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APR Ausgabe 44 1997

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eschränkte man sich freilich auf die Kompartimente<br />

Papier, Abwasser, Abluft und<br />

Reststoffe. Die Verteilung einer Chemikalie<br />

zwischen diesen vier Immissionsräumen gelang<br />

mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogrammes<br />

zur Berechnung der Gleichgewichtskonzentration<br />

in den miteinander verknüpften<br />

Kompartimenten.<br />

Die 1% an chemischen Zusatzstoffen gliedern<br />

sich auf in 0,5% synthetische Bindemittel,<br />

0,25% Leimungsmittel, 0,08% Naßverfestiger,<br />

0,06% Bleichmittel, 0,05% Retentionsmittel<br />

sowie restliche 0,06% für Farbstoffe,<br />

Biozide oder Stoffentlüfter. Innerhalb dieser<br />

1% unterscheidet man zwischen<br />

� Prozeßchemikalien, die die Produktion<br />

unterstützen oder sogar erst ermöglichen<br />

(Retentions- und Flockungsmittel, Entschäumer<br />

etc.) und<br />

� qualitätsverbessernde Chemikalien, die<br />

bestimmte Papierqualitäten verbessern<br />

(wie zum Beispiel Leimungsmittel,<br />

Naßverfestiger, Farbstoffe, Aufheller,<br />

Streichfarbenbinder u. a. m.).<br />

Für die wichtigsten Untergruppen hatte<br />

man besonders versierte Mitglieder des<br />

Goebelschen Arbeitskreises ausgewählt, die<br />

sich zum Wesentlichen des jeweiligen Problemfeldes<br />

kompetent äußern konnten. Dieser<br />

Referatreigen begann mit einer BASF-<br />

Präsentation von W. J. Auhorn, schon seit<br />

mancher HV eine feste Größe in der Sprecherflucht!<br />

Retentionsmittel und Stoffentlüfter<br />

am Beispiel holzhaltiger Druckpapiere<br />

Auhorn nutzte seine 17 Minuten redlich,<br />

ohne in Hektik zu verfallen, obwohl der<br />

Markt eine Reihe von erwähnenswerten Retentions-.<br />

Fixier- und Flockungsmitteln anbietet,<br />

deren Anteil im Papier sich allerdings<br />

auf 0,05% beschränkt – die Stoffentlüfter<br />

bringen es auf nur 0,01%!<br />

Quantitativ ging es um 65 000 t<br />

Polyacrylamide, 2500 t Polyethylenimine und<br />

12 000 t sonstiger Produkte, insgesamt um<br />

3% vom großen Kuchen der Retentionsmittel,<br />

dessen größte Stücke Aluminiumsalze<br />

(1,5 Mio. t = 65%) und kationische Stärke<br />

(700 000 t = 31%) beanspruchen. Auhorn war<br />

gründlich genug, auch deren chemische<br />

Struktur anzugeben, so zum Beispiel die des<br />

vierwertigen Alaunkations [Al8 (SO4)5OH10]4 + ,<br />

auf Poly-DADMAC und Polyvinylamine<br />

machte er aufmerksam (in Abwesenheit von<br />

<strong>44</strong>/97 1108<br />

PAPIERERZEUGUNG<br />

F. Linhardt). Der ungebrochen hohe Anteil<br />

von Al-Salzen (auch PAC = Polyaluminiumchlorid)<br />

basiert auf der immer noch sehr<br />

starken Harzleimung. Das solide Standbein<br />

der kationischen Stärke beruht auf dem Umstand,<br />

daß Stärke außer der Retentionsverbesserung<br />

auch noch die Trockenfestigkeit<br />

des Papiers erhöht.<br />

Quantitativ spielen die synthetischen<br />

Polymere mit nur 100 000 t p. a. (= 4% Mengenanteil)<br />

eine beeindruckend kleine Rolle,<br />

die mit 100 bis 500 g Festsubstanz pro Tonne<br />

Papier beinahe vernachlässigbar erscheint.<br />

Die überaus eindrucksvolle Wirksamkeit dieser<br />

Polymeren (auch Stärke und Al-Komplexe<br />

gehören dazu!) beruht auf ihrer Fähigkeit,<br />

das Adsorbens mit Wasserstoffbrücken- bzw.<br />

Ionenverbindungen dicht zu belegen, so daß<br />

sie zum Teil auch als Flockungshilfsmittel in<br />

der Abwasserreinigungsanlage vorzüglich<br />

funktionieren! Die<br />

Stoffentlüfter bzw. Schaumverhüter<br />

unterscheiden sich deutlich in Chemie und<br />

Funktion von den Retentionsmitteln. Weltweit<br />

werden nur 30 000 t benötigt, davon 50%<br />

als Emulsionen, 40% als synthetische und<br />

10% als mineralische Öle. Ihre Wirkung beruht<br />

auf folgendem Prinzip: man nimmt eine<br />

hydrophobe Substanz entweder allein (Mineralöle)<br />

oder in Kombination (Lipidderivate<br />

wie z. B. Fettalkohole) mit nichtionischen (für<br />

Amphiphilie z. B. Ethoxyle) oder polaren<br />

Gruppen für tensidähnliche Hydrophilie<br />

(durch 0, OH, COOH, SO3H, NR2), die aufgrund<br />

ihrer Struktur die Fähigkeit besitzen,<br />

auf hydrophobe Faseroberflächen aufzuziehen<br />

bzw. in Grenzflächen von Luft/Wasser in<br />

Bläschenform anzureichern. Dadurch werden<br />

die Luftbläschen speziell in ihrer Vergesellschaftung<br />

mit Faseroberflächen destabilisiert<br />

und so die Entlüftung initiiert. Die Entlüftung<br />

bedeutet zugleich auch Schaumverhütung!<br />

Die erstaunlichsten Erfahrungen mit den<br />

gesamten „Hilfsmitteln“ macht man freilich<br />

erst im Betrieb, wo sie sich selbst um ein Vielfaches<br />

übertreffen, denn sie beschränken sich<br />

ja nicht auf das Retendieren und Entlüften,<br />

sondern gebären noch Effekte hinzu, für die<br />

man gar nicht bezahlt hat! So verbessern<br />

Entlüfter auch die Entwässerung auf dem<br />

Sieb und in den Naßpressen, erleichtern die<br />

Zwischeneindickung des Papierstoffs und erlauben<br />

eine signifikante Energieeinsparung<br />

bei der Stofförderung; nicht zuletzt gewinnt<br />

dabei auch die Papierqualität sowie die Produktivität!<br />

– Alle aufgezählten Effekte leuchten<br />

zumindest den Textilrheologen sofort ein,<br />

wie an dieser Stelle kommentiert sei, denn<br />

kleine Luftblasen verhalten sich im Rahmen<br />

eines Vlieses oder aber in engen Kanülen<br />

(Spinndüsen!) wie Festkörper, die folglich<br />

auch die Vliesentwässerung hemmen – und<br />

das kostet eine Menge Geld bei der Trocknung!<br />

Nicht zuletzt verankern sie Faserenden<br />

in den Grenzflächen und erhöhen so die<br />

Viskosität; simultan reagieren sie auf Druck<br />

und Kompression und beim Entspannen mit<br />

Mikroexplosionen, die das Vlies beim Aufbau<br />

stören, was zusätzlich mit Energieeintrag<br />

verbunden ist. In diese kolloidalen Mechanismen<br />

greifen auch die Retentionsmittel<br />

ein, die die Mikropartikel des Stoffs (Füller<br />

etc.) an die Fasern binden und somit aus den<br />

Vliesporen im Status nascendi entfernen. Ergo<br />

vergrößert sich der Durchmesser des<br />

Porenkollektivs, was zwangsläufig die Entwässerung<br />

befördert unter simultaner Entfernung<br />

der Schwebstoffe, was wiederum in<br />

zweiter Folge das Abwasser entlastet und die<br />

Kreislaufschließung befördert.<br />

Die Summe der genannten (und noch mancher<br />

ungenannten, weil noch nicht verstandenen)<br />

primären und sekundären Hilfsstoffeffekte<br />

ermöglichen in finaler Konsequenz<br />

die Anhebung der PM-Geschwindigkeit,<br />

im Managerdeutsch auch Runnability<br />

genannt.<br />

Nicht minder lobenswert ist ihr weitgehender<br />

Verbleib entweder im Papier, das 99%<br />

der Retentionsmittel bindet, oder aber zu<br />

74% im Abwasser, wo die Entlüfter zu 90% in<br />

der biologischen Klärstufe abgebaut werden.<br />

Im Klärschlamm und den Reststoffen verbleiben<br />

noch 0,1% der ursprünglichen Zusatzmenge<br />

von 10 bis 50 g pro Tonne Papier.<br />

Die ökologische Relevanz<br />

spielt in praxi keine Rolle. Sogar Lebensmittelverpackungen<br />

dürfen laut Empfehlung<br />

36 des Instituts für Verbraucherschutz bis<br />

zu 0,2% (fest) Retentionsmittel im Papier<br />

enthalten. Dadurch bleibt ihre Recyclierbarkeit<br />

erhalten, und auch die Kompostierbarkeit<br />

wird nicht tangiert, denn polyfunktionelle<br />

Amine werden ebenso wie Eiweiße abgebaut.<br />

Selbst die Entlüfter werden zu 70 bis<br />

90% abgebaut, wie andere Tenside (Waschmittel)<br />

auch. Da deren Wirkstoffe nicht flüch-

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