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Broschüre Podium Pestalozzianum 2009

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Roger de Weck vergleicht im ersten Referat die Medienwelt mit der Lernwelt. Er bejaht die integrative Kraft der Volksschule<br />

unter der Voraussetzung, dass es ihr gelingt, sich weiterhin auf die Aufgabe des kontinuierlichen Wissenssaufbaus<br />

zu konzentrieren – und dies entgegen mächtigen Trends in Medienwelt, Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

«Integration in die Wissensgesellschaft als Aufgabe<br />

der Schule»<br />

Roger de Weck Publizist, Zürich und Berlin<br />

Beim vorliegenden Text handelt es sich um die Mitschrift eines frei gehaltenen Referates<br />

Guten Abend meine Damen und Herren, herzlichen Dank<br />

Cornelia Kazis<br />

Sie haben zur Eröffnung des Abends einen eingeladen, der<br />

nicht viel über Integration weiss und sich deshalb an das journalistische<br />

Prinzip halten wird, das besagt: «If you don’t know<br />

the facts stick to the principle.» Ich möchte in meinem Referat<br />

auf die Schule und die Medien als Instanzen der Wissensvermittlung<br />

eingehen. Vor dem Hintergrund gravierender wirtschaftlicher,<br />

ökologischer und politischer Umbrüche zeige ich<br />

auf, was die Schule anders machen sollte, als es die Medien<br />

tun. Doch zuerst: Was verstehe ich unter Integration<br />

Rücksicht, Einsicht, Weitsicht<br />

Integration hat für mich etwas zu tun mit Rücksicht, mit<br />

Einsicht und Weitsicht. Der europäischen Integration und der<br />

Integration von 26 Kantonen zur Eidgenossenschaft lag zunächst<br />

der Beschluss zugrunde, auf den Nachbarn Rücksicht<br />

zu nehmen. Parallel zur schweizerischen und europäischen<br />

Integration fasste der Gedanke der sozialen Marktwirtschaft<br />

Fuss. Dieser ist allerdings immer mehr in die Defensive gedrängt<br />

worden und muss jetzt wieder in aller Offensivität<br />

verteidigt werden: Hier geht es um die Rücksicht auf die<br />

Schwächeren.<br />

Die Verknappung lebensnotwendiger Ressourcen auf<br />

globaler Ebene ruft nach einer neuen Form von Integration.<br />

Wenn wir nicht zulassen wollen, dass sich die einen diese<br />

Ressourcen aneignen und sie anderen vorenthalten – was<br />

unweigerlich zu Konflikten oder Krieg führen wird –, sind<br />

internationale Gremien etwa innerhalb der G20 zur echten<br />

Kooperation und verstärkten Integration von Weltpolitik und<br />

Weltwirtschaft aufgerufen.<br />

Die Rücksicht auf die anderen, die Einsicht, dass eine Integration<br />

nötig ist, um Konflikte zu vermeiden, und die Weitsicht,<br />

kurzfristige Interessen zu Gunsten langfristiger hintanzustellen:<br />

All das erfordert die mündige Bürgerin, den mündigen<br />

Bürger. In einer Gesellschaft, die zur Marktgesellschaft ausgewuchert<br />

ist, sind mündige Bürger/innen wichtiger denn je.<br />

Ich habe nichts gegen die Marktwirtschaft, aber ich wende<br />

mich entschieden gegen die Marktgesellschaft, das heisst<br />

gegen den Versuch, letztlich alles dem ökonomischen Prinzip<br />

zu unterwerfen. Denn damit wird die Marktgesellschaft zum<br />

Gegenteil von dem, was sie zu sein vorgibt, nämlich eine<br />

Wissensgesellschaft.<br />

Lernwelten versus Medienwelten<br />

Hinter diesem Widerspruch steht ein zweiter. Je mehr man<br />

in den vergangenen Jahrzehnten von Wissensgesellschaft<br />

sprach, desto heftiger sind die einen Trägerinnen und Träger<br />

dieser Wissensgesellschaft in die Defensive gedrängt<br />

und manchmal sogar belächelt worden: Ich meine damit die<br />

Lehrerinnen und Lehrer, und zwar vom Kindergarten bis zur<br />

Hochschule. In den Vordergrund des marktgesellschaftlichen<br />

Casinos drängten sich vielmehr andere, vor allem die Medien.<br />

Sie beherrschen letztlich die Gesellschaft, verbreiten aber<br />

Unwissen. Trotzdem – oder gerade deshalb: Die Trägerinnen<br />

und Träger der Wissensgesellschaft im weitesten Sinne werden<br />

die Lehrerinnen und Lehrer bleiben.<br />

In diesem Sinne ist mein Appell an Sie als Vermittlerinnen<br />

und Vermittler von Wissen schlicht und einfach: Verweigern<br />

Sie sich sämtlichen Gesetzen der anderen Wissenstransferinstanz<br />

in unserer Gesellschaft, nämlich der Mediengesellschaft<br />

und dem Medienbetrieb. Machen Sie es nicht wie die<br />

Medien, die heute vollständig auf Konsumentinnen und Konsumenten<br />

ausgerichtet sind, denn Integration erfordert wie<br />

gesagt mündige Bürgerinnen und Bürger. Der Medienbetrieb<br />

wendet sich, mit Ausnahmen, fast nicht mehr an die Bürgerinnen<br />

und Bürger – und das stellt dessen staatspolitische<br />

Aufgabe in Frage.<br />

Wissensvermittlung nach der elektronischen Revolution<br />

Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten einige grosse<br />

Umbrüche erlebt. Eine davon ist die elektronische Revolution.<br />

Sie hat unser Leben und unseren Alltag verändert. Zudem hat<br />

sie den Medienbetrieb so verändert, dass das journalistische<br />

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<strong>Podium</strong> <strong>Pestalozzianum</strong> <strong>2009</strong>

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