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Lügen ist menschlich - Marius Leutenegger

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36 | Fantastisch! Books Nr. 2/2013 Alle Bücher finden Sie auch auf Fantastisch! | 37<br />

Fantastisch!<br />

Eine Mitarbeiterin von Orell Füssli präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps aus<br />

dem Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen.<br />

«Die drei Titel, die ich heute vorstelle,<br />

haben etwas gemeinsam: Alle sind zu Beginn<br />

etwas düster und melancholisch –<br />

auch wenn dies nicht alle Buchumschläge<br />

vermuten lassen.<br />

‹Rot wie das Meer› <strong>ist</strong> bereits ein paar<br />

Monate alt, ich empfehle es aber trotzdem<br />

sehr gern. Die US-amerikanische Autorin<br />

Maggie Stiefvater verzeichnete ihre ersten<br />

Erfolge mit Elfenbüchern, die stark<br />

von irischen Volksmärchen inspiriert<br />

waren. ‹Ballade› und ‹Lamento› gefielen<br />

mir aber gar nicht, ich fand die beiden<br />

Bände langatmig und flach. Dann folgte<br />

die Werwolf-Trilogie ‹Nach dem Sommer›,<br />

für die sie sich offensichtlich von<br />

Stephenie Meyers ‹Twilight› animieren<br />

liess. Den Werwölfen bescherte der Mond<br />

schlaflose Nächte, mir die Bücher. Selten<br />

habe ich mit Figuren in Büchern so mitgefiebert<br />

wie mit Grace und Sam aus<br />

‹Nach dem Sommer›.<br />

Diesmal hat Maggie Stiefvater eine ganz<br />

andere Inspirationsquelle gefunden: die<br />

alte irische Sage über die ‹Capaill Uisce›.<br />

Dabei handelt es sich um riesige und gefährliche<br />

Wasserpferde, die einmal jährlich<br />

mit der Flut aus dem Wasser steigen.<br />

‹Rot wie das Meer› spielt auf der irischen<br />

Insel Thisby, auf der jährlich das Skorpio-<br />

Rennen stattfindet, ein Wettkampf, bei<br />

dem auch Wasserpferde mitmachen. Bislang<br />

war das Rennen fest in Männerhand<br />

– bis sich die junge Puck Connolly entschliesst,<br />

mit ihrer kleinen Stute Dove<br />

<strong>Marius</strong> <strong>Leutenegger</strong><br />

ebenfalls teilzunehmen. Das führt zu roten<br />

Köpfen und heissen Diskussion. Die<br />

zweite Hauptfigur des Buchs <strong>ist</strong> Sean<br />

Kendrick. Er pflegt die Pferde, reitet sie<br />

zu und besitzt selbst ein Wasserpferd.<br />

Der Roman erzählt drei Geschichten: jene<br />

von Puck, jene von Sean und die Sage<br />

über die Wasserpferde. An diesen Strängen<br />

schaukelt sich die Geschichte zu ihrem<br />

Höhepunkt hoch, dem grossen Rennen.<br />

Und ganz allmählich entwickelt sich<br />

auch eine ungewöhnliche Liebesgeschichte<br />

zwischen Sean und Puck.<br />

Vielleicht klingt das alles ein wenig dünn,<br />

aber Maggie Stiefvater schafft es, eine<br />

enorme Spannung aufzubauen. Beim Lesen<br />

hatte ich das Gefühl, tief in einen Nebel<br />

getaucht zu sein, um mich herum gab<br />

es nichts mehr – diese Stimmung schlug<br />

mich völlig in ihren Bann. Ich habe aber<br />

gemerkt, dass sich dieses Buch nicht wie<br />

viele andere Fantasy-Romane von allein<br />

verkauft, sondern dass es empfohlen werden<br />

muss. Also: ‹Rot wie das Meer› eignet<br />

sich für alle, die unergründliche Liebesgeschichten<br />

mögen. Junge Frauen, die<br />

eine Fantasy-Geschichte mit Tiefgang suchen,<br />

sind ebenfalls hervorragend bedient<br />

– sowie natürlich alle Fans von Maggie<br />

Stiefvater.<br />

Angelina Rubli, 28, <strong>ist</strong> im Kanton<br />

Schaffhausen aufgewachsen, wohnt in<br />

Dachsen und arbeitet bei Orell Füssli am<br />

Bellevue. «Das erste Geschenk, an das<br />

ich mich erinnern kann, war das Buch<br />

‹Ronja Räubertochter›», erzählt sie. «Von<br />

da an wollte ich nur noch lesen. In der<br />

Oberstufe machte ich mehrere Schnupperlehren,<br />

aber ich spürte stets: Ich will<br />

Buchhändlerin werden.» In der Filiale<br />

am Bellevue arbeitete Angelina zuerst<br />

in der Reisebuch-Abteilung, aber «dann<br />

willst du nur immer in die Ferien». Ihr<br />

Traum sei ein Wechsel in die Kinder- und<br />

Jugendbuchabteilung gewesen, weil «ich<br />

das den spannendsten Bereich finde – er<br />

<strong>ist</strong> extrem vielseitig, jeden Monat gibt es<br />

neue Strömungen». Der Traum ging mittlerweile<br />

in Erfüllung. Heute liest Angelina<br />

etwa drei bis vier Bücher pro Woche.<br />

Eigentümlicherweise beginnt sie dabei<br />

me<strong>ist</strong>ens mit dem Schluss. «Ich weiss auch<br />

nicht weshalb, aber ich lese zuerst immer<br />

die letzten Seiten – und schaue dann,<br />

wie die Geschichte zu diesem Schluss<br />

hingeführt wird.»<br />

Während ‹Rot wie das Meer› eine abgeschlossene<br />

Geschichte <strong>ist</strong>, handelt es sich<br />

bei meiner nächsten Empfehlung um den<br />

Auftakt zu einer Trilogie. ‹Für immer die<br />

Seele› der Kalifornierin Cynthia J. Omololu<br />

erzählt die Geschichte der 16-jährigen<br />

Cole, die immer wieder Visionen hat.<br />

Plötzlich sieht sie sich zum Beispiel auf<br />

einem Schafott stehen. Man liest, wie sie<br />

sich in diesem Moment fühlt, was zum<br />

Todesurteil geführt hat – und zack <strong>ist</strong><br />

man wieder zurück in der Gegenwart. So<br />

geht es hin und her. Zu Beginn spielen die<br />

Visionen von Cole immer in der frühen<br />

Neuzeit, später werden auch Ereignisse<br />

aus den 1920er-Jahren beschrieben. Cole<br />

machen ihre Visionen grosse Sorgen, sie<br />

hat Angst, sie sei plemplem, und sie vertraut<br />

sich niemandem an. Nachdem sie<br />

wegen einer Vision im Tower von London<br />

ohnmächtig geworden <strong>ist</strong>, wacht sie in<br />

den Armen des jungen Griffon auf. Sofort<br />

hat sie das Gefühl, diesen gutaussehenden<br />

jungen Mann schon lange zu kennen.<br />

Griffon erklärt Cole, dass sie eine herumwandernde<br />

Seele sei, die immer wieder<br />

neue Ex<strong>ist</strong>enzen durchlebe. Darüber hinaus<br />

erfährt Cole, dass es viele wie sie gibt<br />

– und dass sie eine Aufgabe zu erfüllen<br />

hat. Irgendwo in Zeit und Raum <strong>ist</strong> da<br />

aber auch noch eine böse Feindin, die sie<br />

seit jeher vernichten möchte.<br />

Schon diese kurze Zusammenfassung<br />

zeigt: ‹Für immer die Seele› <strong>ist</strong> extrem<br />

fantasievoll. Ich las das Buch, weil der<br />

Klappentext mein Interesse weckte. Da<br />

ich h<strong>ist</strong>orische Romane liebe, gefiel mir<br />

der Auftakt im 16. Jahrhundert ganz besonders<br />

– und ich war schon etwas enttäuscht,<br />

als das Buch dann plötzlich im<br />

Hier und Jetzt spielte. Aber dann zog es<br />

mich doch immer tiefer in die Geschichte<br />

hinein, denn ich wollte wissen, was es<br />

mit diesen Seelenwanderungen auf sich<br />

hat und wie die einzelnen Geschichten<br />

aus der Vergangenheit weitergehen. Cynthia<br />

J. Omololu hat die Fähigkeit, immer<br />

dann eine Episode zu verlassen, wenn es<br />

am spannendsten <strong>ist</strong> – so liest man immer<br />

weiter. Ich bin jedenfalls sehr gespannt,<br />

wie die Trilogie weitergeht. Dieses<br />

Buch eignet sich für alle, die<br />

h<strong>ist</strong>orische Romane mögen, aber auch<br />

ganz besonders für die Leserinnen und<br />

Leser von ‹Liebe geht durch alle Zeiten›.<br />

Auch das dritte Buch, das ich hier vorstelle,<br />

spielt grösstenteils ins England. Und<br />

auch wenn seine Autorin Deutsche <strong>ist</strong>,<br />

hat es einen sehr englischen Anklang.<br />

Kein Wunder: Alexandra Pilz <strong>ist</strong> am gleichen<br />

Tag wie Jane Austen geboren und<br />

liebt deren Werke. Hauptfigur von ‹Zurück<br />

nach Hollyhill› <strong>ist</strong> Emily; ihre Eltern<br />

kamen vor längerer Zeit bei einem Autounfall<br />

ums Leben. An ihrem 17. Geburtstag<br />

erhält Emily von ihrer Grossmutter,<br />

bei der sie aufwächst, einen Brief, den ihr<br />

einst ihre Mutter schrieb. Darin fordert<br />

die Mutter sie auf, nach Hollyhill zu gehen<br />

und dort ihre Vergangenheit kennenzulernen.<br />

Einst lebte nämlich ihre Mutter<br />

dort, doch sie verliess das Dorf, weil sie<br />

sich in Emilys Vater verliebt und dieser<br />

nicht dem Dorf angehört hatte.<br />

Doch Hollyhill findet man auf keiner Karte.<br />

Emily macht sich auf den Weg von<br />

Deutschland nach England und landet in<br />

einer verregneten Jane-Austen-Gegend,<br />

einem Moorgebiet irgendwo im grausten<br />

Gebiet Englands. Dort wird sie, verzweifelt<br />

wie sie <strong>ist</strong>, von Matt aufgegabelt. Und<br />

dieser attraktive Junge behauptet doch<br />

tatsächlich zu wissen, wo Hollyhill <strong>ist</strong>.<br />

Emily steigt in seinen Jeep, mit der er sie<br />

nach Hollyhill bringen will, und schläft<br />

ein. Als sie erwacht, <strong>ist</strong> alles anders. Und<br />

Emily erfährt: Hollyhill <strong>ist</strong> ein Dorf, das<br />

in der Zeit re<strong>ist</strong>. Es <strong>ist</strong> immer dort, wo jemand<br />

Hilfe braucht. Das gilt auch im Fall<br />

von Emily. Im Jahr 1980 geschehen grausame<br />

Mädchenmorde, und Emily, die inzwischen<br />

mit dem Dorf in eben jenes Jahr<br />

gere<strong>ist</strong> <strong>ist</strong>, gerät selbst ins Visier des Mörders.<br />

Die Idee hinter diesem Plot <strong>ist</strong> so cool! Am<br />

me<strong>ist</strong>en Spass machten mir die Beschreibungen<br />

der 1980er-Jahre. Emily erlebt,<br />

wie Lady Di heiratet, und sie kann sich<br />

nur wundern über die damals aktuelle<br />

Mode. Aber lustige Passagen sind in diesem<br />

Buch eigentlich eher die Ausnahme,<br />

auch hier dominiert eine düstere, fast<br />

traurige Stimmung. Das Buch eignet sich<br />

für alle, die genau das mögen: Romane,<br />

die sehr abwechslungsreich sind und<br />

ganz unterschiedliche Stimmungen erzeugen.<br />

Ich zähle mich selber zu dieser<br />

Gruppe, und deshalb hoffe ich, dass Alexandra<br />

Pilz ihre Idee vom zeitreisenden<br />

Dorf noch für weitere Bücher nutzt.»<br />

Rot wie das Meer<br />

Maggie Stiefvater<br />

430 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

script5<br />

Für immer die Seele<br />

Cynthia J. Omololu<br />

381 Seiten<br />

CHF 27.90<br />

Dressler<br />

Zurück nach Hollyhill<br />

Alexandra Pilz<br />

348 Seiten<br />

CHF 26.90<br />

Heyne

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