Sprachrohr-02-2015
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Politik<br />
Politik<br />
Schulterschluss für die, die es brauchen<br />
Ein Applaus für unsere Politiker!<br />
Der Grosse Gemeinderat stimmt einstimmig, mit 7 Enthaltungen, für den Kommissionsantrag<br />
und damit gegen die Streichung aller freiwilligen Gemeindezuschüsse für bedürftige<br />
AHV- und IV-Rentner.<br />
Als Folge der leeren Staatskasse der<br />
Stadt Winterthur will und muss der<br />
Stadtrat im Rahmen des Sparprogramms<br />
Effort 14+ sowie wegen der<br />
sich im Ungleichgewicht befindenden<br />
Sozialkosten Geld einsparen. Steuererhöhungen<br />
und städtische Lohnkürzungen<br />
wurden im Vorfeld jedoch im Gemeinderat<br />
vehement bekämpft. Die<br />
Folge: sparen bei den Ärmsten der Armen<br />
bwz. die Streichung der freiwilligen<br />
Gemeindezuschüsse für bedürftige<br />
IV- und AHV-Rentner.<br />
Von den fraglichen Zuschüssen profitieren<br />
2’929 BezügerInnen, 436 Ehepartner<br />
und 273 Kinder. Damit sind<br />
über 3’000 Personen betroffen, so auch<br />
die IV-Rentnerin Frau Silvia Helbling<br />
(siehe <strong>Sprachrohr</strong> Ausgabe 4/2014).<br />
Bedingung für die Ausrichtung von<br />
Gemeindezuschüssen ist, dass Bezüger/<br />
-innen seit 5 Jahren in Winterthur<br />
wohnen. Von den Totalkosten von<br />
3,5 Millionen Franken, die von der<br />
Stadt übernommen werden, entfallen<br />
54 % (knapp 2 Millionen) auf den<br />
Lebensbedarf und die Alltagsbewältigung.<br />
Auf die Mietzinszuschüsse entfallen<br />
40 % der Ausgaben. Weitere<br />
Ausgaben betreffen die Verbilligung<br />
von Busabonnementen.<br />
Nach intensiven Diskussionen hat die<br />
Kommission entgegen dem Antrag<br />
des Stadtrates beschlossen, die Unterstützungsleistungen<br />
nicht völlig zu<br />
streichen, d.h. Mietzinszuschüsse in<br />
der Höhe von 1,4 Millionen sollen<br />
weiterhin ausgerichtet werden.<br />
Die Kommission beantragt somit<br />
folgende Änderungen:<br />
- Art. 1 Leistungsarten. In Abs. 2<br />
werden die Buchstaben a), c) und d)<br />
aufgehoben.<br />
- Die Artikel 2 bis 4 werden<br />
aufgehoben.<br />
- Art. 5 Anspruchsvoraussetzungen (der<br />
Mietzinszuschuss wird ausgerichtet<br />
wenn folgende Voraussetzungen<br />
kumulativ erfüllt sind):<br />
a) Alle persönlichen Voraussetzungen<br />
zum Bezug der gesetzlichen Beihilfe<br />
gemäss Zusatzleistungsgesetz sind<br />
erfüllt.<br />
b) Die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller<br />
hat bei der Anmeldung des<br />
Anspruchs seit mindestens fünf Jahren<br />
ununterbrochen zivilrechtlichen<br />
Wohnsitz in der Stadt Winterthur.<br />
Für Personen, die früher in Winterthur<br />
Gemeindezuschüsse bezogen<br />
haben und nach einem Wegzug wieder<br />
nach Winterthur zurückkehren,<br />
gilt keine neue Karenzfrist.<br />
c) Der Mietzins einer Person ist höher<br />
als der ergänzungsleistungsrechtliche<br />
Mietzinsabzug.<br />
Kommentare aus der Debatte im<br />
Gemeinderat:<br />
David Schneider bestätigt, dass die FDP<br />
dem Kommissionsantrag folgen wird.<br />
Die Situation mag paradox erscheinen,<br />
weil die FDP bei diesem Geschäft auf<br />
die Sparbremse tritt. Es handle sich<br />
hier aber um einen sinnvollen Kompromiss,<br />
so Schneider.<br />
J. Altwegg (Grüne/AL) bezeichnet den<br />
Sparantrag als Armutszeugnis für eine<br />
Stadt, die Topverdienern und Unternehmen<br />
jährlich 39 Millionen an<br />
Steuer geschenken macht. Er bezieht<br />
sich dabei auf eine schriftliche Stellungnahme<br />
der Stadtverwaltung.<br />
Gleichzeitig will die bürgerliche Ratsmehrheit<br />
bei denen, die sowieso nichts<br />
haben, 3 Millionen einsparen. J. Altwegg<br />
bittet seine Kolleginnen und<br />
Kollegen, den Antrag des Stadtrates abzulehnen.<br />
In Zukunft sollen die benachteiligten<br />
WinterthurerInnen weiterhin<br />
ihre Zuschüsse erhalten.<br />
K. Cometta (GLP/PP) verurteilt das Ansinnen<br />
des Stadtrates, bei den Ärmsten<br />
3,5 Millionen einzusparen. Die Streichung<br />
von Zuschüssen würde über<br />
3’000 Personen betreffen, für die es<br />
lebenswichtig ist, ob sie 100 Franken<br />
mehr oder weniger im Portemonnaie<br />
haben. Es möge gute Gründe geben,<br />
die Gemeindezuschüsse abzuschaffen,<br />
nicht zuletzt deshalb, weil diese freiwillig<br />
sind und eine Abschaffung<br />
leicht umsetzbar wäre. Die GLP/PP-<br />
Fraktion wolle jedoch nicht, dass sich<br />
alte Menschen, die ein Leben lang<br />
gearbeitet haben und deren Rente<br />
nicht ausreicht, ihre Wohnung nicht<br />
mehr leisten können.<br />
M. Thurnherr (SVP) findet es wichtig,<br />
dass ältere Personen, die ihren Beitrag<br />
zu einer positiven Entwicklung der<br />
Stadt beigetragen haben, nicht aus finanziellen<br />
Gründen ihre Wohnungen<br />
verlassen müssen. Andererseits müsse<br />
man sehen, dass die Stadt Winterthur<br />
mit ihren finanziellen Problemen nicht<br />
mehr Geld ausgibt, als gesetzlich vorgeschrieben<br />
ist. Die SVP unterstützt<br />
den Kommissionsantrag trotzdem.<br />
Für B. Helbling (SP) ist die Abschaffung<br />
der Zuschüsse sozialpolitisch nicht zu<br />
verantworten. Das sei ein Einschnitt<br />
mit weitreichenden Folgen für die<br />
Betroffenen. Diese Leistungskürzung<br />
treffe ausschliesslich sozial Benachteiligte,<br />
wie auch Personen, die dank bescheidensten<br />
Ersparnissen in einer eigenen<br />
Wohnung leben. Die Streichung<br />
der Mietzinszuschüsse werde nur auf<br />
den ersten Blick einen Spareffekt bringen,<br />
weil die Betroffenen längerfristig<br />
ihre Miete nicht mehr bezahlen könnten<br />
und in betreutem Wohnen oder in<br />
Altersheimen schliesslich von der Gemeinde<br />
unterstützt werden müssten.<br />
Das geplante Vorgehen entspreche<br />
nicht den Vorstellungen der SP von einer<br />
solidarischen Gesellschaft, in der<br />
Steuergeschenke auf Kosten der sozial<br />
Schwächeren gemacht werden. Die SP-<br />
Fraktion werde nötigenfalls einen Ablehnungsantrag<br />
stellen.<br />
Laut M. Baumberger (CVP/EDU) hat die<br />
Fraktion viel Zeit investiert, um die<br />
Vor- und Nachteile abzuwägen. Man ist<br />
zum Schluss gekommen, dass aufgrund<br />
der leeren Kassen etwas unternommen<br />
werden muss, nur sollen<br />
nicht die falschen Leute von den Sparmassnahmen<br />
betroffen werden. Gerade<br />
die Generation der Grosseltern, die sich<br />
für unsere Stadt verdient gemacht haben,<br />
soll nicht die volle Härte der Sparbemühungen<br />
zu spüren bekommen.<br />
Deshalb kann die CVP/EDU-Fraktion<br />
den Antrag des Stadtrates nicht vollumfänglich<br />
unterstützen. Sie hat sich für<br />
den Kompromiss entschieden.<br />
B. Huizinga (EVP/BDP): Die EVP/BDP-<br />
Fraktion setzt sich dafür ein, dass weiterhin<br />
die Gemeindezuschüsse ausgezahlt<br />
werden. Die finanzielle<br />
Unterstützung für die Ärmsten soll sichergestellt<br />
bleiben und zwar so, dass<br />
sie möglichst in den eigenen vier Wänden<br />
bleiben können. Die Streichung sei<br />
lediglich ein kurzfristiges Sparmanöver.<br />
Langfristig werde sich das Vorhaben<br />
des Stadtrates in höheren Kosten<br />
niederschlagen. Sollte das Parlament<br />
keine andere Möglichkeit finden, die<br />
Stadtfinanzen ins Lot zu bringen, wird<br />
die EVP/BDP-Fraktion den Eventualantrag<br />
der Grünen und der AL und damit<br />
die Erhöhung des Steuerfusses um 2<br />
Prozentpunkte unterstützen. Diese<br />
Einnahmen werden die 3,5 Millionen<br />
für die Gemeindezuschüsse wieder einfahren.<br />
Stärke zeige sich bekanntlich<br />
auch darin, wie mit Schwachen umgegangen<br />
wird.<br />
D. Oswald (SVP) meint, dass auch die<br />
Steuerfrage genauer analysiert werden<br />
muss. Steuergeschenk ist für ihn ein<br />
Unwort. Der Staat habe das Recht Steuern<br />
einzutreiben. Das heisse aber<br />
nicht, dass alles, was er nicht eintreibt,<br />
einfach ein Geschenk sei. Insofern sei<br />
es falsch zu behaupten, die Stadt mache<br />
in Bezug auf die Unternehmenssteuerreform<br />
Geschenke. Zudem sei es<br />
nicht der Stadtrat gewesen, der keine<br />
Steuererhöhung wollte. Er habe eine<br />
Steuererhöhung und Lohnsenkungsmassnahmen<br />
beantragt, nur habe das<br />
Parlament die Lohnsenkung abgelehnt.<br />
Die Mietzuschüsse könnten weiterhin<br />
ausgerichtet werden. Das sei eine sinnvolle<br />
Lösung. Denn nicht zuletzt dank<br />
den Mehrausgaben bei der Sozialhilfe<br />
sei Winterthur die sicherste Grossstadt<br />
der Schweiz. Der soziale Friede werde<br />
nicht allein von der Polizei aufrechterhalten,<br />
sondern auch durch die Unterstützung<br />
für Leute, die nicht viel<br />
haben.<br />
R. Diener (Grüne/AL) entgegnet, die<br />
Stadt sei verpflichtet, denjenigen zu<br />
helfen, die wirklich zu wenig Geld haben.<br />
Das liege in der sozialen Verantwortung,<br />
die alle mitzutragen haben.<br />
Diese Verantwortung nicht mehr wahrnehmen<br />
zu wollen, wäre asozial und<br />
verantwortungslos.<br />
S. Stierli (SP): Die bürgerlichen Parteien<br />
haben Kürzungsanträge in Millionenhöhe<br />
gestellt. Es wäre wirklich schräg,<br />
wenn bei den Ärmsten der Armen gekürzt<br />
würde. Die Solidarität mit den<br />
Inserat<br />
Partner<br />
Ärmsten sei für die SP so wichtig, dass<br />
sie das Behördenreferendum einreichen<br />
werde, wenn diese Kürzung angenommen<br />
würde.<br />
Stadtrat N. Galladé (SP) stellt ein gewisses<br />
sozialpolitisches Wohlwollen fest,<br />
wie das in der Vergangenheit weniger<br />
der Fall gewesen sei. Dem Stadtrat sei<br />
obige Vorlage nicht leicht gefallen. Der<br />
Steuererhöhung habe der Gemeinderat<br />
letztes Jahr nicht zugestimmt und die<br />
finanzpolitische Situation habe sich<br />
Anfang 2014 aufgrund von Umständen,<br />
die von der Stadt nicht beeinflussbar<br />
sind, erneut verschlechtert. Für das<br />
Jahr <strong>2015</strong> habe der Stadtrat ein sog.<br />
Übergangsbudget geplant, welches u.a.<br />
eine Steuererhöhung gekoppelt mit einer<br />
befristeten Lohnsenkung und die<br />
Kürzung der Gemeindezuschüsse beinhaltet.<br />
Dem Stadtrat sei bewusst,<br />
dass die Leistungskürzungen einen<br />
schmerzhaften Einschnitt für die betroffenen<br />
Personen bedeuten. Der Kompromissantrag<br />
solle die volle Härte der<br />
Massnahmen etwas abfedern. Es seien<br />
aber weniger sozialpolitische Überlegungen,<br />
die den Stadtrat dazu gebracht<br />
haben, diesen Antrag dem Gemeinderat<br />
vorzulegen, sondern finanzpolitische<br />
Gründe. Der Stadtrat halte deshalb<br />
an seinem Antrag fest.<br />
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Winterthurer Zeitung<br />
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