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Broschüre Podium Pestalozzianum 2009

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Ökologische Revolution und Globalisierung<br />

Eine weitere Umwälzung betrifft die ökologische Revolution<br />

und die Globalisierung. Ich nenne sie in einem Atemzug,<br />

weil sie einander bedingen. Ökologie versteht die Welt als<br />

ein Ganzes; Globalisierung will die Welt umschliessen. Die<br />

eine Bewegung ist die des Begrenzens, die andere des Umfangens.<br />

In der Gesellschaft wie in den Medien lassen sich<br />

zwei Tendenzen ablesen. Auf der einen Seite entsteht ein<br />

neuer Internationalismus, der dem Bewusstsein entspringt,<br />

dass die grossen Probleme, zumal die ökologischen, nur<br />

transnational zu lösen sind. Auf der anderen Seite findet ein<br />

Rückzug ins Provinzielle, in Krähwinkel, statt, um sich von<br />

den Weltwirrnissen abzuschotten und in der eigenen kleinen<br />

Welt zu leben. Wir beobachten, wie ein nicht geringer Teil<br />

der Medienlandschaft diesen Rückzug auf den Schatten des<br />

Kirchturms vollzogen hat. Je grösser die internationalen Interdependenzen<br />

sind, desto provinzieller wird ein Grossteil der<br />

Berichterstattung. Viele Zeitungen bauen ihre Auslandskorrespondentennetze<br />

ab, in einem Moment, wo das Verständnis<br />

ausländischer Entwicklungen wichtiger ist denn je.<br />

Auch hier steht die Lernwelt vor der gegenteiligen Aufgabe.<br />

Es geht darum, die Geister zu öffnen, sie für andere<br />

Zusammenhänge wach zu halten. Unterschiedliche Welten<br />

und Menschen treffen aufeinander, vom Kindergarten bis<br />

zur Hochschule. Diese Begegnungen sind extrem persönlichkeitsbildend.<br />

Als Stiftungsrat eines Instituts pflege ich<br />

zu sagen, dass die Studentinnen und Studenten im Zusammenleben<br />

ausserhalb der Hörsäle weit mehr lernen als von<br />

ihren Professorinnen und Professoren. Die Begegnung mit<br />

unterschiedlichen Denkweisen ist das, was uns intelligent<br />

macht. Es gibt Sophisten, die innerhalb eines Denksystems<br />

verhaftet bleiben und dieses Denksystem ausreizen. Die wirklich<br />

intelligenten Menschen in der Integrationsgesellschaft<br />

sind diejenigen, die querbeet durch zwei, drei Denksysteme,<br />

zwei, drei Kulturen denken können.<br />

dies aber im Bewusstsein darum, dass dies ein notwendiger<br />

Schritt ist zur Bewältigung von Komplexität. Die Aufgabe,<br />

Widerstand zu leisten gegen die modischen, herrschenden<br />

Trends, das ist meines Erachtens die beste Voraussetzung<br />

für die Integration der Schülerinnen und Schüler in eine<br />

Wissensgesellschaft, und zwar in eine Wissensgesellschaft,<br />

die diesen Namen verdient.<br />

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.<br />

Niedergang des Kommunismus, aufkommender Rechtspopulismus<br />

Ein letzter wichtiger Umbruch betrifft die grosse politische<br />

Revolution die wir erlebt haben. Ich meine die Desintegration<br />

des Ostblocks und Integration von Westeuropa bis hin zum<br />

1. Mai 2004, dem Tag der europäischen Vereinigung. Eine<br />

wunderbare Sache. Doch seither ist folgendes geschehen:<br />

Auf der einen Seite stiessen in Osteuropa die Populisten in<br />

das Vakuum, das die Kommunisten hinterlassen haben. Auf<br />

der anderen Seite hat sich in dem Moment als der Kommunismus<br />

und der Sozialismus als Alternative weggefallen<br />

sind im Westen der Kapitalismus verhärtet. So stellen wir in<br />

beiden Teilen Europas, auch in unserem Land, einen massiv<br />

wachsenden Rechtspopulismus fest. Seine Strategien sind<br />

die der schrecklichen Vereinfachung, der Dramatisierung,<br />

Emotionalisierung, des Ängsteschürens, kurz: genau das<br />

Gegenteil des aufklärerischen Prinzips.<br />

In diesem wachsenden populistischen Umfeld muss die<br />

Lernwelt eine Haltung einnehmen und vermitteln, die sich<br />

einfachen Lösungen verwehrt. In der Lehrtätigkeit gibt es<br />

keine einfachen und schnellen Wege; in der Erziehung genügen<br />

einfache Schnellrezepte nicht. Zwar bedient sich die Pädagogik<br />

notwendigerweise der modellhaften Vereinfachung, tut<br />

6<br />

<strong>Podium</strong> <strong>Pestalozzianum</strong> <strong>2009</strong>

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