Sprachrohr-02-2015
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Im Fokus<br />
Im Fokus<br />
Interview mit Hans Fahrni<br />
Toleranz leben und Probleme ansprechen<br />
Hans Fahrni ist bei den Jugendlichen im Quartier Gutschick-Mattenbach bekannt, vor allem<br />
als Sekundarlehrer für das Schulfach «Religion und Kultur» an der Sekundarschule Mattenbach.<br />
In seiner bald 38-jährigen Schulkarriere und in seiner Arbeit als Diakon und Jugendarbeiter<br />
habe er wohl gegen 2500 Jugendliche im Quartier kennengelernt. Er ist für sie glaubwürdig,<br />
sowohl von seiner Biographie her (Berufslehre als Mechaniker, Diakon und Politiker),<br />
als auch dafür, dass er den Unterricht ernst nimmt und zugleich auch auf die Jugendlichen<br />
eingeht.<br />
Hans Fahrni, Lehrer und Diakon.<br />
Herr Fahrni, anfangs Januar machte der Fall<br />
eines Geschwisterpaars aus Winterthur Töss<br />
von sich reden, das sich möglicherweise der<br />
Terrororganisation «Islamischer Staat» angeschlossen<br />
hat. Machen sich bei Ihnen im<br />
Unterricht «Religion und Kultur» solche radikalen<br />
Tendenzen bemerkbar?<br />
Hans Fahrni: Ich unterrichte alle Schülerinnen<br />
und Schüler im Sekundar-<br />
Schulhaus Mattenbach, ein grosser Teil<br />
von ihnen sind Muslime. Man spürt<br />
diese radikalen Tendenzen kaum. Aber<br />
bei vereinzelten Schülerinnen und<br />
Schüler bemerkt man, dass es sich in<br />
diese Richtung bewegen könnte.<br />
Wie reagieren Sie? Sprechen Sie dies im Unterricht<br />
an?<br />
Hans Fahrni: Auf jeden Fall. Dann thematisieren<br />
wir auch den Islam vertiefter.<br />
Ein weiterer wichtiger Baustein ist,<br />
dass jeweils zwei bis drei Schülerinnen<br />
und Schüler wöchentlich Zeitungsmeldungen<br />
mitnehmen, vorlesen und ihre<br />
Meinung dazu kundtun. Im Falle des<br />
Geschwisterpaars aus Töss, das am<br />
Schulsilvester verschwunden ist, haben<br />
wir auch darüber geredet. Einige meiner<br />
Schüler haben sie sogar persönlich<br />
gekannt. Themen waren auch die<br />
Mohammed-Karikaturen und der Anschlag<br />
auf «Charlie Hebdo» in Paris. Daraus<br />
ergeben sich wertvolle Diskus sionen,<br />
man kann radikale Tendenzen erkennen<br />
und ansprechen. Allenfalls auch<br />
mit den Eltern Kontakt aufnehmen.<br />
Was ist Ihnen im Unterricht «Religion und<br />
Kultur» wichtig?<br />
Hans Fahrni: Die Schüler müssen die<br />
Grundlagen des Christentums, des Judentums<br />
und des Islams verstehen. Alle<br />
berufen sich ja auf den gleichen Gott.<br />
Ach ja?<br />
Hans Fahrni: Ja, das ist so. Vereinfacht<br />
gesagt, entstand aus dem Judentum<br />
das Christentum und später hat der<br />
Prophet Mohammed Aspekte sowohl<br />
des Juden- als auch des Christentums<br />
aufgenommen. Für Christen ist Jesus<br />
der Sohn Gottes. Im Koran Sure 2,87<br />
steht «Jesus, der Sohn der Maria» und<br />
Jesus gilt als Prophet. Abraham und<br />
Moses kommen auch im Koran vor.<br />
Alle berufen sich also auf den gleichen<br />
Gott. «Allah» heisst nichts anderes als<br />
Gott auf Arabisch. Die Christen in<br />
Ägypten beten auch zu Allah, weil dass<br />
das arabische Wort für Gott ist. Eigentlich<br />
sollte jeder die Bibel und den Koran<br />
gelesen haben. Das sind Perlen und<br />
Schätze aus vergangenen Zeiten, die<br />
uns heute noch prägen.<br />
Sind Jugendliche anfällig für radikale<br />
Tendenzen?<br />
Hans Fahrni: In der Pubertät haben die<br />
Jugendlichen von der Entwicklungspsychologie<br />
her ein unwahrscheinlich<br />
grosses Gerechtigkeitsgefühl. Auch<br />
sehen sie oft nur Schwarz und Weiss.<br />
Entweder ist etwas gut oder schlecht.<br />
Nuancen zwischendurch nehmen viele<br />
kaum wahr. Darum sind Jugendliche<br />
auch sehr empfänglich und geben sich<br />
total in etwas hinein. Das kann Sport<br />
sein, Pfadi oder Cevi. Aber es kann natürlich<br />
auch eine gefährliche religiöse<br />
Gruppierung, wie zum Beispiel der IS,<br />
sein. Es ist dann nicht einfach, Jugendliche<br />
positiv zu beeinflussen, wenn sie<br />
sich mit Haut und Haar in etwas<br />
verrennen.<br />
Wie stehen Sie zum Kopftuch?<br />
Hans Fahrni: Das Kopftuch-Tragen ist<br />
für mich kein Problem. Nonnen haben<br />
auch ein Kopftuch an und in Italien<br />
oder Spanien tragen alte Frauen immer<br />
ein Kopftuch. Sich total zu verhüllen,<br />
gehört aber nicht zu unserer Kultur.<br />
Deshalb bin ich klar gegen das Tragen<br />
beispielsweise einer Burka im öffentlichen<br />
Raum. Man muss sich dem Land<br />
anpassen. Natürlich kann das Kopftuch<br />
ein religiöses Symbol sein, sowohl im<br />
Islam wie auch im Christentum. Es gibt<br />
auch viele andere religiöse Symbole,<br />
wie zum Beispiel T-Shirts, Halsketten<br />
usw., die absolut unproblematisch sind.<br />
Man kann zeigen, dass man zu einer<br />
Religion gehört, solange man nicht erwartet,<br />
dass alle gleich denken<br />
müssen.<br />
Haben Sie von der Schulleitung Direktiven<br />
bekommen, wie Sie zu reagieren haben, wenn<br />
sich bei einzelnen Schülern radikale Tendenzen<br />
bemerkbar machen?<br />
Hans Fahrni: Nein. Wichtig ist, als<br />
Lehrperson bereit zu stehen und sich<br />
solchen Gesprächen im Unterricht zu<br />
stellen. Die Schülerinnen und Schüler<br />
wollen wissen, was das Christentum<br />
oder der Islam ist. Die meisten Muslime<br />
wissen den Unterschied zwischen Reformierten,<br />
Katholiken oder Orthodoxen<br />
nicht. Und umgekehrt wissen viele<br />
Christen nicht, dass es Schiiten, Sunniten,<br />
Aleviten, Wahabiten, Salafisten<br />
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gibt, und dass nur der kleinste Teil der<br />
Moslems zu den Extremisten gehört.<br />
Wenn die Jugendlichen das verstehen,<br />
haben sie schon zum ersten Mal ein<br />
Aha-Erlebnis.<br />
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In wieweit spielt der Migrationshintergrund<br />
eine Rolle?<br />
Hans Fahrni: Wenn man auswandert<br />
und in ein anderes Land geht, vergisst<br />
man seine Herkunft nicht, hält an seinem<br />
Glauben und seiner Kultur fest.<br />
Die Muslime hier kommen aus der ganzen<br />
Welt. Jede Kultur ist anders und<br />
die religiöse Verankerung ist nicht<br />
überall gleich. Auch kommt es sehr auf<br />
das Elternhaus an. Meistens erlebe ich<br />
gläubige Muslime, die sehr tolerant<br />
und offen sind. Manchmal sind andere,<br />
die selber wenig über den Islam wissen,<br />
intolerant.<br />
Ist Antisemitismus an der Sekundarschule<br />
Mattenbach ein Thema?<br />
Hans Fahrni: Für Christen ist das kaum<br />
ein Thema, bei einigen Muslimen schon<br />
eher − je nach Herkunftsland und dem<br />
familiären Hintergrund. Ich zeige auf,<br />
wie das Judentum gelebt wird. Es kann<br />
nicht auf die Orthodoxen oder Ultra-<br />
Orthodoxen reduziert werden. Toleranz<br />
muss auf allen Ebenen gelernt werden.<br />
Wir leben hier in der Schweiz und Toleranz<br />
ist uns wichtig.<br />
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Wie kann Toleranz auch ausserhalb des Unterrichts<br />
vermittelt werden?<br />
Hans Fahrni: Ich kann «säen» und hoffen,<br />
dass die Saat aufgeht. Ein persönlicher<br />
Glaube ist etwas sehr Wertvolles<br />
und Schönes. Jeder soll in seinem Glauben,<br />
in dem er verwurzelt ist, Halt finden.<br />
Die Chile Grüze, die evangelischreformierte<br />
Kirchgemeinde Mattenbach<br />
und die Pfarrei Herz Jesu haben gemeinsam<br />
im Advent 2013 ein Schöggeli<br />
mit einer Karte in die Briefkästen verteilt<br />
und darin erklärt, dass Advent und<br />
Weihnachtszeit für uns Christen wichtig<br />
sind. Ich bekam viele positive Rückmeldungen,<br />
gerade auch von muslimischen<br />
Familien.<br />
Fortsetzung auf Seite 6<br />
Gutschick-Treff<br />
Quartierzentrum des Quartiervereins<br />
Gutschick-Mattenbach,<br />
Scheideggstrasse 19,<br />
8400 Winterthur.<br />
Dienstag, 18.30 − 21 Uhr:<br />
Buebetreff im Raum 3<br />
Mittwoch, 15 − 17 Uhr: Zusammen<br />
Aufgaben machen im Raum 2<br />
Mittwoch 17 − 20 Uhr: Meitlitreff<br />
und Ladiesclub im Raum 3<br />
Freitag: Offener Treff für alle<br />
Primarschule: 18.00 − 21.30 Uhr:<br />
im Raum 2<br />
Oberstufe: 18.00 − 22.30 Uhr:<br />
im Raum 3<br />
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Gerne setzen wir uns auch für Sie ein.<br />
Lagerhausstrasse 11 • 8401 Winterthur<br />
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