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Designwissenschaft und Designforschung: Ein einführender Überblick

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Issues � <strong>Designforschung</strong> � Wissen <strong>und</strong> Wissensbegriffe<br />

Den unterschiedlichen Ausprägungen <strong>und</strong> Facetten von<br />

Wissen folgend, wird dieses multiplen Klassifizierungs-<br />

<strong>und</strong> Differenzierungsschemata unterzogen. An dieser Stelle<br />

sollen exemplarisch nur einige davon genannt werden. So<br />

besteht vom Standpunkt des Wissensmanagements Wissen<br />

stets aus einem expliziten <strong>und</strong> einen impliziten Teil. Explizites<br />

Wissen kann übermittelt <strong>und</strong> gespeichert werden, etwa<br />

in Form von Text, Grafiken oder Symbolen (vgl. Nonaka,<br />

1997). Implizites (tacites) Wissen ist hingegen jenes Wissen,<br />

das ein Mensch im Laufe seines Lebens absorbiert<br />

(vgl. Polanyi, 1985, p. 24). Es besteht hauptsächlich aus Erfahrungswissen,<br />

Fähigkeiten, Werten <strong>und</strong> Lebensweisheiten.<br />

Anders als ein technisch-instrumentelles Erfahrungswissen<br />

folgt implizites Erfahrungswissen nicht unbedingt den<br />

Strukturen eines objektivierbaren Handelns. Vielmehr kann<br />

dieses intuitiven Mustern folgen, welche sich der Objektivierung<br />

entziehen. Dennoch kann implizites Erfahrungswissen<br />

ein nicht minder wirkungsvolles Handeln produzieren<br />

wie explizites Wissen. Der Differenzierung von Wissen<br />

in explizite <strong>und</strong> implizite Bestandteile schliessen sich auch<br />

weitere Definitionen an. So wird etwa in der Kognition-<br />

spsychologie zwischen deklarativem Wissen («Wissen-Was»<br />

oder Faktenwissen) <strong>und</strong> prozeduralem Wissen («Wissen-Wie»<br />

oder handlungsorientiertes Wissen) unterschieden (Benesch,<br />

1987, p. 199). In den Debatten der Erkenntnistheorie wird<br />

der Begriff des propositionalen Wissens verwendet. Als<br />

propositionales Wissen (engl. propositional knowledge) oder<br />

«Wissen-Dass» (engl. knowledge that) bezeichnet man hier<br />

das Wissen, dass etwas der Fall ist, dass eine bestimmte Proposition<br />

wahr ist. Es ist vom «Wissen-Von» <strong>und</strong> vom «Wissen-<br />

Wie» zu unterscheiden. Während «Wissen-Von» (auch «Wissen<br />

durch Bekanntschaft») auch mit «Kenntnis» gleichgesetzt<br />

werden kann <strong>und</strong> eher marginal reflektiert wird, beschreibt<br />

das «Wissen-Wie» das Wissen, wie etwas zu tun ist. Gilbert<br />

Rylen (1992) hat dafür den Begriff knowledge-how eingeführt.<br />

Ernst Pöppel (2000, p. 21) unterscheidet aus der Perspektive<br />

der Hirnforschung zwischen drei eigenständigen<br />

Formen des Wissens: begriffliches oder explizites Wissen<br />

(Nennen, Sagen), implizites oder Handlungs-Wissen<br />

(Schaffen, Tun, auch Know-how) <strong>und</strong> bildliches oder<br />

Anschauungs-Wissen (Sehen, Erkennen). Explizites Wissen<br />

wird in der Terminologie der Hirnforschung auch als<br />

linkshemisphärisches Wissen bezeichnet, womit die enge<br />

Verknüpfung von explizitem Wissen mit der Sprachfähig-<br />

30<br />

keit <strong>und</strong> der begrifflichen Repräsentation betont werden<br />

soll. Implizites, auch nonverbales Wissen, bezieht sich auf<br />

das, was wir können <strong>und</strong> was unser Handeln leitet, ohne<br />

dass es möglich ist, dafür exakte sprachliche Entsprechungen<br />

zu finden (Pöppel, 2000, p. 23). In anderer Umschreibung<br />

kann es auch als Erfahrungswissen oder handlungsgeleitetes<br />

Wissen bezeichnet werden. Bildliches Wissen schliesslich<br />

erscheint seinerseits in dreifacher Form, nämlich als<br />

sinnliches Anschauungswissen, als Erinnerungswissen <strong>und</strong><br />

als Vorstellungswissen (sich ein Bild von etwas machen)<br />

(Pöppel, 2000, p. 25). Obwohl die drei Formen des Wissens,<br />

das explizite, das implizite <strong>und</strong> das bildliche Wissen, an<br />

unterschiedliche Mechanismen des Gehirns geb<strong>und</strong>en sind,<br />

bilden sie ein gemeinsames Wirkungsgefüge. Das bedeutet,<br />

dass jede dieser drei Wissensformen wesentlich für die<br />

menschliche Kognition ist; weder kann auf eine verzichtet<br />

werden, sei es als <strong>Ein</strong>zelner oder als Gesellschaft, noch können<br />

sie für sich alleine stehen (Pöppel, 2000, p. 27, 31).<br />

Trotz ihres komplettierenden Charakters sind die unterschiedlichen<br />

Formen des Wissens keineswegs gleichgestellt:<br />

Explizites Wissen, also die rationale, verbale <strong>und</strong> schriftliche<br />

Benennung von Sachverhalten <strong>und</strong> Beobachtungen, gilt<br />

im wissenschaftlichen Kontext stets noch als einziger Garant<br />

für Begründbarkeit <strong>und</strong> Überprüfbarkeit. Somit kommt<br />

dort (zumindest vordergründig) Erfahrungswissen oder<br />

auch bildlichem Wissen nur eine marginale Bedeutung zu.<br />

Die Beharrung auf explizites <strong>und</strong> rationalistisches Wissen<br />

im Kontext der Wissenschaft lässt sich nach Helga Nowotny<br />

dadurch erklären, dass «sich die Autorität der Wissenschaft<br />

[…] nicht der Gesellschaft (verdankt), sondern […] sich<br />

direkt von der Beschäftigung mit den Naturgesetzen ableitet»<br />

(2000, p. 86). Naturwissenschaftliches Wissen entzieht<br />

sich gemäss dieser Vorstellung jeglicher Kontaminierung,<br />

beispielsweise durch gesellschaftliche <strong>und</strong> soziale <strong>Ein</strong>flüsse<br />

<strong>und</strong> behauptet für sich «kontext-insensitiv» (Nowotny, 2000,<br />

p. 86) zu sein. Demgegenüber betont Nowotny die Wichtigkeit<br />

von «(lokaler <strong>und</strong> heterogener) Kontextsensitivität<br />

der Wissenserzeugung» (2000, p. 90). Ähnlich argumentiert<br />

Armin Nassehi, wenn er schreibt, dass Wissen «kein selbstständiger<br />

Stoff, sondern immer Wissen von etwas sei» <strong>und</strong><br />

als «Repräsentationsform der Welt, die eng mit unserer<br />

Kultur verb<strong>und</strong>en ist» (Nassehi, 2000, p. 12) verstanden<br />

werden müsse. Wissen ist demnach niemals nur Abbild der

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