärkt Probleme mit Ladendiebstählen auf, unter anderem<br />

<strong>im</strong> MiniMal-Markt nahe der Unterkunft. Auch Autoeinbrüche kamen <strong>im</strong>mer<br />

wieder vor.<br />

Im Jahr 2004 hatte sich die Situation in den genannten beiden Problemfeldern verbessert.<br />

Nach Angaben des Dienststellenleiters der Polizei gab es in den vergangenen<br />

zwei Jahren zwei Einsatzgruppen der Lebacher Polizei, die sich speziell Problemen<br />

widmeten, die in Zusammenhang mit der LAST stehen. 197<br />

Zum einen gab es von Dezember 2003 bis Ende Mai 2004 die Arbeitsgruppe „BTM-<br />

Kr<strong>im</strong>inalität“. Diese arbeitete mit den zuständigen Stellen in Saarlouis <strong>und</strong> Saarbrücken<br />

zusammen. Die Polizei ist verstärkt an Konsumenten von Betäubungsmitteln<br />

(BTM) herangetreten, um an die Hintermänner des Handels zu gelangen. Zielgruppe<br />

der Ermittlungen war die „mittlere Händlergruppe“. Die Ermittlungen ergaben, dass<br />

Handels-Hintermänner in der Unterkunft leben <strong>und</strong> das Lager für die Lebacher Bevölkerung<br />

„eine bekannte Anlaufadresse für Drogen ist“. Es wurden 16 Haftbefehle gegen<br />

Personen aus dem Lager ausgesprochen, sechs Personen sind untergetaucht, gegen<br />

zehn Personen konnten die Haftbefehle vollstreckt werden.<br />

Saarlandweit nennt die Polizeiliche Kr<strong>im</strong>inalstatistik des LKA 34 tatverdächtige <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>im</strong> Jahr 2003 (darunter 31 Männer), denen Rauschgiftdelikte zur Last<br />

gelegt wurden. Es dominierte hierbei der illegale Handel <strong>und</strong> Schmuggel von BTM. Im<br />

Vergleich zu der Tatverdächtigenzahl dieses Delikttyps insgesamt (2.241, darunter 617<br />

Nichtdeutsche) ist der Anteil der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> als gering zu bezeichnen.<br />

Darüber hinaus gab es in 2003 eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Kr<strong>im</strong>inalität von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n befasste - insbesondere ging es dabei um gewerbsmäßige Diebstähle.<br />

Die Diebstähle wurden überwiegend in Saarbrücken begangen <strong>und</strong> es handelte sich zu<br />

großen Teilen um Markenkleidung.<br />

195<br />

Vgl. Jungmann, Michael: Franzosen auf Diebestour <strong>im</strong> Saarland. Bericht des Landeskr<strong>im</strong>inalamtes.<br />

In: Saarbrücker Zeitung, 16.08.04.<br />

196<br />

197<br />

Gespräch mit dem Leiter der Polizeidienststelle Lebach, 09.10.02.<br />

Gespräch mit dem Dienststellenleiter der Polizei Lebach am 05.08.04.


Das vorurteilsbehaftete Thema Ladendiebstahl wurde 2002 <strong>und</strong> 2004 besonders recherchiert.<br />

Verlässt man das LAFL-Gelände in Richtung Hauptstraße, befinden sich<br />

einige 100 Meter entfernt mit Aldi, Lidl <strong>und</strong> einem miniMal-Markt einige Discounter. Die<br />

in Lebach kursierenden <strong>und</strong> von der Polizei bestätigten Gerüchte, dass <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

relativ viele Ladendiebstähle begehen würden, konnten von dem Marktleiter<br />

des miniMal-Marktes einerseits bestätigt, andererseits relativiert werden. Es gebe hier<br />

viele Ladendiebstähle, allerdings auch von deutschen Schüler/<strong>innen</strong> der benachbarten<br />

Schulen.<br />

Ende 2002 nannte er seitens der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> vor allem junge männliche Algerier<br />

<strong>und</strong> Weißrussen, die meist ab 16 Uhr als Täter in Gruppen auftreten würden.<br />

Hauptobjekte seien Zigaretten (die jetzt nur noch auf Verlangen über Kassenautomaten<br />

zu erstehen sind) <strong>und</strong> hochprozentige Alkoholika, insbesondere teure Sorten (die<br />

daher ebenfalls zeitweilig nur noch auf Verlangen herausgegeben worden seien). Die<br />

Ware sei offenbar verkauft worden. Im Sommer 2004 habe sich die Situation entspannt<br />

198 , unter anderem durch den Einsatz von punktuell kontrollierenden Detektiven<br />

<strong>und</strong> die Installation von gut 15 Videokameras. Ferner würden offenbar viele Täter die<br />

neu errichtete, jedoch r<strong>und</strong> 2 km entfernt gelegene „Kaufland“-Filiale bevorzugen. Die<br />

vormals genannten Gruppen würden heute weniger in Erscheinung treten. Er nannte<br />

dagegen langansässige Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien <strong>und</strong> Rumänien<br />

als Hauptgruppe. Den jährlichen Verlust durch Ladendiebstähle insgesamt bezifferte<br />

der Marktleiter für das Jahr 2002 auf etwa 60.000 Euro. Ein relativ großer Anteil davon<br />

sei auf das Konto der genannten <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> gegangen. Der Schw<strong>und</strong> sei von<br />

einem Wert von ca. 10 % zu Beginn seiner Dienstzeit vor drei Jahren auf 1,5 % <strong>im</strong> Jahr<br />

2004 gesunken <strong>und</strong> bewege sich damit <strong>im</strong> üblichen Rahmen. 199<br />

Generell ist festzuhalten, dass trotz dieser exemplarischen Negativbeispiele nicht davon<br />

auszugehen ist, dass <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> in stärkerem Maße als<br />

Deutsche oder andere Ausländer/<strong>innen</strong> Ladendiebstähle begehen. Bei den Tätern<br />

scheint es sich eher um eine kleine Gruppe zu handeln. Dies betonen andere Gesprächspartner/<strong>innen</strong>.<br />

Ähnliches gilt für Delikte wie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel<br />

ohne Fahrschein. Nach Ansicht des Leiters des LAFL entstehen Straftaten<br />

teilweise auch aus Unwissenheit heraus, z.B. weil man nicht weiß, dass der ausländische<br />

Führerschein in Deutschland nicht anerkannt wird. 200<br />

Den beiden durch die oben genannten polizeilichen Arbeitsgruppen gezielt bearbeiteten<br />

Themen geht die Polizei Lebach weiterhin nach. Der Eindruck der Polizei ist jedoch,<br />

dass sich die Lage entspannt hat. Der Handel mit Drogen sei mehr oder weniger<br />

„trocken gelegt“ worden, hieß es. Gleichwohl wurde <strong>im</strong> September 2004 ein weiterer<br />

Fall publik, bei dem <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Verhaftung eines Saarbrücker Kleindealers<br />

ein 22-jähriger <strong>Asylbewerber</strong> aus Lebach als Großhändler verhaftet wurde, der<br />

„die Saarbrücker Haschisch- <strong>und</strong> Marihuanaszene mit Drogen versorgt“ haben soll. 201<br />

Zum Thema Prostitution kann die Polizei kaum Aussagen machen. Schlägereien <strong>und</strong><br />

Ruhestörungen innerhalb der LGU kommen vor, sind jedoch relativ unbedeutend. Der<br />

198 Diese Einschätzung bestätigt auch die Leitung des LAFL <strong>und</strong> der GAB <strong>im</strong> Gespräch am 12.08.04.<br />

199 Gespräche mit dem MiniMal-Marktleiter am 02.12.02 <strong>und</strong> 05.08.04.<br />

200 Gespräch mit der Leitung des LAFL <strong>und</strong> der GAB, 12.08.04.<br />

201 Saarbrücker Zeitung: Schlag gegen Rauschgift-Händler (09.09.04).<br />

113


114<br />

Polizeidienststellenleiter vertritt allgemein die Ansicht, dass man angesichts der großen<br />

<strong>und</strong> geballten Anzahl von <strong>Flüchtlinge</strong>n sehr viel mehr Kr<strong>im</strong>inalität erwarten würde. Im<br />

Lager fährt oder läuft die Polizei pflichtgemäß regelmäßig Streife. Sie sieht jedoch keinen<br />

besonderen Bedarf, das Lager „unter besonderer Beobachtung zu halten“.<br />

Die Polizei steht in Kontakt mit dem LAFL. Dort wird betont, dass die Streifenfahrten -<br />

wie anderswo auch - vor allem der Sicherheit der Bewohner/<strong>innen</strong> dienen, nicht nur zur<br />

Überwachung der Unterkünfte. Ab <strong>und</strong> an mache man Stichproben, heißt es seitens<br />

der Polizei.<br />

In Fällen, in denen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> gegen die Residenzpflicht verstoßen oder<br />

Strafzettel wegen Schwarzfahrens bekommen haben, hilft die Katholische Flüchtlings-<br />

<strong>und</strong> Aussiedlerhilfe der Caritas (siehe unten), indem sie sich an die Behörden wendet<br />

<strong>und</strong> versucht, den Sachverhalt zu klären. 202<br />

Diebstähle <strong>und</strong> andere relativ harmlose Rechtsverstöße prägen sich allerdings offenbar<br />

nachhaltig <strong>im</strong> Gedächtnis der einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung ein. Sie tragen zu einer zum<br />

Teil deutlichen Distanz <strong>und</strong> ablehnenden Haltung bis hin zu fremdenfeindlichen Tendenzen<br />

bei. Eine Stadträtin zitiert die zuweilen zu hörende Haltung wie folgt: „Die sollen<br />

froh sein, hier zu sein. Wer sich nicht schickt, kriegt was auf die Mütze“ - allerdings<br />

nur verbal. Häufiger zu hören sind auch Gedanken wie: „Die sind ja Gäste hier <strong>und</strong><br />

sollten sich auch entsprechend verhalten, sonst geht’s bitte ab <strong>und</strong> zurück“ oder „Sie<br />

verhalten sich nicht als Gäste, sondern holen sich einfach, was sie haben wollen“. 203<br />

Andere Kenner der Lebacher Verhältnisse verneinten die Relevanz solcher Ängste <strong>und</strong><br />

die Aussagekraft dieser Zitate.<br />

In Ottweiler gab es in den vergangenen Jahren nach Angaben des Kontaktpolizisten<br />

einige problematische Fälle einer Gruppe kurdischer Jugendlicher, die die Ottweiler<br />

Bevölkerung <strong>und</strong> Geschäftsleute durch ihr dominantes Auftreten als Gruppe, die Weigerung,<br />

ein Geschäft zu verlassen, verbale Beleidigungen <strong>und</strong> Ähnliches beunruhigt<br />

hätten. 204 Solcherlei Probleme werden durch die Polizei be<strong>im</strong> „R<strong>und</strong>en Tisch Interkulturelle<br />

Zusammenarbeit“ vorgetragen, um sie <strong>im</strong> Zusammenwirken mit Vertretern der<br />

kurdischen Community durch klärende Gespräche zu lösen. Außerhalb dieses Kreises<br />

werden sie nicht öffentlich gemacht, um den sozialen Frieden in der Stadt nicht zu gefährden.<br />

205 In der Folgezeit wurden keine weiteren derartigen Vorfälle bekannt.<br />

Aus anderen saarländischen Kommunen sind keine Angaben zu Delikten bekannt. Die<br />

Leitung von LAFL <strong>und</strong> GAB weisen jedoch darauf hin, dass Strafanzeigen gegen <strong>im</strong><br />

Lager untergebrachte Personen aus dem ganzen Land eingehen. 206<br />

In den saarländischen Gefängnissen in Saarbrücken, Neunkirchen, Ottweiler <strong>und</strong><br />

Saarlouis saßen mit Stichtag 31.05.04 (Quelle: Statistik des saarländischen Justizministeriums)<br />

926 Häftlinge in Untersuchungs- oder Strafhaft ein, davon 174 Auslän-<br />

202<br />

203<br />

Gespräch mit Caritas-Mitarbeitern am 13.09.02 <strong>und</strong> 26.03.03.<br />

Gespräch mit der SPD-Fraktionsvorsitzenden <strong>im</strong> Stadtrat am 21.03.03 <strong>und</strong> dem MiniMal-Marktleiter<br />

am 05.08.04.<br />

204<br />

Vgl. Gruppe Zivilcourage gegen Rechts: Ein Werkstattbericht der Klasse 10 a/i des Gymnasiums<br />

Ottweiler. Unveröffentlichtes Manuskript, erhalten von StR Susanne Leidner-Gersing, Ottweiler<br />

27.11.2001, S. 5-6.<br />

205<br />

206<br />

Vgl. Gruppe Zivilcourage gegen Rechts (a.a.O.), S. 5-6.<br />

Gespräch mit der Leitung des LAFL <strong>und</strong> der GAB, 12.08.04.


der/<strong>innen</strong> (darunter knapp 60 in Untersuchungshaft). Dies entspricht einem Anteil von<br />

19 %. Sie stammen aus 42 Nationen. Dazu kommen fünf Staatenlose. Die größten<br />

Gruppen sind Italiener/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Türk<strong>innen</strong>/Türken (je 25 Häftlinge), Französ<strong>innen</strong>/Franzosen<br />

(19), Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien (16) sowie Algerier/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> Libanes<strong>innen</strong>/Libanesen (je 9). Probleme gebe es vor allem mit fehlenden<br />

Sprachkenntnissen <strong>und</strong> einer hohen Gewaltbereitschaft seitens sog. Russlanddeutscher,<br />

schildert Roland Moser. In der Saarbrücker JVA Lerchesflur sitzen derzeit<br />

knapp 600 Gefangene ein, darunter etwa 10 % Russlanddeutsche bzw. Personen aus<br />

ehemaligen GUS-Staaten. 207<br />

4.5.4 <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> als Kr<strong>im</strong>inalitätsopfer<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> werden überwiegend Opfer von Kr<strong>im</strong>inalität in<br />

Form von fremdenfeindlichen Straftaten, d.h. Übergriffen auf ihre Person aufgr<strong>und</strong> ihres<br />

Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer Nationalität. Begangen werden diese Gewalttaten<br />

zumeist von rechtsorientierten bzw. rechtsextremistischen Jugendlichen.<br />

Im Saarland spielt diese Problematik eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.<br />

Rechtsextremismus ist <strong>im</strong> Alltag nicht sehr präsent <strong>und</strong> spielt sich eher <strong>im</strong> Verborgenen<br />

ab. In Verbindung mit rechtsextremen Jugendlichen werden oftmals Saarlouis,<br />

Sulzbach/Friedrichsthal, Püttlingen, Völklingen-Heidstock <strong>und</strong> Bexbach genannt. 208<br />

Inwiefern hier jedoch eine „rechtsextreme Szene“ existiert oder lediglich vereinzelt Jugendliche<br />

als Skinheads auffallen, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden.<br />

In den vergangenen Jahren sind - mit wenigen Ausnahmen - keine Fälle rechtsextremer<br />

Aktivitäten bzw. Gewalt bekannt geworden. Diese Ausnahmen sind:<br />

• Ein polizeilich registrierter ausländerfeindlicher Vorfall in Lebach <strong>im</strong> Jahr 2000.<br />

Sonst sei es dort ruhig, hieß es seitens der Polizei. Natürlich gebe es <strong>im</strong>mer wieder<br />

„Rangeleien mit <strong>im</strong>mer den gleichen Einhe<strong>im</strong>ischen“, aber nicht größeren<br />

Stils. Rechtsextremismus sei hier gar kein Thema, hieß es, wenngleich <strong>im</strong> Sommer<br />

2004 an verschiedenen Orten (Bahnhof 209 sowie am Haus Nr. 19 der Ostpreußenstraße<br />

innerhalb der LAST) Hakenkreuze <strong>und</strong> andere rechtsradikale<br />

Graffiti zu sehen waren. 210<br />

115<br />

207<br />

Vgl. Jungmann, Michael: Häftlinge aus 42 Nationen. Sprachengewirr in Saar-Gefängnissen. In:<br />

Saarbrücker Zeitung, 18.08.04.<br />

208<br />

Vgl. u.a. kk: NPD: Alarmsignal für alle Demokraten. In: rotzfrech, die linke Jugendzeitschrift <strong>im</strong><br />

Saarland, 02/2004, S. 8.<br />

209<br />

Im Bahnhofsgebäude von Lebach finden sich viele Graffiti <strong>und</strong> Sprüche. Unter anderem einige<br />

Sätze mit Kugelschreiber, offenbar von einem Flüchtling geschrieben: „Ich will hier raus, aber keiner<br />

lässt mich. Die scheiß Paragraphen sind unerbittlich. Und die Menschen sind Scheiße, vor allem<br />

die Saarländer.“ Letzteres Wort wurde durchgestrichen <strong>und</strong> in großer roter Schrift durch „Kanacken“<br />

ersetzt. Darüber steht in SS-Runenschrift <strong>und</strong> anderer Handschrift „Hass“. Am Bahnsteig finden<br />

sich auf der Rückwand von Fahrplanschildern mit Edding geschrieben: „Nazis sind scheise“<br />

(sic!) sowie „Scheiß Nazis“. Ob hier ein rechtsradikaler Hintergr<strong>und</strong> bzw. ein entsprechender Konflikt<br />

vorliegt, ist unklar.<br />

210<br />

Gespräch mit dem Dienststellenleiter der Polizei Lebach am 09.10.02 <strong>und</strong> 05.08.04 sowie Vertretern<br />

der Stadt, 26.03.03.


116<br />

• Im Frühsommer 2002 wurde ein Jugendlicher somalischer Abstammung aus<br />

Ottweiler, dessen Eltern anerkannte <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sind, am Bahnhof<br />

Neunkirchen von jugendlichen Skinheads zusammengeschlagen. Dies geschah<br />

aus nichtigem Gr<strong>und</strong> bzw. ohne Anlass. Er zog sich einen Kieferbruch <strong>und</strong><br />

schwere Prellungen zu. 211<br />

• Wenig später, am 11.08.02, wurde auf dem Sulzbacher Salzbrunnenfest ein 19jähriger<br />

<strong>im</strong> Saarland geborener Türke von einem als Skinhead bekannten Deutschen<br />

niedergestochen <strong>und</strong> erlag später seinen Verletzungen. 212 Es handelt sich<br />

hier jedoch nicht um einen <strong>Asylbewerber</strong>.<br />

• In den vergangenen Jahren ist es auf dem Friedhof der Synagogengemeinde<br />

Saar in Neunkirchen wiederholt zu Verwüstungen <strong>und</strong> Schändungen von Grabstätten<br />

gekommen, so zuletzt Anfang September 2004, als 19 Grabstätten in der<br />

Hermannstraße mit einschlägigen Symbolen bzw. Parolen beschmiert wurden. 213<br />

Zu beobachten sind jedoch verstärkte öffentlichkeitswirksame Aktivitäten <strong>und</strong> Wahlerfolge<br />

rechtsextremer Parteien <strong>und</strong> Organisationen. Darauf weist unter anderem das<br />

Antirassistische Bildungswerk Saar hin. 214 Beispielsweise fand am 03. <strong>und</strong> 04.10.03 in<br />

Fechingen bei Saarbrücken ein außerordentlicher B<strong>und</strong>esparteitag der NPD unter dem<br />

Motto „Europäische Freiheit statt US-Imperialismus“ statt. Ferner haben Neonazis aus<br />

dem Spektrum der sogenannten „Freien Kameradschaften“ am 12.06.04 zwei Aufmärsche<br />

<strong>im</strong> Saarland (Saarlouis <strong>und</strong> Saarbrücken) durchgeführt.<br />

Im Sommer 2004 ließ sich bei den Europa-, Kommunal- <strong>und</strong> Landtagswahlen zudem<br />

ein Erstarken der NPD in einigen Kommunen beobachten. Die NPD steigerte sich bei<br />

den Kommunalwahlen b<strong>und</strong>esweit von 0,4 (1999) auf 0,9 %. Während sie in den westlichen<br />

B<strong>und</strong>esländern jedoch durchweg - mit Ausnahme des Saarlandes, wo sie 1,7 %<br />

der St<strong>im</strong>men bekam (+ 1,4 %) - deutlich unter dieser Marke blieb, lag sie in den östlichen<br />

B<strong>und</strong>esländern zwischen 1,6 <strong>und</strong> 1,8 % (mit Ausnahme des Spitzenwertes von<br />

3,3 % in Sachsen). 215 In Völklingen kam die NPD bei den Stadtratswahlen sogar auf 9,5<br />

% (5 Sitze), in Saarbrücken auf 4,4 %.<br />

Bei den Landtagswahlen kam die NPD saarlandweit auf 4,0 % der St<strong>im</strong>men. Besonders<br />

hohe Ergebnisse erzielte sie in Völklingen (9,7 %), Großrosseln (6,2 %), Saarbrücken<br />

(5,9 %), Bexbach (5,9 %), Neunkirchen (5,6 %), Sulzbach (5,4 %), Friedrichsthal<br />

(5,1 %), Homburg (5,0 %). In Lebach erreichte sie lediglich 2,8 %. 216<br />

211<br />

Vgl. Ottweiler Zeitung: Miteinander statt Nebeneinander (a.a.O.); Gespräch mit der Jugendbeauftragten<br />

der Stadt, 09.12.02.<br />

212<br />

213<br />

Vgl. Saarbrücker Zeitung, Berichterstattung am 14.08.02.<br />

In Reaktion auf diesen Vorfall haben am 23. September 2004 über 250 Menschen in Neunkirchen<br />

gegen Antisemitismus demonstriert. Zur Demonstration aufgerufen hatte das Jugendzentrum<br />

Neunkirchen, Mitveranstalter der Demonstration war auch die Synagogengemeinde (vgl. Saarbrücker<br />

Zeitung: Demo gegen Antisemitismus in Neunkirchen, 14.09.04; Neunkircher Stadtanzeiger:<br />

19 Grabstätten verwüstet (16.09.04).<br />

214<br />

Vgl. Antirassistisches Bildungswerk Saar (Hg.): Veranstaltung/Seminar über NPD <strong>und</strong> „Freie Kameradschaften“<br />

<strong>im</strong> Saarland, Pressemitteilung vom 26.08.04.<br />

215<br />

Vgl. Informationsdienst gegen Rechtsextremismus (igdr): Deutliche Zunahmen für Rechtsextreme<br />

bei Europa- <strong>und</strong> Kommunalwahlen (14.06.04).<br />

216<br />

Vgl. Saarbrücker Zeitung: Landtagswahl 2004: So wählten die Kommunen (06.09.04).


Geworben wurde unter anderem mit einem als zynisch-volksverhetzend einstufbaren<br />

Wahlplakat mit der politischen Forderung einer forcierten Rückkehr von Migrant<strong>innen</strong>/Migranten.<br />

217 Diese Forderung steht <strong>im</strong> Kontext der Agitation gegen so genannten<br />

„Asylmissbrauch“ <strong>und</strong> für eine Verweigerung von Sozialhilfe für Migrant<strong>innen</strong>/Migranten.<br />

Ob es seitens <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>im</strong> Zusammenleben<br />

mit Einhe<strong>im</strong>ischen diesbezüglich in den vergangenen Monaten zu einer Verschlechterung<br />

der Akzeptanz gekommen ist, lässt sich an dieser Stelle jedoch nicht<br />

beurteilen. In Wahlanalysen hieß es, 11 % der Wähler/<strong>innen</strong> bis 34 Jahren sowie Arbeiter/<strong>innen</strong><br />

mit oder ohne Job - soziologische Segmente, die traditionell die SPD wählen<br />

- hätten die NPD gewählt. Die Partei profitierte insofern von einer durch die Sozialreformen<br />

ausgelösten „Welle der Unzufriedenheit“, weniger von ausländerfeindlichen<br />

Ressent<strong>im</strong>ents. 218<br />

4.5.5 Diskr<strong>im</strong>inierungen von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

Mit Blick auf die Wahrnehmung <strong>und</strong> Thematisierung von institutionellen Diskr<strong>im</strong>inierungen<br />

bzw. Ausgrenzungen zeigen sich zwei gegensätzliche Positionen. Während<br />

Autoren wie Kühne die Art der Unterbringung, die reduzierte Al<strong>im</strong>entierung <strong>und</strong> die<br />

Erschwerung bzw. Verhinderung des Zugangs zum Arbeitsmarkt als „interne Ausgrenzung“<br />

<strong>und</strong> somit als „Verweigerung gesellschaftlicher Zugehörigkeit“ bezeichnen 219 ,<br />

wird von Behördenseite b<strong>und</strong>esweit - so auch seitens des saarländischen Innenministeriums<br />

- bezweifelt, dass die Umsetzung gültiger Gesetze eine diskr<strong>im</strong>inierende Wirkung<br />

haben kann. Anders als in der EU werde in Deutschland eine Abweichung vom<br />

Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz als Diskr<strong>im</strong>inierung aufgefasst. <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> seien aber<br />

schon von den rechtlichen Bedingungen her nicht gleich behandelt. Best<strong>im</strong>mte Landesbest<strong>im</strong>mungen,<br />

wie die Vorgabe, <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> zentral unterzubringen oder<br />

das Sachleistungsprinzip, könnten entsprechend nicht als Diskr<strong>im</strong>inierung gesehen<br />

werden.<br />

Auf persönliche Diskr<strong>im</strong>inierungen <strong>im</strong> zwischenmenschlichen Bereich wurde oben<br />

bereits eingegangen. Die besondere Schwierigkeit <strong>im</strong> Hinblick auf Diskr<strong>im</strong>inierungen<br />

Einzelner ist, dass sie nur schwer nachweisbar bzw. recherchierbar sind. Dies zu unternehmen<br />

konnte nicht Ziel dieses Berichts sein.<br />

Saarlandweit mit Fragen von Fremdenfeindlichkeit <strong>und</strong> Rassismus befasst sind das<br />

Adolf-Bender-Zentrum, Verein zur Förderung demokratischer Traditionen (ABZ) in St.<br />

Wendel sowie die Arbeitsstelle Migration <strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit in Völklingen. Das<br />

ABZ wird gefördert aus Mitteln des Xenos-Programms des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit, mit Unterstützung des B<strong>und</strong>esministeriums für Familie, Senioren,<br />

Frauen <strong>und</strong> Jugend, aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds der Saarländischen<br />

Landesregierung <strong>und</strong> dem Landkreis St. Wendel.<br />

217 Der Verein Ramesch hat wenige Tage vor der Europawahl Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet,<br />

die jedoch von der Staatsanwaltschaft abgewiesen wurde. Vor der Landtagswahl erstattete ein<br />

Ramesch-Mitglied erneut Anzeige, auch diese wurde abgewiesen (Gespräch mit einem Mitarbeiter<br />

von Ramesch e.V., 13.09.04 <strong>und</strong> 05.10.04).<br />

218 Vgl. Geis, Mathias: Aufstand der Unanständigen. In: Die Zeit, 09.09.04, S. 8; Marion, Georges: Les<br />

électeurs de Sarre sanctionnent durement le parti social-démocrate allemand. In: Le Monde,<br />

07.09.04, S. 9.<br />

219 Kühne, Peter: Zur Lage der <strong>Flüchtlinge</strong> in Deutschland, Bonn 2001.<br />

117


118<br />

Am 23.08.01 haben das ABZ <strong>und</strong> saarländische Stiftungen eine Tagung „Zivilcourage -<br />

Gegen Rassismus <strong>und</strong> Gewalt“ <strong>im</strong> Landtag des Saarlandes durchgeführt. Am 15.11.02<br />

wurden in einem weiteren Schritt Ergebnisse aus der aktuellen Extremismusbekämpfung<br />

diskutiert <strong>und</strong> regional wie überregional erfolgreiche Projekte der Präventionsarbeit<br />

vorgestellt. Am 28.05.04 führte das ABZ eine Fachtagung „Leben <strong>und</strong> Arbeiten in<br />

Vielfalt“ durch, bei der u.a. das Projekt „Schule ohne Rassismus“ 220 <strong>und</strong> ein neues internetgestütztes<br />

Netzwerk gegen Rassismus (www.toleranz-netzwerk-saar.de) präsentiert<br />

wurde.<br />

4.5.6 Das Abschiebungsthema als besonderer Konflikt<br />

Die „konsequente, aber schonende Durchsetzung der Ausreisepflicht“ gehört zu den<br />

Aufgaben der Ausländerbehörden. Das Innenministerium macht hier nach eigenen<br />

Angaben keine Entscheidungsvorgaben. 221 Bei Abschiebungen sind die Ausländerbehörden<br />

<strong>und</strong> auch das Innenministerium häufig Kritik ausgesetzt. Insbesondere Vereine<br />

<strong>und</strong> Organisationen, die sich explizit für das Wohl der <strong>Flüchtlinge</strong> einsetzen, sehen<br />

Abschiebungen allgemein <strong>und</strong> die Art <strong>und</strong> Weise ihrer Durchführung <strong>im</strong> Besonderen<br />

als „menschenunwürdig“ bzw. „gnadenlos“ an. 222 Kritisiert wird insbesondere mit Blick<br />

auf <strong>im</strong> Familienkontext mitbetroffene Kinder <strong>und</strong> Jugendliche - die oftmals einen Großteil<br />

ihres Lebens hier verbracht haben <strong>und</strong> lediglich über einen vom Asylantrag ihrer<br />

Eltern abgeleiteten Aufenthaltsstatus verfügen -, dass hier lediglich nach juristischen<br />

Kriterien entschieden werde. Entsprechend versuchen sie <strong>im</strong> Falle bevorstehender<br />

Abschiebungen durch Lobbyarbeit auf ihre Ziele aufmerksam zu machen, das Handeln<br />

der Behörden zu kritisieren <strong>und</strong> Einfluss auf die politische Ebene auszuüben. Auch <strong>im</strong><br />

Saarland ist das Abschiebethema seit Mitte der 1990er-Jahre zunehmend sehr emotional<br />

diskutiert worden. Damals ging es insbesondere um die Thematik der Rückführung<br />

bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge. Bis in das Jahr 2004 hinein dominierte das<br />

Abschiebethema die saarländische Asyl- <strong>und</strong> Flüchtlingspolitik so stark, dass andere<br />

Themen in den Hintergr<strong>und</strong> geraten sind. Die Arbeit der Akteure <strong>im</strong> Flüchtlingsbereich<br />

reduziere sich oftmals stark auf die Frage, wie man zur aktuellen Abschiebepolitik stehe,<br />

so ein Vertreter der AGSA. 223<br />

Von Ausnahmen abgesehen geht es seit Ende der 1990er-Jahre vor allem um Abschiebefälle<br />

kurdischer <strong>und</strong> zuletzt auch kosovo-albanischer Familien. Vielfach wurde<br />

Kritik an der Landesregierung laut, sie würde in deutlich rigiderer Weise von ihrem<br />

Recht zur Durchsetzung der Ausreisepflicht Gebrauch machen als dies frühere Regierungen<br />

getan hätten. Ein Blick auf die Abschiebungsstatistik relativiert diese Kritik: Die<br />

Zahl der Abschiebungen ist seit dem Regierungswechsel nicht auffällig gestiegen, lediglich<br />

in Relation zur Zahl der sich in Deutschland aufhaltenden <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> Asyl-<br />

220 Mit angeschlossenen Schulen in Gershe<strong>im</strong>, Friedrichsthal, Homburg, Neunkirchen <strong>und</strong> Illingen<br />

(vgl.: Adolf-Bender-Zentrum (Hg.): „Leben <strong>und</strong> Arbeiten in Vielfalt“. Dokumentation der Fachtagung<br />

für Achtung, Toleranz <strong>und</strong> Verständigung gegenüber Fremden in Schule, Ausbildung <strong>und</strong> Beruf am<br />

26. Mai 2004 in St. Wendel, St. Wendel 2004, S. 24-30).<br />

221 Gespräch mit Vertretern des Ministeriums für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport, 12.03.03.<br />

222 Exemplarisch zitiert seien Ausführungen von Hubert Ulrich, Landesvorsitzender Bündnis90/Die<br />

Grünen Saar auf dem Aschermittwochtreffen 2003: „(...) Stattdessen gibt es <strong>im</strong> Saarland Abschiebungen<br />

der übelsten Sorte, Kinder in Handschellen <strong>und</strong> eine Landesregierung, die sich <strong>im</strong>mer noch<br />

als Speerspitze der Humanität <strong>und</strong> Liberalität verkauft. Die Abschiebepraxis der Landesregierung<br />

ist menschenverachtend <strong>und</strong> muss sofort gestoppt werden.“<br />

223 Gespräch am 17.10.02.


ewerber/<strong>innen</strong> (vgl. Kapitel 2.1.7.2). Einige Gesprächspartner/<strong>innen</strong> äußerten Kritik in<br />

Bezug auf die Art der Zusammenarbeit mit der Regierung. Dennoch wurde dieser auch<br />

bescheinigt, dass bei Traumatisierten, bosnischen <strong>Flüchtlinge</strong>n oder bei der Regelung<br />

des kleinen Asyls, wonach volljährig gewordene <strong>Flüchtlinge</strong> nicht mehr geschützt sind,<br />

auch in positiver Weise Spielräume genutzt worden sind.<br />

Ein Vertreter des AGSA wies auf den Misstand hin, dass es <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

Abschiebungen zu „Vorzeigefamilien“ gekommen sei, denen es gelang, einen großen<br />

Unterstützerkreis zu mobilisieren. Über diese Familien hinaus werden jedoch jährlich<br />

viele weitere Familien abgeschoben, die von der Öffentlichkeit nicht mit regem Interessen<br />

<strong>und</strong> Protest begleitet werden. Aber auch Einzelfälle werden publik gemacht, so das<br />

folgende Beispiel.<br />

Beispiel:<br />

Ein 22-jähriger Kurde sollte am 10.09.03 nach einem viermonatigen Aufenthalt <strong>im</strong> Abschiebungsgefängnis<br />

Zweibrücken in die Türkei abgeschoben werden. Er befand sich zu diesem<br />

Zeitpunkt seit acht Tagen mit zwei weiteren Kurden <strong>im</strong> Hungerstreik. In seiner Verzweiflung<br />

nahm er nach Bekanntgabe seiner unmittelbar bevorstehenden Abschiebung eine große Zahl<br />

Schlaf- <strong>und</strong> Schmerzmittel zu sich. Daraufhin wurde er zum Gefängnisarzt gebracht <strong>und</strong> von<br />

diesem für transportfähig erklärt. Während drei Polizeibeamte ihn nach Frankfurt/Main fuhren,<br />

wurde er bewusstlos. Die Ärzte am Flughafen lieferten ihn in die dortige Universitätsklinik ein.<br />

Als ihn Verwandte dort besuchten, erfuhren sie, dass er auch von Polizisten geschlagen worden<br />

sei. Einen Tag später zeigte sein Onkel den Gefängnisarzt <strong>und</strong> die Polizisten bei der Saarbrücker<br />

Staatsanwaltschaft an. Zwei Tage später wurde der Kurde in Begleitung eines Arztes <strong>und</strong><br />

Polizisten abgeschoben. 224<br />

In anderen Fällen wird bewusst auf Publizität verzichtet. Der R<strong>und</strong>e Tisch in Ottweiler<br />

beispielsweise diskutiert zwei seit 2002 bekannte Fälle drohender Abschiebungen in<br />

differenzierter Form. Ein Mitglied wies darauf hin, dass Behörden <strong>im</strong> Bewusstsein agieren,<br />

den <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> müsse eigentlich klar sein, dass irgendwann die Aufforderung<br />

zur „freiwilligen Ausreise in vier Wochen“ kommt. Wenn dann der Punkt gekommen<br />

ist, verschicken sie den Brief als („nur mehr“) bürokratischen Akt. Die Empfänger/<strong>innen</strong><br />

reagieren jedoch oft schockiert, weil sie das Thema verdrängt haben. 225 Ein<br />

weiterer Teilnehmer, der als Polizeibeamter bei einer Abschiebung in Dudweiler dabei<br />

war, schilderte, wie nahe ihm die konkrete Umsetzung der Abschiebung ging. Er deutete<br />

an, dass diese zwar nach Recht <strong>und</strong> Gesetz folgerichtig sei, nach menschlichem<br />

Ermessen aber eine besondere Härte für die seit vielen Jahren hier lebenden Personen<br />

bedeutete. 226<br />

Bei den nachfolgend genannten Beispielen wurde seitens des R<strong>und</strong>en Tisches zwar<br />

etwas Unterstützung geleistet, es kam jedoch - abgesehen von einem Schreiben an die<br />

Innenministerin - noch nicht zu einem öffentlichen Eintreten für die Betroffenen:<br />

224 Vgl. Saarländischer Flüchtlingsrat: Abschiebehaft abschaffen, Flugblatt vom Juni 2004.<br />

225 Vgl. R<strong>und</strong>er Tisch - Interkulturelle Zusammenarbeit, Protokoll der Sitzung vom 06.11.02.<br />

226 Gespräch am 06.11.02.<br />

119


120<br />

Beispiel:<br />

Eine 25-jährige, seit ihrem 11. Lebensjahr in Ottweiler aufgewachsene Frau aus Serbien <strong>und</strong><br />

Montenegro mit Duldungsstatus, schilderte die Drohung der Abschiebung in den Kosovo <strong>und</strong><br />

die damit einhergehende psychische Belastung. Als Mitglied einer Zigeunerminderheit aus<br />

Ägypten (sog. Roma Ashkali Egypter/RAE) drohe ihr dort die Verfolgung durch Kosovo-Albaner.<br />

Sie spricht sehr gut Deutsch, ist gut integriert <strong>und</strong> arbeitet seit 1998 in gemeinnütziger Tätigkeit<br />

20 St<strong>und</strong>en/Woche in einem städtischen Kindergarten (Küche <strong>und</strong> Kinderbetreuung). Sie hat<br />

vor längerer Zeit eine Ausreiseaufforderung bekommen, der sie auf keinen Fall nachkommen<br />

möchte - stattdessen erwägt sie eine Auswanderung in die USA, Kanada oder ein anderes<br />

Land. Sie hat sich mittlerweile von ihrer Familie „distanziert“, u.a. da sie sich einer christlichen<br />

Gemeinde zugewandt hat. Ihr Vater ist schon zurück. Da das Haus zerstört ist, wohnt er bei<br />

nahen Verwandten. Sie befindet sich z.Zt. in psychotherapeutischer Behandlung. 227<br />

Beispiel:<br />

Eine aus Nordsyrien stammende staatenlose yezidische Familie lebt seit Oktober 1989 in<br />

Deutschland. Sie wohnt am Stadtrand von Ottweiler <strong>im</strong> Haus der Familie eines deutschitalienischen<br />

Bauunternehmers, bei dem der Vater (38) seit Jahren beschäftigt ist. Die Großeltern<br />

des Ehepaares stammen aus der Türkei. Sie lebten in einem von vier yezidischen Dörfern<br />

in Syrien, unmittelbar südlich der türkisch-syrischen Grenze bei Qamishliye gelegen. Die Familie<br />

überlegte, zu ihren Verwandten in die Türkei zu gehen, doch diese haben nach einer Verschärfung<br />

der Situation in der Türkei bereits die Flucht nach Deutschland vorbereitet. Die Familie<br />

floh auch nach Deutschland <strong>und</strong> kam nach Lebach, wo sie drei Monate blieb. Drei der Kinder<br />

wurden noch in Syrien geboren, zwei in Deutschland. Ein älteres Mädchen besucht in Neunkirchen<br />

die Berufsfachschule, ein Junge <strong>und</strong> zwei weitere Mädchen besuchen die Erweiterte Realschule.<br />

Der jüngste Sohn wurde <strong>im</strong> Sommer 2004 eingeschult. Die Familienmitglieder sind<br />

Staatenlose. Anders als <strong>im</strong> Falle der vielen mit ihnen verwandten, jedoch damals wenige Kilometer<br />

nördlich in der Türkei lebenden yezidischen Familien, wurde ihr Asylantrag abgelehnt, da<br />

in Syrien keine vergleichbare Verfolgung gegeben sei. Vor vier Jahren erhielten sie eine Ausreiseaufforderung,<br />

haben noch eine Duldung <strong>und</strong> müssen noch heute - 15 Jahre nach der Einreise<br />

in einer Situation, in der sie Hauseigentum erwerben wollen - befürchten, dass sie abgeschoben<br />

werden könnten. 228<br />

Eine Erklärung für die häufig genannte Beobachtung, dass Familien vor ihrer Abschiebung<br />

völlig überrascht zu sein scheinen <strong>und</strong> sich entsprechend verhalten, nennt der<br />

Leiter des Landesamtes: Er informiere die Familienvorstände <strong>im</strong> Vorfeld einer anstehenden<br />

Abschiebung. Mancher erzähle seiner Familie jedoch nichts davon aus Angst,<br />

„das Gesicht zu verlieren“, da er die Flucht nicht zu einem erfolgreichen Ergebnis habe<br />

führen können. Als Konsequenz dieser Erkenntnis werde er künftig die ganze Familie<br />

zu diesem Gespräch einladen. 229<br />

Bewohner/<strong>innen</strong> der LGU Lebach sind in Abschiebefällen zuweilen stark berührt, es<br />

bestehe aber kein Konfliktpotenzial <strong>und</strong> komme kaum zu Protesten oder Ähnlichem,<br />

227<br />

Gespräch mit einem Mitglied des Flüchtlingsrates am 04.10.02 sowie diverse Gespräche mit der<br />

Frau ab dem 23.01.03, zuletzt 14.08.04.<br />

228<br />

229<br />

Diverse Gespräche mit der Familie ab dem 26.01.03, zuletzt <strong>im</strong> August 2004.<br />

Gespräch mit dem Leiter des LAFL am 25.11.04.


hieß es seitens der Leitung des LAFL. Ebenso erleben Bewohner/<strong>innen</strong> auch die freiwillige<br />

Rückreise von Bekannten. 230<br />

Abschiebungshaft kann auf Antrag der Ausländerbehörden von einem Amtsgericht<br />

angeordnet werden, wenn ausreisepflichtige Ausländer/<strong>innen</strong> nicht freiwillig die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

verlassen <strong>und</strong> obendrein der begründete Verdacht besteht, dass sie sich<br />

der Abschiebung entziehen wollen. Ziel der Abschiebungshaft sei allein die Durchsetzung<br />

der Ausreisepflicht, nicht die Verbüßung einer Straftat, heißt es. Nach Auffassung<br />

einiger Organisationen ist eine solche Haft gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>und</strong> auch mit Blick auf den<br />

durchschnittlichen Zeitumfang der Haft nicht zu rechtfertigen. Am 03.07.04 hat es daher<br />

eine Demonstration gegen das Abschiebegefängnis Zweibrücken in Rheinland-<br />

Pfalz gegeben, zu dem 34 Organisationen aus Rheinland-Pfalz <strong>und</strong> dem Saarland aufgerufen<br />

hatten. Ähnliche Demonstrationen gab es auch in den Vorjahren.<br />

4.5.7 Zusammenfassung<br />

Im Zusammenleben von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n mit der Aufnahmegesellschaft<br />

kommt es zu manchen Konflikten, die insgesamt gesehen jedoch selten ein<br />

kritisches Ausmaß erreichen. Insbesondere innerhalb der LGU Lebach erwähnenswert<br />

scheinen Konflikte unterschiedlichster Art auf zwischenmenschlicher Ebene <strong>im</strong> Zusammenleben<br />

mit anderen <strong>Flüchtlinge</strong>n. Durch verschiedenste präventive Maßnahmen<br />

wird diesen entgegengewirkt.<br />

Ebenfalls problematisch erscheinen Rechtsverstöße von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>.<br />

Hier weist die Tatverdächtigenstatistik des LKA 2003 eine Erhöhung <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu 2001 auf, die jedoch <strong>im</strong> allgemeinen Trend zu liegen scheint. Zudem ist davon<br />

auszugehen, dass <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> eher verdächtigt werden („Kr<strong>im</strong>inalisierung“).<br />

Ein abschließendes Urteil kann hier kaum gefällt werden. Generell hieß es<br />

seitens der Polizei in Lebach, dass sich die Situation tendenziell entspannt habe.<br />

Situationen <strong>und</strong> Konflikte, in denen <strong>Flüchtlinge</strong> Kr<strong>im</strong>inalitätsopfer - mit fremdenfeindlichem<br />

Hintergr<strong>und</strong>, aber auch <strong>im</strong> Kontext sonstiger Kr<strong>im</strong>inalität - sind, kommen dagegen<br />

nur in Ausnahmefällen vor. Davon zu unterscheiden sind Diskr<strong>im</strong>inierungen von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n. Es ist davon auszugehen, dass diese <strong>im</strong> Alltag relativ häufig auftreten,<br />

jedoch weniger in massiver Form.<br />

230 Gespräch mit der Leitung des LAFL <strong>und</strong> der GAB, 12.08.04.<br />

121


122<br />

4.6 Die Situation von Frauen<br />

4.6.1 Allgemeiner Überblick<br />

Insgesamt 42 % der Leistungsbezieher nach AsylbLG <strong>im</strong> Saarland sind Frauen. Ihre<br />

Lebenssituation unterscheidet sich - trotz gleicher Rahmenbedingungen (Unterbringung<br />

etc.) - maßgeblich von der männlicher <strong>Flüchtlinge</strong>. Eine allgemeine Untersuchung<br />

der Lebenssituation von Frauen wird dadurch erschwert, dass die Frauen untereinander<br />

sehr verschieden sind: sie kommen aus unterschiedlichen Ländern <strong>und</strong> Gebieten<br />

(ländlich, städtisch), aus unterschiedlichen Kulturkreisen, haben verschiedene Sozialisationen<br />

durchlaufen, ihre Stellung in der Familie <strong>und</strong> der Gesellschaft ist verschiedenartig,<br />

die schulische <strong>und</strong> berufliche Bildung variiert sehr stark.<br />

Im Zufluchtsland sehen sich Frauen - ebenso wie Männer - zunächst einer komplett<br />

veränderten Situation gegenübergestellt. Die meisten Frauen, die mit ihrer Familie<br />

nach Deutschland kommen, haben in ihrem He<strong>im</strong>atland in mehr oder weniger stark<br />

ausgeprägten patriarchalen Strukturen gelebt. Selbst wenn die Frauen gebildet <strong>und</strong><br />

beruflich integriert waren, übernahm der Mann meist den „führenden Part“ in der Familie,<br />

der durch die Frauen nicht in Frage gestellt wurde. In Deutschland wird die - einst<br />

so entscheidende - Funktion des Mannes abgewertet: Die Familie ist abhängig von<br />

öffentlicher Al<strong>im</strong>entierung, wird fremdversorgt durch Essenspakete, das „Taschengeld“<br />

ist auf ein Min<strong>im</strong>um reduziert, eine berufliche Integration gelingt - wenn überhaupt - nur<br />

sehr schwierig. Die Männer sind zunehmend frustriert angesichts dieser Abwertung.<br />

Sie ziehen sich in vielen Fällen stark zurück, weil sie keine Perspektive für sich sehen.<br />

Dies führt dazu, dass Frauen zumindest z.T. den ursprünglichen Part der Männer übernehmen<br />

müssen: Sie sehen sich plötzlich in der Funktion, die Familie „managen“ zu<br />

müssen. Sie müssen vieles selbst in die Hand nehmen <strong>und</strong> sind damit oft überfordert.<br />

231 Darüber hinaus äußert sich die Verzweiflung <strong>und</strong> Resignation einiger Männer<br />

auch in aggressivem Verhalten oder in Form von Gewaltausbrüchen gegenüber ihren<br />

Frauen. Gewalt in der Ehe scheint keine Ausnahme, sondern - <strong>im</strong> Gegenteil - recht<br />

häufig zu sein. So berichtet eine Mitarbeiterin der Caritas, dass sich „Frauen kaum<br />

mehr darüber aufregen, wenn sie einen Schlag ins Gesicht bekommen“ 232 (siehe Kapitel<br />

4.5).<br />

Familienprobleme wiegen für viele Flüchtlingsfrauen schwer. Sie sind einer der<br />

Hauptgründe, warum Frauen Flüchtlingsberatungsstellen aufsuchen. Ein Problembereich<br />

ist z.B. die Schulsituation der Kinder.<br />

Viele weibliche <strong>Flüchtlinge</strong> sind der Verantwortung, wie sie Eltern <strong>im</strong> deutschen Schulsystem<br />

wahrnehmen müssen, nicht gewachsen. Sie haben oftmals erhebliche sprachliche<br />

Defizite, teilweise selbst eine geringe Schulbildung <strong>und</strong> sind nicht in der Lage,<br />

ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Bei Elternabenden fühlen sie sich „fehl<br />

am Platz“. Die Leiterin einer Flüchtlingsberatungsstelle für Frauen berichtet davon,<br />

dass Frauen sehr oft zu ihr kommen mit den Worten: „Meine Kinder sagen, ich bin<br />

doof!“ Die Frauen haben das Gefühl, „von ihren Kindern überholt zu werden.“ 233<br />

231<br />

232<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes an der Saar am 17.08.04.<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Caritasverbandes für die Region Saar-Hochwald e.V. - Geschäftsstelle<br />

Saarlouis am 20.08.04.<br />

233<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes an der Saar am 17.08.04.


Familiäre Probleme resultieren auch aus einem Spannungsverhältnis, das in dem Aufeinandertreffen<br />

unterschiedlicher Kulturen angelegt ist: Frauen beschäftigen sich intensiv<br />

mit der Frage, wie ihre Kinder in Deutschland leben sollen. Sie vergleichen die<br />

deutsche Lebensart mit ihrer eigenen Sozialisation. Sie selbst sind hin- <strong>und</strong> hergerissen<br />

zwischen verschiedenen Erziehungsformen. Gleichzeitig sind Frauen oftmals der<br />

Puffer zwischen ihren Ehemännern <strong>und</strong> den Kindern. Väter tragen oftmals einen Konflikt<br />

mit ihren Kindern - insbesondere mit jugendlichen Mädchen - darüber aus, wie viele<br />

Freiheiten ihnen gewährt werden. In diesen Situationen müssen Frauen nach Aussage<br />

der Leiterin der Flüchtlingsberatungsstelle „sehr viel aushalten“.<br />

Frauen, die ohne Familie nach Deutschland gekommen sind, haben diese oftmals <strong>im</strong><br />

Krieg verloren. Es wird von einer bosnischen Frau berichtet, die ihren Mann, ihren Vater<br />

<strong>und</strong> ihren Bruder verloren hat. Die Familienmitglieder werden - bis auf den Bruder -<br />

nach wie vor vermisst. Ihr Schicksal steht stellvertretend für das vieler alleinstehender<br />

Flüchtlingsfrauen. Es hat sich gezeigt, dass multikulturelle Frauengruppen, die sich mit<br />

deutschen Frauengruppen treffen, für diese Frauen sehr hilfreich sind. Die deutschen<br />

Frauen sind sehr an dem Schicksal der <strong>Flüchtlinge</strong> interessiert, das Reden hilft be<strong>im</strong><br />

Verarbeiten der Ereignisse. Auch der Austausch über familiäre Fragen ist sehr hilfreich<br />

für die Frauen. Alleinstehende Frauen sind insbesondere in der LGU in einer schwierigen<br />

Situation. Es spricht sich schnell herum, dass sie ohne Mann in der Unterkunft<br />

leben. Auf Seiten der Frauen entsteht oftmals ein „Bedrohtheitsgefühl“. 234 Beispielsweise<br />

auf dem Weg zur Gemeinschaftsdusche fühlen sie sich sehr unsicher. Es wird verstärkt<br />

die Forderung laut, alleinstehende Frauen dezentral unterzubringen. 235 Eine Befragung<br />

zahlreicher Flüchtlingsfrauen hat gezeigt, dass die Gemeinschaftsduschen von<br />

nahezu allen als „furchtbar“ <strong>und</strong> sehr schmutzig empf<strong>und</strong>en werden.<br />

Eine Teilnehmerin der SEPA-Maßnahme 236 der Caritas Saarlouis, die als alleinstehende<br />

Frau in der LGU lebt, hat in einem Brief die Situation von Frauen in Lebach geschildert.<br />

Sie nennt verschiedene Faktoren, die sie selbst stören:<br />

- Der Hausmeister klopft an, aber er wartet nicht, bis man ihn hereinbittet, sondern<br />

er kommt einfach in die Wohnung (eine Caritas-Mitarbeiterin berichtet davon, dass<br />

sich manche Frauen in ihren Wohnungen auch verbarrikadieren, weil sich so viele<br />

Männer auf dem Flur aufhalten);<br />

- es gibt keinen Übersetzer <strong>im</strong> Lager, der einem behilflich sein könnte, z.B. bei einem<br />

Arztbesuch oder bei der Kontaktierung eines Rechtsanwalts;<br />

- man hat große Angst davor, die Duschen aufzusuchen;<br />

- die Wohnungen sind zu eng bzw. man lebt mit zu vielen Personen auf engem<br />

Raum;<br />

- man kann Familienaufgaben, wie z.B. den Einkauf, nicht wahrnehmen; manche<br />

Nahrungsmittel aus den Essenpaketen kennt man nicht; man kann keine Vorräte<br />

lagern;<br />

234 Gespräch mit Psycholog<strong>innen</strong>/Psychologen des DRK am 20.07.04.<br />

235 Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes an der Saar am 07.08.04.<br />

236 Über die Expertengespräche hinausgehend wurden Interviews mit den Teilnehmer<strong>innen</strong> der SEPA-<br />

Maßnahme des Caritasverbandes für die Region Saar-Hochwald e.V. - Geschäftsstelle Saarlouis<br />

geführt.<br />

123


124<br />

- man kann Wäsche nicht selbst waschen, sondern muss sie in der Wäscherei abgeben;<br />

das Waschmittel ruft Allergien bei Kindern hervor;<br />

- man bekommt mit, wie Nachbarn nachts von der Polizei abgeholt <strong>und</strong> in Bussen<br />

abtransportiert werden.<br />

Viele Frauen sind psychisch sehr instabil. Die Mitarbeiterin des Caritasverbandes für<br />

die Region Saar-Hochwald - Geschäftsstelle Saarlouis berichtet davon, dass nahezu<br />

alle Frauen <strong>im</strong> SEPA-Kurs Psychopharmaka einnehmen würden. Sie klagen permanent<br />

über Kopf-, Magen- <strong>und</strong> Rückenschmerzen. Schmerzmittel haben sie <strong>im</strong>mer dabei.<br />

Die meisten Teilnehmer<strong>innen</strong> waren bereits in der Psychiatrie in Wallerfangen<br />

bzw. in der Tagesklinik Lebach. Die Frauen sagen: „Man kann lange Zeit vieles ertragen,<br />

aber irgendwann bricht man zusammen, das ist ganz normal.“ 237 Das Schl<strong>im</strong>mste<br />

für die Frauen ist die Ungewissheit, die fehlende Zukunftsperspektive. Die Teilnahme<br />

am SEPA-Kurs empfinden die Frauen als große Chance, aus der gewohnten Umgebung<br />

einmal „auszubrechen“. Sie baten z.B. darum, die Ferienzeit von drei auf zwei<br />

Wochen zu verkürzen. Im Kurs - ebenso wie in Frauengruppen u.ä. - schließen die<br />

Frauen Fre<strong>und</strong>schaften, sie erleben eine entspannte Atmosphäre <strong>und</strong> sie können sich<br />

einmal nur auf sich konzentrieren. 238<br />

Im Gegensatz zu zentral untergebrachten Frauen sind Frauen, die in den Gemeinden<br />

leben, nach Aussage einer Caritas-Mitarbeiterin psychisch deutlich stabiler. Die Wohnsituation<br />

sei dort erheblich besser <strong>und</strong> man sei nicht abhängig von Fremdversorgung.<br />

Das Bildungsniveau der Flüchtlingsfrauen ist sehr unterschiedlich. Einige Frauen,<br />

insbesondere Kurd<strong>innen</strong> aus der Türkei, seien unzureichend bis gar nicht alphabetisiert.<br />

Die meisten haben höchstens fünf Jahre die Schule besucht. Anderseits gibt es<br />

viele Frauen, z.B. aus dem Iran, die über 12 Jahre Schulbildung verfügen oder einen<br />

Hochschulabschluss haben. Unabhängig von der Schulbildung wird deutlich, dass nur<br />

wenige Frauen Berufserfahrung vorzuweisen haben.<br />

Beispiel:<br />

Eine 28-jährige Irakerin lebt seit Oktober 2002 in Deutschland; sie war zunächst in der LGU<br />

Homburg untergebracht <strong>und</strong> musste nun nach Lebach umziehen. Ihr Mann kam bereits zwei<br />

Jahre früher nach Deutschland. Im Irak hat sie zwei bis drei Jahre die Schule besucht, aber nie<br />

einen Beruf erlernt. Gearbeitet hat sie nie, „weil das nicht gern gesehen war.“ Sie wünscht sich,<br />

in Deutschland eine Beschäftigung bei Mc Donald´s oder in einem Kleidergeschäft zu finden,<br />

um sich Geld dazu verdienen zu können.<br />

In der Vergangenheit haben die Flüchtlingsberatungsstelle der Diakonie <strong>und</strong> die Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Betreuungsstelle für ausländische <strong>Flüchtlinge</strong> des Caritasverbandes für die<br />

Region Saar-Hochwald e.V. die Nachqualifizierung von <strong>Asylbewerber</strong><strong>innen</strong> als dringend<br />

notwendig erachtet. Das Diakonische Werk an der Saar bietet deshalb beispiels-<br />

237<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Caritasverbandes für die Region Saar-Hochwald e.V. - Geschäftsstelle<br />

Saarlouis am 20.08.04.<br />

238<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Caritasverbandes für die Region Saar-Hochwald e.V. - Geschäftsstelle<br />

Saarlouis am 20.08.04.


weise einen Alphabetisierungskurs für Frauen an. Der Caritasverband bietet ehrenamtlich<br />

Alphabetisierungskurse für Frauen <strong>und</strong> Männer an. Die meisten Frauen seien<br />

hochmotiviert, jedoch hätten viele nie gelernt zu lernen <strong>und</strong> würden schnell den Mut<br />

verlieren. 239<br />

Der SEPA-Kurs des Caritasverbandes für Frauen bietet zusätzlich zu einer Sprachausbildung<br />

berufliche Qualifizierungsmöglichkeiten, denn trotz unzureichender Alphabetisierung<br />

gibt es Berufe, in denen diese Frauen tätig werden können, z.B. <strong>im</strong> Reinigungs-<br />

oder <strong>im</strong> Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe. Die Verdienstmöglichkeiten hier sind<br />

jedoch relativ gering. Zudem sind die Arbeitszeiten <strong>im</strong> Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe<br />

teilweise nicht mit den kulturellen Prinzipien einiger Frauen, z.B. Musl<strong>im</strong><strong>innen</strong>, vereinbar.<br />

Generell sind Frauen nach Aussagen mehrerer Experten auf dem deutschen Arbeitsmarkt<br />

stark benachteiligt <strong>und</strong> leiden zunehmend unter ihrer (beruflichen) Isolation.<br />

Frauen aus ehemals sozialistischen Staaten waren beruflich voll integriert; das Leben<br />

in Deutschland bedeutet für sie einen beruflichen <strong>und</strong> sozialen Abstieg.<br />

Beispiel:<br />

Eine Kosovo-Albanerin lebt seit 1999 mit ihrer Familie <strong>im</strong> Saarland. In ihrem He<strong>im</strong>atland war sie<br />

beruflich integriert. Sie hat acht Jahre als Buchhalterin in einer Bank gearbeitet. Ihr Mann hat 18<br />

Jahre in einem Restaurant gearbeitet. In Deutschland findet keiner der Beiden Arbeit. Die Frau<br />

befindet sich in Therapie.<br />

Frauen, die an dem SEPA-Kurs der Caritas teilnehmen, hegen zu einem Großteil den<br />

Wunsch, als Frisörin zu arbeiten. Auch Bürotätigkeiten scheinen sehr attraktiv, weil<br />

man mit ihnen schicke Kleidung, Sauberkeit <strong>und</strong> Ordnung assoziiert. Die Chancen sind<br />

aber am realistischsten <strong>im</strong> Dienstleistungsbereich (Supermärkte etc.), in Küchen sowie<br />

in der Alten- <strong>und</strong> Krankenpflege.<br />

Die Teilnahme an Qualifizierungs- <strong>und</strong> Sprachkursen oder sonstigen Angeboten fördert<br />

in hohem Maße das Selbstbewusstsein der Frauen. Sie treten auf diese Weise zunehmend<br />

in Kontakt mit der deutschen Kultur, die einige Frauen strikt ablehnen, andere<br />

aber auch sehr reizvoll finden. Der Kulturunterschied wird sehr bewusst wahrgenommen<br />

<strong>und</strong> individuell verarbeitet. Während ein Sprachkurs Frauen bereits sehr wichtig<br />

ist, hat ein Praktikum enorm positive Auswirkungen auf das Befinden der Frauen. Sie<br />

treffen auf Kolleg<strong>innen</strong>/Kollegen, die sie akzeptieren, sie spüren, dass sie etwas können,<br />

übernehmen eigenverantwortlich Aufgaben. Das Selbstwertgefühl der Frauen wird<br />

dadurch gesteigert.<br />

239 Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes an der Saar am 07.08.04.<br />

125


126<br />

4.6.2 Zusammenfassung<br />

Insgesamt befinden sich Flüchtlingsfrauen <strong>im</strong> Saarland in einem mehrd<strong>im</strong>ensionalen<br />

Spannungsverhältnis. In den geführten Gesprächen war auffallend, dass Frauen die<br />

Wohnsituation in der LGU sehr viel schlechter ertragen können als Männer. Sie haben<br />

den Anspruch, ihrer Familie ein „schönes He<strong>im</strong>“ bieten zu können <strong>und</strong> sind in der Unterkunft<br />

gefangen in Fremdbest<strong>im</strong>mung. Nahezu alle Frauen machten in den Gesprächen<br />

einen sehr verzweifelten <strong>und</strong> instabilen Eindruck. In der LGU kumulieren familiäre<br />

Probleme. Die Männer finden i.d.R. keine Arbeit <strong>und</strong> können demnach ihrer Rolle als<br />

Ernährer <strong>und</strong> „Familienoberhaupt“ nicht mehr gerecht werden, sie resignieren oftmals.<br />

Die Frauen füllen diese Rolle aus <strong>und</strong> „managen“ die Familie. Zudem müssen sie die<br />

Frustration der Männer aushalten. Gleichzeitig müssen sie <strong>im</strong>mer wieder als Mittler<br />

zwischen verschiedenen Familienmitgliedern agieren. Auch die eigene Rolle in der<br />

Familie <strong>und</strong> in der Gesellschaft wird auf den Prüfstein gestellt. Damit fühlen sie sich oft<br />

überfordert, insbesondere bei der Betreuung ihrer Kinder <strong>im</strong> schulpflichtigen Alter, die<br />

schnell Deutsch lernen <strong>und</strong> ihre Mütter „überholen“.<br />

Auch berufliche Integration ist den Frauen wichtig. Sprachprobleme, z.T. geringe Bildung<br />

sowie gesetzliche Rahmenbedingungen stehen diesem Vorhaben jedoch entgegen.<br />

Eine besondere Betreuung von Flüchtlingsfrauen ist außerordentlich wichtig.<br />

4.7 Die Situation von dezentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

4.7.1 Allgemeiner Überblick<br />

Bis 1994 war es <strong>im</strong> Saarland die Regel, <strong>Flüchtlinge</strong> dezentral, d.h. auf die saarländischen<br />

Gemeinden verteilt, unterzubringen. Angesichts hoher <strong>Asylbewerber</strong>zahlen Anfang<br />

der 1990-er Jahre entschloss man sich, die Personengruppe fortan nur noch zentral<br />

in landeseigenen Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Damit ging zwangsläufig<br />

eine Verschlechterung der Lebenssituation von <strong>Asylbewerber</strong>n/<strong>Asylbewerber</strong><strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n einher.<br />

Trotz zentraler Unterbringung lebt nach wie vor eine große Anzahl von <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

in den Gemeinden: Von 3.878 Personen, die in 2003 Leistungen nach AsylbLG erhielten,<br />

waren 1.783 in den LGUs untergebracht. Demnach lebten 2.095 <strong>Flüchtlinge</strong> in<br />

dezentraler Unterbringung. Es handelt sich dabei entweder um „Altfälle“ aus der Zeit<br />

vor 1994 oder um Ausnahmefälle, denen aufgr<strong>und</strong> ihrer besonderen Situation eine<br />

dezentrale Unterbringung genehmigt wurde.<br />

Die Lebenssituation dieser Personengruppe ist unter anderem aus dem Gr<strong>und</strong> schwer<br />

zu fassen, weil sich die saarländische Flüchtlingsberatungsstruktur sehr stark auf Lebach<br />

konzentriert. Unter der derzeitigen saarländischen Regierung wurden die einst<br />

vom Land finanzierten Flüchtlingsberatungsstellen in den einzelnen Landkreisen gestrichen.<br />

Gleichzeitig erfolgte eine Schwerpunktsetzung auf das Thema Rückkehrförderung.<br />

Das saarlandweite Netzwerk der Flüchtlingsberatung ist somit aufgelöst, d.h.


nicht zuletzt, dass auch die Hilfestellung für dezentral untergebrachte <strong>Flüchtlinge</strong> zu<br />

einem großen Teil weggebrochen ist. Originäre Flüchtlingsberatung wird außerhalb<br />

Lebachs derzeit nur vom DRK, dem Diakonischen Werk an der Saar sowie der Aktion<br />

3. Welt Saar angeboten. Während das DRK psychosoziale Beratung in Saarbrücken<br />

für <strong>Flüchtlinge</strong> aus dem gesamten Saarland anbietet, haben die anderen Organisationen<br />

trotz nicht regionalbegrenzter Tätigkeit doch ein - wenn auch nicht starr - abgegrenztes<br />

regionales Einzugsgebiet. Danach ist das Diakonische Werk in erster Linie<br />

Ansprechpartner für <strong>Flüchtlinge</strong> aus den Landkreisen Neunkirchen <strong>und</strong> St. Wendel <strong>und</strong><br />

die Aktion 3. Welt Saar für den Kreis Merzig-Wadern. Im Umkehrschluss heißt das,<br />

dass zumindest der Landkreis Saarlouis <strong>und</strong> der Saarpfalz-Kreis unter Gesichtspunkten<br />

der Beratungsinfrastruktur stark vernachlässigt sind. Insgesamt lebten in diesen<br />

beiden Landkreisen <strong>im</strong> Jahr 2003 <strong>im</strong>merhin 745 <strong>Flüchtlinge</strong>, was r<strong>und</strong> 20 % aller<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> entspricht. Über das DRK hinausgehend befindet<br />

sich auch <strong>im</strong> Stadtverband Saarbrücken keine originäre Flüchtlingsberatungsstelle,<br />

was für eine Landeshauptstadt nicht angemessen erscheint.<br />

Die Lebenssituation von dezentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n wird insgesamt<br />

deutlich besser eingeschätzt als die von in der LGU lebenden <strong>Flüchtlinge</strong>n. Von großer<br />

Bedeutung ist diesbezüglich, dass sich der Wohnungsmarkt in den letzten Jahren<br />

zunehmend entspannt hat. Heute ist es möglich, relativ preisgünstig annehmbare<br />

Wohnungen zu finden. Die Wohnsituation dieser Personengruppe hat sich nach Ansicht<br />

von Flüchtlingsexperten „entscheidend verbessert“. 240 Die Wohnungen stellen<br />

einen starken Kontrast zur LGU dar, in der sich mehrere Personen ein Z<strong>im</strong>mer teilen<br />

<strong>und</strong> wo das Zusammenleben von Enge geprägt ist. Gerade diese Enge führt oftmals<br />

auch zu unterschwelligen oder offenen Aggressionen <strong>und</strong> einer angespannten Familiensituation.<br />

Die Familiensituation von dezentral lebenden <strong>Flüchtlinge</strong>n wird tendenziell<br />

als deutlich besser eingeschätzt als die von Lebacher <strong>Flüchtlinge</strong>n. 241<br />

Auch die finanzielle Situation der in den Gemeinden lebenden <strong>Flüchtlinge</strong> hat sich anscheinend<br />

etwas entspannt. Insbesondere jene, die bereits sehr lange in Deutschland<br />

leben, beziehen mittlerweile Leistungen analog BSHG, verfügen über ein eigenes Einkommen<br />

oder sie waren erwerbstätig <strong>und</strong> beziehen Arbeitslosengeld/-hilfe.<br />

Ganz entscheidend für die Lebenssituation von dezentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

ist der Faktor Integration. In den Gemeinden sind diese <strong>Flüchtlinge</strong> gut integriert, sie<br />

werden nicht mehr als „Fremde“ wahrgenommen, sondern als „normale“ Nachbarn.<br />

Dies bedeutet nicht, dass es keinerlei Probleme gibt. Beispielsweise die Kleidung oder<br />

best<strong>im</strong>mte kulturelle Eigenheiten der <strong>Flüchtlinge</strong> tragen dazu bei, dass ihnen manche<br />

deutsche Bewohner/<strong>innen</strong> nach wie vor distanziert begegnen. Die Kinder spielen auf<br />

der Straße miteinander, sie kennen sich aus der Schule oder aus der Nachbarschaft.<br />

Auch die Eltern knüpfen über die Schule oder die Nachbarschaft leichter Kontakte zu<br />

Deutschen.<br />

Die Lebenssituation von Flüchtlingskindern bedarf einer gesonderten Betrachtung. In<br />

den Gemeinden wachsen sie in den eigenen Wohnungen in einer mehr oder weniger<br />

entspannten Familiensituation auf. Sie haben regen Kontakt zu deutschen Altersgenossen,<br />

entweder in der Nachbarschaft oder in der Schule. Im Vergleich dazu haben<br />

Kinder in der LGU insbesondere <strong>im</strong> Winter keine Möglichkeit, sich zu beschäftigen. Die<br />

240 Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes an der Saar am 17.08.04.<br />

127


128<br />

räumliche Enge behindert sie stark in ihren Entfaltungsmöglichkeiten. Der Kontakt zu<br />

deutschen Kindern ist eingeschränkt. 242<br />

Im Vergleich zur Lebenssituation in der LGU schneidet die dezentrale Unterbringung in<br />

der Einschätzung der Experten deutlich besser ab. Eine politische Forderung wird dahingehend<br />

formuliert, dass die Unterbringung von alleinstehenden Frauen <strong>und</strong> unbegleiteten<br />

minderjährigen <strong>Flüchtlinge</strong>n zwischen 16 <strong>und</strong> 18 Jahren in der LGU „sehr<br />

verantwortungslos“ sei <strong>und</strong> diese Personengruppen dringend dezentral untergebracht<br />

werden sollen.<br />

4.7.2 Zusammenfassung<br />

Tendenziell ist die Lebenssituation dezentral untergebrachter <strong>Flüchtlinge</strong> besser als die<br />

der <strong>im</strong> „Lager“ lebenden <strong>Flüchtlinge</strong>. Sie können sich eine Wohnung suchen, die ihren<br />

Bedürfnissen zumindest in Ansätzen gerecht wird <strong>und</strong> sich selbst mit Nahrungsmitteln<br />

<strong>und</strong> sonstigen Gütern des täglichen Bedarfs versorgen. Darüber hinaus gestaltet sich<br />

die Integration dieser Personengruppe in das Umfeld <strong>im</strong> Vergleich zu den Bewohner/<strong>innen</strong><br />

der LGU deutlich besser, da sich die Einhe<strong>im</strong>ischen in diesem Fall nicht einer<br />

solch großen Masse gegenüber sehen <strong>und</strong> die <strong>Flüchtlinge</strong> nach einer gewissen<br />

Zeit nicht mehr als „Fremde“ wahrnehmen.<br />

4.8 Zusammenfassung<br />

Ausgehend von den zu Beginn des Kapitels formulierten forschungsleitenden Fragen,<br />

bleibt als wesentliches Ergebnis dieses Kapitels Folgendes festzuhalten:<br />

- Die Wohnsituation der zentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong> ist in erster Linie<br />

durch Enge gekennzeichnet, die eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität<br />

darstellt. Als Provisorium kann diese Art der Unterkunft akzeptiert werden,<br />

nicht jedoch bei zum Teil mehrjährigen Aufenthalten der <strong>Flüchtlinge</strong>. Im Vergleich<br />

dazu gestaltet sich die Lebenssituation dezentral untergebrachter <strong>Flüchtlinge</strong><br />

tendenziell deutlich positiver. Der Wohnraum ist hier frei wählbar.<br />

- Die finanzielle Situation von zentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n wird durch das<br />

AsylbLG best<strong>im</strong>mt, wonach sie - abgesehen von einem geringen „Taschengeld“ -<br />

Nahrungsmittel <strong>und</strong> alle sonstigen Gebrauchsgüter in Form von Sachleistungen<br />

erhalten. Der Handlungsspielraum der <strong>Flüchtlinge</strong> ist somit stark eingeschränkt.<br />

Die Essenspakete werden von den Betroffenen scharf kritisiert.<br />

- Während die allgemeine Ges<strong>und</strong>heitssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n nicht in besonderem<br />

Maße auffällig <strong>und</strong> die medizinische Versorgung in Lebach als gut zu bezeichnen<br />

ist, ist die psychische Ges<strong>und</strong>heit hingegen in hohem Maße besorgnis-<br />

241 Dieselbe.<br />

242 Dieselbe.


129<br />

erregend. Viele <strong>Flüchtlinge</strong> sind wegen posttraumatischer Belastungsstörungen<br />

bei den ansässigen Psychiatern in Behandlung. Darüber hinaus suchen viele die<br />

psychologische Betreuung durch das DRK auf.<br />

- <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> sind insgesamt kaum in das gesellschaftliche<br />

Leben Lebachs integriert. Auf dem Gelände der LGU hat sich ein Eigenleben<br />

entwickelt, das in hohem Maße positiv durch die Freizeitangebote der dort ansässigen<br />

Wohlfahrtsverbände beeinflusst wird. Abgrenzungstendenzen innerhalb<br />

der LGU sind nur vereinzelt <strong>und</strong> ansatzweise bei best<strong>im</strong>mten Gruppen, z.B. bei<br />

Kurd<strong>innen</strong>/Kurden oder Chines<strong>innen</strong>/Chinesen zu beobachten. Dagegen gelingt<br />

die Integration bei dezentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>n besser. Generell wenig<br />

ausgeprägt scheint die Integration in Migrantencommunities. Lediglich bei Kurd<strong>innen</strong>/Kurden<br />

scheinen Familienstrukturen <strong>im</strong> gesamten Saarland <strong>und</strong> darüber<br />

hinaus eine wichtige Bedeutung zu haben.<br />

- Konflikte zwischen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> auf der einen <strong>und</strong> der Aufnahmegesellschaft<br />

auf der anderen Seite sind <strong>im</strong> Saarland vorhanden, erreichen jedoch kein<br />

kritisches Ausmaß. Sie sind in vielen Fällen auf Vorurteile zurückzuführen, die<br />

aufgr<strong>und</strong> mangelnder Kommunikation nicht abgebaut werden können. Die Kr<strong>im</strong>inalität<br />

von <strong>Flüchtlinge</strong>n tritt <strong>im</strong>mer wieder in den Vordergr<strong>und</strong> - sei es <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit Drogen oder mit Ladendiebstählen. Ein abschließendes Urteil hierzu<br />

kann kaum gefällt werden. Nach Aussagen der Polizei hat sich die Situation<br />

tendenziell entspannt.<br />

- Besondere Beachtung muss der Situation von Flüchtlingsfrauen <strong>im</strong> Saarland geschenkt<br />

werden. Sie leiden zum Teil erheblich unter ihrer aktuellen Lebenssituation,<br />

d.h. den beengten Wohnverhältnissen, dem fehlenden Eheleben <strong>und</strong> der<br />

Überforderung in vielerlei Hinsicht <strong>und</strong> bedürfen intensiver Unterstützung.


130


5 Sprach- <strong>und</strong> allgemeiner Bildungshintergr<strong>und</strong> von<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

Sprache ist ein zentrales Instrument der Integration, denn das Beherrschen der deutschen<br />

Sprache ist mitunter die wichtigste Voraussetzung für eine Teilnahme am gesellschaftlichen<br />

Leben sowie für schulische <strong>und</strong> berufliche Erfolge. Dem Thema Sprache<br />

ist daher ein eigenes Kapitel gewidmet. Es wird danach gefragt, wie die rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen des Spracherwerbs für <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> aussehen<br />

<strong>und</strong> wie sich die Situation <strong>im</strong> Saarland in der Praxis darstellt. Gleichzeitig wird<br />

zu Beginn des Kapitels der Frage nachgegangen, über welchen Bildungshintergr<strong>und</strong><br />

<strong>im</strong> Saarland lebende <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> verfügen. Der Bildungshintergr<strong>und</strong><br />

ist bei der Frage des Spracherwerbs nicht unrelevant. Er entscheidet zum<br />

Beispiel über die Nachfrage von Alphabetisierungskursen, aber auch über das Lernniveau<br />

<strong>im</strong> Allgemeinen.<br />

5.1 Zum Bildungshintergr<strong>und</strong> von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Herkunft der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> ist<br />

auch ihr Sprach- <strong>und</strong> allgemeiner Bildungshintergr<strong>und</strong> sehr heterogen. Hoch qualifizierten<br />

berufserfahrenen Personen stehen unqualifizierte Personen ohne Berufspraxis<br />

gegenüber. Allgemein kann gesagt werden, dass der Sprach- <strong>und</strong> allgemeine Bildungshintergr<strong>und</strong><br />

- neben anderen Faktoren - von entscheidender Bedeutung für die<br />

Qualifizierungs- <strong>und</strong> Beschäftigungsfähigkeit in Deutschland ist.<br />

Der Bildungshintergr<strong>und</strong> von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n ist auch bei der<br />

Konzipierung von Weiterbildungsmaßnahmen - wie beispielsweise <strong>im</strong> Rahmen von<br />

SEPA - von großer Bedeutung, um nicht „an Realitäten vorbei zu planen“. Bei einer<br />

Qualifizierung sollte es sich nicht nur um eine reine „Beschäftigungsmaßnahme“ handeln.<br />

Sowohl nach dem subjektiven Empfinden der Teilnehmer/<strong>innen</strong> als auch unter<br />

objektiven Gesichtspunkten sollen diese Maßnahmen nützlich sein für den weiteren<br />

beruflichen Weg. Aus dieser Gewissheit entsteht <strong>im</strong> Idealfall die starke Motivation, sich<br />

trotz vieler belastender Faktoren für eine Qualifizierung <strong>und</strong> gegen ein passives Leben<br />

in Abhängigkeit vom Sozialstaat oder von kurzfristigen Jobs zu entscheiden. Die Passivität<br />

wird i.d.R. durch äußere Vorgaben <strong>und</strong> Bedingungen (z.B. Arbeitsverbot <strong>im</strong> ersten<br />

Jahr des Asylverfahrens) hervorgerufen.<br />

Zur Untersuchung des Bildungsniveaus von <strong>im</strong> Saarland lebenden <strong>Flüchtlinge</strong>n wurden<br />

die in den Jahren 2003 <strong>und</strong> 2004 erstellten Flüchtlingsbiografien herangezogen.<br />

Die Auswertung von 90 durch den Gutachter geführten Interviews mit <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

(Flüchtlingsbiografien) ergibt folgendes Bild:<br />

131


132<br />

- 33 Personen haben <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland die Schule besucht; acht haben <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

ein Studium absolviert; 15 haben die Schule teilweise <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland, teilweise<br />

in Deutschland besucht; bei 19 <strong>Flüchtlinge</strong>n hat der Schulbesuch nur in<br />

Deutschland stattgef<strong>und</strong>en. Zu 15 Personen liegen keine Angaben über den<br />

Schulbesuch vor.<br />

- In jenen Fällen, wo Angaben über die Dauer des Schulbesuchs <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

vorliegen, zeichnet sich folgendes Bild: 7 Personen haben weniger als fünf Jahre<br />

die Schule besucht, 10 Personen bis zu 10 Jahre <strong>und</strong> 20 Befragte haben bis zu<br />

12 Jahre die Schule besucht <strong>und</strong> diese i.d.R. mit dem Abitur abgeschlossen.<br />

- Neun Befragte geben explizit an, dass sie eine Ausbildung <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland absolviert<br />

haben.<br />

- 19 Befragte sprechen davon, dass sie <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland einen Beruf ausgeübt haben.<br />

- Fünf Befragte waren in ihrer He<strong>im</strong>at selbständig.<br />

Auffällig ist, dass die meisten Befragten über eine gute Schulausbildung verfügen. Von<br />

den Fällen, wo Angaben über die Dauer des Schulbesuchs vorliegen, haben <strong>im</strong>merhin<br />

54 % bis zu 12 Jahre die Schule besucht. Nur 21 % der Befragten geben an, in der<br />

He<strong>im</strong>at einen Beruf ausgeübt zu haben, was vergleichsweise gering erscheint.<br />

Eine Typologie, die in idealtypischer Weise versucht, alle in der Praxis bestehenden<br />

Varianten der Schul- <strong>und</strong> Berufssituation <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland darzustellen, gestaltet sich<br />

folgendermaßen:


Tabelle 14: Qualifikation <strong>und</strong> Beschäftigungssituation <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

Qualifikation Ausbildungs- bzw. Berufssituation <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

A:<br />

Hoch<br />

qualifiziert<br />

B:<br />

Mittel<br />

qualifiziert<br />

C:<br />

Gering<br />

qualifiziert<br />

1. Hochschulabschluss, Berufserfahrung entsprechend dem studierten Fach<br />

2. Hochschulabschluss, Berufserfahrung nicht dem Studienfach entsprechend<br />

3. Hochschulabschluss, keine Berufserfahrung<br />

4. Studium ohne Abschluss, Berufserfahrung<br />

5. Studium ohne Abschluss, Selbständigkeit<br />

6. Studium ohne Abschluss, keine Berufserfahrung<br />

1. Mittlerer bis hoher Schulabschluss, Selbständigkeit<br />

2. Mittlerer bis hoher Schulabschluss, Ausbildung, Berufserfahrung<br />

3. Mittlerer bis hoher Schulabschluss, Ausbildung, keine Berufserfahrung<br />

4. Mittlerer bis hoher Schulabschluss, keine Ausbildung, Berufserfahrung<br />

133<br />

5. Mittlerer bis hoher Schulabschluss, keine Ausbildung, keine Berufserfahrung<br />

1. Niedriger Schulabschluss, Ausbildung, Berufserfahrung bzw. Selbständigkeit<br />

2. Niedriger Schulabschluss, Ausbildung, keine Berufserfahrung<br />

3. Niedriger Schulabschluss, keine Ausbildung, Berufserfahrung<br />

4. Niedriger Schulabschluss, keine Ausbildung, keine Berufserfahrung<br />

5. Kein Schulabschluss, Berufserfahrung<br />

6. Kein Schulabschluss, keine Berufserfahrung<br />

Es wird unterschieden zwischen hoher (A), mittlerer (B) <strong>und</strong> geringer (C) Qualifikation.<br />

Die innerhalb dieser Kategorien genannten Typen sind jeweils absteigend nummeriert:<br />

Der zuerst genannte Typ (1) ist jener mit der besten Ausbildung bzw. tendenziell günstigsten<br />

Beschäftigungssituation, der zuletzt genannte (5 bzw. 6) jener mit der schlechtesten<br />

Ausbildung <strong>und</strong> der tendenziell schlechtesten Beschäftigungssituation.<br />

Die große Mehrzahl der befragten <strong>Flüchtlinge</strong> ist in die Kategorie B einzuordnen. Die<br />

meisten verfügen über einen mittleren bis hohen Schulabschluss. Ausbildungen werden<br />

nur selten explizit erwähnt. Berufserfahrung wird in einigen Fällen angegeben.<br />

Relativ selten kommen Personen vor, die fast keinen Schulbesuch vorweisen können,<br />

d.h. nur gering qualifiziert sind. Gleichermaßen sind hoch qualifizierte <strong>Flüchtlinge</strong>, die<br />

über einen Hochschulabschluss verfügen, eher die Ausnahme unter den Befragten.


134<br />

5.2 Spracherwerb von <strong>Flüchtlinge</strong>n in Deutschland<br />

„Man sollte die deutsche Sprache feierlich zu Grabe tragen, denn nur die Toten haben<br />

genügend Zeit, um diese Sprache zu lernen“, bemerkte Mark Twain resigniert über das<br />

Deutsche, mit dessen Erwerb er augenscheinlich haderte. Was für den amerikanischen<br />

Schriftsteller galt, dürfte für Zuwanderer in Deutschland nicht weniger gelten - mit dem<br />

Unterschied, dass sie nicht darum herum kommen, trotz aller Mühsal Deutsch zu lernen.<br />

243 Es besteht bei allen Zuwanderungsgruppen ein starker Zusammenhang zwischen<br />

jüngerem Lebensalter <strong>und</strong> guten Sprachkenntnissen. Hier aufgewachsene<br />

Kinder von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n haben in der Regel weniger Schwierigkeiten,<br />

innerhalb des ersten Jahres leidlich gut Deutsch zu lernen. Anders die Erwachsenen.<br />

Ohne Unterstützung durch Kurse <strong>und</strong> ohne stärkere Einbindung in ein<br />

deutschsprachiges Umfeld verfügen sie häufig auch nach vielen Jahren des Aufenthaltes<br />

nur über Gr<strong>und</strong>kenntnisse in Deutsch.<br />

5.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> allgemeiner Überblick<br />

In Deutschland lebende Migrant<strong>innen</strong>/Migranten sind in unterschiedlichem Ausmaß<br />

<strong>und</strong> aus vielfachen Gründen am Erlernen der deutschen Sprache interessiert. Das Beherrschen<br />

der deutschen Sprache in Wort <strong>und</strong> Schrift ist die entscheidende Voraussetzung<br />

für eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, zur Beseitigung sozialer<br />

Benachteiligung sowie für schulische, berufliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Erfolge.<br />

Während einige Migrant<strong>innen</strong>/Migranten demnach hohes Interesse am Erlernen der<br />

deutschen Sprache haben, ist unter Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten <strong>und</strong> Spätaussiedler/<strong>innen</strong><br />

auch zuweilen die Tendenz einer „Ghettoisierung“ zu beobachten, so dass<br />

sich eine gesellschaftliche Integration nur <strong>im</strong> Rahmen der eigenen Community vollzog.<br />

Ein Leben ohne gute deutsche Sprachkenntnisse ist hier möglich. Kontakte zur einhe<strong>im</strong>ischen<br />

Bevölkerung waren spärlich <strong>und</strong> <strong>im</strong> Wesentlichen auf den Berufskontext<br />

beschränkt. Auch unter einigen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n gibt es diese<br />

Tendenz, während andere sehr an einem Sprachkurs interessiert sind. Als Schwierigkeit<br />

erweist sich in diesem Zusammenhang, dass <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> keinen gesetzlichen<br />

Anspruch auf einen Sprachkurs haben <strong>und</strong> meist nicht über die finanziellen Mittel<br />

verfügen, einen kostenpflichtigen Sprachkurs zu besuchen. Kostenlose Sprachkurse<br />

werden nur begrenzt angeboten. Darüber hinaus spielt z.B. die Möglichkeit der Kinderbetreuung<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Während das Erlernen <strong>und</strong> die Beherrschung der deutschen Sprache bei Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten<br />

<strong>und</strong> Aussiedler/<strong>innen</strong> seitens der einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung<br />

<strong>und</strong> der politischen Ebene als eine Selbstverständlichkeit angesehen wird, ist die Diskussion<br />

um den Spracherwerb bei <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>im</strong>mer eng<br />

verknüpft mit der Frage, inwieweit eine Integration dieser Personengruppe politisch<br />

überhaupt intendiert ist. Bei <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n geht man tendenziell<br />

davon aus, dass ihr Aufenthalt in Deutschland vorübergehender Natur ist. Diese Personengruppe<br />

n<strong>im</strong>mt be<strong>im</strong> Erlernen der deutschen Sprache daher eine gewisse „Son-<br />

243 Vgl. Kabis, Veronika: Sprachförderung. Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen. In:<br />

Ausländer in Deutschland, 18. Jg., 4/02, S. 3.


derstellung“ ein. Während der Spracherwerb von Aussiedler/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten<br />

bislang gefördert <strong>und</strong> gefordert wurde <strong>und</strong> auch weiterhin gefördert<br />

wird, ist <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n der Zugang zu Sprachförderung<br />

weitestgehend versperrt.<br />

Um erwachsenen Zuwanderern das Deutschlernen zu ermöglichen, hatte sich seit Mitte<br />

der 1970er-Jahre ein kompliziertes Fördersystem herausgebildet. Es unterschied<br />

sich entsprechend der aufenthaltsrechtlichen Trennungslinie zwischen den einzelnen<br />

Migrantengruppen: Kurse für Aussiedler/<strong>innen</strong> wurden bis vor wenigen Jahren großzügig<br />

nach dem SGB III <strong>und</strong> aus Mitteln des Garantiefonds finanziert; in vergleichsweise<br />

geringerem Maße, aber dennoch in hohem Umfang wurden Sprachkurse für ausländische<br />

Arbeitnehmer/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> ihre Familienangehörigen seit 1974 auch aus Mitteln des<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsministeriums <strong>und</strong> in Trägerschaft des Sprachverbands e.V. in Mainz angeboten.<br />

Die bisherige Sprachförderung wurde seit langem kritisiert, da eine getrennte<br />

Förderung der einzelnen Migrantengruppen in der Praxis wenig Sinn ergab <strong>und</strong> zudem<br />

eine ganze Reihe von Zielgruppen gar nicht erfasst wurde. So wurden Sprachkurse für<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> bislang kaum aus B<strong>und</strong>esmitteln gefördert, weil<br />

derartige integrationsfördernde Maßnahmen für Asylsuchende <strong>und</strong> geduldete <strong>Flüchtlinge</strong><br />

politisch nicht gewollt waren <strong>und</strong> sind. 244<br />

Im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes ist nun eine Neukonzeptionierung der<br />

Sprachförderung erfolgt, die jedoch nur solche Ausländer/<strong>innen</strong> zur Zielgruppe hat,<br />

deren Aufenthalt in Deutschland auf Dauer angelegt ist. Mit dem Zuwanderungsgesetz<br />

wurde ein einheitlicher Ansatz in der Sprachförderung geschaffen, der mit einem<br />

Rechtsanspruch auf einen Integrationskurs einhergeht. Der Integrationskurs 245 hat die<br />

Förderung einer Integration in das wirtschaftliche, kulturelle <strong>und</strong> gesellschaftliche Leben<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik zum Ziel. Er setzt sich zusammen aus einem Basis- <strong>und</strong><br />

einem Aufbausprachkurs zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einem<br />

Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur <strong>und</strong><br />

der Geschichte in Deutschland. Die erfolgreiche Teilnahme wird durch eine Bescheinigung<br />

über den erfolgreich abgelegten Abschlusstest nachgewiesen. Anspruch auf die<br />

erstmalige Teilnahme an einem Integrationskurs haben Ausländer/<strong>innen</strong>, die sich dauerhaft<br />

<strong>im</strong> B<strong>und</strong>esgebiet aufhalten, wenn sie erstmals eine Aufenthalts- (zu Erwerbszwecken,<br />

zum Zweck des Familiennachzugs oder aus humanitären Gründen) oder<br />

eine Niederlassungserlaubnis erhalten. Von einem dauerhaften Aufenthalt wird in der<br />

Regel bei Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis von mehr als einem Jahr oder bei Besitz<br />

einer Aufenthaltserlaubnis seit über 18 Monaten ausgegangen, es sei denn, der Aufenthalt<br />

ist vorübergehender Natur.<br />

Nach diesem Gesetz bleiben <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> weitestgehend<br />

von der Sprachförderung ausgeschlossen, d.h. es bleibt nur die Möglichkeit, an<br />

kostenlosen Sprachkursen, die z.B. von Wohlfahrtsverbänden angeboten werden, teilzunehmen.<br />

244 Vgl. Kabis, Veronika (a.a.O.).<br />

245 Vgl. Gesetz zur Steuerung <strong>und</strong> Begrenzung der Zuwanderung <strong>und</strong> zur Regelung des Aufenthaltes<br />

<strong>und</strong> der Integration von Unionsbürgern <strong>und</strong> Ausländern (Zuwanderungsgesetz), vom 30. Juli 2004,<br />

Kapitel 3, § 43 f.<br />

135


136<br />

5.2.2 Die Situation <strong>im</strong> Saarland<br />

Im Saarland bestehen außerhalb von Schule <strong>und</strong> Universität zwei Möglichkeiten, in<br />

Kursen Deutsch als Zweitsprache zu erlernen: zum einen die vergleichsweise teuren,<br />

aber in vielen Kommunen vorhandenen Angebote der Volkshochschulen, zum anderen<br />

preiswertere Angebote von Sprachkursträgern <strong>und</strong> anderen Vereinen <strong>und</strong> Institutionen<br />

in größeren Städten. Auf dem Land <strong>und</strong> in Kleinstädten existieren fast keine solchen<br />

Angebote.<br />

Ziel dieses Kapitels war es ursprünglich, sowohl quantitativ als auch qualitativ eine<br />

Übersicht darüber zu geben, inwieweit <strong>im</strong> Saarland lebende <strong>Flüchtlinge</strong> an Sprachkursen<br />

teilnehmen. Bei den Recherchen hat sich gezeigt, dass viele Sprachkursträger -<br />

trotz zugesagter Anonymität - nicht offen über dieses Thema sprechen wollten, da eine<br />

Teilnahme am Sprachkurs für diese Personengruppe vom Gesetz nicht vorgesehen ist.<br />

Demnach kann an dieser Stelle wenig mehr als ein allgemeiner Überblick geleistet<br />

werden, basierend auf Eindrücken aus Gesprächen mit den Sprachträgern. Darüber<br />

hinaus werden qualitativ einzelne Beispiele von Sprachkursen, die <strong>Flüchtlinge</strong>n offen<br />

stehen, beschrieben.<br />

Eine Recherche bei den ca. 15 bekannten Sprachkursträgern in Saarbrücken, die<br />

Deutsch als Fremdsprache - überwiegend für Aussiedler/<strong>innen</strong>, Kontingent-<strong>Flüchtlinge</strong><br />

<strong>und</strong> Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten bzw. deren Nachkommen - anbieten, kommt zu<br />

folgendem Ergebnis: Offiziell ziehen sich nahezu alle Träger darauf zurück, dass eine<br />

Teilnahme am Sprachkurs für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> nicht <strong>im</strong> Gesetz<br />

verankert ist. Gleichzeitig betonen jedoch die meisten, dass Teilnehmende nicht nach<br />

ihrem Aufenthaltsstatus gefragt werden oder dass <strong>Flüchtlinge</strong>n die Möglichkeit eingeräumt<br />

wird, als „Gast“ am Kurs teilzunehmen bzw. „leere“ Plätze zu besetzen. So betont<br />

beispielsweise die KEB als Träger einer SEPA-Maßnahme, dass sie schon <strong>im</strong>mer<br />

Sprachkurse angeboten hätten, an denen vereinzelt auch <strong>Flüchtlinge</strong> teilgenommen<br />

hätten.<br />

Die Art der Kurse variiert: Es gibt sowohl Intensivkurse (z.B. 8 St<strong>und</strong>en/Tag) als auch<br />

Kurse, die lediglich mit einem geringen St<strong>und</strong>enumfang pro Woche angeboten werden<br />

(z.B. zwei Mal zwei St<strong>und</strong>en/Woche). Durchschnittlich laufen die Kurse über einen Zeitraum<br />

von einem halben Jahr.<br />

Nach den Recherchen können folgende Schlüsse gezogen werden:<br />

- In nennenswertem Umfang nehmen <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Wesentlichen an jenen<br />

Sprachkursen teil, die Bestandteil des SEPA-Programms sind <strong>und</strong> exklusiv für sie<br />

angeboten werden.<br />

- Seit Jahren bietet die Caritaseinrichtung in der Landesaufnahmestelle Lebach<br />

kostenlose Deutsch-Sprachkurse <strong>und</strong> Alphabetisierungskurse - auch außerhalb<br />

von SEPA - an.<br />

- Darüber hinaus besteht für <strong>Flüchtlinge</strong> die Möglichkeit, an Sprachkursen teilzunehmen,<br />

die von der Beratungsstelle für Flüchtlingsfrauen des Diakonischen<br />

Werkes an der Saar angeboten werden.


- In den Räumen der Geschäftsstelle des Caritasverbandes Saarlouis finden seit<br />

2003 3 Mal pro Woche je zwei St<strong>und</strong>en Deutschsprachkurse für Anfänger <strong>und</strong><br />

Fortgeschrittene statt, die von einem pensionierten Lehrerehepaar ehrenamtlich<br />

angeboten werden <strong>und</strong> an denen <strong>Flüchtlinge</strong> teilnehmen. Da die Zahl der Analphabeten<br />

<strong>im</strong> Anfängerkurs sehr hoch ist, soll in naher Zukunft zusätzlich ein Alphabetisierungskurs<br />

angeboten werden.<br />

- Weiterhin existieren vereinzelt Kurse, die durch ehrenamtliche Tätigkeit ermöglicht<br />

werden (Beispiel Ottweiler).<br />

- Als einzige Institution geht der DAJC offensiv damit um, dass an seinen Sprachkursen<br />

teilweise <strong>Flüchtlinge</strong> teilnehmen.<br />

Darstellung einzelner Angebote:<br />

- Um einen Intensivsprachkurs handelt es sich bei der SEPA-Maßnahme der<br />

Caritas Saarlouis. Der Kurs findet seit 2004 <strong>im</strong> Pfarrzentrum der Kirche in Lebach<br />

statt. Die Frauen (ca. 20 Teilnehmer<strong>innen</strong>) lernen sechs Monate lang halbtags<br />

die deutsche Sprache <strong>und</strong> werden in Qualifizierungsmodulen auf das Betriebspraktikum<br />

vorbereitet. Das Sprachniveau der Teilnehmer<strong>innen</strong> ist sehr unterschiedlich.<br />

Einige Frauen können sich schon sehr gut in Deutsch verständigen,<br />

andere sprechen kaum ein Wort Deutsch. Die einjährige Maßnahme befähigt die<br />

Teilnehmer<strong>innen</strong> zur Kommunikation in der deutschen Sprache, insbesondere<br />

auch <strong>im</strong> beruflichen Kontext.<br />

- Die Caritas Lebach bietet derzeit <strong>im</strong> Rahmen von SEPA Sprachkurse für<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> an. 246 Sprachkurse werden seitens der Caritas bereits seit ca. 1991,<br />

d.h. schon vor der SEPA-Laufzeit, kontinuierlich für verschiedene Personengruppen,<br />

d.h. für Schüler/<strong>innen</strong>, Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene, angeboten. Pro Kurs<br />

nehmen ca. 15 Personen teil, eine größere Anzahl wird unter pädagogischen<br />

Gesichtspunkten nicht als sinnvoll erachtet. Ein Kurs umfasst sechs bis acht<br />

St<strong>und</strong>en die Woche <strong>und</strong> läuft über drei Monate. Im Anschluss an einen „Gr<strong>und</strong>kurs“<br />

(Kurs I) kann ein Aufbaukurs (Kurs II) besucht werden. Die Gruppen sind -<br />

was das Bildungs- <strong>und</strong> Sprachniveau sowie die Motivation anbelangt - sehr heterogen.<br />

Derzeit wird auch ein Alphabetisierungskurs angeboten. Ob ein Alphabetisierungskurs<br />

angeboten wird, hängt von der Nachfrage <strong>und</strong> den personellen Kapazitäten<br />

ab. Die Notwendigkeit für solche Kurse kann aber nicht in Zweifel gezogen<br />

werden. Personen, die an den Sprachkursen teilnehmen, sollten nach<br />

Aussagen der Sprachlehrerin wenigstens in ihrer Muttersprache alphabetisiert<br />

sein. 247 Dies ist - z.B. bei kurdischen Frauen - relativ häufig nicht der Fall, kann<br />

jedoch nicht verallgemeinert werden.<br />

- Im Rahmen der SEPA-Maßnahme der KEB finden projektbezogene Spracherweiterungskurse<br />

statt, die von einem Mitarbeiter der Caritas Lebach durchgeführt<br />

werden. Im Rahmen der Spracherweiterung soll den Teilnehmenden der<br />

Maßnahme dem jeweiligen Modul zuzuordnendes Vokabular vermittelt werden.<br />

246 Gespräch mit der Sprachlehrerin am 09.09.04.<br />

247 Vor einigen Jahren hat der Kurdische Kulturverein in Saarbrücken Kurdisch-Sprachkurse angeboten.<br />

Diese leisteten einen Beitrag zur Alphabetisierung. Quelle: Gespräch mit Kurd<strong>innen</strong> am<br />

08.09.04.<br />

137


138<br />

Dies führt zu einer Verbesserung der Fachkompetenz, da die Teilnehmenden<br />

den Anweisungen des Praxisanleiters besser folgen können, aber auch zu einer<br />

Spracherweiterung <strong>im</strong> alltagssprachlichen Bereich. Der berufliche Qualifizierungsgrad<br />

wird durch das Erlernen der Fachsprache <strong>im</strong> Besonderen gesteigert.<br />

Der Kurs findet einmal wöchentlich vier St<strong>und</strong>en statt.<br />

- Das Diakonische Werk an der Saar bietet <strong>im</strong> Rahmen des Projektes „Beratungsstelle<br />

für Flüchtlingsfrauen“ (über den Europäischen Flüchtlingsfonds finanziert)<br />

sowohl einen Sprach- als auch einen Alphabetisierungskurs für Flüchtlingsfrauen<br />

an. 248 Die Sprachkurse finden derzeit in Neunkirchen <strong>und</strong> Lebach statt, ein<br />

weiterer in Völklingen ist geplant. Die Leiterin der Flüchtlingsberatungsstelle betont,<br />

dass sehr viele Frauen nur unzureichend alphabetisiert seien <strong>und</strong> eine<br />

Nachqualifizierung dringend erforderlich sei.<br />

Der DAJC in Saarbrücken hat in der Vergangenheit unterschiedlich finanzierte Sprachkurse<br />

durchgeführt, an denen zum Teil auch <strong>Flüchtlinge</strong> teilnahmen.<br />

Am Beispiel Ottweiler zeigt sich, wie es - über SEPA hinausgehend - gelingen kann,<br />

Sprachkurse für <strong>Flüchtlinge</strong> anzubieten. Die älteren <strong>Flüchtlinge</strong> in Ottweiler haben fast<br />

alle einen festen Aufenthaltsstatus <strong>und</strong> leben schon lange hier. Vor allem kurdische<br />

Mütter haben jedoch häufig noch sehr große Sprachprobleme. Das erschwert die Integration,<br />

da sie auch <strong>im</strong> öffentlichen Raum unter sich bleiben <strong>und</strong> es mangels Kommunikationsmöglichkeiten<br />

auch bei gutem Willen seitens Einhe<strong>im</strong>ischer nicht zu tiefergehenden<br />

Kontakten kommt.<br />

Es zeigt sich: Aufeinander zugehen fängt mit Spracherwerb an. Nur über diesen Weg<br />

wird es möglich, sich mit der „anderen“ Kultur auseinander zu setzen. Und: Integration<br />

von Zuwanderern ist auch eine Herausforderung für die Alteingesessenen. 249 Auch<br />

Personen aus dem Kosovo leben eher isoliert. Manche Familien haben sich einbürgern<br />

lassen, zum Teil gab es aber Probleme bei den Frauen, da sie den Sprachtest nicht<br />

bestanden. 250 Ähnlich geschlechtsspezifische Unterschiede wurden auch bei <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

anderer Nationalität in Saarbrücken festgestellt.<br />

Im Jahr 2000 hat der Arbeitskreis Mädchenarbeit <strong>im</strong> Landkreis Neunkirchen mit Unterstützung<br />

der Stadt Ottweiler, der Evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler <strong>und</strong> dem<br />

Diakonischen Werk an der Saar in Ottweiler deshalb einen Alphabetisierungs- <strong>und</strong><br />

Sprachkurs für ausländische Frauen ins Leben gerufen. Am engagiertesten zeigen<br />

sich hierbei nach Angaben der Leiterin die Frauen <strong>und</strong> Mütter, die nie eine Schule besucht<br />

haben. Die sieben yezidisch-kurdischen (früher auch einige bosnische) Frauen<br />

zwischen 22 <strong>und</strong> 40 Jahren bemühen sich, an einem Vormittag pro Woche in die Teestube<br />

zu kommen, obwohl es für sie wegen Arbeitsbelastung <strong>im</strong> Haushalt oft nicht einfach<br />

ist. Viele haben früh geheiratet, sind mit Ende 30 schon Großmutter. 251<br />

In einem der yezidischen Herkunftsdörfer in der Türkei lebten beispielsweise 120 - 130<br />

yezidische Einwohner, aber keine Musl<strong>im</strong>e. Erst 1977 wurde dort die erste Schule gebaut.<br />

Es gab nur zwei bis drei türkische Lehrer. Die heutige Vätergeneration hat dort<br />

248<br />

249<br />

Gespräch mit der Leiterin der Beratungsstelle am 17.08.04.<br />

Vgl.: Gries, Marie Luise: Am Anfang ist das Wort. Spracherwerb <strong>und</strong> Integration. In: Ausländer in<br />

Deutschland, 15. Jg, 3/99, S. 1.<br />

250<br />

251<br />

Gespräch mit der Jugendbeauftragten der Stadt, 09.12.02.<br />

Gespräch mit der Sprachlehrerein am 27.01.03.


nur die Gr<strong>und</strong>schule besucht <strong>und</strong> Türkisch (zumindest die Schrift) gelernt. Die Mütter<br />

<strong>und</strong> mehrere Großväter haben nie eine Schule besucht. 252<br />

„Da faktisch bei Null angefangen wird <strong>und</strong> nur kleinste Schritte gemacht werden können,<br />

ist der Weg zum Erlernen der deutschen Sprache lang <strong>und</strong> ‚dornig‘. Obwohl die<br />

Frauen alle schon zehn <strong>und</strong> noch mehr Jahre in Deutschland leben, haben sie nur geringe<br />

Außenkontakte. Immer mehr Kurd<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Frauen anderer Nationalitäten möchten<br />

jedoch an solchen Sprachkursen teilnehmen, da sie wissen, dass nur so Integration<br />

<strong>und</strong> Erlangung der deutschen Einbürgerung möglich ist“, schreibt die Sprachlehrerin.<br />

Leider hätten nur sehr wenige diese Möglichkeit. Die Teilnahme an normalen Sprachkursen<br />

für Ausländer/<strong>innen</strong> an den Volkshochschulen würde für sie eine deutliche Überforderung<br />

bedeuten. „Wenn man 15 Jahre lang so durchkam, ohne grammatikalische<br />

Kenntnisse, dann ist es sehr schwer, ihnen klarzumachen, dass Sprache eine<br />

Struktur hat“, sagt sie. 253 In Einzelfällen problematisch erscheint, dass manche Ehepartner<br />

ihren Frauen kaum den Freiraum lassen, regelmäßig den Kurs zu besuchen. 254<br />

Nach Auffassung der Sprachlehrerin des Vormittags-Sprachkurses der Evangelischen<br />

Kirchengemeinde bietet dieser - während die Kinder in der Schule oder <strong>im</strong> Kindergarten<br />

sind - die Möglichkeit intensiven Lernens auch außerhalb der eigenen vier Wände.<br />

Für ihre speziellen Bedürfnisse <strong>und</strong> Möglichkeiten gebe es bisher keine Lehrbücher, so<br />

dass alle Übungen <strong>und</strong> Texte selbst erarbeitet werden müssen. Im Jahr 2001 zog sich<br />

das Land zugunsten der Betreuung in Landeseinrichtungen aus der Finanzierung zurück,<br />

die Kirchengemeinde <strong>und</strong> die Stadt sorgten jedoch für die Fortsetzung des Kurses.<br />

Heute führt eine pensionierte Lehrerin den Kurs ehrenamtlich mit zwei Terminen in<br />

der Woche fort. 255<br />

Abschließend zu konstatieren bleibt, dass ein Angebot an sprachlicher Förderung für<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> außerhalb der SEPA-Maßnahmen offenbar nur sehr eingeschränkt existiert<br />

(Ausnahme: Caritaseinrichtungen in der Landesaufnahmestelle Lebach, Diakonie,<br />

DAJC bzw. ehrenamtliche Tätigkeiten). Bestehende Angebote sind häufig nur aufgr<strong>und</strong><br />

der besonderen Motivation bzw. Eingliederungsmöglichkeiten best<strong>im</strong>mter Institutionen<br />

<strong>und</strong> Einzelpersonen entstanden, nicht aber flächendeckend.<br />

252 Gespräch mit einem Kurden am 26.01.03.<br />

253 Vgl. Ballus, Heidi: Sprachkurs für ausländische Frauen in Ottweiler. „Guten Appetit! - Lass mich<br />

auch mal von deinem Apfel beißen!” ruft Saris Tochter. In: Ottweiler Zeitung Nr. 18/2002); Gespräch<br />

am 27.01.03.<br />

254 Vgl. Sitzung des R<strong>und</strong>en Tisches Interkulturelle Zusammenarbeit am 31.08.04.<br />

255 Ballus, Heidi (a.a.O.); Gespräch mit der Sprachlehrerin am 27.01.03 <strong>und</strong> 03.07.04.<br />

139


140<br />

5.3 Zusammenfassung<br />

Das Kapitel hat <strong>im</strong> Wesentlichen zweierlei deutlich gemacht:<br />

- Auf der Basis der insgesamt 90 erstellten Flüchtlingsbiografien wurde bei der<br />

Mehrzahl der Befragten ein mittleres Bildungsniveau ermittelt. Die große Mehrzahl<br />

hat in der He<strong>im</strong>at die Schule besucht. <strong>Flüchtlinge</strong>, die fast keinen Schulbesuch<br />

vorweisen können, sind die Ausnahme unter den Befragten. Experten<br />

machten jedoch darauf aufmerksam, dass Frauen - insbesondere kurdische<br />

Frauen - zum Teil nur gering qualifiziert, oftmals auch nicht alphabetisiert seien.<br />

- Das Interesse der <strong>Flüchtlinge</strong> an Sprachkursen ist nach Einschätzung des Gutachters<br />

hoch, doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen stehen dem entgegen.<br />

Integrationsfördernde Maßnahmen, zu denen Sprachkurse gehören, sind in der<br />

deutschen Gesetzgebung für <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nicht vorgesehen. Dies bedeutet:<br />

Wenn sie nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um einen kostenpflichtigen<br />

Sprachkurs, z.B. bei der Volkshochschule, zu besuchen, bleibt ihnen nur das<br />

begrenzte Angebot an kostenlosen Sprachkursen. Diesbezüglich hat sich gezeigt,<br />

dass <strong>Flüchtlinge</strong> vor allem <strong>im</strong> Rahmen von SEPA an Sprachkursen teilnehmen.<br />

Darüber hinaus bieten folgende Institutionen Sprach- <strong>und</strong> zuweilen<br />

auch Alphabetisierungskurse in nennenswertem Umfang an: die Caritaseinrichtung<br />

in der Landesunterkunft Lebach, der Caritasverband Saarlouis, das Diakonische<br />

Werk an der Saar <strong>und</strong> z.T. der DAJC. Darüber hinaus existieren vereinzelt<br />

kommunale Angebote, die ehrenamtlich bereitgestellt werden.


6 Die schulische Situation junger <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

6.1 Allgemeine Einführung<br />

Für Kinder von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n besteht <strong>im</strong> Saarland - anders als<br />

in vielen anderen B<strong>und</strong>esländern - keine Schulpflicht. Vielmehr liegt es <strong>im</strong> Ermessen<br />

der Schulen, Flüchtlingskinder <strong>und</strong> -jugendliche aufzunehmen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Ermessen der<br />

Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Eine rechtliche Gr<strong>und</strong>lage gibt es nur in<br />

Form eines „Erlasses“, der aus dem Jahr 1987 stammt <strong>und</strong> der den heutigen Gegebenheiten<br />

nicht mehr gerecht wird, da es damals kaum Fälle mehrfach wiederholter<br />

Duldungen gab.<br />

Der Erlass besagt, dass zur Gruppe der Schulpflichtigen u.a. gehören:<br />

- Kinder von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, deren Aufenthalt längerfristig geduldet wird (d.h.<br />

hier ist nicht gewährleistet, dass sie für die Dauer der Beschulung in Deutschland<br />

bleiben können).<br />

Zur Gruppe der Nicht-Schulpflichtigen gehören:<br />

- Kinder von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, deren Asylantrag abgelehnt wurde <strong>und</strong> die der<br />

Ausreiseaufforderung nicht nachgekommen sind;<br />

- Kinder von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, die noch <strong>im</strong> Verfahren sind (für diese Gruppe gilt<br />

jedoch, dass sie aus humanitären Gründen bei ausreichender Kapazität in den<br />

Schulen aufgenommen werden sollen. Bei diesen ist nicht gewährleistet, dass sie<br />

für die Dauer der Beschulung in Deutschland bleiben können).<br />

Die bis heute gängige Praxis, dass Schulen Flüchtlingskinder <strong>und</strong> -jugendliche aufnehmen,<br />

soweit freie Plätze zur Verfügung stehen, hat bislang relativ problemlos funktioniert<br />

- zumindest in Lebach wurden sehr gute Erfahrungen mit den Schulen gemacht.<br />

Größere Probleme gab es in der Vergangenheit in zwei Bereichen: die Gr<strong>und</strong>schule in<br />

Lebach ist durch den Umzug der ehemals in der LGU Homburg untergebrachten<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt: Es mussten zwei zusätzliche Container<br />

aufgestellt werden, die als Unterrichtsräume dienen (vgl. Kap. 6.3). Darüber hinaus<br />

gibt es zunehmend Probleme, <strong>Flüchtlinge</strong> an weiterführenden Schulen unterzubringen.<br />

Außerhalb Lebachs, d.h. insbesondere in den Landkreisen Neunkirchen <strong>und</strong> St. Wendel,<br />

haben sich berufsbildende Schulen seit Ende 2003 zunehmend geweigert,<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> aufzunehmen. Darauf angesprochen verwiesen die zuständigen Schulleiter<br />

auf eine „Dienstanweisung“ durch das Kultusministerium, nur noch jene <strong>Flüchtlinge</strong><br />

aufzunehmen, deren Aufenthalt für die Dauer der Beschulung, d.h. für ca. zwei Jahre<br />

gesichert scheint. 256 Eine Nachfrage seitens einer Angestellten der Diakonie be<strong>im</strong> Kultusministerium<br />

ergab, dass eine solche Anweisung nicht schriftlich dokumentiert ist -<br />

dem Kultusministerium gemäß folglich nicht existiere. Nach Aussagen einiger Schullei-<br />

256 Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werks an der Saar am 17.08.04.<br />

141


142<br />

ter in den Landkreisen Neunkirchen <strong>und</strong> St. Wendel soll eine solche Anweisung jedoch<br />

mündlich erfolgt sein. Der Caritas zufolge sind Auswirkungen <strong>im</strong> Sinne einer Verschärfung<br />

durch eine solche Anweisung in Lebach nicht spürbar. Die Frage der Aufenthaltsdauer<br />

hat sich hier so anscheinend noch nicht gestellt. Die Voraussetzungen für den<br />

Besuch einer berufsbildenden Schule seien die gleichen wie bei deutschen Schüler/<strong>innen</strong>:<br />

Der Hauptschulabschluss muss mindestens mit einem Notendurchschnitt von<br />

3,0 absolviert worden sein. Dies stellt sich zuweilen als großes Hindernis dar. Darüber<br />

hinaus muss die Schülerin/der Schüler über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen.<br />

Ein weiteres Problem ist, dass (bis 17 Jahre) die Berufsschulpflicht nach einem<br />

Jahr erfüllt ist, d.h. wenn eine Schülerin/ein Schüler beispielsweise bereits BGJ oder<br />

BVJ absolviert hat, stehen die Chancen für den Besuch einer weiterführenden Schule<br />

relativ schlecht. Der weitere Schulbesuch liege in diesem Fall <strong>im</strong> Ermessen der betreffenden<br />

Schulen.<br />

Im Gesamturteil scheint die Kooperation mit den in Lebach ansässigen Schulen jedoch<br />

sehr gut zu funktionieren, die Schulen nehmen sehr viele Flüchtlingskinder <strong>und</strong><br />

-jugendliche auf. Die an Lebacher Schulen angestellten Lehrer/<strong>innen</strong> müssen durch die<br />

hohe Anzahl von <strong>Flüchtlinge</strong>n in ihren Klassen jedoch einen enormen Mehraufwand<br />

leisten, der nicht honoriert wird. Es bedarf eines permanenten Austausches zwischen<br />

Schulleitung <strong>und</strong> Lehrer/<strong>innen</strong> auf der einen <strong>und</strong> Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> auf der anderen<br />

Seite. Die Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> müssen viel Überzeugungsarbeit leisten <strong>und</strong> die Lehrpersonen<br />

für die Situation der <strong>Flüchtlinge</strong> sensibilisieren. Nach Aussage von Caritas-<br />

Mitarbeiter/<strong>innen</strong> ist die Mehrzahl der Lehrer/<strong>innen</strong> jedoch sehr aufgeschlossen, verständnisvoll<br />

<strong>und</strong> setzt sich auch für die Belange der <strong>Flüchtlinge</strong> ein.<br />

Ein oft wiederkehrendes Problem ist die Bereitstellung von Schulmaterialien. Flüchtlingskinder<br />

<strong>und</strong> -jugendliche brauchen von der Schule eine Bescheinigung darüber,<br />

welche Schulmaterialien benötigt werden, damit ihnen diese bereitgestellt werden können.<br />

Einige Lehrer/<strong>innen</strong> beherrschen die Formvorschriften nicht, andere verstehen<br />

nicht, warum sie diese Bescheinigung <strong>im</strong>mer wieder ausfüllen müssen (wodurch offenbar<br />

auch negative Gedanken entstehen, insbesondere der, <strong>Asylbewerber</strong> würden „den<br />

Sozialstaat ausnutzen“), einige deutsche Eltern beschweren sich, weil sie sich benachteiligt<br />

fühlen etc. Auch hier suchen die Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> permanent den Dialog <strong>und</strong><br />

versuchen, Missverständnisse abzubauen, indem sie z.B. erklären, dass die finanziellen<br />

Mittel der <strong>Flüchtlinge</strong> nicht ausreichen, um Schulmaterial zu kaufen.<br />

Im Schulbetrieb wird deutlich, dass Flüchtlingskinder <strong>und</strong> -jugendliche häufig unter der<br />

permanenten drohenden Abschiebung leiden. Sie haben oftmals Konzentrationsprobleme,<br />

schweifen gedanklich ab, verlieren die Motivation („Was soll ich in der Türkei mit<br />

meinem Hauptschulabschluss anfangen?“). In vielen Fällen führt die psychische Belastung<br />

zu psychosomatischen Beschwerden - häufige Arztbesuche sind die Folge.<br />

Als ein Problem erweist sich auch, dass die Eltern von Flüchtlingskindern <strong>und</strong><br />

-jugendlichen sich tendenziell - d.h. <strong>im</strong> Vergleich zu deutschen Eltern - wenig um die<br />

Schulausbildung ihrer Kinder kümmern. Dies hängt <strong>im</strong> Wesentlichen vom Bildungsstand<br />

der Eltern selbst ab <strong>und</strong> kann nicht pauschalisiert werden. Darüber hinaus spielen<br />

fehlende Sprachkenntnisse, Unwissenheit über das deutsche Bildungssystem sowie<br />

persönliche Sorgen der Eltern eine große Rolle. Im Weiteren kann die jahrelange<br />

Unterbringung in der LGU zu Motivationsproblemen - sowohl bei den Schüler/<strong>innen</strong> wie<br />

bei den Eltern - führen. Die Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> versuchen, die Eltern in persönlichen


Gesprächen für die Wichtigkeit des Schulbesuchs zu sensibilisieren. Darüber hinaus<br />

begleiten sie Eltern auf Elternabende.<br />

6.2 Kindergarten<br />

Der Besuch des Kindergartens stellt für Kinder eine wichtige Chance dar, zum einen<br />

dem „Lageralltag“ zu entkommen <strong>und</strong> zum anderen mit einhe<strong>im</strong>ischen Kindern in Kontakt<br />

zu treten, die deutsche Sprache zu lernen <strong>und</strong> auf die hiesige Schullaufbahn vorbereitet<br />

zu werden. Viele der in Landesunterkünften lebenden Kinder besuchen einen<br />

Kindergarten.<br />

Die Situation in Lebach erscheint sehr positiv. Die Caritas unterhält auf dem Gelände<br />

der LGU einen Kinderhort <strong>und</strong> eine Kindertagesstätte, die paritätisch mit ausländischen<br />

<strong>und</strong> einhe<strong>im</strong>ischen Kindern belegt werden. In der Kindertagesstätte wurden <strong>im</strong> Jahr<br />

2004 70 in der LGU lebende Kinder betreut. In den beiden anderen Kindergärten, einem<br />

städtischen <strong>und</strong> einem kirchlichen, sind derzeit keine Kinder aus der LGU. 257 Dies<br />

ist nach Angaben der Caritas heute nicht mehr erforderlich, weil die LGU - <strong>im</strong> Gegensatz<br />

zu früher - nicht vollständig belegt ist.<br />

Die Kindertagessstätte St. Nikolaus der Caritas besteht seit 1959. Damals wurde sie<br />

als Kindergarten für Kinder von Aussiedler/<strong>innen</strong> eingerichtet. Nach dem Rückgang der<br />

Aussiedlerzuzugszahlen war sie ab Mitte der 1970er-Jahre nicht mehr ausgelastet.<br />

Daraufhin wurde ein integratives Konzept erarbeitet, um auch einhe<strong>im</strong>ische Kinder<br />

aufnehmen zu können. 1989 wurde die Einrichtung zur Kindertagesstätte. Seitdem sind<br />

die Gruppen zu je 50 % mit deutschen Kindern (zu denen auch Aussiedler/<strong>innen</strong> zählen)<br />

<strong>und</strong> Flüchtlingskindern belegt. Durch diese Mischung könne eine gute integrative<br />

Arbeit geleistet werden, betont die Leiterin. 258 Die gemeinsame Sprache aller Kinder<br />

bleibe bei dieser Aufteilung noch Deutsch. 2004 war Deutsch die Erstsprache von<br />

22 % der Kinder, Kurdisch sprachen 24 %, Russisch 15 %, Albanisch 7 %, Serbokroatisch<br />

10 %, Arabisch 5 %, Romanes 4 %, Türkisch 3 % <strong>und</strong> Polnisch 2 %.<br />

2004 wurden 140 Kinder in sechs Gruppen betreut. Eine Gruppe besteht aus 25 Kindern,<br />

von denen r<strong>und</strong> zehn Tagesstättenkinder sind (insgesamt 60). Anders als die<br />

Kinder, die mittags nach Hause gehen, erhalten diese von 7 bis 17 Uhr eine Betreuung.<br />

Jede Gruppe ist hälftig mit Deutschen <strong>und</strong> Ausländer/<strong>innen</strong> belegt. 2004 wurden<br />

18 Nationalitäten betreut. Die größte Gruppe neben den Deutschen waren 25 Türk<strong>innen</strong>/Türken<br />

(v.a. Kurd<strong>innen</strong>/Kurden), 27 Kinder aus dem ehemaligen Jugoslawien sowie<br />

elf Syrer/<strong>innen</strong>. Weitere Nationalitäten sind nur mit einem bis drei Kindern vertreten.<br />

Die Erstsozialisation aller ins Saarland kommenden Flüchtlingskinder erfolgt - zumindest<br />

für einige Wochen - über diese Einrichtung. Diese schwierige <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer wieder<br />

neu zu bewältigende Aufgabe bedingt einen hohen pädagogischen Mehraufwand. Die<br />

143<br />

257<br />

Schreiben der Caritas vom 10.02.03.<br />

258<br />

Die Angaben zur Kindertagesstätte St. Nikolaus entstammen einem Gespräch mit der Leiterin,<br />

26.03.03.


144<br />

permanente Angst vieler Eltern vor einer Abschiebung übertrage sich auch auf die Kinder,<br />

heißt es seitens der Leitung. Entsprechend dem Gesetz zur vorschulischen Erziehung<br />

werden 2,5 Erziehungskräfte pro Gruppe finanziert. Wegen des hohen Anteils an<br />

ausländischen Kindern ist die Einrichtung <strong>im</strong> Vergleich zu anderen Kindertagesstätten<br />

personell besser ausgestattet. Der dadurch erhöhte Personalkostenaufwand wird vom<br />

Ministerium für Inneres, Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport getragen.<br />

Eine Mitarbeiterin stammt aus Kasachstan, eine aus Polen <strong>und</strong> eine aus dem ehemaligen<br />

Jugoslawien. Ihre Migrationserfahrung wird als enorm wichtig eingeschätzt, auch<br />

<strong>im</strong> Kontakt mit den deutschen Kolleg<strong>innen</strong>.<br />

Durch Abschiebungen <strong>und</strong> Fortzüge liegt die Fluktuationsrate bei etwa zwei Kindern <strong>im</strong><br />

Monat. Meist erscheinen sie einfach nicht mehr, ohne dass der Leitung mitgeteilt wird,<br />

was der Gr<strong>und</strong> ist. Abschiebungen direkt aus der Einrichtung erfolgen nicht. Die Kinder<br />

hinterfragen gleichwohl stets die Abwesenheit ihrer Fre<strong>und</strong>e. Manchmal könne der<br />

Abschied vorbereitet werden, dies gelinge jedoch nicht <strong>im</strong>mer. Da die Restgruppe in<br />

diesen Fällen nicht mehr wie vorher funktioniere (wenn z.B. aus einer miteinander befre<strong>und</strong>eten<br />

Gruppe dreier Jungen einer nicht mehr kommt), müsse dies pädagogisch<br />

aufgefangen werden.<br />

Die Räumlichkeiten des attraktiv gestalteten Gebäudes sind sehr gut ausgestattet.<br />

Auch eine Gymnastikhalle ist vorhanden. Wandtafeln <strong>und</strong> Ausstellungen verweisen auf<br />

die interkulturelle Arbeit. Die Einrichtung verfügt auch über eine Vielzahl fremdsprachiger<br />

Kinderbücher. Ein wichtiges Element der Arbeit ist die nonverbale Kommunikation<br />

mit Kindern, die die deutsche Sprache noch nicht beherrschen. 259<br />

Interkulturelles Lernen ist auch bei der Elternarbeit sehr wichtig. Kinder <strong>und</strong> Eltern begegnen<br />

sich <strong>im</strong> Haus <strong>und</strong> tauschen sich aus. Diese Begegnungen werden durch Veranstaltungen<br />

<strong>und</strong> Projekte bewusst weiter gefördert. Der Austausch über unterschiedliche<br />

Kulturen vollzieht sich z.B., indem christliche <strong>und</strong> andere Feste gemeinsam gefeiert<br />

werden. Diese Feiern werden <strong>im</strong> Foyer ausgerichtet <strong>und</strong> möglichst gemütlich<br />

gestaltet, so dass Eltern auch sitzen bleiben <strong>und</strong> sich beteiligen, wenn sie ihre Kinder<br />

abholen. Durch Elemente wie Weltkarten, auf denen der Herkunftsort gezeigt werden<br />

kann, werden Gespräche angeregt. „Das Ergebnis ist, dass man sich am nächsten<br />

Morgen schon anlächelt. Der Bann ist gebrochen, man hat keine Angst mehr vor der<br />

Begegnung“, sagt die Leiterin der Einrichtung.<br />

259 So wird beispielsweise eine magnetische Tafel mit Fotos der Räume <strong>und</strong> Einrichtungsgegenstände<br />

benutzt. Zu jedem Kind gibt es einen Magneten mit einem aufgezogenen Foto. Diese Porträtmagneten<br />

können von den Kindern ohne Worte auf die Fotos der Räumlichkeiten (z.B. Freigelände,<br />

Kaufladen oder Kreativbereich) verschoben werden, um ihre Wünsche zu signalisieren.


Abbildung 11: Fest in der Kindertagesstätte<br />

Der benachbarte Caritas-Kinderhort, Lebens- <strong>und</strong> Lernort für 60 einhe<strong>im</strong>ische <strong>und</strong><br />

ausländische Schulkinder, besteht seit 1989 <strong>und</strong> nahm zu Beginn nur Kinder aus der<br />

LGU auf. Er ist heute zu 50 % von Einhe<strong>im</strong>ischen <strong>und</strong> zu 50 % von Flüchtlingskindern<br />

belegt. Der Hort ist eine familienergänzende Einrichtung, in der Kinder allgemeinbildender<br />

Schulen <strong>im</strong> Alter von 6 bis 14 Jahren schulergänzend <strong>und</strong> freizeitpädagogisch<br />

betreut werden. Während die einhe<strong>im</strong>ischen Kinder einen gemeinsamen Mittagstisch in<br />

der LGU besuchen, essen die Flüchtlingskinder zu Hause.<br />

Der Hort verfügt neben den drei Gruppenräumen über mehrere Funktionsräume, eine<br />

Eingangshalle <strong>und</strong> eine „Teestube“, in der Kinder auch Besuch empfangen können. In<br />

der Raum- <strong>und</strong> Tagesgestaltung werden die Bedürfnisse <strong>und</strong> Wünsche der Kinder<br />

nach Freiräumen, Geborgenheit <strong>und</strong> Sicherheit, Bewegung <strong>und</strong> Ruhe, Spontaneität<br />

<strong>und</strong> Verlässlichkeit spürbar. So gibt es u.a. einen Leseraum mit Bibliothek, einen Musik-,<br />

einen Tischkicker-, einen Werkraum <strong>und</strong> eine Küche, in der Kinder auch gerne<br />

Gerichte aus ihrer He<strong>im</strong>at mit den Erzieher<strong>innen</strong> zubereiten. Nach Erfahrung der Leitung<br />

nutzen die Kinder aus der LGU die Bibliothek in stärkerem Maße als die deutschen<br />

Kinder. Die Bibliothek wird von einer Mitarbeiterin des Hortes verwaltet. Neue<br />

Bücher werden in der Gruppe besprochen <strong>und</strong> dann an Kinder verliehen. Vor dem<br />

Hortgelände steht den Kindern eine große Spielwiese für Sport <strong>und</strong> Spaß zur Verfügung.<br />

Von jedem Gruppenraum ist der hinter dem Hortgelände gelegene neu gestaltete<br />

Funktionsspielplatz zugänglich.<br />

Die pädagogische Arbeit orientiert sich an der Lebenssituation <strong>und</strong> den Bedürfnissen<br />

aller Kinder. „Unter Berücksichtigung kultureller <strong>und</strong> traditioneller Aspekte der unterschiedlichen<br />

Kulturen ergeben sich“, wie es <strong>im</strong> Konzept heißt, „als Ziele u.a. Offenheit<br />

<strong>und</strong> Sensibilität sowie gegenseitige Toleranz <strong>und</strong> Vermittlung von sozialen, moralischen<br />

<strong>und</strong> religiösen Werten“. Mit unterschiedlichen Lebensgewohnheiten <strong>und</strong> sozialen<br />

Strukturen, Werten <strong>und</strong> Kulturen wird täglich umgegangen. Werteerziehung <strong>und</strong> Rituale<br />

nehmen einen hohen Stellenwert ein. So werden z.B. christliche Feste unter Mitwirkung<br />

der Familien <strong>im</strong> Hort gefeiert. Im täglichen Miteinander lässt man sich jedoch<br />

auch von den Werten anderer Religionen, Weltanschauungen <strong>und</strong> Kulturen bereichern.<br />

Damit jeder seine kulturelle Identität wahren kann, wird durch das Aufgreifen von Bräu-<br />

145


146<br />

chen <strong>und</strong> Festen, gemeinsames Kochen <strong>und</strong> Tanzen versucht, gegenseitiges Interesse<br />

zu wecken.<br />

Durch feste Bezugs- <strong>und</strong> Vertrauenspersonen, Mitsprache <strong>und</strong> gemeinsam erarbeitete<br />

Regeln erfahren die Kinder Sicherheit <strong>und</strong> Beständigkeit. Kinderkonferenzen gehören<br />

zu einem festen Bestandteil der Umgangskultur. Kinder sollen <strong>im</strong> Kinderhort ihre Freizeit<br />

sinnvoll nutzen. Dazu werden ihnen Freiräume geschaffen, die sie weitestgehend<br />

<strong>und</strong> möglichst frei nach ihren individuellen Möglichkeiten, Fähigkeiten <strong>und</strong> Interessen<br />

gestalten können. Kinder erfahren in selbst best<strong>im</strong>mter Gemeinschaft Anreize, Spaß<br />

<strong>und</strong> Abwechslung als Ausgleich zum Schulstress. In den Schulferien betreut der Kinderhort<br />

ganztägig. Dann können die Kinder ganze Tage in selbstbek<strong>und</strong>eten Interessen-<br />

<strong>und</strong> Projektgruppen spielen, gestalten <strong>und</strong> lernen. Der Kinderhort bietet auch Kinderferienfreizeiten<br />

an.<br />

Die Räume des Kinderhortes sind sehr wohnlich eingerichtet. 260 Jedes Kind verfügt<br />

über eine Eigentumsschublade <strong>und</strong> einen Stuhl in diesem Haus. Dies ist besonders für<br />

Kinder aus der LGU sehr wichtig, da sie <strong>im</strong> häuslichen Umfeld etwas Eigenes, eine<br />

ruhige Wohnung oder Spiel- <strong>und</strong> Rückzugsmöglichkeiten nicht haben.<br />

Neben dem freizeitpädagogischen Bereich ist die Hausaufgabenbetreuung ein wichtiger<br />

Arbeitsschwerpunkt. Damit jedes Kind individuell betreut werden kann, wird jede<br />

Hortgruppe in zwei kleine Hausaufgabengruppen mit je zehn Kindern aufgeteilt. Besonders<br />

für die Flüchtlingskinder bietet die Kleingruppenarbeit einen sehr guten Rahmen,<br />

sprachliche Defizite aufzuarbeiten. Jedes Kind verfügt über genügend Raum, um<br />

selbständig, konzentriert <strong>und</strong> eigenverantwortlich zu arbeiten. Der Kinderhort sucht den<br />

Austausch <strong>und</strong> die Zusammenarbeit mit den Schulen. Gemeinsam unterstützen sie die<br />

Kinder in ihrer schulischen Entwicklung. Über die Betreuung in schulischen Angelegenheiten<br />

werden den Kindern auch lebenspraktische Dinge vermittelt. Mit ihnen wird<br />

beispielsweise gekocht, wobei auch selbst gepflanztes Gemüse <strong>und</strong> Kräuter verwendet<br />

werden. Auch die Vermittlung von Werten wie Ordnung <strong>und</strong> Sauberkeit ist wichtig.<br />

Der Kinderhort öffnet sich für besondere Angebote. So entwickelte das Team ein Konzept<br />

zur Betreuung von Mädchen aus der LGU <strong>im</strong> Alter von 11 bis 13 Jahren, für die es<br />

ansonsten kein Betreuungsangebot gibt. Die inhaltliche Arbeit orientiert sich an den<br />

Ideen <strong>und</strong> Bedürfnissen der Mädchen.<br />

Von 190 in der LGU lebenden Schulkindern <strong>im</strong> Alter von 6 bis12 Jahren, sind lediglich<br />

30 Kinder in den Hort aufgenommen. Weitere 70 Kinder werden zusätzlich in sieben<br />

Hausaufgabengruppen begleitet, die über ehrenamtliche Mitarbeiter/<strong>innen</strong>, Zuschüsse<br />

des Lionsclub Lebach <strong>und</strong> eine Zuwendung des Ministeriums für Inneres, Familie,<br />

Frauen <strong>und</strong> Sport finanziert werden. Die Anzahl der nicht betreuten Schulkinder ist<br />

nach der Aufnahme der Bewohner aus der LGU Homburg gestiegen.<br />

Beide Einrichtungen in Lebach bieten eine besonders wirksame Integrationshilfe, wie<br />

sie in anderen Fallstudienorten nicht anzutreffen ist <strong>und</strong> verdienen es, als besonders<br />

positive Beispiele für eine gelungene Integration <strong>und</strong> ein konfliktfreies Zusammenleben<br />

hervorgehoben zu werden.<br />

260 Die Angaben zum Kinderhort entstammen einem Gespräch mit der Leiterin der Einrichtung,<br />

26.03.03 sowie Caritas (Hg.): Konzepte zur sozialen Arbeit, S. 27-35.


6.3 Gr<strong>und</strong>schule<br />

Die meisten Kinder aus <strong>Asylbewerber</strong>familien <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>schulalter besuchen eine<br />

Gr<strong>und</strong>schule. Um diese erfolgreich durchlaufen zu können, ist der vorherige Besuch<br />

eines Kindergartens von großer Bedeutung. Die Zuweisung zu einer Gr<strong>und</strong>schule erfolgt<br />

nach dem Wohnort.<br />

Ein Kind wird medizinisch-psychologisch als schulreif eingestuft, wenn es best<strong>im</strong>mte<br />

gr<strong>und</strong>legende Fertigkeiten beherrscht. Aus medizinischer Sicht sollte es ges<strong>und</strong> sein,<br />

unter anderem sollte die Motorik ausreichend entwickelt sein (z.B. sich alleine die<br />

Schuhe binden oder sich die Nase putzen können). An sprachlichen Fähigkeiten sollten<br />

nach Auffassung einer Lehrerin unter anderem Folgendes gegeben sein: die Fähigkeit,<br />

Sätze aus mehreren Wörtern zu bilden, einfache Geschichten oder Sachverhalte<br />

verständlich zu erzählen <strong>und</strong> Fragen sinngemäß zu beantworten. Das Kind sollte<br />

auch eine gute Auffassungsgabe haben, das heißt gestellte Aufträge verstehen <strong>und</strong><br />

ausführen können. Ferner sollte es über Konzentration <strong>und</strong> Ausdauer verfügen. Von<br />

Bedeutung ist auch das Sozialverhalten. Gelingt es ihm, Konflikte zu vermeiden bzw.<br />

friedlich zu lösen? Kann es sich in die Gemeinschaft einfügen <strong>und</strong> Regeln einhalten? 261<br />

Kinder aus Flüchtlingsfamilien verfügen häufig nicht über die nötigen Kulturtechniken -<br />

wie das richtige Halten eines Stiftes. Die diesbezügliche Feinmotorik müsse man <strong>im</strong><br />

Alter von zwei bis drei Jahren lernen, heißt es seitens eines Pädagogen. Ähnliches<br />

gelte für geordnete Arbeitsweisen wie die Heft- <strong>und</strong> Schriftführung. Mit sechs bis acht<br />

Jahren sei es häufig zu spät, diese noch zu erlernen. 262<br />

In Lebach gibt es zwei Gr<strong>und</strong>schulen. Kinder aus der LGU besuchen die Gr<strong>und</strong>schule<br />

St. Michael. Nach Angaben des Rektors der Schule nehmen einige Kinder aus Flüchtlings-<br />

<strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>familien ihr Schulrecht nicht wahr. In diesem Zusammenhang<br />

erläuterte er, dass es für die Schule schwierig sei, die Eltern auf die fehlende Schulpflicht<br />

<strong>und</strong> den dennoch gegebenen großen Nutzen des Schulbesuchs hinzuweisen.<br />

Viele Kinder kämen zudem nur unregelmäßig in die Schule. Davon abgesehen würden<br />

die Kinder gerne in die Schule gehen. Diese sei insbesondere eine Abwechslung vom<br />

„Lagerleben“.<br />

Der Ausländeranteil der Schule liege zurzeit bei 30 %. Konkret seien etwa 106 von 320<br />

Kindern aus <strong>Asylbewerber</strong>familien. Der Anteil fluktuiere <strong>im</strong>mer wieder, nicht zuletzt<br />

aufgr<strong>und</strong> von Abschiebungen. Ihre Integration sei nicht <strong>im</strong>mer ganz einfach. Manche<br />

Kinder kämen ohne deutsche Sprachkenntnisse, so <strong>im</strong> Jahr 2003 insbesondere Kinder<br />

aus dem Iran <strong>und</strong> aus Tschetschenien.<br />

Die Schule St. Michael ist die einzige saarländische Gr<strong>und</strong>schule mit Förderklassen.<br />

In den Regelklassen kommen die Kinder nach den Erfahrungen des Rektors oftmals<br />

nicht mit. Vor allem aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Deutschkenntnisse schaffe es kaum ein<br />

Flüchtlingskind - auch hier geborene nicht, weil zu Hause kaum Deutsch gesprochen<br />

werde -, den Anforderungen der Regelklasse zu entsprechen. Die Gr<strong>und</strong>schulzeit reiche<br />

nicht aus, um dieses Defizit aufzuarbeiten. Generell hätten Kinder aus dem Aus-<br />

147<br />

261<br />

Gespräch mit einer Lehrerin der Gr<strong>und</strong>schule Neumünster in Ottweiler, 23.01.03.<br />

262<br />

Vgl. hier <strong>und</strong> <strong>im</strong> Folgenden: Gespräch mit dem Rektor der Gr<strong>und</strong>schule St. Michael in Lebach,<br />

26.10.04.


148<br />

land große Nachteile, weil sie nur selten vorher den Kindergarten besuchen. In den<br />

Förderklassen bemühe man sich, zu Tage tretende Defizite aufzuholen.<br />

Früher habe man etwa zehn Kinder je Klasse gehabt. Nun gebe es eine Deckelung:<br />

Eine Klasse soll nicht mehr als 15 Kinder umfassen, zurzeit seien jedoch 18 Kinder in<br />

der 1. Klasse. Diese hätten einen Förderunterricht am nötigsten. Auch eine andere<br />

Förderklasse sei mit 14 bis 15 Kindern belegt. Kinder der 2. <strong>und</strong> 4. Klasse seien aufgeteilt<br />

in zwei Klassen mit einer geringeren Schüler/<strong>innen</strong>zahl. Die Kinder würden nach<br />

einem Zyklus in die Regelklassen kommen.<br />

Durch den Zuzug der <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> aus Homburg kamen 45<br />

Kinder. Aufgr<strong>und</strong> der räumlichen Enge in der Schule waren exklusiv für diese Kinder<br />

zwei „bewegliche Klassenräume“ (Container) aufzubauen. Einige Kinder konnten<br />

jedoch in die bestehenden Klassen integriert werden. Nach Aussage einer Mitarbeiterin<br />

der Caritas reichen die Kapazitäten an der Gr<strong>und</strong>schule dennoch nicht aus, so dass<br />

einige Schüler/<strong>innen</strong> nun auch die Gr<strong>und</strong>schule in Thalexweiler besuchen. 263 Schon vor<br />

dem Umzug habe man Kinder aus Homburg integriert. Dort gab es keine Förderklassen,<br />

die Kinder wurden in die Regelschulen integriert. Im Jahr 2003 verfügte die Schule<br />

noch nicht über speziell für diese Arbeit ausgebildete Lehrkräfte. Daher sei die Arbeit<br />

sehr kräftezehrend gewesen. Durch die Integration der Kinder aus Homburg gebe es<br />

nun zwei durch das Paritätische Bildungswerk angestellte, diesbezüglich ausgebildete<br />

Lehrkräfte, die allerdings Gymnasiallehrer/<strong>innen</strong> seien. Auch der Rektor unterrichtet<br />

Klassen mit Flüchtlingskindern, er wertet dies als eine Bereicherung.<br />

Seitens des Rektors werden kleinere Klassen <strong>und</strong> eine Lösung des Unterbringungsproblems<br />

angeregt. In den Regelklassen sei der Anteil an Migrant<strong>innen</strong>/Migranten noch<br />

zu hoch. Die Pflichtschüler hätten ein Anrecht auf einen guten Unterricht, welcher<br />

durch einen zu hohen Anteil an Migrant<strong>innen</strong>/Migranten nicht <strong>im</strong>mer zu gewährleisten<br />

sei. So würden einige deutsche Eltern ihre Kinder auf andere Schulen - unter anderem<br />

die Nikolaus-Groß-Schule - schicken. Problematisch sei auch die Elternarbeit. Die Eltern<br />

von Flüchtlingskindern kämen aufgr<strong>und</strong> fehlender Deutschkenntnisse - zum Teil<br />

handele es sich um Analphabeten - kaum zu Elternsprechtagen <strong>und</strong> seien auch telefonisch<br />

nur schlecht zu erreichen. Um in Kontakt zu kommen, müsse man Hausbesuche<br />

machen, was in einigen Fällen auch praktiziert werde. Seitens der Caritas kümmere<br />

sich ein Mitarbeiter um die Eltern.<br />

263 Vermerk der Caritas vom 10.11.04.


6.4 Weiterführende Schulen<br />

Die meisten Schüler/<strong>innen</strong> besuchen nach der Gr<strong>und</strong>schule eine weiterführende Schule.<br />

In Lebach handelt es sich hierbei um eine Erweiterte Realschule (Hauptschul- <strong>und</strong><br />

Realschulzweig) <strong>und</strong> zwei Gymnasien. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, <strong>im</strong> Anschluss<br />

an eine weiterführende Schule das BBZ zu besuchen.<br />

Eine Auflistung jener Schüler/<strong>innen</strong>, die <strong>im</strong> Rahmen von SEPA die Hausaufgabenhilfe<br />

der Caritas besuchen, macht - eingeschränkt - Aussagen über den Schulbesuch. Danach:<br />

- besuchen 33 Schüler/<strong>innen</strong> die Erweiterte Realschule, davon fünf die Regelklassen<br />

(5. <strong>und</strong> 6. Klasse), 22 den Hauptschulzweig (ab Klasse 7), drei den Realschulzweig<br />

(ab Klasse 7) <strong>und</strong> drei die Förderklasse 5.<br />

- Ein Mädchen besucht das Gymnasium.<br />

- Zwei Schüler/<strong>innen</strong> gehen auf die Schule für Lernbehinderte.<br />

- Das BBZ wird von insgesamt 18 Schüler/<strong>innen</strong> besucht, davon entfallen<br />

- vier Schüler/<strong>innen</strong> auf das BBZ, M-BGJ (Metall-BGJ)<br />

- vier auf das BBZ, K-BGJ (Kaufmännisches BGJ)<br />

- eine auf das BBZ, BVJ<br />

- zwei auf das BBZ, BGS,<br />

- zwei auf die Sozialpflegeschule des BBZ,<br />

- zwei auf die Fachoberschule <strong>und</strong><br />

- drei auf die Handelsschule.<br />

Nach Nationalitäten verteilen sich die Schüler/<strong>innen</strong> wie folgt: 21 stammen aus der<br />

Türkei, 12 aus Ex-Jugoslawien, fünf aus dem Libanon, vier aus Tschetschenien, jeweils<br />

drei aus Afghanistan <strong>und</strong> Iran, jeweils zwei aus Syrien <strong>und</strong> Pakistan sowie jeweils<br />

ein(e) Schüler(in) aus Irak <strong>und</strong> Rumänien.<br />

Erweiterte Realschule<br />

Flüchtlingskinder <strong>und</strong> -jugendliche haben in der Erweiterten Realschule nach Aussage<br />

des Schulleiters die Möglichkeit, in den Klassenstufen 5 <strong>und</strong> 6 eine Förderklasse zu<br />

besuchen, sofern sie Schwierigkeiten in der Regelklasse haben. Danach werden sie<br />

den Regelklassen zugeteilt. Insgesamt kommen 101 Schüler/<strong>innen</strong> der Erweiterten<br />

Realschule aus der LGU, davon entfallen 24 auf die Klassenstufe 5. Durch den Umzug<br />

der in der Homburger LGU lebenden <strong>Flüchtlinge</strong> nach Lebach sind 18 Schüler/<strong>innen</strong><br />

hinzugekommen. Die Flüchtlingskinder <strong>und</strong> -jugendlichen besuchen überwiegend den<br />

Hauptschulzweig, nur wenige den Realschulzweig.<br />

149


150<br />

Der Rektor spricht von einer großen „Herausforderung <strong>und</strong> Überforderung“ 264 , den Anforderungen,<br />

die mit der Beschulung von Flüchtlingskindern verb<strong>und</strong>en sind, gerecht<br />

zu werden. Zum einen herrscht eine ständige Fluktuation, d.h. dem Lehrer der Förderklasse<br />

fällt es sehr schwer, sich an einer best<strong>im</strong>mten Klassenzusammensetzung zu<br />

orientieren. Es sei schwer nachvollziehbar, ob ein Schüler/eine Schülerin abgeschoben<br />

wurde oder warum er/sie nicht mehr erscheint. „In der Förderklasse stößt man sehr<br />

schnell an seine Grenzen“ 265 , sagt der Schulrektor. Schulische Laufbahnen seien oft<br />

nicht nachvollziehbar. Es sei kaum zu eruieren, über wie viel Schulbildung <strong>im</strong><br />

He<strong>im</strong>atland die Jugendlichen verfügen, bis sie zur Erweiterten Realschule kommen. Es<br />

ist demnach oft unklar, wo man die betreffenden Schüler/<strong>innen</strong> einordnen soll. Man<br />

bewege sich ständig an der Grenze zur Unter- oder Überforderung der Schüler/<strong>innen</strong>,<br />

sagt der Schulrektor (z.B. Frage: Wann soll man den Schüler/<strong>innen</strong> den Übergang in<br />

die Regelklassen erlauben?). Darüber hinaus stellen die sprachlichen Defizite ein<br />

großes Hindernis dar, sowohl bei der Einordnung der Schüler/<strong>innen</strong> als auch bei der<br />

Vermittlung des Unterrichtsstoffs. Die Begabung der einzelnen Schüler/<strong>innen</strong> ist - zumindest<br />

anfangs - nur schwer feststellbar. So kann in einigen Fällen beispielsweise nur<br />

schwer konstatiert werden, ob eine Verhaltensauffälligkeit vorliegt, das Kind lernbehindert<br />

ist oder aber nur die Sprachkenntnisse zu schlecht sind. Insbesondere aufgr<strong>und</strong><br />

der mangelnden Sprachkenntnisse <strong>und</strong> der oftmals defizitären schulischen Vorbildung<br />

können die Jugendlichen nicht in der Art gefördert werden, wie es wünschenswert wäre.<br />

Die Lehrer sind angesichts der hohen Anzahl von Flüchtlingsjugendlichen demnach<br />

mit sehr verschiedenartigen schulischen Laufbahnen <strong>und</strong> daher Vorkenntnissen, unterschiedlichen<br />

Begabungen sowie unterschiedlichen Sprachkenntnissen konfrontiert.<br />

Ein wichtiges Anliegen ist dem Schuldirektor deshalb die Forderung nach einem dem<br />

Schulbesuch vorgeschalteten Sprachkurs (ca. 1 Jahr) für die Jugendlichen. Wenn nach<br />

diesem Kurs ausreichende Sprachkenntnisse vorhanden wären, würde eine Einordnung,<br />

die der Begabung des Jugendlichen entspricht, deutlich leichter fallen. Zudem<br />

würde die Vermittlung des Lernstoffes nicht mehr in dem hohen Maße gehemmt, wie<br />

es derzeit der Fall sei.<br />

Die Lehrer/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> der Rektor der Erweiterten Realschule haben nur wenig Kontakt<br />

zu den Eltern der Flüchtlingsjugendlichen. Die Eltern kommen nur selten zu Elternabenden.<br />

Ein Informationsaustausch läuft in erster Linie über die Caritas Lebach. So<br />

fragt der Rektor beispielsweise dort nach, wenn Schüler/<strong>innen</strong> einige Tage nicht in der<br />

Schule sind oder informiert, wenn best<strong>im</strong>mte Schüler/<strong>innen</strong> etwas angestellt haben. Als<br />

Multiplikator <strong>und</strong> Mittler kommt der Caritas diesbezüglich eine sehr wichtige Funktion<br />

zu.<br />

Die Schüler/<strong>innen</strong> der Förderklasse sind durch diese Sonderform „zwangsläufig“ stärker<br />

isoliert <strong>und</strong> kommen weniger in Kontakt zu deutschen Mitschüler/<strong>innen</strong>, als dies in<br />

den Regelklassen der Fall ist. In den Regelklassen sind die <strong>Flüchtlinge</strong> nach Einschätzung<br />

des Rektors gut integriert.<br />

264 Gespräch mit dem Schulleiter am 06.10.04.<br />

265 Derselbe.


Berufsbildungszentrum<br />

Das Berufsbildungszentrum Lebach umfasst drei Abteilungen mit folgenden Schulformen:<br />

- technisch-gewerbliche Abteilung: BVJ (Personen ohne Hauptschulabschluss<br />

<strong>und</strong> ohne Versetzung in die 9. Klasse; BGJ (Personen haben Versetzung in die 9.<br />

Klasse <strong>und</strong> teilweise auch Hauptschul-Abschluss; dient i.d.R. der Überbrückung<br />

Schule-Ausbildung; einige Schüler sind nicht mehr berufsschulpflichtig);<br />

- sozialpflegerische Abteilung: BVJ (s.o.); BGS (= BGJ); Sozialpflegeschule (Voraussetzung:<br />

Hauptschul-Abschluss <strong>und</strong> Vermerk, ob für Berufs- oder weiterführende<br />

Schule zugelassen), Dauer: zwei Jahre; Fachoberschule (zwei Jahre) <strong>und</strong><br />

- kaufmännische Abteilung: BGJ (s.o., aber vergleichsweise anspruchsvoll, Hauptschul-Abschluss<br />

sollte vorhanden sein); Handelsschule (Voraussetzung: HS-<br />

Abschluss mit Vermerk, Dauer: zwei Jahre) <strong>und</strong> Fachoberschule (zwei Jahre).<br />

Ca. 10 % der Schüler in den Klassen sind Ausländer/<strong>innen</strong> (es wird nicht unterschieden<br />

zwischen <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> sonstigen Ausländer/<strong>innen</strong>). Das BBZ bietet keinen<br />

Förderunterricht an.<br />

Flüchtlingsjugendliche besuchen überwiegend das BVJ/BGJ („je höher die schulischen<br />

Anforderungen, desto geringer die Anzahl der <strong>Flüchtlinge</strong>“ 266 ). Die schulischen Leistungen<br />

hängen ganz entscheidend davon ab, wie lange die betreffende Person bereits in<br />

Deutschland lebt, inwieweit sie <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland die Schule besucht hat <strong>und</strong> wie groß die<br />

sprachlichen Defizite sind. Die schulische Bildung <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland wurde i.d.R. unterbrochen<br />

<strong>und</strong> entspricht oftmals auch nicht den deutschen Voraussetzungen (unterschiedliche<br />

Dauer des Schulbesuchs). Generell ist der vorherige Schulbesuch in vielen<br />

Fällen schwer zu eruieren. Wenn die Jugendlichen noch nicht lange in Deutschland<br />

leben, scheitern sie oftmals an gr<strong>und</strong>legenden Sprachkenntnissen (best<strong>im</strong>mte<br />

Mindeststandards müssen vorhanden sein). I.d.R. lernen <strong>Flüchtlinge</strong> in der Schule jedoch<br />

verhältnismäßig schnell Deutsch.<br />

Flüchtlingsjugendliche, die schon länger in Deutschland leben, weisen nach Aussage<br />

des stellvertretenden Schulleiters verstärkt soziale <strong>und</strong> schulische Probleme auf. Viele<br />

Jungs „entwickeln einen sehr deutschen Lebensstil“ 267 , legten ein machohaftes Verhalten<br />

gegenüber Lehrpersonen <strong>und</strong> schwächeren Mitschülern an den Tag <strong>und</strong> seien sehr<br />

materiell eingestellt. Viele Jugendliche seien ihren Eltern deutlich überlegen, da diese<br />

z.B. kaum Deutsch sprechen.<br />

Die Integration der Flüchtlingsjugendlichen erfolgt in unterschiedlichem Maße. Wenn<br />

sie schon länger in Deutschland leben, haben sie bereits Bekanntschaften aus früheren<br />

Schulen. Am BBZ bilden sich in diesen Fällen oftmals relativ geschlossene Cliquen.<br />

Tendenziell gibt es wenig Probleme zwischen Deutschen <strong>und</strong> Ausländer/<strong>innen</strong>,<br />

sondern eher zwischen Ausländer/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Aussiedler/<strong>innen</strong>. Früher gab es viele<br />

Konflikte zwischen Türk<strong>innen</strong>/Türken <strong>und</strong> Kurd<strong>innen</strong>/Kurden, dies hat sich aber gelegt.<br />

266 Gespräch mit dem stellvertretenden Schulleiter des BBZ am 05.10.05.<br />

267 Derselbe.<br />

151


152<br />

Heute bilden Aussiedler/<strong>innen</strong> eine eigene, recht stark abgegrenzte Gruppe, die sonstige<br />

Ausländer/<strong>innen</strong> oftmals als rivalisierende Gruppe betrachten. „Einige Aussiedler<br />

fühlen sich deutscher als die Ausländer/<strong>innen</strong>, sie haben den Anspruch, Deutsche zu<br />

sein, fühlen sich überlegen <strong>und</strong> grenzen sich gleichzeitig sehr stark ab.“ 268 Die Integration<br />

der Aussiedler/<strong>innen</strong> gestaltet sich sehr viel schwieriger als die der Flüchtlingsjugendlichen,<br />

da Aussiedler/<strong>innen</strong> deutlich stärker zu Gruppenbildung neigen würden.<br />

Flüchtlingsjugendliche <strong>und</strong> Deutsche sind relativ gemischt, es gibt keine strikte Abgrenzung.<br />

Auch gibt es am BBZ so gut wie keine Probleme mit verschiedenen Religionen. Der<br />

Religionsunterricht am BBZ ist katholisch, wenn es sich auch nicht um einen Glaubensunterricht<br />

<strong>im</strong> eigentlichen Sinne handelt. Nur in ganz seltenen Fällen melden sich<br />

Moslems aus dem Religionsunterricht ab. Andere Religionen sind Teil des Lehrplans<br />

<strong>im</strong> Religionsunterricht.<br />

Vom Leben <strong>im</strong> Lager oder von den Beeinträchtigungen, die daraus resultieren, erfahren<br />

die Lehrer/<strong>innen</strong> relativ wenig. Der stellvertretende Rektor hat den Eindruck, als<br />

würden die Jugendliche viele Probleme verdängen. Sie wenden sich erst an die Lehrer/<strong>innen</strong>,<br />

wenn eine Abschiebung droht. In einigen Fällen haben sich Lehrer/<strong>innen</strong> <strong>und</strong><br />

Schüler/<strong>innen</strong> aktiv gegen Abschiebungen eingesetzt. Vor Abschiebungen klagen die<br />

Schüler/<strong>innen</strong> verstärkt über Beschwerden, die oft psychosomatischer Natur sind. Auch<br />

vor dem Umzug der in Homburg untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong> nach Lebach sei große<br />

Unsicherheit bei den Schülern spürbar gewesen („Wer kommt hier her?“).<br />

Der stellvertretende Rektor des BBZ bestätigt die Existenz einer mündlichen Dienstanweisung<br />

die besagt, dass Ausländer/<strong>innen</strong> einen gesicherten Aufenthalt für die Dauer<br />

des Schuljahres aufweisen müssen, um an berufsbildenden Schulen aufgenommen zu<br />

werden. Das Schulpflichtgesetz besagt, dass eine Schulpflicht nur dann besteht, wenn<br />

der gewöhnliche Aufenthalt der Schülerin/des Schülers in Deutschland ist, für alle anderen<br />

existiert eine Soll-Regelung. Sie sollen aufgenommen werden, wenn es die<br />

Klassenstärke erlaubt. Generell kommt es nach Aussage des stellvertretenden Rektors<br />

verhältnismäßig selten vor, dass Personen nicht aufgenommen werden. Der Status sei<br />

<strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>e nicht ausschlaggebend, sondern eher das Sozial- <strong>und</strong> Schulverhalten der<br />

Schüler/<strong>innen</strong>. Ein Min<strong>im</strong>um an sprachlichen Kenntnissen sowie best<strong>im</strong>mte persönliche<br />

Merkmale (z.B. Sozialverhalten) sind Voraussetzung für den Schulbesuch.<br />

Die Berufsschulpflicht ist erfüllt, wenn auf den Besuch allgemeinbildender Schulen ein<br />

Jahr Vollzeitberufsschulpflicht folgt (gilt bis zum 18. Lebensjahr). Inwieweit eine Person<br />

dann beispielsweise nach dem BGJ noch die Handelsschule besuchen darf, wird <strong>im</strong><br />

Einzelfall entschieden.<br />

Die Zukunftsperspektiven der Schüler/<strong>innen</strong> des BBZ sind relativ düster. Eine Ausbildung<br />

können <strong>Flüchtlinge</strong> nur in absoluten Ausnahmefällen beg<strong>innen</strong>. Motivationsprobleme<br />

seien deshalb spürbar, dies sei aber auch unter deutschen Schüler/<strong>innen</strong><br />

derzeit sehr ausgeprägt. Schüler des BVJ haben große Schwierigkeiten, danach einen<br />

Ausbildungsplatz zu finden. Erfolgreicher ist die Produktionsschule (eine Form des<br />

BVJ), in deren Rahmen ein Betriebspraktikum abzuleisten <strong>und</strong> sozialpädagogische<br />

Betreuung gewährleistet ist: Die Vermittlungsquote in Ausbildungsplätze beträgt dort<br />

268 Derselbe.


insgesamt 70 bis 80 %. <strong>Flüchtlinge</strong> haben aufgr<strong>und</strong> der rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

auch hier wenig Chancen.<br />

Beispiel:<br />

Ein 17-jähriger Jugendlicher wurde in der Türkei geboren. Seine Familie ist kurdisch <strong>und</strong> floh<br />

aufgr<strong>und</strong> politischer Verfolgung 1994 nach Deutschland. In Lebach wurde er 1995 ohne<br />

Deutschkenntnisse in die 4. Klasse der Gr<strong>und</strong>schule eingeschult. Deutsch lernte er sehr schnell<br />

durch Fre<strong>und</strong>e. Er betont, der Lehrer sei eine große Hilfe gewesen, da er große Rücksicht genommen<br />

hätte <strong>und</strong> der Unterricht insgesamt relativ langsam voranging. Mit Fre<strong>und</strong>en wechselte<br />

er nach der Gr<strong>und</strong>schule auf die Hauptschule <strong>und</strong> machte dort seinen Abschluss. Im Anschluss<br />

daran besuchte er die Sozialpflegeschule <strong>und</strong> machte 2003 seine Mittlere Reife. Derzeit ist er<br />

<strong>im</strong> zweiten Jahr der Fachoberschule Soziales <strong>und</strong> wird dort <strong>im</strong> nächsten Sommer (2005) sein<br />

Fachabitur machen. In Anbetracht seiner Voraussetzungen gelang es ihm, ohne Wiederholung<br />

einer Klasse gewissermaßen eine „schulische Karriere“ zu absolvieren. Der schulische Werdegang<br />

bis zum Fachabitur stellt eine enorme Leistung dar. Berufliche Erfahrungen sammelt der<br />

junge Kurde <strong>im</strong> Rahmen eines Praktikums <strong>im</strong> Kindergarten <strong>und</strong> <strong>im</strong> Kinderhort der Caritas Lebach.<br />

Die Arbeit der Sozialarbeiter/<strong>innen</strong> beeindruckt ihn sehr. Die Arbeit mit Jugendlichen -<br />

weniger mit Kindern - fasziniert ihn <strong>und</strong> die Mitarbeiter/<strong>innen</strong> der Caritas nehmen für ihn eine<br />

gewisse Vorbildfunktion wahr. Sein Ziel ist es, nach dem Fachabitur an der Hochschule für soziale<br />

Arbeit in Saarbrücken zu studieren <strong>und</strong> selbst Sozialarbeiter zu werden. Er ist derzeit<br />

lediglich geduldet. Sein weiterer Aufenthalt ist ungewiss. Einige Familienmitglieder wurden bereits<br />

anerkannt, andere nicht. Für seine weitere berufliche Laufbahn wäre eine Rückkehr fatal.<br />

Er spricht perfekt Deutsch, Kurdisch spricht er lediglich mit seiner Familie. Türkisch versteht er,<br />

spricht aber nur sehr wenig. Um Geld zu verdienen, würde er gerne neben der Schule jobben.<br />

In Lebach ist das Angebot hierzu jedoch sehr gering.<br />

Beispiel:<br />

Als Kurdin aus der Türkei kam ein heute 16-jähriges Mädchen vor acht Jahren nach Lebach.<br />

Zuvor hatte sie drei Jahre in der Türkei die Schule besucht. Hier wurde sie in die 3. Klasse der<br />

Gr<strong>und</strong>schule eingeschult. Derzeit besucht sie die Erweiterte Realschule <strong>und</strong> ist dort <strong>im</strong> letzten<br />

Schuljahr. Sie hat einen sehr konkreten Berufswunsch: Sie möchte eine Ausbildung zur Dolmetscherin<br />

absolvieren, bei jenem Anwalt, der ihre Familie vertreten hat. Der Anwalt hätte großes<br />

Interesse signalisiert, er bräuchte unbedingt eine Mitarbeiterin, die türkisch <strong>und</strong> kurdisch<br />

sprechen kann, demnach wäre sie die ideale Besetzung. In den Sommerferien hatte sie einen<br />

Ferienjob: Sie hat in einem italienischen Restaurant gejobbt <strong>und</strong> dort 20 Euro pro Tag erhalten<br />

(durchschnittlich hat sie elf bis 12 St<strong>und</strong>en täglich gearbeitet). In der Schule scheint es des öfteren<br />

Probleme mit Lehrer/<strong>innen</strong> zu geben. So berichtet sie davon, dass sie gesagt bekommen,<br />

sie seien „ja schließlich nur Gast hier“. Auch gäbe es <strong>im</strong>mer wieder Schwierigkeiten, wenn Lehrer/<strong>innen</strong><br />

gebeten werden, Bescheinigungen auszustellen, dass sie Schulmaterial erstattet bekommen.<br />

153


154<br />

Beispiel:<br />

Eine weitere Kurdin aus der Türkei kam bereits mit zwei Jahren nach Deutschland, heute ist sie<br />

14 Jahre alt. Sie <strong>und</strong> ihre Familie wurden kürzlich anerkannt. Sie freut sich sehr darüber, dass<br />

sie nun bald aus dem Lager ausziehen dürfen. Die Duschen findet sie „schl<strong>im</strong>m“ (sie spricht von<br />

Ekel), außerdem seien die Duschzeiten ungünstig. Viele Leute bauen sich nach ihren Aussagen<br />

eine Dusche auf dem Balkon oder <strong>im</strong> Toiletten-Raum, weil sie den Duschraum nicht betreten<br />

wollen. Starke Kritik äußert sie daran, dass es <strong>im</strong> Lager nicht möglich sei, ein Z<strong>im</strong>mer zum Lernen<br />

zu haben. Sie besucht derzeit die 8. Klasse des Gymnasiums, was unter Flüchtlingskindern<br />

die Ausnahme ist. Dort fühlt sie sich wohl, sie hat nette Lehrer/<strong>innen</strong>. Ihr Wunsch ist es, einmal<br />

Kinderärztin zu werden; h<strong>und</strong>ertprozentig festlegen möchte sie sich aber noch nicht.<br />

Beispiel:<br />

Seit drei Jahren lebt eine 14-jährige Kurdin aus der Türkei in Deutschland. Sie ist Musl<strong>im</strong>in.<br />

Derzeit besucht sie die 7. Klasse der Erweiterten Realschule. Seit der 3. Klasse hat sie erhebliche<br />

Probleme in Mathe. In ihrer Klasse ist sie Klassensprecherin, sie hat jedoch das Gefühl,<br />

generell benachteiligt zu werden, weil sie Ausländerin ist („die Lehrer nehmen mich nicht so oft<br />

dran“). Die Motivation, sich schulisch zu verbessern, ist relativ gering, denn sie steht kurz vor<br />

der Abschiebung. Früher war es ihr Traum, internationale Journalistin zu werden, heute könnte<br />

sie sich vorstellen, später einmal als Deutsch-Lehrerin in der Türkei zu arbeiten. Das Leben in<br />

Lebach findet sie „auf gut deutsch: scheiße“. Sie lebt mit ihrer Familie in einem Z<strong>im</strong>mer <strong>und</strong> fühlt<br />

sich als Mädchen dort nicht sehr wohl. Seit vier Jahren spielt sie Fußball. Auf diesem Wege hat<br />

sie viel Kontakt zu einhe<strong>im</strong>ischen Jugendlichen, diese würden auch bei ihr übernachten.<br />

6.5 Sonderschule<br />

Die Erich-Kästner-Schule (Kreisschule für Lernbehinderte) in Lebach wird von insgesamt<br />

111 Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen besucht, darunter ca. acht bis neun Flüchtlingskinder/-jugendliche<br />

aus der LGU. Durch die Auflösung der Unterkunft Homburg sind<br />

fünf neue Schüler/<strong>innen</strong> hinzugekommen. Vier der insgesamt acht bis neun Flüchtlingskinder<br />

stammen aus einer Familie. Auf 111 Schüler kommen elf Lehrpersonen.<br />

Die Deutschkenntnisse der Schüler/<strong>innen</strong> sind sehr unterschiedlich, sie sind sowohl<br />

durch das Lebensalter als auch durch die Dauer des Aufenthalts in Deutschland bedingt.<br />

Wenn Schüler/<strong>innen</strong> auf die Erich-Kästner-Schule kommen, geschieht dies nach<br />

Auskunft des Schulleiters 269 jedoch nicht aufgr<strong>und</strong> mangelnder Deutschkenntnisse. Vor<br />

der Zuteilung wird ein Schulleistungstest durchgeführt. Dieser Test ist sprachfrei <strong>und</strong><br />

nicht auf eine Kultur zugeschnitten (z.B. Bilderklassifikationen etc.). Mit diesem Test<br />

lässt sich herausfinden, ob <strong>und</strong> ggf. welche Defizite bei einem Kind vorliegen. Die<br />

Sprachkenntnisse spielen dabei keine Rolle. Die Erstellung des Gutachtens umfasst<br />

auch einen Hausbesuch bei dem betreffenden Kind.<br />

269 Gespräch mit dem Schulleiter der Erich-Kästner-Schule am 27.09.04.


An der Sonderschule werden dieselben Fächer unterrichtet wie an einer Hauptschule,<br />

mit Ausnahme einer Fremdsprache. Dazu kommen an der Sonderschule acht St<strong>und</strong>en<br />

Arbeitslehre (Kochen, Hauswirtschaft, Werken etc.). Die Schulzeit beträgt neun Jahre.<br />

Nach dem Schulabschluss haben die Schüler/<strong>innen</strong> die Möglichkeit, an der Sonderschule<br />

selbst ein 10. Schuljahr zu besuchen <strong>und</strong> in diesem Jahr den „normalen“<br />

Hauptschulabschluss zu machen oder sie besuchen die Produktionsschule <strong>im</strong> BJV <strong>und</strong><br />

machen dort den Hauptschulabschluss. Wer keine dieser beiden Möglichkeiten wahrnehmen<br />

kann, „fällt durch´s Raster“, dies kommt jedoch so gut wie nicht vor. Früher<br />

bestand die Möglichkeit, einen Förderlehrgang zu besuchen <strong>und</strong> dort den Hauptschulabschluss<br />

zu machen - dieser fällt nahezu weg <strong>und</strong> wird durch die Produktionsschule<br />

ersetzt (der Förderlehrgang war personell besser ausgestattet). Die Produktionsschule<br />

unterscheidet sich vom „normalen“ BVJ dadurch, dass zu den Lehrkräften eine zusätzliche<br />

Betreuung gewährleistet ist <strong>und</strong> dass hier ein Hauptschulabschluss erworben<br />

werden kann. Dies ist sonst nur nach dem BGJ möglich. Der Hauptschulabschluss an<br />

der Produktionsschule unterscheidet sich vom „normalen“ Hauptschulabschluss jedoch<br />

darin, dass er nicht zum Besuch von weiterführenden Schulen (z.B. Sozialpflegeschule,<br />

Handelsschule etc.) berechtigt. Darüber hinaus machen die Schüler/<strong>innen</strong> <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Produktionsschule ein Praktikum <strong>und</strong> ein Bewerbertraining. Nach Erreichen<br />

des Hauptschulabschlusses suchen sich die Schüler/<strong>innen</strong> eine Lehrstelle.<br />

Die Motivation der Schüler/<strong>innen</strong> der Erich-Kästner-Schule ist sehr groß, an „ihrer“<br />

Schule den Hauptschulabschluss zu schaffen. Nach Aussagen des Schulleiters sind<br />

die Schüler/<strong>innen</strong> größtenteils sehr brav, sehr lern- <strong>und</strong> arbeitswillig, aber auch oft relativ<br />

langsam, auch Merkschwächen kommen häufig vor. Positiv sei, dass die Kinder an<br />

der Sonderschule das Gefühl bekommen, Erfolg zu haben. Sie fühlen sich nicht so<br />

sehr zu den Schwächsten gehörig wie an einer anderen Schule.<br />

Die meisten Flüchtlingskinder besuchen nach dem Abschluss das BVJ bzw. die Produktionsschule.<br />

Bis zum 9. Schuljahr herrscht in der Sonderschule das Klassenlehrer-Prinzip, d.h. es<br />

besteht sehr enger Kontakt zwischen den Schüler/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> einer Lehrperson. Die<br />

überschaubare Schülerzahl hat den Vorteil, dass jede Lehrerin/jeder Lehrer alle Schüler<br />

kennt.<br />

Der Schulleiter hebt in besonderem Maße die ausgeprägten sozialen Kompetenzen<br />

der Flüchtlingskinder hervor. Diese seien es gewohnt, innerhalb der Familie miteinander<br />

umzugehen, sie können gemeinsam essen etc. Bei ihnen findet ein Familienleben -<br />

<strong>im</strong> Gegensatz zu vielen deutschen Familien - noch statt. Dadurch haben diese Kinder<br />

<strong>im</strong> sozialen Bereich „einen großen Vorsprung gegenüber deutschen Kindern“.<br />

Die meisten Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen an der Sonderschule sind sehr anhänglich - „sie<br />

weinen, wenn sie die Schule verlassen“. Viele kommen aus zerrütteten Elternhäusern<br />

oder leben in Wohngruppen. Die Flüchtlingskinder kommen - <strong>im</strong> Vergleich zu den<br />

deutschen Sonderschülern - aus sehr geordneten Familienverhältnissen. Das Familienleben<br />

in den Flüchtlingsfamilien wird sehr positiv hervorgehoben, die Eltern gingen<br />

sehr liebevoll mit ihren Kindern um, heißt es. Es bestehen enge Bindungen zwischen<br />

den Lehrkräften <strong>und</strong> den Schüler/<strong>innen</strong>. Der Schulleiter sagt: „Die einzige Lobby, die<br />

unsere Kinder haben, sind die Lehrer“. Er verweist darauf, dass an anderen Schulen<br />

155


156<br />

Eltern zum Teil sehr engagiert sind <strong>und</strong> die Interessen der Kinder vertreten. Die Sonderschule<br />

sei froh, wenn an Elternabenden 25 % der Schüler/<strong>innen</strong> vertreten seien. Die<br />

Eltern von Flüchtlingskindern kommen zum Teil auch zu den Elternabenden. Doch insbesondere<br />

bei Mädchen sei das Interesse der Eltern an Schulbildung sehr gering.<br />

Beispiel:<br />

Ein kurdischer Yezide (16) ist vor sechs Jahren mit der ganzen Familie aus Syrien nach<br />

Deutschland gekommen. Er lebt mit einer Duldung in Lebach. Obwohl er bis zum Alter von 10<br />

Jahren in Syrien lebte, ging er dort nicht in die Schule. In Lebach kam er gleich in die Gr<strong>und</strong>schule,<br />

blieb in der 3. Klasse sitzen <strong>und</strong> kam nach der 4. Klasse (vor drei Jahren) in die Erich-<br />

Kästner-Sonderschule für Lernbehinderte. Er sei sehr langsam, sagt er. In der Schule gehe es<br />

ihm gut, er sei in Deutsch <strong>und</strong> Mathematik ein guter Schüler, nur in Erdk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Biologie habe<br />

er Schwierigkeiten. In seiner Klasse ist noch ein anderer Junge aus der Gemeinschaftsunterkunft.<br />

Manchmal werde er geneckt, aber so schl<strong>im</strong>m sei das nicht. Um 8 Uhr wird er mit einem<br />

Bus abgeholt, der Unterricht geht von 8.10 Uhr bis 13 Uhr. Nach der Schule besucht er die<br />

Hausaufgabenhilfe der Caritas. Konkrete Berufsvorstellungen hat er nicht. Er würde gerne Leuten<br />

helfen, die krank sind, sagt er <strong>und</strong> nennt den Arztberuf als - freilich unrealistische - Vorstellung.<br />

Der Schulleiter hat bislang keine Auswirkungen des „Lagerlebens“ auf die Schüler/<strong>innen</strong><br />

festgestellt. Das einzige, was ihm zuweilen auffiele, seien die eingeschränkten<br />

Duschmöglichkeiten. Diese seien aber bei Kindern aus sozial schwachen Familien<br />

ebenso häufig gegeben.<br />

Die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen aus der LGU sind - von wenigen Ausnahmen abgesehen<br />

- sehr gut integriert. Nach Einschätzung des Schulleiters deutlich besser als an anderen<br />

Schulen. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sie „weniger auffallen“, da<br />

das Lernniveau insgesamt etwas niedriger ist.<br />

6.6 Zusammenfassung<br />

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Schulbesuchs von Flüchtlingskindern <strong>und</strong> -<br />

jugendlichen sind dadurch vorgegeben, dass für diese Zielgruppe <strong>im</strong> Saarland keine<br />

Schulpflicht besteht, d.h. es liegt <strong>im</strong> Ermessen der Schulen, diese aufzunehmen. Gleichermaßen<br />

liegt es natürlich <strong>im</strong> Ermessen der Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken.<br />

Insgesamt werden mit den Schulen in Lebach, z.B. seitens der Caritas, sehr gute<br />

Erfahrungen gemacht, während sich in anderen saarländischen Kommunen zuweilen<br />

weiterführende Schulen weigern, Flüchtlingsjugendliche aufzunehmen, was fatale Folgen<br />

für diesen Personenkreis hat. Ein Problem, das allen in Lebach ansässigen Schulen<br />

gemein ist, ist die zuweilen hohe Fluktuation der Flüchtlingskinder bzw.<br />

-jugendlichen. Die Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> die Erweiterte Realschule bieten spezielle Förderklassen<br />

für Ausländerkinder an. Die schulischen Leistungen werden in hohem Maße<br />

durch die Sprachkenntnisse <strong>und</strong> somit auch durch die Dauer des Aufenthalts in


Deutschland beeinflusst. Die Integration gestaltet sich in der Regel relativ problemlos,<br />

wenn die betreffenden Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen bereits länger in Deutschland leben<br />

<strong>und</strong> bereits mit deutschen Kindern aufgewachsen sind. Abgrenzungstendenzen sind<br />

zuweilen dennoch bemerkbar, oftmals eher bei älteren Jugendlichen.<br />

157


158


7 Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

Nachdem <strong>im</strong> Vorangegangenen die Schulsituation umfassend beleuchtet wurde, wird<br />

in diesem Kapitel der Frage nachgegangen, welche Chancen für jugendliche <strong>Flüchtlinge</strong><br />

bestehen, <strong>im</strong> Saarland eine Ausbildung zu absolvieren bzw. inwieweit erwachsene<br />

<strong>Flüchtlinge</strong> an Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen.<br />

Erworbene Bildungsabschlüsse, absolvierte Ausbildungen <strong>und</strong> Qualifikationen spielen<br />

eine sehr bedeut Rolle be<strong>im</strong> beruflichen Werdegang, sie nehmen entscheidenden Einfluss<br />

auf die Beschäftigungsmöglichkeiten. Zudem haben Bildung <strong>und</strong> Qualifizierung<br />

für das einzelne Individuum mit Blick auf seine beruflichen Perspektiven, Beschäftigungs-<br />

<strong>und</strong> Verdienstmöglichkeiten erheblich an Stellenwert gewonnen. Angesichts<br />

sich rasch ändernder beruflicher Anforderungen (z.B. Einsatz neuer Technologien <strong>und</strong><br />

Produktionstechniken) kommt der Weiterbildung <strong>im</strong>mer wichtigere Bedeutung zu.<br />

Für erwachsene <strong>Flüchtlinge</strong> heißt das: Ihre berufliche Situation <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland ist in<br />

hohem Maße von ihrer Qualifikation geprägt. Im Gastland dagegen ist die Qualifikation<br />

nahezu zweitrangig, da in erster Linie die hohe gesetzliche Hürde auf dem Weg zur<br />

Aufnahme einer Beschäftigung überw<strong>und</strong>en werden muss. Viele <strong>Flüchtlinge</strong> verfolgen<br />

demnach nicht das Ziel, in ihrem ursprünglich erlernten Beruf Arbeit zu finden, sondern<br />

irgendeiner Art von Beschäftigung nachgehen zu können. Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis<br />

wird überwiegend <strong>im</strong> Bereich der niedrigqualifizierten Tätigkeiten<br />

ausgeübt (z.B. Gastronomie). Weiterbildung ist jedoch auch <strong>im</strong> Gastland wichtig:<br />

Im Falle einer Anerkennung werden damit die Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt<br />

verbessert, <strong>im</strong> Falle einer Rückkehr wurden berufliche Zusatzqualifikationen erworben,<br />

die auf dem he<strong>im</strong>ischen Arbeitsmarkt nützlich sein können.<br />

Jugendliche <strong>Flüchtlinge</strong> haben in der Regel <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland teilweise die Schule besucht<br />

<strong>und</strong> setzen ihre Schullaufbahn in Deutschland fort. Um keinen Bruch in ihrem<br />

Bildungsweg zu verursachen, müsste sich an den Schulabschluss eine Ausbildung<br />

anschließen, die zur Ausübung einer Beschäftigung qualifiziert. Dies sollte vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> beider Optionen geschehen: einem weiteren bzw. dauerhaften Aufenthalt<br />

in Deutschland oder einer Rückkehr ins He<strong>im</strong>atland.<br />

7.1 Ausbildung<br />

Die Realität <strong>im</strong> Hinblick auf die Ausbildungssituation sieht jedoch anders aus. Jugendliche<br />

<strong>im</strong> laufenden Verfahren oder mit unsicherem Aufenthaltsstatus müssen eine Arbeiterlaubnis<br />

beantragen, um eine Ausbildung beg<strong>innen</strong> zu können. Sie sehen sich<br />

demnach mehreren Hürden gegenüber: Zum einen ist die Situation auf dem Ausbildungsmarkt<br />

ohnehin sehr angespannt. Bereits viele deutsche Schulabgänger/<strong>innen</strong><br />

haben Schwierigkeiten, eine Lehrstelle zu finden. Selbst wenn es dem Jugendlichen<br />

gelingt, einen Ausbildungsbetrieb zu finden, muss er einen Antrag auf Arbeitserlaubnis<br />

stellen - wodurch der Weg zum Beginn der Ausbildung nahezu vollständig versperrt<br />

wird, denn die Vorrangprüfung stellt bei Ausbildungen ein zu hohes Hindernis dar.<br />

159


160<br />

In der Praxis bedeutet dies, dass für nahezu keinen Jugendlichen nach Beendigung<br />

der Schullaufbahn (unabhängig davon, ob sie BGJ gemacht haben, Haupt- oder Realschulabschluss<br />

oder sogar Fachabitur erworben haben) die Möglichkeit besteht, eine<br />

Ausbildung zu machen. In Lebach ist derzeit ein Jugendlicher bekannt, der eine Ausbildung<br />

macht. Dies gelang nur durch die mehr als tatkräftige Unterstützung seitens<br />

des Arbeitsgebers, der den Jungen nach einem Praktikum unbedingt ausbilden wollte.<br />

In der Regel endet jedoch mit dem Schulabschluss der Bildungsweg. Es besteht -<br />

wenn überhaupt - nur die Möglichkeit, irgendeiner Beschäftigung nachzugehen.<br />

Diese Zukunftsaussichten wirken sich in hohem Maße auf die Motivation der Jugendlichen<br />

aus. Zwei Jugendliche, mit denen Ende 2003 ein Gespräch geführt wurde - sie<br />

waren damals <strong>im</strong> ersten bzw. zweiten Jahr der Fachoberschule - waren zu diesem<br />

Zeitpunkt sehr motiviert. Der eine wollte nach seinem Fachabitur eine Banklehre, der<br />

andere ein Studium der Sozialpädagogik beg<strong>innen</strong>. Ein erneutes Gespräch <strong>im</strong> Sommer<br />

2004 machte die Ernüchterung deutlich: Derjenige, der die Banklehre beg<strong>innen</strong> wollte,<br />

absolviert derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Caritas, „um überhaupt irgendetwas<br />

zu machen“, der andere wird <strong>im</strong> kommenden Sommer sein Fachabitur machen,<br />

hat sein Praktisches Jahr in mehreren sozialen Einrichtungen absolviert <strong>und</strong> daher viel<br />

praktische Erfahrungen sammeln können - jedoch ohne Perspektive. Er spricht nicht<br />

mehr begeistert von einem Studium, sondern sieht mittlerweile, dass er kaum eine<br />

Möglichkeit haben wird, sein erworbenes Wissen einzusetzen bzw. weiter zu fördern.<br />

Die arbeitsgenehmigungsrechtlichen Hindernisse haben in diesen Fällen einschneidende<br />

Brüche in den Biografien der Jugendlichen zur Folge - von den psychischen<br />

Folgen ganz zu Schweigen.<br />

Exkurs:<br />

St. Wendeler Flüchtlingsjugendliche (vor allem aus dem Kosovo) verarbeiteten konkrete<br />

Ausgrenzungserfahrungen in einer <strong>im</strong> Rahmen des XENOS-Projektes des Adolf-<br />

Bender-Zentrums <strong>im</strong> Frühjahr 2004 erarbeiteten Musiktheater-Aufführung „Menschen<br />

wie Du <strong>und</strong> Ali“. Dabei spielte auch das Thema Ausbildung/Beschäftigung eine Rolle,<br />

konkret: die oben beschriebenen Schwierigkeiten, nach der Schule in Deutschland<br />

überhaupt Fuß zu fassen. Hier ein Ausschnitt aus einer der Szenen:


Beispiel 1: Ausschnitt aus der Szene „Let’s dance“ (Kolay <strong>und</strong> Murat sind zwei kosovoalbanische<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, Hans ist ihr deutscher Kumpel. Während sie auf Fre<strong>und</strong>e warten, mit<br />

denen sie breakdancen wollen, fragen sie sich, wie es so geht). 270<br />

Hans: Und die Arbeit?<br />

Murat: Schlecht.<br />

Hans: Schlecht?<br />

Murat: Ich bin gekickt worden.<br />

Hans: Ei, wieso?<br />

Murat: Ei, weil der Chef rausgef<strong>und</strong>en hat, dass ich nur eine Duldung habe.<br />

Hans: Ich dachte, du hättest Aufenthalt.<br />

Murat: Hab ich nicht.<br />

Hans: Und jetzt?<br />

Murat: Nix. Jetzt sitz ich hier rum <strong>und</strong> dreh Däumchen.<br />

Hans: Und Schule?<br />

Murat: Darf ich nicht.<br />

Hans: Die brauchen aber lange.<br />

Murat : Ja.<br />

Hans: Hast du noch eine?<br />

Murat: Klar.<br />

(Sie rauchen still eine Weile)<br />

Hans: Und was hat dein Chef gesagt?<br />

Murat: Ei, dass es ihm leid tut. Dass er mir gern helfen würde. Dass es nicht geht. Er will auch<br />

keinen Ärger.<br />

Hans: Der macht´s sich einfach.<br />

Murat: Was soll er denn tun?<br />

Hans: Ei, sich beschweren bei der Stadt.<br />

Murat: Ja, vielleicht.<br />

7.2 Weiterbildung<br />

In gleicher Weise wird die Benachteiligung von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

<strong>im</strong> Bereich der Weiterbildungsmöglichkeiten sichtbar. Wie eingangs erwähnt, ist Weiterbildung<br />

ein hoher Wert, der gewährleistet, dass man mit dem schnellen Wandel der<br />

Arbeitswelt Schritt halten kann. Doch von beruflicher Weiterbildung bleiben Personen<br />

<strong>im</strong> laufenden Verfahren bzw. mit unsicherem Aufenthaltsstatus ausgeschlossen.<br />

Sie werden auch nach vielen Jahren in Deutschland als transitorisch, weil gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

zur Ausreise verpflichtet, angesehen. Qualifizierungsangebote stehen ihnen nicht<br />

offen.<br />

270 Aus: Adolf-Bender-Zentrum (Hg.): „Menschen wie Du <strong>und</strong> Ali“, Manuskript zu einem szenischen<br />

161


162<br />

Es ist <strong>Flüchtlinge</strong>n folglich nicht möglich, sich außerhalb der SEPA-Maßnahmen beruflich<br />

weiterzubilden. Die SEPA-Maßnahmen schließen demnach eine Lücke, die Humanressourcen<br />

„brach liegen lässt“ (eine umfassende Beschreibung der SEPA-<br />

Aktivitäten findet sich in Kapitel 3).<br />

7.3 Zusammenfassung<br />

Die Darstellung der Ausbildungssituation hat deutlich gemacht, dass es angesichts der<br />

gesetzlichen Rahmenbedingungen (Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach Durchführung<br />

der Vorrangprüfung, näheres dazu siehe Kapitel 8) für jugendliche <strong>Flüchtlinge</strong><br />

nahezu unmöglich ist, eine Ausbildungsstelle zu finden. Aus den Expertengesprächen<br />

ist nur ein einziger in der LGU lebender Jugendlicher bekannt, der eine Ausbildung<br />

macht - <strong>und</strong> dies nur, weil sich sein Arbeitgeber über alle Maßen hinweg für ihn eingesetzt<br />

hat. Die Folgen dieser misslichen Lage sind erhebliche Motivationsprobleme <strong>und</strong><br />

Resignation auf Seiten der Jugendlichen.<br />

Die Weiterbildungssituation stellt sich ähnlich negativ dar - mit der großen Ausnahme,<br />

dass die <strong>im</strong> Rahmen von SEPA angebotenen Maßnahmen eine enorme Bereicherung<br />

für jenen Personenkreis sind, der per Gesetz von beruflicher Weiterbildung ausgeschlossen<br />

bleibt.<br />

Theaterstück, St. Wendel 2004.


8 Beschäftigung<br />

8.1 Rechtlicher <strong>und</strong> allgemeiner Überblick<br />

Aus einer Vielzahl von Gründen haben <strong>Flüchtlinge</strong> erhebliche Schwierigkeiten, auf dem<br />

seit Jahren angespannten deutschen Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle zu erhalten. Mangelnde<br />

Sprachkenntnisse, fehlendes Wissen über das deutsche Arbeitssystem <strong>und</strong><br />

über Möglichkeiten zur Umschulung, nicht verwertbare Ausbildungsvoraussetzungen,<br />

<strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland zurückgelassene Zeugnisse oder Zeugnisse, die hier nicht anerkannt<br />

werden können, erschweren ihre berufliche Integration in solchem Ausmaß, dass - wie<br />

Büchel schon 1986 schrieb, „ein Großteil von ihnen auf Dauer Sozialhilfeempfänger<br />

bleiben müssten, wenn nicht gezielte Anstrengungen unternommen würden, die aufgeführten<br />

Defizite zu beseitigen.“ 271<br />

Die für Beschäftigung relevanten rechtlichen Instrumentarien bietet das Arbeitsgenehmigungsrecht<br />

<strong>und</strong> seit dem 01.01.98 in Gestalt der §§ 284-288 des „Sozialgesetzbuches<br />

Drittes Buch - Arbeitsförderung“ (SGB III) samt einer zugehörigen Arbeitsgenehmigungsverordnung<br />

(ArGV). Zusätzlich gelten Weisungen des B<strong>und</strong>esministeriums<br />

für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit an die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit, die dazu verpflichten,<br />

gesetzliche Best<strong>im</strong>mungen so eng wie möglich auszulegen. 272<br />

Ausländer/<strong>innen</strong> mit einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung dürfen frühestens nach<br />

einem Jahr Aufenthalts- bzw. Wartezeit (nach Asylantragstellung) einen Antrag auf<br />

Arbeitserlaubnis für eine erstmalige Beschäftigung stellen. 273 Im Rahmen des Arbeitserlaubnisverfahrens<br />

wird geprüft, ob für die auszuübende Tätigkeit keine bevorrechtigten<br />

Arbeitnehmer/<strong>innen</strong> zur Verfügung stehen (d.h. Deutsche, EU-Ausländer/<strong>innen</strong>, Ausländer/Innen<br />

mit einer Aufenthaltsberechtigung oder unbefristeten Aufenthaltserlaubnis<br />

sowie Ausländer/<strong>innen</strong> mit Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung), ob mit der Beschäftigung<br />

der Ausländerin/des Ausländers keine negativen Auswirkungen auf den<br />

Arbeitsmarkt einhergehen <strong>und</strong> ob die Ausländerin/der Ausländer nicht zu ungünstigeren<br />

Bedingungen beschäftigt wird als deutsche Arbeitnehmer/<strong>innen</strong>. Eine derartige<br />

Vorrangprüfung kann nur durchgeführt werden, wenn ein Stellenangebot vom Arbeitgeber<br />

vorliegt. Die Arbeitsmarktsituation ist sehr unterschiedlich. Für manche Stellen<br />

kommen sehr viele Bewerber in Frage, für andere keine.<br />

Mit diesen Prüfkriterien sind bereits sehr hohe Hürden verb<strong>und</strong>en, an denen die meisten<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> scheitern. 274 Die Tatsache, keine Arbeitserlaubnis<br />

zu besitzen ist damit mit folgenden Aspekten gleichzusetzen: keine Vermittlung<br />

durch die Arbeitsagentur, kein Sprachkurs, keine berufsvorbereitenden bzw.<br />

berufsqualifizierenden Maßnahmen der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit. Mit dieser Realität<br />

verabschiedet sich die Arbeitsverwaltung, so Kühne, weitgehend vom Potenzial<br />

271 Büchel, Maren: Das Saarbrücker Modell. In: Ronge, Volker (Hg.): Berufliche Integration ausländischer<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, Wuppertal 1986, S. 53.<br />

272 Vgl. ebenda, S. 39.<br />

273 Die in Kapitel 6.5.1 gemachten Aussagen beziehen sich <strong>im</strong> Wesentlichen auf einen Erfahrungsaustausch<br />

mit der Arbeitsverwaltung am 07. <strong>und</strong> 08.11.02 in Saarbrücken.<br />

274 Bei der Arbeitsverwaltung hat man gleichwohl die Erfahrung gemacht, dass oft Stellenangebote<br />

formuliert werden, die speziell auf einen best<strong>im</strong>mten Bewerber ausgerichtet sind. In solchen Fällen<br />

werden z.B. best<strong>im</strong>mte Sprachkenntnisse oder die Kenntnis einer best<strong>im</strong>mten ausländischen Küche<br />

gefordert.<br />

163


164<br />

schiedet sich die Arbeitsverwaltung, so Kühne, weitgehend vom Potenzial<br />

zugewanderter <strong>Flüchtlinge</strong>. 275<br />

Erwerbstätige <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> haben nur Anspruch auf ergänzende<br />

Leistungen nach dem AsylbLG. Asylsuchende, die in einer LGU leben <strong>und</strong> ein Arbeitseinkommen<br />

haben, müssen die Kosten für die Unterbringung ab einem mehr als<br />

geringfügigen Einkommen gemäß § 7 AsylbLG erstatten. Die fast vollständige Anrechnung<br />

des Einkommens auf die Leistungen nach dem AsylblG ist neben der fehlenden<br />

Arbeitserlaubnis ein Gr<strong>und</strong>, warum es für manche <strong>Flüchtlinge</strong> wenig attraktiv<br />

erscheint, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Für Empfänger/<strong>innen</strong> von Leistungen<br />

nach dem BSHG werden größere Freibeträge gewährt, so dass sie ihr Einkommen<br />

zum überwiegenden Teil behalten können. 276<br />

Im Rahmen von EQUAL sind Praktika bis zu einem halben Jahr arbeitsgenehmigungsfrei<br />

(vgl. Kap. 8.5). Ausländische sind wie deutsche Selbständige arbeitsgenehmigungsfrei,<br />

sofern es keine ausländerrechtlichen Beschränkungen gibt. Eine solche ist<br />

gegeben bei der Aufenthaltsgestattung <strong>und</strong> der Duldung.<br />

Um Aussagen über die Beschäftigungssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n machen zu können,<br />

war seitens der Gutachter ursprünglich eine Auswertung der SEPA-Datenbank vorgesehen,<br />

die alle Teilnehmer/<strong>innen</strong> an SEPA-Maßnahmen erfasst. Dieses Vorgehen ist<br />

jedoch wenig repräsentativ, da in der Datenbank ausschließlich Personen erfasst sind,<br />

die sich in einer Qualifizierungs- bzw. Beratungsmaßnahme befinden. Folglich wurden<br />

zur Darstellung der Beschäftigungssituation - neben Expertengesprächen - die in den<br />

Jahren 2003 <strong>und</strong> 2004 erstellten 90 Flüchtlingsbiografien herangezogen. Auch wenn<br />

sie keinen repräsentativen Querschnitt der <strong>im</strong> Saarland lebenden <strong>Flüchtlinge</strong> bieten,<br />

wird mit ihnen eine vergleichsweise heterogene Gruppe (Jugendliche, Frauen, Männer,<br />

zentral <strong>und</strong> dezentral untergebrachten Personen) abgebildet.<br />

Das Kapitel hat zum Ziel, die Beschäftigungssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

umfassend zu untersuchen. Folgende Fragen waren forschungsleitend:<br />

- Lassen sich verschiedene Kategorien hinsichtlich der Beschäftigungssituation von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n bilden?<br />

- Wie sind die Chancen, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu finden,<br />

zu beurteilen? In welchen Bereichen ist dies möglich?<br />

- Welcher Stellenwert kommt der gemeinnützigen Beschäftigung zu?<br />

- Und abschließend: Können Aussagen zur Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis<br />

getroffen werden?<br />

275 Vgl. Kühne, Peter (a.a.O.), S. 41.<br />

276 Schreiben der Caritas vom 18.03.03.


8.2 Versuch einer Typologisierung<br />

Erkenntnisinteresse der Untersuchung der Beschäftigungssituation von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n war es, in idealtypischer Weise eine Kategorisierung unterschiedlicher<br />

Typen von Beschäftigungssituationen (Typologisierung) vorzunehmen <strong>und</strong><br />

Aussagen über ihre Häufigkeit zu treffen. Gr<strong>und</strong>lage dafür waren die Bildungsbiografien.<br />

„Unter Typologie versteht man die Wissenschaft von Gruppenzuordnungen oder konkreten<br />

Einteilungen in Gruppen. Konkret gesprochen entspricht eine Typologie weitgehend<br />

einer Klassifikation von Personen oder Objekten in Kategorien beziehungsweise<br />

einer daraus gewonnenen Systematik - mit dem Unterschied, dass die Gruppen in einer<br />

Typologie in der Regel nicht weiter unterteilt werden.“ 277<br />

Anfang 2004 legte isoplan einen Beschäftigungsbericht vor, in dem ebenfalls eine Typologisierung<br />

vorgenommen wurde. Damals wurde nach den beiden Hauptkategorien<br />

„erfolgreich beschäftigt“ <strong>und</strong> „nicht oder nicht erfolgreich beschäftigt“ unterschieden. Da<br />

sich <strong>im</strong> Verlauf der Untersuchung gezeigt hat, dass für in Deutschland lebende <strong>Flüchtlinge</strong><br />

die Art der Beschäftigung zweitrangig ist <strong>und</strong> es vielmehr darauf ankommt, überhaupt<br />

eine Beschäftigung zu finden, wurde von der Unterscheidung in „erfolgreich“ <strong>und</strong><br />

„nicht erfolgreich“ Abstand genommen. Die Typologie wurde überarbeitet <strong>und</strong> wird an<br />

dieser Stelle in ihrer neuen Form dargestellt.<br />

Ein gr<strong>und</strong>sätzliches Unterscheidungsmerkmal hinsichtlich der Beschäftigungssituation<br />

bietet danach die Kategorisierung nach „beschäftigt“ (A) <strong>und</strong> „nicht beschäftigt“ (B) <strong>und</strong><br />

die Berücksichtigung der Sonderformen „Existenzgründung“ (C) sowie „Schule/Ausbildung/Fortbildung“<br />

(D). Daraus ergeben sich vier Typen, die jedoch noch stärker<br />

differenziert werden können:<br />

- nach der Art der Anstellung: mit oder ohne Sozialversicherungsnachweis,<br />

- nach dem Beschäftigungssektor: Produzierendes Gewerbe, Baugewerbe oder<br />

Dienstleistungen,<br />

- nach dem Stadium: noch in Schulausbildung oder abgeschlossene Schulausbildung<br />

sowie<br />

- nach dem Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Berufserfahrung.<br />

277 URL: www.definition-info.de.<br />

165


166<br />

Tabelle 15: Beschäftigungssituation von <strong>Flüchtlinge</strong>n <strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

Typ A: Beschäftigt Typ B: Nicht beschäftigt<br />

1. Im Dienstleistungssektor beschäftigt<br />

2. Als Arbeiter beschäftigt (Produzierendes<br />

Gewerbe oder Baugewerbe)<br />

3. Ohne Sozialversicherungsnachweis beschäftigt<br />

4. Gemeinnützig beschäftigt<br />

1. Arbeitslos mit Berufserfahrung ausschließlich<br />

in der He<strong>im</strong>at<br />

2. Arbeitslos mit Berufserfahrung in der He<strong>im</strong>at<br />

<strong>und</strong> in Deutschland<br />

3. Arbeitslos ohne Berufserfahrung<br />

Typ C: Schule/Aus-/Fortbildung Typ D: Existenzgründung<br />

1. Noch in Aus-/Fortbildung befindlich 1. Erfolgreiche Existenzgründung<br />

2. Schulabschluss, mangels Arbeitserlaubnis 2. Nicht erfolgreiche Existenzgründung, z.Zt.<br />

jedoch keine Möglichkeit, eine Ausbildung<br />

zu absolvieren<br />

arbeitslos<br />

Zur Veranschaulichung der Typenbildung soll an dieser Stelle jeweils ein Beispiel<br />

kurz dargestellt werden. Die ausführlichen Porträts – in Form von Bildungsbiografien -<br />

finden sich <strong>im</strong> Anhang.<br />

Typ A 1:<br />

Ein Beispiel für den Typ A 1, ein(e) <strong>im</strong> Dienstleistungssektor beschäftigte(r) <strong>Asylbewerber</strong>/in<br />

oder Flüchtling, ist eine Ägypterin (34). Sie stammt aus einer christlichorthodoxen<br />

Familie in Kairo <strong>und</strong> kam <strong>im</strong> Jahr 2000 nach Deutschland. In Kairo hat sie<br />

12 Jahre die Schule besucht, den Beruf der Sekretärin <strong>und</strong> anschließend der Friseurin<br />

(ohne Abschluss) erlernt, den sie <strong>im</strong> eigenen Salon ausübte. Mit Unterstützung eines<br />

DRK-Beraters gelang es ihr, bei einer <strong>im</strong> Kaufhof Saarbrücken ansässigen Filiale der<br />

Firma „Essanelle Hair“ Arbeit zu finden, wo sie seit Juni 2003 mit gültiger Arbeitserlaubnis<br />

als Stylistin arbeitet. Der Verdienst ist sehr gering. Diese Beschäftigung ermöglicht<br />

ihr jedoch die Ausübung ihres erlernten Berufs.<br />

Typ A 2:<br />

Ein aus Nordsyrien stammender staatenloser Yezide steht beispielhaft für den Typ A 2,<br />

der als Arbeiter beschäftigt ist. Er lebt seit 1989 mit seiner Familie in Deutschland. In<br />

Syrien hat er sieben Jahre die Schule besucht. Aufgr<strong>und</strong> seiner Religionszugehörigkeit,<br />

die mit einem X <strong>im</strong> Pass vermerkt ist, wurde ihm der Besuch einer weiterführenden<br />

Schule untersagt. In seinem He<strong>im</strong>atland arbeitete er in der Landwirtschaft. 1990 fand<br />

er in Deutschland eine Aushilfsstelle bei einer Baufirma, die ihn seit fünf Jahren fest<br />

beschäftigt. Mit Hilfe eines Rechtsanwaltes erreichte der Firmeninhaber die Erteilung<br />

einer Arbeitserlaubnis, die derzeit <strong>im</strong>mer parallel zur Duldung ausgestellt wird. Bei der<br />

deutschen Firma hat er den Beruf des Maurers gelernt - da er jedoch aus Zeitgründen<br />

<strong>und</strong> mangelnden Sprachkenntnissen die Berufsschule nicht besuchte, hat er kein<br />

Zeugnis. Derzeit wird er auf Baustellen saarlandweit als Baggerfahrer, Maurer sowie in<br />

weiteren Bereichen des Bausektors eingesetzt.


Typ A 3:<br />

Als Beispiel für eine Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis gilt folgendes<br />

Porträt: Einem Mann, der <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland selbständig war, gelang es, <strong>im</strong> Saarland eine<br />

Anstellung in einem Geschäft zu finden, das Essenspezialitäten verkauft. Die Beschäftigung<br />

erfolgte ein Jahr lang ohne Sozialversicherungsnachweis, nach diesem Jahr<br />

wurde sie in eine geringfügige Beschäftigung umgewandelt.<br />

Typ B 1:<br />

Ein Iraker (29) steht stellvertretend für den Typ B 1, arbeitsloser <strong>Asylbewerber</strong> mit Berufserfahrung<br />

ausschließlich in der He<strong>im</strong>at. Er hat <strong>im</strong> Irak 12 Jahre die Schule besucht,<br />

eine Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert <strong>und</strong> diesen Beruf zwei bis drei Jahre<br />

ausgeübt. Krankenpfleger ist sein Wunschberuf, es hat ihm große Freude bereitet, diesem<br />

Beruf nachzugehen. Sein Traum wäre, in Deutschland auch als Krankenpfleger<br />

arbeiten zu können, doch schätzt er seine Chancen diesbezüglich sehr gering ein.<br />

Typ B 2:<br />

Stellvertretend für Arbeitslose, die Berufserfahrung sowohl <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland wie in<br />

Deutschland sammeln konnten, steht ein Kosovo-Albaner (Roma) <strong>im</strong> Alter von 30 Jahren.<br />

Er kam <strong>im</strong> Oktober 1999 nach Deutschland, ist verheiratet <strong>und</strong> hat ein Kind. In der<br />

He<strong>im</strong>at besuchte er bis zur 8. Klasse die Schule, arbeitete danach <strong>im</strong> Baubereich (Beton<br />

<strong>und</strong> Metall) <strong>und</strong> war dann ein Jahr selbständig <strong>im</strong> Textilienverkauf (Kleider- <strong>und</strong><br />

Schuhgeschäft) tätig. In Deutschland hat er bis Oktober 2002 insgesamt 18 Monate als<br />

Küchenhilfe <strong>und</strong> Pizzabäcker in zwei Pizzerien für etwa 500 Euro <strong>im</strong> Monat gearbeitet.<br />

Seitdem ist er arbeitslos, war jedoch kurzfristig ohne Arbeitserlaubnis in einer Pizzeria<br />

beschäftigt. Er hat keine Ausbildung, eine Beschäftigung in der Gastronomie sieht er<br />

als seine einzige Chance. Er kann als Beispiel eines Flüchtlings gelten, der zwar sehr<br />

hartnäckig versucht, Arbeit zu finden, jedoch <strong>im</strong>mer an einer nicht oder zu spät erteilten<br />

Arbeitserlaubnis scheitert. Oftmals war auch die Entfernung zum Arbeitsplatz zu hoch.<br />

Typ B 3:<br />

Den Typ B 3, Arbeitslose(r) ohne Berufserfahrung (abgesehen von Kurzzeitjobs), repräsentiert<br />

eine Irakerin (28). Sie hat <strong>im</strong> Irak nur wenige Jahre die Schule besucht. Gearbeitet<br />

hat sie noch nie, da es <strong>im</strong> Irak ihrer Aussage nach „nicht gern gesehen war,<br />

dass Frauen arbeiten.“ In Deutschland würde sie jedoch sehr gerne arbeiten. Ihr<br />

Wunsch wäre es, zum Beispiel eine Anstellung bei Mc Donald´s oder als Verkäuferin<br />

zu erhalten.<br />

Typ C 1:<br />

Ein Kosovo-Albaner (20) steht stellvertretend für den Typ C 1 - Personen, die sich noch<br />

in einer erfolgversprechenden Ausbildung befinden. Er floh aufgr<strong>und</strong> der Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

durch Serben 1992 nach Deutschland. In Kirkel besuchte er die Gr<strong>und</strong>schule.<br />

Dort erhielt er zusammen mit anderen Migrant<strong>innen</strong>kindern/Migrantenkindern gesonderten<br />

Deutschunterricht. Nach der Gr<strong>und</strong>schule ging er auf die Sek<strong>und</strong>arschule <strong>und</strong><br />

anschließend auf die Technische Gewerbeschule in Homburg, die er mit der Mittleren<br />

Reife abschloss. Während der Schulzeit absolvierte er ein Praktikum bei einer Hei-<br />

167


168<br />

zungsbaufirma. Industrie- oder Zerspannungsmechaniker bzw. eine Beschäftigung <strong>im</strong><br />

Kälteanlagen- oder Heizungsbau wären sein Wunsch gewesen. Er hatte nach der<br />

Schule jedoch sehr große Probleme, einen Ausbildungsplatz zu finden. Erst <strong>im</strong> Jahr<br />

2004 hatte er Erfolg: Seit Sommer lernt er bei einem Bäcker in L<strong>im</strong>bach.<br />

Die Variante von Personen, die sich noch in einer Fortbildung befinden, wird von einem<br />

aus der Türkei stammenden Kurden (41) vertreten. Er ist hoch qualifiziert, hat in der<br />

Türkei ein Hochschulstudium absolviert <strong>und</strong> 17 Jahre als Geologie-Ingenieur gearbeitet.<br />

Im Rahmen dieser Tätigkeit hat er vorwiegend Dämme <strong>und</strong> Tunnel gebaut. Derzeit<br />

n<strong>im</strong>mt er an der SEPA-Qualifizierungsmaßnahme der KEB teil. Er sieht keine Chancen,<br />

in Deutschland seinem erlernten Beruf nachzugehen. Die Qualifizierungsmaßnahme<br />

bietet ihm - wenn überhaupt - die Möglichkeit, in Deutschland kurzfristig legal<br />

oder illegal Beschäftigung zu finden.<br />

Typ C 2:<br />

Ein aus Serbien <strong>und</strong> Montenegro stammender junger Flüchtling (23) kam 1992 mit seiner<br />

Familie nach Deutschland. Er hat bis zur 5. Klasse in Belgrad die Schule besucht,<br />

verlor nach eigenen Aussagen be<strong>im</strong> Seiteneinstieg in das deutsche Schulsystem jedoch,<br />

unter anderem durch fehlende Deutschkenntnisse, ein bis drei Jahre. Mit seinem<br />

Bruder besuchte er die 6. bis 8. Klasse <strong>und</strong> musste dann aus Altersgründen auf die<br />

Berufsschule wechseln. Dort blieb er ein halbes Jahr <strong>und</strong> wollte dann <strong>im</strong> Jahr 2000<br />

wechseln. Be<strong>im</strong> KBBZ St. Wendel hörte er, dass er die Schule aufgr<strong>und</strong> seiner Duldung<br />

nicht besuchen dürfe. Seine Motivation fiel stark ab. Auch andere Flüchtlingsjugendliche<br />

waren von dieser Regelung betroffen <strong>und</strong> hatten ähnliche Motivationsprobleme,<br />

zum Teil auch sehr lange Fehlzeiten. Er sieht, dass er keine Chance zu einer<br />

Ausbildung hat. Sein eigentlicher Wunschberuf war der eines Juristen, „um meinen<br />

Vater <strong>und</strong> andere Landsleute zu unterstützen“. Heute wünscht er sich, als Koch zu<br />

arbeiten. Er hat bereits gut zwei Jahre Berufserfahrung als Koch bei einem exquisiten<br />

Restaurant in St. Wendel.<br />

Typ D 1:<br />

Ein Beispiel für den Typ D 1, den (erfolgreichen) Existenzgründer <strong>im</strong> Dienstleistungssektor,<br />

ist ein Iraner (54). In der He<strong>im</strong>at hat er nach dem Militärdienst eine Ausbildung<br />

zum Gr<strong>und</strong>schullehrer absolviert <strong>und</strong> diesen Beruf 18 Jahre ausgeübt. Be<strong>im</strong> Militär<br />

hatte er große Schwierigkeiten. 1974 kam er zum Studium der Architektur nach<br />

Deutschland. Während seines Studiums war er verpflichtet, fortwährend seinen Lebensunterhalt<br />

zu verdienen, u.a. arbeitete er ohne Sozialversicherungsnachweis in<br />

einem Saarbrücker Restaurant. Als Student bekam er keine Arbeitserlaubnis <strong>im</strong> gewünschten<br />

Umfang. 1984 beantragte er Asyl <strong>und</strong> wurde anerkannt, da er politisch aktiv<br />

war, Demonstrationen mit organisierte etc. Sein Studium konnte er aus Zeitgründen<br />

nicht fortsetzen. Auf ABM-Basis war er fünf Jahre als Technischer Zeichner be<strong>im</strong> Tiefbauamt<br />

der Stadt beschäftigt. 1992 gründete er mit einem Landsmann eine GmbH.<br />

Seit dieser Zeit betreibt er ein Lebensmittel- <strong>und</strong> Haushaltswarengeschäft in der Saarbrücker<br />

Innenstadt.


Typ D 2:<br />

Typ D 2 wird repräsentiert von einem iranischen Ehepaar, das 1986 mit vier Kindern<br />

nach Deutschland kam. Trotz guter Ausbildung sind beide arbeitslos. Der Mann hatte<br />

<strong>im</strong> Iran bereits als Diplomhydrologe gearbeitet. Ohne Computerkenntnisse, so erfuhr<br />

er, sei eine Anstellung in diesem Beruf in Deutschland nicht möglich. Also bildete er<br />

sich in Informatik fort. Doch fand er weiterhin keine Arbeit. Später las er, dass ein Programmierer<br />

gesucht werde, der mit einem Bus unterwegs sein sollte. Also machte er<br />

den Busführerschein. Doch existierte die Firma, die die Stelle ausgeschrieben hatte, in<br />

der Zwischenzeit nicht mehr. Die größte Enttäuschung erlebte das Paar jedoch mit<br />

einem Lebensmittelladen, den sie Anfang der 1990er-Jahre in der Rotenbergstraße<br />

eröffneten <strong>und</strong> bald wieder schließen mussten. „Wir hatten keine Ahnung von den<br />

deutschen Gesetzen, <strong>und</strong> das Arbeitsamt hat uns überhaupt keine Hilfe geleistet“, sagt<br />

er. Eigentlich sollte es ein Sandwichladen werden, mit preiswerten, selbst gekochten<br />

Gerichten. Für die Einrichtung nahm das Ehepaar einen Kredit auf. Als alles bereit war,<br />

kam ein Mann von der Behörde. Gastronomie sei nicht möglich, wurde ihnen mitgeteilt,<br />

höchstens in Kombination mit einem Lebensmittelgeschäft. Doch der Laden lief nicht.<br />

Sie mussten nach 18 Monaten schließen, hatten jedoch weiterhin Schulden. In der<br />

Zwischenzeit fanden sie lediglich über ABM Arbeit. Das letzte Angebot, das er vom<br />

Arbeitsamt bekam, war ein Minijob als Pizzaausfahrer <strong>im</strong> über 35 km entfernten St.<br />

Wendel. Seit Dezember 2003 sind sie eingebürgert. Ihre Arbeitsmarktchancen verbesserten<br />

sich dadurch jedoch nicht. Beide sind enttäuscht, haben keine Kraft mehr. Sie<br />

hofft, vielleicht doch noch eine Stelle als Kosmetikerin oder Erzieherin zu finden.<br />

Hinsichtlich der Rückschlüsse, die aus den Bildungsbiografien auf die Häufigkeit der<br />

unterschiedlichen Typen gezogen wurden, sei angemerkt: Insbesondere zum Typ A 3,<br />

der Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis, können <strong>im</strong> Wesentlichen nur<br />

Mutmaßungen angestellt werden, da hier von einer hohen „Dunkelziffer“ auszugehen<br />

ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong> taucht dieser Typ in unten stehender Grafik, die die Verteilung<br />

der befragten <strong>Flüchtlinge</strong> nach Typen anzeigt, nicht auf. Der Typ D ist in der Realität<br />

unter <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n kaum anzutreffen, unter anerkannten<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n dagegen schon. So steht dieser Typ - <strong>im</strong> Falle einer erfolgreichen Existenzgründung<br />

- stellvertretend für einen positiven Verlauf der Beschäftigungssituation<br />

<strong>im</strong> Falle eines dauerhaften, zumindest längerfristigen Aufenthalts in Deutschland.<br />

169


170<br />

Abbildung 12: Beschäftigungssituation: Verteilung der befragten <strong>Flüchtlinge</strong><br />

nach Typen<br />

<strong>Weißbuch</strong> 2004<br />

Beschäftigungssituation: Verteilung der befragten <strong>Flüchtlinge</strong><br />

nach Typen<br />

Typ C 2<br />

12%<br />

Typ D 1<br />

1%<br />

Typ C 1<br />

48%<br />

Typ D 2<br />

4%<br />

n= 90<br />

Typ A1<br />

9%<br />

Typ A2<br />

4%<br />

Typ A4<br />

1%<br />

Typ B1<br />

6%<br />

Typ B2<br />

13%<br />

Typ B3<br />

2%<br />

Typen:<br />

Typ A: beschäftigt<br />

A1: Im Dienstleistungssektor beschäftigt<br />

A2: Im Prod. Gewerbe o. Baugewerbe besch.<br />

[A3: ohne Sozialversicherungsnachweis besch.]<br />

A4: gemeinnützig beschäftigt<br />

Typ B: Nicht beschäftigt<br />

B1: arbeitslos, Berufserfahrung nur i. d. He<strong>im</strong>at<br />

B2: arbeitslos, Berufserfahrung in He<strong>im</strong>at/Dt.<br />

B 3: arbeitslos, ohne Berufserfahrung<br />

Typ C: Schule/Aus-/Fortbildung<br />

C 1: noch in Schule/Aus-/Fortbildung<br />

C 2: Schulabschluss, keine Chance auf Ausb.<br />

Typ D: Existenzgründung<br />

D 1: erfolgreiche Existenzgründung<br />

D 2: nicht erfolgreiche Existenzgründung, arbeitlos<br />

© 06/2004<br />

Die Grafik macht deutlich, dass sich die Mehrheit der befragten <strong>Flüchtlinge</strong> (59 %)<br />

noch in der Schule befindet bzw. an einer Fortbildung teiln<strong>im</strong>mt - bei letzteren handelt<br />

es sich ausschließlich um Teilnehmer/<strong>innen</strong> an SEPA-Maßnahmen. Immerhin 12 % der<br />

Befragten haben in Deutschland ihre Schulausbildung abgeschlossen, haben derzeit<br />

jedoch keine Aussicht auf eine Ausbildungsstelle oder eine Beschäftigung. Personen,<br />

die <strong>im</strong> Dienstleistungssektor oder <strong>im</strong> Produzierenden Gewerbe bzw. Baugewerbe beschäftigt<br />

sind, machen einen Anteil von 14 % aus. Die Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis<br />

wird in der Grafik nicht erfasst, da hierzu seitens der <strong>Flüchtlinge</strong><br />

keine Aussagen getroffen wurden. Der gemeinnützigen Beschäftigung kommt zahlenmäßig<br />

zwar keine große Bedeutung zu - der Anteil der Personen liegt bei einem Prozent<br />

- für die betroffenen Personen stellt diese Art der Beschäftigung jedoch eine wichtige<br />

Alternative zum „Lageralltag“ dar. Insgesamt 21 % der Befragten sind derzeit arbeitslos,<br />

darunter verfügen 6 % lediglich über Berufserfahrung <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland <strong>und</strong> 13 %<br />

haben bereits auch in Deutschland schon Berufserfahrung gesammelt. Nur 2 % der<br />

Befragten sind arbeitslos <strong>und</strong> haben gleichzeitig keine Berufserfahrung vorzuweisen.<br />

Unter Repräsentativitätsgesichtspunkten muss an dieser Stelle eine Relativierung dahingehend<br />

vorgenommen werden, dass SEPA-Teilnehmer/<strong>innen</strong> einen Großteil der<br />

Befragten stellen <strong>und</strong> somit dem Typ C zufallen. Viele von ihnen nehmen an der Maßnahme<br />

teil, weil sie arbeitslos sind. Der Anteil der Arbeitslosen an allen <strong>Flüchtlinge</strong>n ist<br />

somit deutlich höher, als ihn diese Grafik ausweist.


8.3 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung<br />

Im Saarland wurden <strong>im</strong> Jahr 2003 insgesamt 497 Arbeitsgenehmigungen an <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> erteilt, darunter 88 für eine erstmalige Beschäftigung, 82<br />

für eine erneute Beschäftigung <strong>und</strong> 327 für die Fortsetzung einer Beschäftigung.<br />

Während <strong>im</strong> Agenturbezirk Neunkirchen keine Arbeitsgenehmigungen erteilt wurden,<br />

waren es <strong>im</strong> Agenturbezirk Saarbrücken 119. Aufgr<strong>und</strong> des Sitzes der LGU in Lebach<br />

<strong>und</strong> damit der Zugehörigkeit zum Agenturbezirk Saarlouis wurden dort mit Abstand die<br />

meisten Arbeitsgenehmigungen ausgesprochen, nämlich 378.<br />

Tabelle 16: Erteilte Arbeitsgenehmigungen nach Agenturbezirk (2003)<br />

Arbeitsgenehmigungen<br />

Erstmalige Beschäftigung<br />

Erneute Beschäftigung<br />

Fortsetzung der<br />

Beschäftigung<br />

Agenturbezirk<br />

Neunkirchen<br />

Agenturbezirk<br />

Saarlouis<br />

Agenturbezirk<br />

Saarbrücken<br />

Saarland<br />

insgesamt<br />

0 70 18 88<br />

0 72 10 82<br />

0 236 91 327<br />

Insgesamt 0 378 119 497<br />

Während viele Gesprächspartner/<strong>innen</strong> schätzten, dass in den letzten Jahren tendenziell<br />

weniger Arbeitserlaubnisse erteilt wurden <strong>und</strong> diese sich dann in der Regel auf<br />

325 Euro-Jobs beschränkten, was es <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n schwer<br />

mache, legal einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, verwies der ehemalige<br />

Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit Lebach darauf, dass insbesondere <strong>im</strong> Bereich<br />

gering qualifizierter Tätigkeiten die Chancen zur Beschäftigungsaufnahme „relativ<br />

gut“ seien. 278<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden demnach vor allem <strong>im</strong> Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe,<br />

dem Reinigungsgewerbe, Schlachtereien <strong>und</strong> Zulieferbetrieben<br />

für Kebap-Imbisse (z.B. Herstellung der Fleisch-Spieße etc.).<br />

In diesen Fällen würde konkret eine Beantragung der Arbeitserlaubnis durch den Arbeitgeber<br />

vorliegen. Die Kontakte zwischen Arbeitgebern <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>n ergeben<br />

sich über Bekannte oder durch „Klinken putzen“, d.h. die <strong>Flüchtlinge</strong> sprechen bei vielen<br />

Betrieben vor. Der Mitarbeiter der Agentur für Arbeit konstatiert eine gewisse Offenheit<br />

der Arbeitgeber in den oben genannten Bereichen für die Beschäftigung von<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>n. Die Arbeitsbedingungen in diesen Bereichen seien oftmals wenig attraktiv<br />

(z.B. ungünstige Arbeitszeiten, weite Anfahrtswege etc.) <strong>und</strong> somit uninteressant für<br />

viele deutsche oder sonstige bevorrechtigte Arbeitnehmer/<strong>innen</strong>. Als „bevorrechtigte“<br />

278 Gespräch mit dem ehemaligen Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit Lebach, jetzt Mitarbeiter<br />

der Agentur für Arbeit Saarlouis am 18.10.04.<br />

171


172<br />

Arbeitnehmer/<strong>innen</strong> kommen nach Aussagen des BA-Mitarbeiters bei diesen Beschäftigungen<br />

aufgr<strong>und</strong> der Zumutbarkeitskriterien ohnehin oftmals nur ges<strong>und</strong>heitlich Beeinträchtigte<br />

in Frage. Die Konkurrenz um den Arbeitsplatz sei demnach vergleichsweise<br />

gering. Ohne Vorliegen einer Stellenanzeige des Arbeitgebers sei es sehr<br />

schwer, <strong>Flüchtlinge</strong> in Beschäftigung zu vermitteln. Ca. 90 bis 95 % der Vermittlungen<br />

seien auf einen vorangegangenen Kontakt zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Flüchtling zurückzuführen.<br />

Über die genannten Beschäftigungsbereiche hinausgehend handele es sich weitestgehend<br />

nur um Einzelfälle, so zum Beispiel <strong>im</strong> Sicherheitsbereich. In hoch qualifizierte<br />

Tätigkeiten (z.B. als Ärztin/Arzt oder Ingenieur(in)) konnte nach Angaben des Mitarbeiters<br />

der BA zwar schon vermittelt werden, jedoch gelingt dies nur in den seltensten<br />

Fällen. Qualifizierte Tätigkeiten setzen unabdingbar deutsche Sprachkenntnisse sowie<br />

die Anerkennung der Qualifikation voraus. Beschäftigungspotenziale bietet das Ges<strong>und</strong>heitswesen.<br />

In Pflegeberufe konnte bereits vereinzelt vermittelt werden <strong>und</strong> es<br />

wird vermutet, dass hier weiterer Fachkräftebedarf entstehen wird. 279 Weggebrochen<br />

seien hingegen klassische Helfertätigkeiten <strong>im</strong> Produktionsbereich, wo früher vergleichsweise<br />

große Beschäftigungspotenziale lagen.<br />

Eine intensive Befragung unter ca. 80 <strong>im</strong> Saarland ansässigen Firmen, die jenen genannten<br />

Branchen zuzuordnen sind, d.h. Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe, Schlachtereien,<br />

Reinigungsgewerbe <strong>und</strong> Kebap-Zulieferer, hatte folgendes Ergebnis 280 :<br />

- Die saarländischen Schlachtereien gaben an, dass sie keine <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

oder <strong>Flüchtlinge</strong> beschäftigen.<br />

- Von vier Kebap-Zulieferern beschäftigten alle zwischen einem <strong>und</strong> drei <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

bzw. <strong>Flüchtlinge</strong>. Es handelt sich dabei überwiegend um Personen<br />

mit türkischer Staatsangehörigkeit. Sie werden in der Produktion eingesetzt. Die<br />

Firmen haben einst<strong>im</strong>mig gute Erfahrungen mit <strong>Flüchtlinge</strong>n gemacht. Es wird allerdings<br />

kritisiert, dass Arbeitserlaubnisse generell für zu kurze Zeiträume erteilt<br />

würden.<br />

- Reinigungsfirmen beschäftigen vereinzelt <strong>Flüchtlinge</strong>, überwiegend Frauen. Auch<br />

sie monieren den kurzen Beschäftigungszeitraum, den die Arbeitserlaubnis zulässt<br />

sowie die Schwierigkeiten, überhaupt eine Arbeitserlaubnis zu bekommen.<br />

Die Erfahrungen mit <strong>Flüchtlinge</strong>n waren durchweg positiv.<br />

- Ebenso vereinzelt gaben befragte Restaurants <strong>und</strong> Gaststätten an, <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> zu beschäftigen. Sie werden in der Küche, hinter der<br />

Theke <strong>und</strong> als Bedienung eingesetzt. Probleme hinsichtlich der Erteilung einer<br />

Arbeitserlaubnis treten auch in dieser Branche auf <strong>und</strong> führen zu Missmut seitens<br />

der Inhaber/<strong>innen</strong>. Die Erfahrungen der Gastronomie-Betriebe mit <strong>Flüchtlinge</strong>n<br />

waren ebenfalls durchweg positiv.<br />

279 Gespräch mit dem ehemaligen Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit Lebach, jetzt Mitarbeiter<br />

der Agentur für Arbeit Saarlouis am 18.10.04.<br />

280 Gespräche mit zahlreichen Firmen der genannten Branchen <strong>im</strong> Zeitraum 18. bis 22.10.04.


Aufgr<strong>und</strong> der oben geschilderten Situation gelingt es nur wenigen, eine Beschäftigung<br />

in ihrem angestammten Beruf zu erlangen. Gerade für diejenigen, die in der He<strong>im</strong>at als<br />

Handwerker oder Bauern gearbeitet haben, kann die Trennung vom eigenen Beruf<br />

bzw. der eigenen beruflichen Fertigkeit auch schmerzlicher sein als die eigentliche<br />

Trennung von der He<strong>im</strong>at. Der Verlust bzw. der durch die rechtlichen Umstände <strong>und</strong><br />

die fehlende anerkannte Ausbildung erzwungene Verzicht auf den Beruf kommt, wie<br />

ein Literat schreibt, „einer zweiten Verstummung gleich: Nach dem Verlust der Muttersprache<br />

als Sprache des Alltags entfällt jetzt die Kommunikationsform, die unter den<br />

Arbeitskollegen ohne verbale Kommunikation verstanden wird <strong>und</strong> ein Mittel der Anerkennung<br />

für den Fremden ist“. 281<br />

Gleichwohl sei für viele das eigentliche Job- bzw. Beschäftigungsangebot generell sek<strong>und</strong>är.<br />

Es werden auch Arbeiten angenommen, die weder der eigenen Qualifikation<br />

noch den beruflichen Vorstellungen entsprechen. Prioritär sei <strong>im</strong>mer die Möglichkeit,<br />

überhaupt Geld verdienen zu können, hieß es seitens verschiedener Gesprächspartner/<strong>innen</strong>.<br />

Auch bei Jugendlichen stünde dieser Aspekt <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>. Die Familie<br />

erwarte von ihnen häufig, dass sie für die Familie sorgen <strong>und</strong> Geld verdienen. Sie<br />

suchen sich deshalb zuweilen auch Jobs, statt ihre Schul- oder Berufsausbildung weiter<br />

zu verfolgen. Vereinzelt wollen auch Frauen arbeiten, sie haben jedoch oft Probleme<br />

mit der Kinderbetreuung.<br />

Insbesondere in einigen Saarbrücker Stadtteilen, so auch in Brebach, existiert durch<br />

die jahrzehntelange Anwesenheit einer Community türkischer <strong>und</strong> kurdischer Arbeitsmigrant<strong>innen</strong>/-migranten<br />

ein netzwerkähnliches Hilfssystem ausländischer Selbständiger<br />

<strong>und</strong> Freiberufler, die <strong>Flüchtlinge</strong>n Arbeit geben. Dazu zählen musl<strong>im</strong>ische<br />

Ärzt<strong>innen</strong>/Ärzte, die Jobs als Putzhilfen an Flüchtlingsfrauen vergeben, oder auch Lebensmittelhändler,<br />

die Jugendlichen mit Aushilfstätigkeiten Verdienstmöglichkeiten<br />

bieten. 282<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>, die ein eigenes Einkommen beziehen, sind bei der Leistungsabteilung des<br />

LAFL registriert. Es handelt es sich um 104 Personen. 283 In welcher Höhe diese Einkünfte<br />

sind, lässt sich nach Auskunft des LAFL aus der Statistik nicht schließen. Es<br />

wird jedoch an vielen Stellen die Vermutung geäußert, dass die meisten Beschäftigungsverhältnisse<br />

- wenn sie überhaupt gemeldet werden - als 400-Euro-Jobs deklariert<br />

sind (auch wenn vermutet werden kann, dass es in vielen Fällen möglicherweise<br />

höher bezahlte Tätigkeiten/Beschäftigungsverhältnisse sind).<br />

173<br />

281<br />

282<br />

Vgl. Chiellino, Gino: Literatur <strong>und</strong> Identität in der Fremde, Kiel 1989, S. 39.<br />

Gespräch mit einer Mitarbeiterin des AusländerInnenprojekts der Evangelischen Kirchengemeinde<br />

Brebach, 27.03.03.<br />

283<br />

Auskunft des LAFL am 12.08.04.


174<br />

8.4 Gemeinnützige Beschäftigung<br />

Nach § 5 AsylbLG sind die in den Aufnahme- <strong>und</strong> Gemeinschaftseinrichtungen untergebrachten<br />

arbeitsfähigen, nicht erwerbstätigen Personen verpflichtet, Arbeitsgelegenheiten<br />

zur Aufrechterhaltung <strong>und</strong> Betreibung der Einrichtungen zu verrichten (sog. gemeinnützige<br />

Tätigkeiten). Das können Tätigkeiten sein, wie sie auch bei individuellem<br />

Wohnen <strong>und</strong> Wirtschaften anfallen können <strong>und</strong> die der Gemeinschaft dienen. Ausgeschlossen<br />

sind aber Tätigkeiten, die vom Betreiber entsprechend dem mit ihm geschlossenen<br />

Betreibervertrag geleistet werden müssen.<br />

Für die gemeinnützigen Tätigkeiten wird eine Aufwandsentschädigung in Höhe von<br />

1,05 Euro je St<strong>und</strong>e gezahlt. Die Betreiber sollen diese Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung<br />

stellen. Diese Art Arbeitsgelegenheiten können auch bei staatlichen, kommunalen<br />

oder gemeinnützigen Trägern geleistet werden, allerdings unter der Bedingung,<br />

dass der Arbeitsmarkt dadurch unbeeinflusst bleibt, also Asylsuchende nur zusätzlich<br />

<strong>und</strong> nicht anstelle von bevorrechtigten (deutschen) Arbeitnehmer/<strong>innen</strong> diese Arbeiten<br />

ausführen.<br />

In vielen Einrichtungen besteht für einige Asylsuchende die Möglichkeit, bis zu 80<br />

St<strong>und</strong>en monatlich gemeinnützige Arbeiten nach § 5 Abs. AsylbLG zu leisten. Max<strong>im</strong>al<br />

werden gemeinnützige Arbeiter/<strong>innen</strong> sechs St<strong>und</strong>en am Tag beschäftigt. Die Arbeit ist<br />

unter <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sehr begehrt, denn sie trägt zu einer sinnvollen Gestaltung<br />

des Aufenthaltes in den Landesunterkünften bei. Zudem ermöglicht sie einen - wenn<br />

auch geringen - Zuverdienst.<br />

In der LGU Lebach sind derzeit (Stand: Oktober 2004) 46 Männer <strong>und</strong> 21 Frauen gemeinnützig<br />

beschäftigt. Die 46 Männer sind in folgenden Bereichen eingesetzt: Außenbereich<br />

(32), Essensausgabe (5), Aufsicht Männerdusche (3), Lagerarbeiten (3), Putzdienst<br />

(2) <strong>und</strong> Schreinerarbeit (1).<br />

Die Frauen sind folgendermaßen beschäftigt: Reinigungsdienst (15), Wäscherei (3),<br />

Aufsicht Frauendusche (2) <strong>und</strong> Essenausgabe (1).<br />

Am stärksten sind Personen aus Syrien vertreten (20), gefolgt von <strong>Flüchtlinge</strong>n aus<br />

dem ehemaligen Jugoslawien (13) <strong>und</strong> dem Irak (12). Darüber hinaus vertretene Nationalitäten<br />

sind: GUS (9), Iran (5), Türkei (3) <strong>und</strong> China (3). Die Herkunft dreier Personen<br />

ist ungeklärt.<br />

Einige Personen üben in Form der gemeinnützigen Beschäftigung ihren ursprünglich<br />

erlernten Beruf aus, zum Beispiel als Maler oder Schreiner.<br />

Auch die Wohlfahrtsverbände haben die Möglichkeit, Arbeitsgelegenheiten zu schaffen.<br />

So sind z.B. in den Caritaseinrichtungen derzeit 10 <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> gemeinnützig<br />

beschäftigt.


8.5 Praktika <strong>im</strong> Rahmen von EQUAL<br />

Im Rahmen der SEPA-Qualifizierungsmaßnahmen absolvieren die Teilnehmer/<strong>innen</strong><br />

halbjährliche Praktika. Diese haben zum Ziel, das theoretisch Erlernte in der Praxis<br />

anzuwenden <strong>und</strong> in ein best<strong>im</strong>mtes Berufsfeld „hineinzuschnuppern“. Die Praktikumsbetriebe<br />

sind für das Beschäftigungskapitel insoweit von Interesse, als sich durch das<br />

Praktikum zumindest eingeschränkt Rückschlüsse darauf ziehen lassen, dass der Arbeitgeber<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich bereit ist, <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> einzustellen.<br />

Die Praktikumsbetriebe werden an dieser Stelle nach KEB <strong>und</strong> Caritas Saarlouis getrennt<br />

ausgewiesen, da es sich bei der KEB-Maßnahme nahezu ausschließlich um<br />

männliche Teilnehmer handelt, bei der Caritas Saarlouis hingegen ausschließlich um<br />

Teilnehmer<strong>innen</strong>. Die Art der gewählten Praktikumsstätten variiert dem entsprechend.<br />

175


176<br />

Tabelle 17: Durch die KEB <strong>im</strong> Rahmen von SEPA vermittelte Praktikumsplätze<br />

(2003/2004)<br />

Branche<br />

Dienstleistungen<br />

Zahl der<br />

Praktikant<strong>innen</strong>/Praktikanten<br />

China-Restaurant 18 Saarbrücken (7), Saarlouis (6), Weiskirchen (2),<br />

Kleinblittersdorf (1), Lebach (1), Merzig (1), Oberthal<br />

(1), St. Ingbert (1)<br />

Türkisches Restaurant/Imbiss 5 Wemmetsweiler (3), Lebach (1), St. Wendel (1)<br />

Sonstige Restaurants 5 Eppelborn (3), Saarbrücken (1)<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen 4 Saarlouis (3), Lebach (1)<br />

Bauelementehandel 4 Lebach (1), Saarlouis (3)<br />

Ingenieurbüro 2 Mettlach (2)<br />

Autohaus 1 Lebach (1)<br />

Summe 39<br />

Handwerk<br />

Maler/ Lackierer 6 Saarlouis (4), Lebach (2)<br />

Bäckerei 1 Lebach (1)<br />

Elektroinstallation 1 Lebach (1)<br />

Heizung / Sanitär 2 Lebach (1), Wadern (1)<br />

Keramikatelier 1 Loshe<strong>im</strong> (1)<br />

Schreinerei 1 Lebach (1)<br />

Summe 12<br />

Bau <strong>und</strong> Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

Bauunternehmen 2 Nalbach (1), Lebach (1)<br />

Nahrungsmittelproduktion 4 Saarbrücken (3), Schmelz (1)<br />

Werkzeugbau 1 Heusweiler (1)<br />

Sonstige 2 Saarbrücken (2)<br />

Summe 9<br />

Insgesamt 60<br />

Nach Branchen dominierten bei den 60 durch die KEB vermittelten Praktika der<br />

Dienstleistungssektor (39), hierbei insbesondere Restaurants (28) sowie das Handwerk<br />

(12).<br />

Nach Orten verteilten sich die Praktika zum größten Teil auf Saarlouis (14), Saarbrücken<br />

(13) <strong>und</strong> Lebach (12). Dazu kamen je drei Praktika in Eppelborn <strong>und</strong> Wemmets-<br />

Ort


weiler sowie zwei in Mettlach. Ferner wurden in folgenden Orten je ein Praktikum<br />

durchgeführt: Heusweiler, Kleinblittersdorf, Loshe<strong>im</strong>, Merzig, Nalbach, Oberthal,<br />

Schmelz, St. Ingbert, St. Wendel, Wadern <strong>und</strong> Weiskirchen.<br />

Tabelle 18: Durch die Caritas Saarlouis <strong>im</strong> Rahmen von SEPA vermittelte<br />

Praktikumsplätze (2003/2004)<br />

Branche<br />

Zahl der<br />

Praktikant-<br />

<strong>innen</strong><br />

Ort<br />

177<br />

Kindergärten 4 Rehlingen-Siersburg (2), Saarlouis (1), Bous (1)<br />

Wohlfahrtsverbände (Caritas,<br />

DRK)<br />

Altenpflege 1 Schmelz (1)<br />

12 Lebach (10), Saarlouis (1), Wadgassen (1)<br />

Handel 6 Saarlouis (3), Bous (1), Lebach (1), Saarbrücken (1)<br />

Insgesamt 23<br />

Das Spektrum der Praktikumsbetriebe <strong>im</strong> Rahmen der SEPA-Maßnahme der Caritas<br />

Saarlouis - es handelt sich hierbei ausschließlich um Teilnehmer<strong>innen</strong> - konzentriert<br />

sich auf den sozialen Bereich <strong>und</strong> den Handel. Im sozialen Bereich konnten Praktika<br />

sowohl bei Kindergärten als auch bei Wohlfahrtsverbänden (Einrichtungen der Caritas,<br />

z.B. Sozialstation, Krankenhaus <strong>und</strong> DRK, z.B. Beratungsstelle) akquiriert werden. In<br />

einem Fall wird ein Praktikum bei einem privat-rechtlichen Träger der Altenpflege absolviert.<br />

Im Handelsbereich handelt es sich um Textilhandel, Floristik <strong>und</strong> Verbrauchermärkte.<br />

Die meisten Praktika wurden in Lebach absolviert - <strong>im</strong> Wesentlichen bei den dort ansässigen<br />

Wohlfahrtsverbänden. In Saarlouiser Betrieben fanden fünf Teilnehmer<strong>innen</strong><br />

einen Praktikumsplatz, in Rehlingen-Siersburg <strong>und</strong> in Bous jeweils zwei. Je ein Praktikum<br />

wurde in Wadgassen, in Saarbrücken <strong>und</strong> in Schmelz geleistet.<br />

8.6 Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis<br />

Angesichts der <strong>im</strong> Vorangegangenen beschriebenen Tatsache, dass es für <strong>Flüchtlinge</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sehr schwer ist, auf legalem Wege Beschäftigung zu finden,<br />

liegt die Vermutung nahe, dass diese Personengruppe möglicherweise verstärkt einer<br />

Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis nachgeht. Welche Aussagen können<br />

dazu gemacht werden?<br />

Für die Bekämpfung der so genannten illegalen Beschäftigung sind die Arbeitsämter<br />

sowie die Hauptzollämter zuständig. Die Motivation ihrer Arbeit liegt darin, dass durch<br />

diese Form der Beschäftigung legale Arbeitsplätze vernichtet werden. „Illegale Be-


178<br />

schäftigung in ihren verschiedenen Erscheinungsformen stellt eine erhebliche Bedrohung<br />

für den fairen Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt dar <strong>und</strong> benachteiligt die legal<br />

tätigen Unternehmen.“ 284<br />

Der Schwerpunkt der Prüftätigkeiten des Zolls <strong>und</strong> der Arbeitsämter liegt nach wie vor<br />

<strong>im</strong> Baubereich. Verstärkt überprüft werden jedoch auch besonders personalintensive<br />

Wirtschaftszweige, z.B. das Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe, das Reinigungsgewerbe<br />

<strong>und</strong> das Transportgewerbe sowie landwirtschaftliche Betriebe.<br />

In einer Pressemitteilung des Zolls heißt es, die Prüfer stießen dabei oft auf ausländische<br />

Arbeitnehmer/<strong>innen</strong>, die für ihre Tätigkeiten keine Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung<br />

vorweisen können. 285 An erster Stelle liegen nach Auskunft von BA-<br />

Mitarbeiter/<strong>innen</strong> dabei Touristen, gefolgt von <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>. Fast <strong>im</strong>mer würden<br />

in diesen Fällen Löhne weit unter dem tariflichen oder ortsüblichen Niveau gezahlt <strong>und</strong><br />

Sozialversicherungsbeiträge <strong>und</strong> Steuern gar nicht abgeführt. Nach der Häufigkeit aufgedeckter<br />

Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis dominiert bei <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

das Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe, gefolgt vom Baugewerbe.<br />

Wie viele <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> tatsächlich einer Beschäftigung ohne<br />

Sozialversicherungsnachweis nachgehen, ist durch diese Untersuchung nicht zu eruieren,<br />

da sich alle Befragten diesbezüglich sehr bedeckt halten. Aussagen hierzu können<br />

demnach allenfalls spekulativ sein.<br />

8.7 Arbeitslose <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Flüchtlinge</strong><br />

Die Fallzahlen arbeitslos gemeldeter <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sind nicht sehr hoch. Dennoch<br />

ist diese Kategorie interessant, da für sie relativ umfangreiches Zahlenmaterial<br />

zur Verfügung steht.<br />

Bei der Dauer der Arbeitslosigkeit (vgl. nachfolgende Tabelle) ist auffällig, dass 56 %<br />

erst weniger als ein halbes Jahr arbeitslos gemeldet sind. Bei 25 % handelt es sich um<br />

sogenannte Langzeitarbeitslose, d.h. sie sind bereits länger als ein Jahr arbeitslos.<br />

66 % der arbeitslosen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> sind zwischen 30 <strong>und</strong> 45 Jahre alt, weitere<br />

17 % sind älter als 45.<br />

284 Pressenmitteilung des Zolls (02.05.02).<br />

285 Vgl. ebd.


Tabelle 19: Arbeitslose <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nach der Dauer der Arbeitslosigkeit<br />

<strong>im</strong> Jahr 2003<br />

Arbeitslos seit<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, darunter<br />

Frauen Männer Insgesamt (%)<br />

< 1 Monat 2 6 8 (11%)<br />

1-3 Monate 4 12 16 (22 %)<br />

3-6 Monate 4 13 17 (23 %)<br />

6-12 Monate 3 11 14 (19 %)<br />

1 Jahr <strong>und</strong> länger 3 15 18 (25 %)<br />

Insgesamt 16 57 73 (100 %)<br />

Quelle: Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der BA, Stand: 31.12.03<br />

Tabelle 20: Arbeitslose <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nach Altersgruppen <strong>im</strong> Jahr 2003<br />

Alter<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, darunter<br />

Frauen Männer Insgesamt (%)<br />

Unter 20 Jahre 0 1 1 (1 %)<br />

20-30 Jahre 4 8 12 (17 %)<br />

30-40 Jahre 5 20 25 (37 %)<br />

40-50 Jahre 4 22 26 (37 %)<br />

50-60 Jahre 0 5 5 (7 %)<br />

60 bis unter 65 Jahre 1 0 1 (1 %)<br />

Insgesamt 14 56 70 (100 %)<br />

Quelle: Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der BA, Stand: 31.12.03<br />

Die Angaben über die Qualifikation (Tabelle unten) der arbeitslosen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

bestätigen die bereits von Vertretern der Arbeitsverwaltung gemachte Aussage,<br />

dass das Qualifikationsniveau der <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> teilweise relativ niedrig ist:<br />

60 von 71 (85 %) arbeitslos gemeldete <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> verfügen nicht über eine<br />

Berufsausbildung.<br />

179


180<br />

Tabelle 21: Arbeitslose <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> nach Qualifikation <strong>im</strong> Jahr 2003<br />

Qualifikation<br />

Ohne abgeschlossene Berufsausbildung<br />

Mit abgeschlossener Berufsausbildung,<br />

davon:<br />

<strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>, darunter<br />

Frauen Männer Insgesamt (%)<br />

10 50 60 (85 %)<br />

4 7 11 (15 %)<br />

Betriebliche Ausbildung 3 5 8<br />

Berufsfachschule 1 0 1<br />

Fachhochschule 0 1 1<br />

Universität / Hochschule 0 1 1<br />

Insgesamt 14 57 71 (100 %)<br />

Quelle: Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz-Saarland, Stand: 08/2002<br />

Darüber hinaus liegen Angaben zu den Berufsgruppen der arbeitslosen <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong><br />

vor. Ins Gewicht fallen hier Bauhilfsarbeiter, Berufe des Landverkehrs, Reinigungsberufe<br />

sowie vereinzelt Speisenbereiter, Montierer <strong>und</strong> Metallberufe, Maurer <strong>und</strong><br />

sozialpflegerische Berufe.<br />

8.8 Zusammenfassung<br />

Ausgehend von den zu Beginn des Kapitels formulierten forschungsleitenden Fragen<br />

lassen sich folgende Erkenntnisse formulieren:<br />

- Eine Typologisierung der in der Praxis auftretenden Formen der Beschäftigungssituation<br />

erweist sich als sinnvoll. Sie bietet als gr<strong>und</strong>sätzliches Unterscheidungsmerkmal<br />

vier Kategorien: beschäftigt, nicht beschäftigt, Schule/Aus-<br />

/Fortbildung sowie Existenzgründung. Innerhalb dieser vier Typen ist eine weitere<br />

Ausdifferenzierung sinnvoll. Eine Auswertung von 90 Bildungsbiografien ergab,<br />

dass insgesamt 15 % der befragten <strong>Flüchtlinge</strong> beschäftigt sind, während 21 %<br />

arbeitslos sind. Weitere 59 % befinden sich noch in einer (Schul-) Ausbildung/Fortbildung,<br />

5 % sind oder waren selbständig.<br />

- Im Jahr 2003 wurden insgesamt 497 Arbeitsgenehmigungen erteilt, davon 76 %<br />

<strong>im</strong> Agenturbezirk Saarlouis (worunter Lebach fällt). Zahlreiche Gesprächspartner/<strong>innen</strong><br />

machten auf die enorm hohe Hürde zur Aufnahme einer Beschäftigung<br />

aufmerksam, die mit der so genannten Vorrangprüfung verb<strong>und</strong>en sei. Ein Experte<br />

der Arbeitsagentur Saarlouis nannte vor allem das Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe,<br />

das Reinigungsgewerbe, Schlachtereien sowie Zuliefererbetriebe für Kebap-Imbisse<br />

als mögliche Arbeitgeber. Hier seien die Chancen auf Beschäftigung<br />

vergleichsweise gut. Nachforschungen bestätigten dies teilweise. Während


181<br />

saarländische Schlachtereien angaben, keine <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> zu beschäftigen,<br />

ist dies bei Restaurants, Gaststätten <strong>und</strong> Reinigungsfirmen zumindest vereinzelt<br />

der Fall. Kebap-Zulieferer beschäftigen ausnahmslos <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong>.<br />

Der Zusammenhang zwischen Qualifikation <strong>und</strong> ausgeübter Tätigkeit ist - zumindest<br />

gemessen an „deutschen Verhältnissen“ - sehr gering. Bei der Suche nach<br />

Beschäftigung steht die Tatsache <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>, überhaupt Arbeit zu finden,<br />

die Art der Beschäftigung ist sek<strong>und</strong>är.<br />

- Gemeinnütziger Beschäftigung kommt ein hoher Stellenwert zu. Insgesamt 67<br />

Personen werden derzeit in der LGU Lebach gemeinnützig beschäftigt, weitere<br />

10 in den Caritaseinrichtungen. Sie werden u.a. eingesetzt <strong>im</strong> Außenbereich, der<br />

Essenausgabe, der Dusche, <strong>im</strong> Reinigungsdienst <strong>und</strong> der Wäscherei. Für viele<br />

Befragte ist die gemeinnützige Beschäftigung die einzige Möglichkeit, dem „Lageralltag“<br />

zu entfliegen <strong>und</strong> einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, auch wenn<br />

die Entlohnung sehr gering ist.<br />

- Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis ist nur sehr schwer zu eruieren,<br />

weil sich sowohl „Betroffene“ als auch Experten diesbezüglich stark zurückhalten.<br />

Nach Aussagen von BA-Mitarbeiter/<strong>innen</strong> ist Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis<br />

unter <strong>Asylbewerber</strong>/<strong>innen</strong> vornehmlich <strong>im</strong> Hotel- <strong>und</strong><br />

Gaststättengewerbe, gefolgt vom Bausektor, anzutreffen.


182


9 Ausblick<br />

Im Vergleich zum ersten <strong>Weißbuch</strong> aus dem Jahr 2002 (Anfang 2003 vorgelegt) bietet<br />

diese Fortschreibung in vielen Punkten eine inhaltliche Vertiefung <strong>und</strong> stärkere F<strong>und</strong>ierung<br />

verschiedener Themenbereiche. Dies betrifft insbesondere die Wohnsituation, die<br />

Lebenssituation der zentral untergebrachten <strong>Flüchtlinge</strong>, die Situation von Frauen, das<br />

gesellschaftliche Leben, die Ges<strong>und</strong>heitssituation <strong>und</strong> -versorgung sowie die Beschäftigungssituation.<br />

Die wesentlichen Schlussfolgerungen aus dem <strong>Weißbuch</strong> 2002 gelten nach wie vor<br />

<strong>und</strong> finden sich in der Zusammenfassung.<br />

Abschließend bleibt ein Ausblick in zweierlei Hinsicht:<br />

1. Welche Änderungen bringt das Zuwanderungsgesetz, das seit 01.01.05 in Kraft<br />

getreten ist, mit sich, die für den Untersuchungsgegenstand relevant sind?<br />

2. Welche Zukunftsperspektiven bietet SEPA über das Jahr 2004 hinaus?<br />

Änderungen durch das Zuwanderungsgesetz<br />

Da sich der Betrachtungszeitraum des vorliegenden <strong>Weißbuch</strong>s auf das Jahr 2004<br />

bezieht, können absehbare, neuere Entwicklungen lediglich als Ausblick formuliert<br />

werden. Wesentliche Neuerungen, die teilweise auch <strong>Flüchtlinge</strong> betreffen, ergeben<br />

sich <strong>im</strong> Zuge des seit 01.01.05 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes. So wird<br />

beispielsweise der Flüchtlingsstatus künftig auch bei nichtstaatlicher bzw. geschlechtsspezifischer<br />

Verfolgung gewährt.<br />

Die Duldung wird als Instrument der „Feinsteuerung“ beibehalten. Zur Vermeidung von<br />

so genannten „Kettenduldungen“ soll jedoch eine Aufenthaltserlaubnis bei Abschiebungshindernissen<br />

erteilt werden, wenn die Ausreisepflicht nicht innerhalb von 18 Monaten<br />

vollzogen werden konnte. Der Aufenthaltstitel soll nicht verliehen werden, wenn<br />

ein Verschulden des Ausländers vorliegt (z.B. Identitätsverschleierung).<br />

Neu ist darüber hinaus die Aufenthaltsgewährung in Härtefällen. Danach darf die<br />

oberste Landesbehörde auf Ersuchen einer von der Landesregierung eingerichteten<br />

Härtefallkommission anordnen, dass einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer<br />

abweichend von sonstigen Erteilungs- <strong>und</strong> Verlängerungsvoraussetzungen für einen<br />

Aufenthaltstitel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Einrichtung einer Härtefallkommission<br />

liegt <strong>im</strong> Ermessen der Länder.<br />

Die Landesregierung des Saarlandes hat <strong>im</strong> Januar 2005 eine solche Härtefallkommission<br />

eingerichtet. Die Verordnung über eine Härtefallkommission des Saarlandes<br />

steckt Definition, Besetzung <strong>und</strong> Handlungsspielraum der Härtefallkommission in folgenden<br />

Eckpunkten ab: 286<br />

286 Verordnung über eine Härtefallkommission des Saarlandes nach § 23 a des Gesetzes über den<br />

Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> die Integration von Ausländern <strong>im</strong> B<strong>und</strong>esgebiet, vom 14. Dezember<br />

2004, veröffentlicht <strong>im</strong> Amtsblatt des Saarlandes vom 23. Dezember 2004.<br />

183


184<br />

- Die Härtefallkommission des Saarlandes besteht als behördenunabhängiges Gremium<br />

aus acht Mitgliedern. Sie setzt sich zusammen aus:<br />

- einer/einem vom Landtag des Saarlandes bestellten Vertreter/in,<br />

- einer/einem Vertreter/in des Landkreistages des Saarlandes,<br />

- einer/einem Vertreter/in des Saarländischen Städte- <strong>und</strong> Gemeindetags,<br />

- zwei Vertreter<strong>innen</strong>/Vertreter der Liga der freien Wohlfahrtspflege Saar,<br />

- einer/einem Vertreter/in der Evangelischen Kirchen <strong>im</strong> Saarland,<br />

- einer/einem Vertreter/in der Katholischen Kirchen <strong>im</strong> Saarland,<br />

- einer/einem Vertreter/in der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte des<br />

Saarlandes,<br />

die/der von den entsendenden Institutionen benannt werden.<br />

- Die Geschäftsstelle der Härtefallkommission wird be<strong>im</strong> Ministerium für Inneres,<br />

Familie, Frauen <strong>und</strong> Sport eingerichtet.<br />

- Die Härtefallkommission berät <strong>und</strong> entscheidet über Einzelfälle nur auf Vorlage<br />

eines ihrer Mitglieder/<strong>innen</strong>.<br />

- Die Härtfallkommission fasst ihre Beschlüsse mit einer Mehrheit von 3/4 ihrer Mitglieder/<strong>innen</strong>.<br />

- Es gibt Ausschlussgründe für die Befassung mit einer Vorlage, die in der Verordnung<br />

dargelegt sind.<br />

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Erwartungen an eine Härtefallkommission erfüllt<br />

werden.<br />

Ausblick für SEPA<br />

Aus Sicht der Gutacher/<strong>innen</strong> hat sich die Erstellung eines <strong>Weißbuch</strong>s bewährt. Damit<br />

ist zum einen die Hoffnung verb<strong>und</strong>en, dass alle <strong>im</strong> Saarland in der Flüchtlingspolitik<br />

tätigen Institutionen einen Nutzen aus diesem Bericht ziehen können. Zum anderen<br />

kann erwartet werden, dass eine solche annähernd objektive Beschreibung der Lebenssituation<br />

von <strong>Flüchtlinge</strong>n eine Gesprächsgr<strong>und</strong>lage bietet, aufgr<strong>und</strong> derer „gemeinsame<br />

Leitlinien für eine saarländische Flüchtlingspolitik“ entwickelt werden könnten.<br />

Da <strong>im</strong> Rahmen eines Berichts nicht alle Themen umfassend untersucht werden können,<br />

bleiben nach wie vor verschiedene interessante Aspekte, denen eventuell eine<br />

eigene Untersuchung gewidmet werden könnte. Im Zuge der durch den Mord an dem<br />

niederländischen Filmemacher Theo van Gogh ausgelösten Diskussion um die Rolle<br />

des Islamismus in westeuropäischen Staaten wäre es interessant, die Rolle der Religion<br />

<strong>und</strong> der ethnischen Communities <strong>im</strong> Integrationsprozess am Beispiel der Kurden<br />

darzustellen. Auch die Untersuchung der Lebensbedingungen verschiedener Zielgrup-


pen (z.B. speziell Kinder <strong>und</strong> Jugendliche, Frauen, alleinreisende Männer, ältere<br />

Migrant<strong>innen</strong>/Migranten) stellt ein eigenes Forschungsthema dar.<br />

Mit der ab 2005 gegebenen Förderung <strong>im</strong> Rahmen von EQUAL II erhält SEPA die große<br />

Chance, jene Instrumente weiterzuführen <strong>und</strong> weiter zu differenzieren, die sich <strong>im</strong><br />

Rahmen der ersten Förderperiode bewährt haben. Deshalb wünschen wir all unseren<br />

Partnerorganisationen viel Erfolg in der zweiten Förderperiode!<br />

185


ANHANG:<br />

Literaturverzeichnis


1<br />

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Deutsches Rotes Kreuz (Hg.): Materialien zur Traumaarbeit mit <strong>Flüchtlinge</strong>n, Manual<br />

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4<br />

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R<strong>und</strong>er Tisch - Interkulturelle Zusammenarbeit: Protokoll der Sitzung vom 03.01.02.<br />

R<strong>und</strong>er Tisch - Interkulturelle Zusammenarbeit: Protokoll der Sitzung vom 29.01.02.<br />

R<strong>und</strong>er Tisch - Interkulturelle Zusammenarbeit: Protokoll der Sitzung vom 03.06.02.<br />

R<strong>und</strong>er Tisch - Interkulturelle Zusammenarbeit: Protokoll der Sitzung vom 03.09.02.<br />

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Saarbrücker Zeitung: Wut <strong>und</strong> Entsetzen in Gerlfangen. Proteste gegen Abschiebung<br />

der Familie Celik-Özel (06.09.02).


7<br />

Saarbrücker Zeitung: Asylanten-Zustrom n<strong>im</strong>mt ab. Von der Stadt angemietete Unterkünfte<br />

für <strong>Asylbewerber</strong> <strong>und</strong> Aussiedler platzen nicht mehr länger aus allen<br />

Nähten (26.07.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Ahmet wollte ein fröhliches Fest feiern (12./13.08.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Mutmaßlicher Neonazi ersticht jungen Türken (12./13.08.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Trauer um Ahmet (12./13.08.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Sie wissen, was sie tun (12./13.08.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Vorfahrt fürs Gr<strong>und</strong>gesetz. Verwaltungsrichter stoppen Abschiebung<br />

(05.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Neuerlicher Streit um Abschiebung. Fall Celik-Özel Beschäftigte<br />

den Landtags<strong>innen</strong>ausschuss (05.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Abschiebung von Kindern gestoppt (12.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Bleiberecht für junge Kurden! (14.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Aslan G.: „Ich wollte hier leben!“ Kurden sollen abgeschoben<br />

werden: Vier Brüder verbarrikadieren sich (14.10.02)<br />

Saarbrücker Zeitung: Leserbriefe zum Artikel: „Neuerlicher Streit um die Abschiebung“,<br />

SZ vom 5./6. Oktober (14.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Sulzbacher Paul F. muss erneut auf die Anklagebank<br />

(15.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Sinnlose Bluttat (15.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Ausländerhass kein Tatmotiv? (15.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Asyl-Fälle: Härte soll geprüft werden (16.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Ortsrat gegen Abschiebung (16.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Kritik an Anklage <strong>im</strong> Fall Ahmet S. (16.10.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Mit Rat <strong>und</strong> Tat <strong>im</strong> Einsatz für die Asylsuchenden. Saarländischer<br />

Flüchtlingsrat leistet politische Lobbyarbeit - Kritik an Landesregierung<br />

(o.D.).<br />

Saarbrücker Zeitung: Scharfe Attacken gegen Müller (25.11.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Grünen-Chefin mit Wut auf Peter Müller (25.11.02).<br />

Saarbrücker Zeitung: Bildung auch für <strong>Asylbewerber</strong>. Was „Sepa“ <strong>und</strong> ihre Partner <strong>im</strong><br />

Saarland alles vorhaben (04.12.02).


Saarbrücker Zeitung: Weihnachtsfeier für <strong>Asylbewerber</strong> (17.12.02).<br />

8<br />

Saarbrücker Zeitung: Stadt zahlt für leere Wohnhe<strong>im</strong>e. Zuwanderer-Unterkünfte. Viele<br />

Mietverträge laufen lange (11.02.03).<br />

Saarbrücker Zeitung: Auf einmal macht die Schule viel mehr Spaß. Junge Ausländer<br />

steigern vor allem ihre Deutsch-Noten dank Stützkursus <strong>und</strong> Aufgabenhilfe<br />

(25.07.03).<br />

Saarbrücker Zeitung: Hilfe hört nicht bei den Hausaufgaben auf. Förderkurse <strong>im</strong><br />

Rahmen des EQUAL-Projektes bieten auch sozialpädagogische Betreuung<br />

(25.07.03).<br />

Saarbrücker Zeitung: Ein Feuer für friedliches Zusammenleben. Schrecksek<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

weihnachtliche Gedanken be<strong>im</strong> Hirtenfeuer in Lebach (27.12.03).<br />

Saarbrücker Zeitung: Die Junggesellen in unserem Wohnhe<strong>im</strong> sind mittlerweile schon<br />

weg. Im Übergangswohnhe<strong>im</strong> Erbach fand das letzte Sommerfest mit buntem<br />

Programm vor der Schließung dieser Einrichtung statt (09.07.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: Polizei überführt algerische Drogenbande (17.07.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: Strohhalme <strong>im</strong> Asyl-Dilemma. Altfallregelung <strong>und</strong> Härtefallkommission<br />

(14.08.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: Landtagswahl 2004: So wählten die Kommunen (06.09.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: Schlag gegen Rauschgift-Händler (09.09.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: Übergangswohnhe<strong>im</strong>e. Wohnungsfront entspannt sich<br />

(13.09.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: Demo gegen Antisemitismus in Neunkirchen (14.09.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: Eine Frage des Menschenbildes. Kritik an der „Lagerhaltung“<br />

von <strong>Flüchtlinge</strong>n (19.09.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: „Ein täglicher Alptraum“. Flüchtlingsrat kritisiert Landeswohnsiedlung<br />

(21.10.04).<br />

Saarbrücker Zeitung: Kirchen-Appell für Offenheit <strong>und</strong> Toleranz (06.11.04).<br />

Saarländischer Flüchtlingsrat: Abschiebehaft abschaffen, Flugblatt vom Juni 2004.<br />

Saar-Echo: Law-and-order-Politik in der Kritik (10.12.03).<br />

Saar-Echo: Hirtenfeuer in der Landesaufnahmestelle (15.12.03).<br />

Saar-Echo: Madrider Anschlag: Spuren ins Saarland (28.12.03).<br />

Saar-Echo: Erneute Razzia <strong>im</strong> Rotlichtmilieu (03.03.04).


Saar-Echo: Eine sehr fixe Mitschuldvermutung (13.06.04).<br />

Saar-Echo: Weniger <strong>Asylbewerber</strong> <strong>im</strong> Saarland (29.06.04).<br />

Saar-Echo: 16 Haftbefehle, aber nur zehn Festnahmen (16.07.04).<br />

Saar-Echo: Kr<strong>im</strong>inalpolizei zerschlägt Rauschgiftring (08.09.04).<br />

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9<br />

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Deutschland - eine humanitäre <strong>und</strong> pastorale Herausforderung. Bonn 2001.<br />

Shokat, H.: Impressionen eines Exilanten. In: Saarbrücker Hefte Nr. 73, März 1995,<br />

S. 4-6.<br />

Sozialgesetzbuch III, Arbeitsförderung, 2. Auflage. München 1998.<br />

Sozialgesetzbuch VIII, Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe. München 1998.<br />

Tomuschat, Ch.: Nicht bloße Klagemauer. Die Genfer Flüchtlingskonvention hat sich<br />

bewährt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 205, 04.09.01, S. 12.<br />

Treiber, W.: Fallgruppen traumatisierter <strong>Flüchtlinge</strong> <strong>im</strong> Asylverfahren. In: BAFl (Hg.):<br />

Asylpraxis: Traumatisierte <strong>Flüchtlinge</strong>. Schriftenreihe des B<strong>und</strong>esamtes für die<br />

Anerkennung ausländischer <strong>Flüchtlinge</strong>, Band 7. Nürnberg 2001.<br />

Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ (Hg.): Zuwanderung gestalten - Integration<br />

fördern. Bericht der Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“. Berlin<br />

2001.<br />

von Loeper, D.; von Loeper, A.: Handbuch der Asylarbeit, 4. erw. Auflage. Karlsruhe<br />

2001.<br />

Wochenspiegel Neunkirchen: R<strong>und</strong>er Tisch gegen Rechts (11.04.01).<br />

Wochenspiegel Neunkirchen: Sprechst<strong>und</strong>e für Ausländer (16.10.02).


Yalkut-Breddemann, S. B.: Das Volk des Engel Pfau. Die kurdischen Yeziden in<br />

Deutschland. Berlin 2001.<br />

10<br />

Zentrum für Türkeistudien (Hg.): Das ethnische <strong>und</strong> religiöse Mosaik der Türkei <strong>und</strong><br />

seine Reflexionen auf Deutschland. Münster 1998.<br />

Internet-Quellen (Auswahl)<br />

www.asyl-saar.de<br />

www.bamf.de<br />

www.bmi.b<strong>und</strong>.de<br />

www.b<strong>und</strong>esauslaenderbeauftragte.de<br />

www.dajc.de<br />

www.frauennotrufe.de/notrufe/saa01.html<br />

www.lexikon-definition.de<br />

www.trauma-netz.drk.de<br />

www.raphaels-werk.de<br />

www.amnesty.de

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