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eschränkte man sich freilich auf die Kompartimente<br />
Papier, Abwasser, Abluft und<br />
Reststoffe. Die Verteilung einer Chemikalie<br />
zwischen diesen vier Immissionsräumen gelang<br />
mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogrammes<br />
zur Berechnung der Gleichgewichtskonzentration<br />
in den miteinander verknüpften<br />
Kompartimenten.<br />
Die 1% an chemischen Zusatzstoffen gliedern<br />
sich auf in 0,5% synthetische Bindemittel,<br />
0,25% Leimungsmittel, 0,08% Naßverfestiger,<br />
0,06% Bleichmittel, 0,05% Retentionsmittel<br />
sowie restliche 0,06% für Farbstoffe,<br />
Biozide oder Stoffentlüfter. Innerhalb dieser<br />
1% unterscheidet man zwischen<br />
� Prozeßchemikalien, die die Produktion<br />
unterstützen oder sogar erst ermöglichen<br />
(Retentions- und Flockungsmittel, Entschäumer<br />
etc.) und<br />
� qualitätsverbessernde Chemikalien, die<br />
bestimmte Papierqualitäten verbessern<br />
(wie zum Beispiel Leimungsmittel,<br />
Naßverfestiger, Farbstoffe, Aufheller,<br />
Streichfarbenbinder u. a. m.).<br />
Für die wichtigsten Untergruppen hatte<br />
man besonders versierte Mitglieder des<br />
Goebelschen Arbeitskreises ausgewählt, die<br />
sich zum Wesentlichen des jeweiligen Problemfeldes<br />
kompetent äußern konnten. Dieser<br />
Referatreigen begann mit einer BASF-<br />
Präsentation von W. J. Auhorn, schon seit<br />
mancher HV eine feste Größe in der Sprecherflucht!<br />
Retentionsmittel und Stoffentlüfter<br />
am Beispiel holzhaltiger Druckpapiere<br />
Auhorn nutzte seine 17 Minuten redlich,<br />
ohne in Hektik zu verfallen, obwohl der<br />
Markt eine Reihe von erwähnenswerten Retentions-.<br />
Fixier- und Flockungsmitteln anbietet,<br />
deren Anteil im Papier sich allerdings<br />
auf 0,05% beschränkt – die Stoffentlüfter<br />
bringen es auf nur 0,01%!<br />
Quantitativ ging es um 65 000 t<br />
Polyacrylamide, 2500 t Polyethylenimine und<br />
12 000 t sonstiger Produkte, insgesamt um<br />
3% vom großen Kuchen der Retentionsmittel,<br />
dessen größte Stücke Aluminiumsalze<br />
(1,5 Mio. t = 65%) und kationische Stärke<br />
(700 000 t = 31%) beanspruchen. Auhorn war<br />
gründlich genug, auch deren chemische<br />
Struktur anzugeben, so zum Beispiel die des<br />
vierwertigen Alaunkations [Al8 (SO4)5OH10]4 + ,<br />
auf Poly-DADMAC und Polyvinylamine<br />
machte er aufmerksam (in Abwesenheit von<br />
<strong>44</strong>/97 1108<br />
PAPIERERZEUGUNG<br />
F. Linhardt). Der ungebrochen hohe Anteil<br />
von Al-Salzen (auch PAC = Polyaluminiumchlorid)<br />
basiert auf der immer noch sehr<br />
starken Harzleimung. Das solide Standbein<br />
der kationischen Stärke beruht auf dem Umstand,<br />
daß Stärke außer der Retentionsverbesserung<br />
auch noch die Trockenfestigkeit<br />
des Papiers erhöht.<br />
Quantitativ spielen die synthetischen<br />
Polymere mit nur 100 000 t p. a. (= 4% Mengenanteil)<br />
eine beeindruckend kleine Rolle,<br />
die mit 100 bis 500 g Festsubstanz pro Tonne<br />
Papier beinahe vernachlässigbar erscheint.<br />
Die überaus eindrucksvolle Wirksamkeit dieser<br />
Polymeren (auch Stärke und Al-Komplexe<br />
gehören dazu!) beruht auf ihrer Fähigkeit,<br />
das Adsorbens mit Wasserstoffbrücken- bzw.<br />
Ionenverbindungen dicht zu belegen, so daß<br />
sie zum Teil auch als Flockungshilfsmittel in<br />
der Abwasserreinigungsanlage vorzüglich<br />
funktionieren! Die<br />
Stoffentlüfter bzw. Schaumverhüter<br />
unterscheiden sich deutlich in Chemie und<br />
Funktion von den Retentionsmitteln. Weltweit<br />
werden nur 30 000 t benötigt, davon 50%<br />
als Emulsionen, 40% als synthetische und<br />
10% als mineralische Öle. Ihre Wirkung beruht<br />
auf folgendem Prinzip: man nimmt eine<br />
hydrophobe Substanz entweder allein (Mineralöle)<br />
oder in Kombination (Lipidderivate<br />
wie z. B. Fettalkohole) mit nichtionischen (für<br />
Amphiphilie z. B. Ethoxyle) oder polaren<br />
Gruppen für tensidähnliche Hydrophilie<br />
(durch 0, OH, COOH, SO3H, NR2), die aufgrund<br />
ihrer Struktur die Fähigkeit besitzen,<br />
auf hydrophobe Faseroberflächen aufzuziehen<br />
bzw. in Grenzflächen von Luft/Wasser in<br />
Bläschenform anzureichern. Dadurch werden<br />
die Luftbläschen speziell in ihrer Vergesellschaftung<br />
mit Faseroberflächen destabilisiert<br />
und so die Entlüftung initiiert. Die Entlüftung<br />
bedeutet zugleich auch Schaumverhütung!<br />
Die erstaunlichsten Erfahrungen mit den<br />
gesamten „Hilfsmitteln“ macht man freilich<br />
erst im Betrieb, wo sie sich selbst um ein Vielfaches<br />
übertreffen, denn sie beschränken sich<br />
ja nicht auf das Retendieren und Entlüften,<br />
sondern gebären noch Effekte hinzu, für die<br />
man gar nicht bezahlt hat! So verbessern<br />
Entlüfter auch die Entwässerung auf dem<br />
Sieb und in den Naßpressen, erleichtern die<br />
Zwischeneindickung des Papierstoffs und erlauben<br />
eine signifikante Energieeinsparung<br />
bei der Stofförderung; nicht zuletzt gewinnt<br />
dabei auch die Papierqualität sowie die Produktivität!<br />
– Alle aufgezählten Effekte leuchten<br />
zumindest den Textilrheologen sofort ein,<br />
wie an dieser Stelle kommentiert sei, denn<br />
kleine Luftblasen verhalten sich im Rahmen<br />
eines Vlieses oder aber in engen Kanülen<br />
(Spinndüsen!) wie Festkörper, die folglich<br />
auch die Vliesentwässerung hemmen – und<br />
das kostet eine Menge Geld bei der Trocknung!<br />
Nicht zuletzt verankern sie Faserenden<br />
in den Grenzflächen und erhöhen so die<br />
Viskosität; simultan reagieren sie auf Druck<br />
und Kompression und beim Entspannen mit<br />
Mikroexplosionen, die das Vlies beim Aufbau<br />
stören, was zusätzlich mit Energieeintrag<br />
verbunden ist. In diese kolloidalen Mechanismen<br />
greifen auch die Retentionsmittel<br />
ein, die die Mikropartikel des Stoffs (Füller<br />
etc.) an die Fasern binden und somit aus den<br />
Vliesporen im Status nascendi entfernen. Ergo<br />
vergrößert sich der Durchmesser des<br />
Porenkollektivs, was zwangsläufig die Entwässerung<br />
befördert unter simultaner Entfernung<br />
der Schwebstoffe, was wiederum in<br />
zweiter Folge das Abwasser entlastet und die<br />
Kreislaufschließung befördert.<br />
Die Summe der genannten (und noch mancher<br />
ungenannten, weil noch nicht verstandenen)<br />
primären und sekundären Hilfsstoffeffekte<br />
ermöglichen in finaler Konsequenz<br />
die Anhebung der PM-Geschwindigkeit,<br />
im Managerdeutsch auch Runnability<br />
genannt.<br />
Nicht minder lobenswert ist ihr weitgehender<br />
Verbleib entweder im Papier, das 99%<br />
der Retentionsmittel bindet, oder aber zu<br />
74% im Abwasser, wo die Entlüfter zu 90% in<br />
der biologischen Klärstufe abgebaut werden.<br />
Im Klärschlamm und den Reststoffen verbleiben<br />
noch 0,1% der ursprünglichen Zusatzmenge<br />
von 10 bis 50 g pro Tonne Papier.<br />
Die ökologische Relevanz<br />
spielt in praxi keine Rolle. Sogar Lebensmittelverpackungen<br />
dürfen laut Empfehlung<br />
36 des Instituts für Verbraucherschutz bis<br />
zu 0,2% (fest) Retentionsmittel im Papier<br />
enthalten. Dadurch bleibt ihre Recyclierbarkeit<br />
erhalten, und auch die Kompostierbarkeit<br />
wird nicht tangiert, denn polyfunktionelle<br />
Amine werden ebenso wie Eiweiße abgebaut.<br />
Selbst die Entlüfter werden zu 70 bis<br />
90% abgebaut, wie andere Tenside (Waschmittel)<br />
auch. Da deren Wirkstoffe nicht flüch-