Denis Gustavus - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...
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Organ der<br />
<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
<strong>deutschsprachiger</strong><br />
Autoren e. V. (IGdA)<br />
ISSN 0930-7079<br />
33. Jahrgang 2009<br />
Ausgabe 2/3<br />
Doppelnummer € 8,-
Inhalt Impressum<br />
EDITORIAL S. 3<br />
Gaby G. Blattl<br />
LYRIK S. 5<br />
C. Scheel, K. Manke, Regine Lotz-Albach, D. Sedlmayr, T. Schmich,<br />
I. ter Veer, U.Student, G. von Hippel-Schäfer, G.M. Lange, H. Wischnat,<br />
D. Werner, H. Thomas, K. Mühlen, H. Fleiss, R. Weidauer<br />
PROSA S. 11<br />
Meine schöne Märchenwelt G. Hühn-Keller S. 11<br />
Verlorene Paradiese I. ter Veer S. 14<br />
Briefmarken aus aller Welt G. Wenng-Debert S. 14<br />
Terra austria incognita Renate Weidauer S. 15<br />
Huldufolk W. Volka S. 18<br />
Du sagst C. Laurenz S. 20<br />
Südwind überm Land S. Green S. 20<br />
Das Gewebe Wilfried A. Faust S. 22<br />
Es ist ja gar nicht so schlimm K. Alette S. 26<br />
Bewegung im Licht G. Walz S. 27<br />
Minuten der Erinnerung I. Benada S. 29<br />
Das Handy W. Hänscheid S. 32<br />
Nachtschatten K. Mühlen S. 32<br />
Die Glockenblume H. Thomas S. 36<br />
Als ich noch klein war D. <strong>Gustavus</strong> S. 37<br />
ESSAY S. 40<br />
Mise en place W. Ehrismann S. 40<br />
Ein komisches Gedicht ? H. Wischnat S. 43<br />
IGdA<br />
Büchertisch S. 46<br />
Kleines Feuilleton S. 46<br />
Neue Mitglieder S. 48<br />
Bücherschau S. 49<br />
Service S. 49<br />
Bericht Berlin-Treffen 2009 S. 56<br />
Text Angelika Zöllner S. 57<br />
Texte Gaby G. Blattl S. 58<br />
Aus dem Vorstand S. 59<br />
Nachtrag Protokoll 2008 S. 61<br />
Leserbriefe S. 63<br />
Bernhard Ka, R. Weidauer, W. Volka<br />
Einladung und Programm<br />
Frankenberg S. 65<br />
Anmeldecoupon S. 68<br />
Interner Wettbewerb 2009 S. 69<br />
MIT SPITZER FEDER BETRACHTET<br />
Georg Walz S. 74<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 2<br />
Redaktion der IGdA-aktuell:<br />
Angelika Zöllner (Lyrik u. Service)<br />
e-mail: angelika.zoellner@gmx.de)<br />
Rainer Hengsbach-Parcham (Lyrik)<br />
Gaby G. Blattl (Prosa)<br />
e-mail: gabyblattl@chello.at<br />
Renate Weidauer (Prosa)<br />
r+t.weidauer@freenet.de<br />
Georg Walz (Mit spitzer Feder …)<br />
georgwalz@web.de<br />
Anschrift der Redaktion :<br />
IGdA-aktuell -Angelika Zöllner<br />
Imkerweg 11, 42279 Wuppertal<br />
Tel: 0202/526512<br />
Layout: Gaby G. Blattl<br />
Titelbild: A. Wirski-Saini<br />
Fotos:<br />
Gaby G.Blattl (S.39)<br />
A. Wirski-Saini (S.5 und S.10)<br />
Angelika Zöllner (S.4)<br />
Druck: Druckerei Meyer, Scheinfeld<br />
IGdA-aktuell erscheint viermal pro<br />
Jahr; Bezug für IGdA-Mitglieder:<br />
Einzelpreis € 4.-zzügl. Porto<br />
Doppelnummer € 8.- zzgl. Porto<br />
Abonnement: € 21.-/Jahr<br />
Alle Rechte an den Beiträgen liegen bei<br />
den Autoren. Nachdruck nur mit ausdrücklicher<br />
Genehmigung der Redaktion.<br />
Namentlich gezeichnete Beiträge<br />
geben die Meinung der Autoren, nicht<br />
unbedingt die der Redaktion wieder.<br />
ISSN 0930-7079<br />
1. Vorsitzender:<br />
Othmar Seidner<br />
A-1020 Wien, Handelskai 224/5/9/59<br />
e-mail: othmar-seidner@chello.at<br />
Geschäftsstelle:<br />
Gaby G. Blattl<br />
A-1230 Wien<br />
Anton- Baumgartnerstr. 44/C3/2503<br />
e-mail: gabyblattl@chello.at<br />
Schatzmeister:<br />
Dr. Volker Wille<br />
D-30659 Hannover, Platanenhof 23<br />
Bankverbindung:<br />
Postbank Hannover, BLZ: 250 100 30<br />
Konto: 102088-302<br />
IBAN DE50 2501 0030 0102 0883 02<br />
BIC PBNKDEFF<br />
IGdA-Aktuell wird auf chlorfrei<br />
gebleichtem Papier gedruckt.
Liebe Mitglieder, liebe Leser,<br />
Berlin ist eine Reise wert … umso mehr,<br />
wenn Literaten durch literarische Aktivitäten<br />
angelockt werden. Karin Manke, ein<br />
aktives Mitglied aus Berlin, das monatliche<br />
Treffen für IGdA-Mitglieder in Berlin abhält,<br />
hat mit kundiger Hand die Organisation des<br />
Frühlingstreffens übernommen.<br />
Wie im Januar 2009 initiiert, hat sie das richtige<br />
Maß getroffen, den angereisten Mitgliedern<br />
ein Berlin zu zeigen, das sicher wenige<br />
Touristen kennen und literarische Aktivitäten<br />
zu vermitteln. Sie finden ihren Bericht<br />
im Blattinneren.<br />
Es wurde vereinbart, nach diesem ‚Probelauf‘<br />
in jedem Jahr ein Treffen in Berlin im<br />
Frühjahr zu veranstalten. Frau Manke hat<br />
dazu viele Ideen.<br />
Die Vorarbeiten zum Jahrestreffen laufen<br />
seit Monaten. Zur Erinnerung 10.-13.9.2009<br />
in Frankenberg/Sa. (Anmeldungen bitte im<br />
Hotel direkt und bei Gabriela Franze und/<br />
oder der Geschäftsstelle. Es wäre schön,<br />
wenn sich diesmal viele Mitglieder zur<br />
Teilnahme in dieser schönen Umgebung<br />
entschließen könnten. Gabriela Franze hat<br />
dazu ein Programm zusammengestellt, das<br />
Sie zufriedenstellen wird. Auch dazu finden<br />
Sie Details im Blattinneren.<br />
Die Redaktion hat sich für eine Doppelnummer<br />
entschieden, denn in diesem Jahr<br />
werden erstmals die Gedichte zum Internen<br />
Bewerb abgedruckt, damit alle Mitglieder,<br />
auch jene die nicht nach Frankenberg reisen<br />
können, ihre Stimme bzw. Bewertung abgeben<br />
können. Dazu reicht ein formloses Schreiben<br />
per Post oder email an die Geschäftsstelle<br />
bis 31. August 2009. (Poststempel).<br />
Bewertungen können beim Treffen noch bis<br />
11.9. 2009, Mittag, abgegeben werden. Bitte<br />
beachten Sie diese Termine.<br />
Hermann Wischnat wird in Frankenberg<br />
einen seiner geschätzten Workshops halten.<br />
Dazu bitten wir Sie, ein Gedicht einzusenden,<br />
das lyrik-handwerklich für Sie<br />
als EinsenderIn von aktuellem Interesse ist.<br />
Die EinsenderInnen können den Text (zunächst)<br />
anonymisiert vorlegen lassen oder<br />
Editorial<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 3<br />
selbst dazu Thesen und Fragen vortragen.<br />
Ziel: Austausch der TeilnehmerInnen über<br />
aktuelle Fragen der Lyrik aus der Sicht der<br />
‚Macher‘.<br />
Dazu bitte ich um Texte bis 31. August 2009<br />
an die Geschäftsstelle..<br />
In diesem Jahr wird es wieder ein Weihnachtsheft<br />
geben. Dazu erwarten wir gerne<br />
Ihre Beiträge in Lyrik, Prosa, anregende,<br />
bewegende, evtl. auch humorvolle Texte,<br />
Essays oder Glossen. Es können auch Erzählungen<br />
von einem Weihnachtsfest an ungewöhnlichen<br />
Orten, Weihnachtsbräuchen<br />
mit sich mischenden Kulturen sein.<br />
Ihrer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.<br />
Die Idee der früheren Redakteurin greife ich<br />
gerne auf und gebe auch der Mundart etwas<br />
Raum in diesem Weihnachtsheft. Da es problematisch<br />
ist, ‚fremde‘ Mundart zu lesen,<br />
bitte ich um Verständnis, dass dafür nur wenige<br />
Seiten zur Verfügung stehen werden.<br />
Um neuerliche Einsendung muss ich Sie bitten,<br />
weil es nicht gelungen ist, Ihre Beiträge<br />
von Jutta Miller-Waldner zu übernehmen.<br />
(Der Vorstand ist weiterhin bemüht, hier<br />
eine Lösung zu finden).<br />
Die Redaktion wird, wie in der letzten Ausgabe,<br />
fallweise auch Beiträge von Nicht-Mitgliedern<br />
drucken, die jeweils gekennzeichnet<br />
sind. Diese Öffnung ist zur Belebung<br />
der Zeitung gedacht, kann neue Impulse<br />
bringen.<br />
In eigener Sache bitte ich Sie, Manuskripte,<br />
die zum Abdruck freigegeben sind, auf<br />
grammatikalische ‚Unzulänglichkeiten‘<br />
oder Tippfehler zu prüfen. Eventuelle Rückfragen<br />
der Redaktion sind nicht möglich. Ich<br />
bitte Sie, Ihre Beiträge in der ‚neuen‘ Rechtschreibung<br />
abzufassen bzw. entsprechend<br />
zu ändern.<br />
Prosabeiträge sollten 5 Seiten, einzeilig, pro<br />
Seite 30 Zeilen, max. 60 Zeichen, Schriftgröße<br />
12, nicht überschreiten.
In der Redaktion hat sich eine Änderung ergeben.<br />
Rainer Hengsbach-Parcham hat sich<br />
zurückgezogen, um seinen eigenen Arbeiten<br />
wieder genügend Raum zu geben.<br />
Wir danken ihm für den bisherigen Einsatz.<br />
Die Redaktionsleitung wurde aufgegeben.<br />
Als Redaktionsadresse firmiert Angelika<br />
Zöllner, die auch dankenswerterweise den<br />
Versand erledigt;<br />
Zuständig für Lyrik:<br />
Angelika Zöllner, die auch den Serviceteil betreut;<br />
zuständig für Prosa:<br />
Renate Weidauer und Gaby G. Blattl<br />
zuständig für die ‚Spitze Feder‘:<br />
Georg Walz in bewährter Weise.<br />
Berlin Köpenick<br />
Editorial<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 4<br />
Leserbriefe, Wünsche, Beschwerden bitte ich<br />
Sie an die Geschäftsstelle zu senden.<br />
Genaue Angaben finden Sie auf Seite 2/ Impressum.<br />
Die Redaktion hat sich bemüht, Ihnen ein<br />
vielfältiges Angebot an Lesestoff zu bieten.<br />
Wenn Sie unzufrieden sind, schreiben Sie<br />
bitte einen Leserbrief, wenn Sie zufrieden<br />
sind, gerne auch. Nur im Miteinander, im<br />
Austausch können wir nicht nur eine gute<br />
Zeitung machen, nach der auch Nicht-Mitglieder<br />
gerne greifen, sondern dem Namen<br />
<strong>Interessengemeinschaft</strong> gerecht werden.<br />
Ich wünsche Ihnen einen sonnigen, kreativen<br />
Sommer, freue mich schon jetzt auf Ihre<br />
Einsendungen und darauf, viele Mitglieder<br />
und Interessenten in Frankenberg zu sehen.<br />
Gaby G. Blattl
Cordula Scheel<br />
Un t e rw e g s<br />
Schatten dunkeln<br />
im Feuermohn<br />
unbekannt<br />
die Stufen<br />
Veränderungen<br />
im Geröll<br />
Erinnerung der Füße<br />
In kühler Luft<br />
eine schimmernde Spur<br />
zu den Anhöhen<br />
weiß die Schlehen<br />
dunkler die Schatten<br />
weiß ich noch.<br />
Karin Manke<br />
so m m e r t a g<br />
An einem Tag wie diesem<br />
trat der Fluss über die Ufer<br />
vor Übermut.<br />
Da blühten in Sekundenschnelle<br />
Sommerblumen<br />
und Setzlinge wuchsen in den Himmel.<br />
An einem Tag wie diesem<br />
tummelten sich die Emotionen<br />
am überschwemmten Ufer<br />
und erschraken<br />
über sich<br />
in ihrer Leidenschaft.<br />
An einem Tag wie diesem<br />
stürzte sich die Vernunft<br />
in den reißenden Fluss,<br />
ihn zu bändigen und zu bezwingen,<br />
dass alles wieder<br />
im Normalen fließe.<br />
„Die Brücke“<br />
lyrik<br />
Regine Lotz-Albach<br />
si n g e n d l e r n e i c h f l i e g e n...<br />
Die verblühten<br />
Rosenreste<br />
unserer Jahre<br />
sind aufgereiht<br />
zwischen deinen Lockrufen<br />
Veilchenblätter bedecken<br />
den steinigen Erinnerungspfad -<br />
Aber mein Traum<br />
webt Kette und Faden<br />
eines Gedichtes<br />
in meine verstrickten Gedanken -<br />
Nur noch ein kleines Stück<br />
über die schwankende Brücke<br />
und ich stehe im Licht<br />
neben meiner zerbrochenen Zeit-<br />
Ich glaube fest daran<br />
singend lerne ich fliegen -<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 5
Dietmar Sedlmayr<br />
Po r t U g i e s i s c h e la n d s c h a f t m i t to d<br />
Goldener Teppich, ausgebreitet<br />
bis an der Horizonte Blau.<br />
Glanz der Ähren aufgerastert<br />
und dein Gesicht – Joana ! – mittendrin!<br />
Deine Schläfen im Verschwimmen,<br />
deine Stirn im Spiel des Winds.<br />
Hörtet ihr den Schritt der Schnitter,<br />
den tausendfachen Fischgesang? –<br />
Wie sie das Kornfeld jäh umzingelt‘,<br />
sein bleierner Dämmer niederriss –<br />
wie sie das blaue Lichtfeld traf!<br />
Welche Ernte – welches Brot!<br />
Da baut ihr Herz sich seine Brücke,<br />
fliehn aus den Augen Licht und Räume –<br />
unter tausend Schritten fallen<br />
alle Nächte in die Schale dieses Morgens.<br />
Über Joanas Stirn und Augen<br />
wird der Tag zur Mandelblüte<br />
- - - - - -<br />
die weht.<br />
Theo Schmich<br />
Za h l e s h e i m<br />
Ich zahl es dir heim<br />
Droht der Mann<br />
Der Frau<br />
Die es schon heimgezahlt hat<br />
Die Gleichgültigkeit<br />
Mit Kälte gezahlt<br />
Mit Schlägen der Mann<br />
Die Frau dem Kind das zurück<br />
Das wächst<br />
Kälte, Gleichgültigkeit<br />
Ich zahl es dir heim<br />
Soldat<br />
Krieg<br />
Zahl es heim<br />
Tod, Vernichtung<br />
Kälte Gleichgültigkeit<br />
Ich zahl es heim.<br />
lyrik<br />
Irmentraud ter Veer<br />
1945<br />
Glühender Sonnenball sinkt<br />
Kinderstadt schwindet dahin<br />
Räder rollen -<br />
ins uferlose Unbekannte<br />
Über Bodenloses gehen<br />
viel Grün überall<br />
eine Stimme verkündet<br />
Ende<br />
Heimatlose auf Wiesen<br />
erblasste gefallene Sterne<br />
Räder murmeln von fern<br />
verstummte Seelen<br />
hängen wie Dunst über uns.<br />
aus ‚Verhüllte Orte‘, Möllmann Verlag.<br />
Ursula Student<br />
Un e r s c h r o c k e n<br />
Zwischen Dunkelheit von<br />
Schwarznächten<br />
Weißer und grellbunter Welt<br />
Trubel auf Straßen<br />
An abgelegenen Waldstücken<br />
Gelbgrünen Wiesenflächen vorüber<br />
Trotten meine einsamen Tage.<br />
Zeitweilig klagloses Verharren<br />
Meiner dehnbaren Stunden<br />
Die stockgestützt weitertraben<br />
Auf festem Grund<br />
Kopferhoben – liedfreudig<br />
Unbekanntem entgegen.<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 6
Ursula Student<br />
aU f U n d d av o n<br />
Mit eiligen Füßen rennt<br />
Der Tag dem Abend entgegen<br />
Frühmorgens steht der Nachfolger<br />
Ohne Anklopfen da<br />
Hastig Stunde um Stunde<br />
Im Vorwärtslauf<br />
Nicht mal für Sekunden<br />
Zu stoppen<br />
Ich irritiert<br />
Schon wieder<br />
Getrieben im Blick<br />
Auf die Uhr<br />
Den erstaunten Ärger<br />
Wo blieb ich mit meinen<br />
Gedanken – dem Wollen<br />
Auf der Strecke des kurzbemessenen Lebens<br />
Atemlos stets hinterher.<br />
Gabriele von Hippel-Schäfer<br />
re n t n e r Pa r a d i e s<br />
Da gehen die Alten<br />
Blumenversonnen<br />
Über die Wiesen der Welt<br />
Noch Ungestorbene<br />
Wachsen sie heimlich<br />
Zur Grube<br />
Manche wenden sich um,<br />
gedenken zitternd der Enkel.<br />
Manche wenden sich aufwärts,<br />
schimmernd von Seligkeiten.<br />
lyrik<br />
Gabriele von Hippel-Schäfer<br />
ho f f n U n g<br />
Aus Eismeer<br />
zwischen verkrusteten Schollen<br />
aufschnellt ein Silberfisch<br />
unlöschlicher Hoffnung<br />
unsterbliches Leben!<br />
Gabriele Maria Lange<br />
an d i c h<br />
Auf meinen Wegspuren<br />
Glasperlen glänzen<br />
Ein durchsichtiges Spiel<br />
Unter dünner Schicht<br />
Eingefangen<br />
Gesponnene Sonnenfäden<br />
Hier und in allen Augenblicken<br />
Wie ein Ruf<br />
Dringt zerbrechlicher Klang<br />
Wenn der Fuß tastet auf Wegspuren<br />
Geboren eine junge Melodie<br />
Das Kind<br />
Aus den Sonnenfäden<br />
Aller Augenblicke.<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 7
Hermann Wischnat<br />
nü c h t e r n e s Zi e l<br />
einer Lyrikübung<br />
Zur Klärung der Gedankentrübung<br />
hilft oftmals eine Lyrikübung.<br />
Gereimt und metrisch oder frei<br />
- im Grunde einerlei -.<br />
Hauptsache die, ein trübes Denken<br />
lässt sich in klare Bahnen lenken.<br />
Dittmar Werner<br />
er i n n e r U n g, g e s P i e g e lt<br />
Alles was Platz hat<br />
in einem Spiegel<br />
ist aufgewachsen<br />
zwischen Entfernungen<br />
mit mehr als einer Geschichte<br />
über Drinnen und Draußen<br />
Alles was geschieht<br />
in einem Spiegel<br />
wird zurückgeworfen<br />
in Netzhaut-Räume<br />
aufgefangen<br />
bevor man versteht<br />
was Erfahrungen zu sagen haben<br />
die sich noch erinnern lassen<br />
am Zeitstrahl<br />
im eignen Gesicht<br />
lyrik<br />
Helga Thomas<br />
vo r s i c h t<br />
Vorsicht,<br />
tritt achtsam<br />
auf den Weg<br />
in die ungewisse Zukunft,<br />
tritt nicht in die Spuren<br />
der andern<br />
vor dir,<br />
sie sind deinen Füßen<br />
nicht angemessen,<br />
du könntest stolpern,<br />
straucheln,<br />
die Schale deiner geöffneten Hände<br />
könnte den Tropfen verschütten,<br />
den letzten, der blieb.<br />
Klaus Mühlen<br />
we t t e r l a U n e<br />
Im Regen Blätter wippen,<br />
Tropfen rollen hinab,<br />
versickern in trockne Böden,<br />
lechzender Bäume und Büsche.<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 8<br />
Von grauweißen Wolken erschreckt<br />
Knospen eingerollt im tiefen Schweigen,<br />
das Gras zittert im Winde<br />
und Blumendüfte entfliehen.<br />
Ein Specht klopft bereits wieder,<br />
Hummel und Falter schwirren,<br />
die Luft bemalt, in sich versunken<br />
mit bunten Farben eines Regenbogens.<br />
Daraus schöpft die Erde<br />
Im Geben leuchtendes Blühen,<br />
lächelnd stimmt der Himmel zu<br />
mit himmlisch blauem Kuss.
Cordula Scheel<br />
vo n d e r le i c h t i g k e i t<br />
Ungehört ist sie<br />
einfach ausgeblieben<br />
still geworden dieser Tag<br />
die Worte ungesprochen<br />
der Ort nicht unerwartet<br />
Schmerz an fremder<br />
Freundlichkeit entlang<br />
Im Gegenlicht<br />
Schattenspiele an der Wand<br />
sie ballt die Faust<br />
reckt hohe Fingerohren<br />
eine mümmelnde Hasenschnauze<br />
dreht die Hand zum Schlag<br />
ein Krokodil schnappt zu<br />
Der Schlaf bilderleer<br />
Fantasien flüchtig im<br />
namenlosen Raum<br />
die Ruhe der offenen Tür<br />
keine Luftschlösser<br />
und beinahe leicht<br />
die unerfahrene Freiheit<br />
lyrik<br />
Hanna Fleiss<br />
al s sie...<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 9<br />
Als sie deinem Mann endlich<br />
Arbeit gaben nach sieben schrecklichen Jahren,<br />
Zog kleines Glück ein in die Arme-Leute-Stube.<br />
Da gab’s wieder ‘nen Happen im Magen,<br />
Sonntags auch Kuchen mit Sahne,<br />
Mal rausfahren an den Wannsee,<br />
Damenwahl beim Ball verkehrt,<br />
Das Nadelstrichkostüm, die Bluse<br />
Mit Rüschen.<br />
Durch die Arbeiterstraßen marschierten<br />
Proleten in braunen Uniformen.<br />
Dir taten sie nichts zuleide, du warst keine<br />
Wie die Goldstein von nebenan.<br />
Du warst ja eine von ihnen, von<br />
Deutscher Rasse, von deutschem Blut.<br />
Im Radio bellte der Führer.<br />
Du fragtest dich nichts,<br />
Deine Welt war wieder in Ordnung.<br />
Der Alte, immer noch<br />
Mit seiner Drückebergerstelle bei AEG,<br />
Musste nicht an die Front.<br />
Es hätte so schön sein können.<br />
Wäre da nur nicht<br />
Der Krieg, der verfluchte, gewesen.<br />
Und als sie dir den Brief schickten,<br />
Der Sohn gefallen an der Ostfront,<br />
Weintest du nicht, du warst<br />
Eine stolze Mutter in Schwarz.<br />
Manchmal nur fragte die Enkelin<br />
Nach dem Vater, das ging vorüber.<br />
Sein Stahlhelmbild mit dem Hakenkreuz<br />
Stand auf dem Vertiko. Der Held<br />
Der Familie.<br />
Und während der Alte schlief,<br />
Wühltest du dich aus dem Bett,<br />
Fielst auf die Knie, rangst die Hände.<br />
Der Junge, mein Gott. Womit<br />
Hattest du das verdient.
Renate Weidauer<br />
aU f d e n sc h l a c h t f e l d e r n d e s Zw e i t e n we lt k r i e g s<br />
Die namenlosen Toten waren nur noch Zahlen,<br />
die starren Körper nur statistisch noch erfasst.<br />
So schützte der Verstand sich vor dem Grauen,<br />
Entmenschlichung durch Masse abstrahiert.<br />
Als ich mir zwischen Toten Wege bahnte,<br />
geschah es plötzlich, neben meinem Fuß,<br />
dass das erloschne Antlitz eines Toten<br />
mir zugewandt, mit den erstarrten Augen.<br />
Die Verkrustung brach<br />
und ich sah das Gesicht,<br />
den einen Menschen, dessen Tod mich traf,<br />
so dass Entsetzen vor dem Sterben mich befiel.<br />
Ich selber war der Tote, diesen Augenblick,<br />
der Tod nicht mehr nur anonyme Zahl.<br />
Aus diesen Augen sprach das Leiden aller,<br />
Sinnlosigkeit des Sterbens traf auf mein Gefühl.<br />
Nicht Volk, nicht Vaterland, nicht Ehre<br />
glorifizierten diesen Tod,<br />
die Berge dieser Toten,<br />
deren eignes Leid verdeckt von namenloser Masse.<br />
Dieser eine Augenblick:<br />
Er führte mich zum grauenvollen Abgrund,<br />
wo jeder Schutz versagt,<br />
wo Menschen schreien<br />
in der Todesqual.<br />
Die Zahlen schreien nicht,<br />
nicht die Statistik.<br />
Sie nehmen nur dem Tod die Menschlichkeit.<br />
lyrik<br />
- aus dem Zyklus „Bäume“<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 10
Gaby Hühn-Keller<br />
me i n e s c h ö n e mä r c h e n w e lt<br />
Im Herbst des Jahres 2007 besichtigte ich<br />
eine alte Burg. Sie erhob sich, fest verankert<br />
und verschmolzen mit einem natürlichen<br />
Felsgebilde, am Rande einer kleinen Stadt. In<br />
einem Dreiviertelkreis fasste ein Fluss Stadt<br />
und Burg am Fuße der Felsen ein. Die Stadt<br />
lag in Tschechien, früher hätte man Böhmen<br />
gesagt.<br />
Drache! Ja, Drache! Ich sehe ihn noch genau<br />
vor mir. Flügelspannweite etwa drei Meter,<br />
den langen Hals und schmalen Kopf, der in<br />
einen Schnabel endete, nach oben gereckt. Die<br />
schräg im Kopf liegenden Schlitzaugen waren<br />
von innen erleuchtet. Er befand sich in einer<br />
Art Schacht oder Brunnen in halber Höhe innerhalb<br />
der Burggemäuer und wollte offensichtlich<br />
heraus. Eine Tafel am Rand dieses<br />
Verlieses erzählte eine kleine Geschichte über<br />
ihn und nannte seinen Namen. „Sárkány“<br />
hieß er. Im Tschechischen schrieb man es ein<br />
bisschen anders, als ich dies hier tue – aber ich<br />
habe sofort erfasst, wer das war. Wie durch<br />
ein Zauberwort fiel ich beim Lesen dieses<br />
Namens um 60 Jahre zurück in meine frühe<br />
Kindheit. Sárkány! Ihn kenne ich schon lange.<br />
Im Ungarischen ist dies das Wort für Drache.<br />
Von ihm hatte mir mein Vater, als wir noch<br />
in Ungarn lebten, viel erzählt. Er hatte ihn in<br />
den Karpaten angesiedelt. Dort hätte er bei<br />
den Bauern Schaden angerichtet. Er konnte<br />
mit den Krallen ein Schaf aus der Herde heraus<br />
fangen, es im Fluge wegschleppen, um<br />
es dann in seiner Höhle zu fressen. Es gäbe<br />
aber auch mutige Männer, die versuchten, so<br />
einen riesigen Drachen zu töten. Doch dieser<br />
Versuch ginge nicht immer gut aus. Ein Drache<br />
könne nämlich Feuer spucken und sich<br />
so seine Gegner vom Leib halten. Hier, in<br />
dieser Burg, rief Sárkány bei mir schlagartig<br />
viele andere Gestalten auf den Plan: Hexen,<br />
Prinzessinnen, Prinzen, Zauberer, Riesen,<br />
Zwerge, Elfen. Hatte sich doch meine Mutter<br />
in den Kopf gesetzt, kaum, dass ich in der<br />
ersten Klasse das Alphabet gelernt hatte, mir<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 11<br />
auch das ungarische Alphabet beizubringen.<br />
Wir waren aus Ungarn ausgesiedelt worden<br />
und lebten jetzt in Bayern. Sie ließ sich von<br />
einer ihrer Cousinen aus Budapest ein Märchenbuch<br />
schicken. Und nun musste ich lesen<br />
und nochmals lesen. Jeden Tag eine gute<br />
halbe Stunde laut vorlesen, Sonntag eingeschlossen.<br />
Um meine Muttersprache nicht<br />
zu verlernen, wurde betont. Zuerst schmeckte<br />
mir das gar nicht. Als aber auch eine Geschichte<br />
von einem Drachen vorkam, begannen<br />
mir die Märchen zu gefallen.<br />
Im Laufe eines Jahres erschloss sich mir die<br />
Welt von Sárkány & Co. Ich gelangte sogar<br />
zu der Überzeugung, dass es in Ungarn um<br />
einiges besser gewesen sein musste als jetzt<br />
in Bayern, ein paar Jahre nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg. Denn, wie ich lesen konnte, flogen<br />
in Ungarn so viele Rebhühner herum, dass<br />
sie ein Kater, der schöne rote Stiefel trug, sogar<br />
im Auftrage seines Herrn an einen Grafen<br />
verschenken konnte. Hier hatte ich noch nirgends<br />
Rebhühner gesehen, einen Kater mit<br />
Stiefeln auch nicht. Nicht einmal ich besaß<br />
Stiefel. Ich hatte mir im Winter Frostbeulen<br />
zugezogen, weil ich keine warmen Schuhe<br />
hatte. Und die setzten mir ziemlich zu, vor<br />
allem in der Schule, wo man sich konzentrieren<br />
musste und still zu sitzen hatte. Oder das<br />
Mädchen, das Piroska hieß und einem bösen<br />
Wolf begegnet war, was trug es für leckeren<br />
Kuchen und sogar eine Flasche Wein im Korb<br />
zur kranken Großmutter. An dieser Stelle<br />
unterbrach mich mein Vater beim Vorlesen<br />
und sagte: „Ich würde gerne wieder einmal<br />
richtig Wein trinken. Ich bin es von Jugend<br />
an gewohnt. Meine Eltern hatten selbst einen<br />
Weinberg. Der Wein fehlt mir sehr.“ Und<br />
Mutter fügte hinzu: „Ich wollte, ich könnte<br />
jetzt diesen oder jenen Kuchen backen, nach<br />
einem guten alten Rezept Dazu bräuchte ich<br />
allerdings Walnüsse oder auch mal Edelkastanien,<br />
aber die gibt es hier nicht.“ Manchmal,<br />
wenn von einem Königreich die Rede<br />
war, fing mein Vater an, von einer Doppelmonarchie<br />
zu schwärmen, in der ein Kaiser<br />
Franz Josef regiert hatte, dessen Abbild auf<br />
seinem Schullesebuch vorne drauf gewesen
sei. Dieser Kaiser hätte einen ganz großen<br />
Vielvölkerstaat allein durch seine Persönlichkeit<br />
zusammengehalten. Es habe auch vor<br />
ihm schon Herrscher auf dem Thron dieser<br />
Monarchie gegeben, Ferdinand hießen sogar<br />
mehrere, aber so weit wolle er nicht ausholen.<br />
Dieser Franz Josef war eben der letzte große<br />
Kaiser im alten Europa. Mein Vater konnte<br />
so spannend schildern, dass ich davon überzeugt<br />
war, dies sei eins der Märchen, das man<br />
vergessen hatte, in mein Buch aufzunehmen.<br />
Ich war froh über die mündliche Ergänzung.<br />
Er erzählte mir dies selbstverständlich in Ungarisch<br />
und so durfte ich die Dauer seiner<br />
Schilderungen von meiner Vorlesestunde abziehen.<br />
Ich fragte ihn oft genug nach diesem<br />
Kaiser. Ich glaubte, mein Vater sei persönlich<br />
mit ihm bekannt gewesen, und meine Mutter<br />
kannte alle Rezepte der wohlschmeckenden<br />
Kuchen und Torten, die man im Reich dieses<br />
Kaisers zubereitet und gegessen hatte. Denn,<br />
den Kaiserschmarrn kannte sie ja auch. Den<br />
machte sie manchmal. Dazu gab es alle Zutaten,<br />
auch in Bayern. Und der schmeckte<br />
sehr gut. Die Märchen-Lesezeit zog sich noch<br />
ein, zwei Jahre hin. Dann drängte mich meine<br />
Mutter nicht mehr. Sie begründete dies<br />
damit, dass die Russen jetzt einen „Eisernen<br />
Vorhang“ bauen, der direkt an unserem früheren<br />
Wohnort vorbei führt. Der Ostblock<br />
wird dadurch so fest verschlossen, dass sie<br />
nicht mehr daran glauben kann, dass wir<br />
jemals in unsere Heimat zurückkehren. Ich<br />
solle mich erkundigen, ob es in der Schule<br />
Bücher zu Ausleihen gäbe. Deutsch sei für<br />
mich ab sofort wichtiger.<br />
Mich beschäftigte ihre Aussage. Wie hatte<br />
man sich so einen eisernen Vorhang vorzustellen?<br />
Ich kannte nur Vorhänge aus Stoff. Und<br />
so einen Ostblock! War der groß? Wie konnte<br />
man den mit einem Vorhang verschließen?<br />
Brauchte man dafür nicht eher Schlösser? Es<br />
schien sich um ein Märchen zu handeln, in<br />
dem alles und alle eingeschlossen wurden,<br />
das aber seltsamerweise ausgerechnet m i r<br />
eine neue Freiheit brachte. Ich musste nicht<br />
mehr täglich lesen. Ich fragte meine Mutter:<br />
„Haben die Russen einen so mächtigen<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 12<br />
Zauberer, dass er riesige eiserne Vorhänge<br />
Hokuspokus um einen Ostblock zaubern<br />
kann?“ „Wie bitte? Was sagst du denn da?<br />
Du hältst das doch nicht etwa für eins deiner<br />
Märchen. Das ist die Wahrheit. Nichts als die<br />
bittere Wahrheit. Und wir und Millionen anderer<br />
Menschen haben das Nachsehen.“ Sie<br />
erklärte mir den Sachverhalt.<br />
In der Schulbibliothek entdeckte ich eine<br />
Fülle von Mädchen- und Jugendbüchern,<br />
sowie literarische Stoffe, die ich allesamt verschlang,<br />
obwohl sie noch in einer altmodischen<br />
Schrift gedruckt waren, die wir nicht<br />
mehr lernten. Als ich in die siebte Klasse<br />
ging, bekamen wir eine neue Handarbeitslehrerin.<br />
Wir hatten eine Schürze genäht<br />
und waren nun mehrere Wochen damit beschäftigt,<br />
diese mit einem selbst entworfenen<br />
Muster, ausgeführt in Kreuzstichen, zu<br />
verzieren. Da auch jüngere Mädchen an der<br />
Handarbeit teilnahmen, um Topflappen zu<br />
häkeln, brachte die Lehrerin eines Tages ein<br />
dickes Buch mit, aus dem wir abwechselnd<br />
vorlesen sollten, während wir still arbeiteten.<br />
Sie drückte es mir in die Hand. Ich sollte den<br />
Anfang machen. Auf dem Buchdeckel stand:<br />
Deutscher Hausschatz – Grimms Märchen.<br />
Ich schlug auf: „Rotkäppchen“ – und begann<br />
vorzulesen. Handelte es sich da nicht um<br />
„meine“ Piroska, die ja auch ein rotes Käppchen<br />
getragen hatte? Nach der Stunde bat ich<br />
darum, das Buch mit nach Hause nehmen zu<br />
dürfen. Und tatsächlich, als ich die Titel der<br />
Märchen verglich, stimmten viele überein.<br />
Diese Märchen kamen also aus Deutschland!<br />
Ich erkannte, dass ich dem großen Irrtum<br />
unterlegen war, all die wunderbaren Begebenheiten,<br />
die in den Geschichten vorkamen,<br />
nach Ungarn zu verlagern. War Deutschland<br />
das wahre Wunderland? Ich dachte viel darüber<br />
nach. Sicher doch. Mein Vater hatte<br />
schon länger nichts mehr vom Kaiser Franz<br />
Josef erzählt. Er hatte keine Zeit mehr, denn<br />
er hatte eine feste Arbeit gefunden. Es gehe<br />
weiter, Deutschland sei im Aufbau, sagte er.<br />
Auch meine Mutter konnte jetzt ihre Backkünste<br />
vorführen. Es gab alle Zutaten zu<br />
ihren guten alten Rezepten, sogar auf dem
Dorf. Alle hatten offensichtlich diese neue<br />
Zeit der Wunder erkannt, nur ich nicht. Ich<br />
beschloss, ohne mich mit jemandem zu beraten,<br />
für mich eine neue, eine märchenlose<br />
Zeit zu beginnen. Ich wollte mich von Märchen<br />
nicht mehr in die Irre führen lassen.<br />
Ganz bewusst nahm ich diesen Einschnitt<br />
vor, nachdem diese bestickte Schürze fertig<br />
war. Und Schürzen besticken würde ich<br />
auch nicht mehr!<br />
Es war mir ganz gut gelungen, das kann<br />
ich jetzt fast schon sagen, den Wechselfällen<br />
meines inzwischen ziemlich fortgeschrittenen<br />
Lebens sowohl realistisch wie umsichtig<br />
entgegenzutreten.<br />
Aber nun das hier: Ein sprühender Funke<br />
aus Sárkánys Auge spült mir alle Märchen,<br />
die auf meinem Seelenhintergrund<br />
geschlummert hatten, an die Oberfläche Ich<br />
lese jetzt seine Geschichte durch: Sárkány<br />
ist ein lieber Drache. Er hilft den arbeitsamen<br />
Hausfrauen beim Anzünden des Herdfeuers.<br />
Während sie sich viel und geduldig<br />
bücken und mühen müssen beim täglichen<br />
Feuermachen, besucht er sie manchmal aus<br />
purer Freundschaft. Er öffnet einmal das<br />
Maul, spuckt Feuer in die Späne unter dem<br />
Holz – und schon brennt es. Die Frauen lieben<br />
ihn dafür.<br />
So weit so gut. Erfasst mich eben heute<br />
Nostalgie. Das muss man auch mal zulassen.<br />
Aber Schritt um Schritt verdichtet sich dieses<br />
Gefühl, reißt mich mit wie ein Wasserstrudel<br />
in einem Fluss. Ich schaue mir Burg und<br />
Städtchen von unten an. Dort gibt es eine<br />
kleine Freilichtbühne. Was wurde im Sommer<br />
gespielt? Das Plakat hängt noch: „Rusalka“.<br />
Welche Figuren kommen in dieser<br />
Oper vor? Ein Prinz, eine Fürstin, eine Wassernixe<br />
in der Hauptrolle, ein Wassermann,<br />
eine Hexe, drei Nymphen. Ich gehe in ein<br />
kleines Café. In der Theke sehe ich eine frisch<br />
aufgeschnittene Torte: „Heute Walnusstorte<br />
mit Honig, noch nach alte Rezept von Großmutter“,<br />
sagt die Verkäuferin in böhmischdeutschem<br />
Singsang. Sie bedient auch und<br />
bringt ein Stück an meinen Tisch. Jetzt sehe<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 13<br />
ich ihre blütenweiße Schürze auch unten. Sie<br />
ist handbestickt mit mehreren Reihen von<br />
schmückenden Mustern im Kreuzstich. Mir<br />
bleibt fast der Atem weg. Hier wird noch<br />
selbst gebacken und selbst gestickt?! Während<br />
des Essens betrachte ich alte, vergilbte<br />
Schwarzweißfotos an der Wand. Sie zeigen<br />
die örtliche Feuerwehr, einen Gesangsverein,<br />
Soldaten, die sich nochmals fotografieren<br />
lassen, ehe sie in den Ersten Weltkrieg<br />
ziehen. Dazwischen hängt ein Kupferstich:<br />
Kaiser Franz Josef prächtig ausstaffiert, hoch<br />
zu Ross, wie er eine Parade abnimmt. Als ich<br />
wieder hinaustrete, entdecke ich auf der gegenüberliegenden<br />
Seite ein Hotel. Schwarz<br />
prangt der habsburgische Doppeladler auf<br />
einem Schild, auf jedem seiner Köpfe eine<br />
Krone, in der Mitte darüber eine dritte, eine<br />
größere. In der einen Kralle trägt er Schwert<br />
und Zepter, in der anderen den Reichsapfel.<br />
Ein Schriftzug in Tschechisch und Deutsch<br />
umrundet den Adler. Hotel Kaiser Ferdinand.<br />
Nun fühle ich mich wie völlig in einer<br />
anderen Welt. Als ob meine längst verstorbenen<br />
Eltern plötzlich neben mir stünden und<br />
mir schelmisch schmunzelnd zuriefen: „Na,<br />
siehst du, haben wir das nicht immer so gesagt?“<br />
Ich erkenne, dass ich hier eintauchen<br />
darf in eine mir vertraute, längst vergangene<br />
Zeit. Völlig unerwartet lässt sie sich hier<br />
auf eine real-irreale Weise von mir nochmals<br />
nacherleben. Ich genieße dieses Gefühl. Es<br />
macht mich rundherum glücklich.<br />
(veröffentlicht in „napoleon ist an allem schuld“, Wolfgang<br />
hager Verlag 2008, alle rechte bei der autorin)
Irmentraud ter Veer<br />
ve r l o r e n e Pa r a d i e s e<br />
Noch einen Sonnentag! Warten wir. Dann<br />
werden sie rot sein, wie die glühendrote<br />
Kugel des Sonnenaufgangs. Und dann, vom<br />
Tag erwärmt, werden sie duften wie südliche<br />
Kräuter. Pomodoro, Apfel aus Gold, aus rotem<br />
Gold – schön ist dieser Name. Aber noch<br />
glücklicher gewählt – ist: Paradeiser.*<br />
„Paradeiser“, riefen die Marktfrauen früher,<br />
„vom Paradies!“- Unser Paradies wuchs dort<br />
draußen in drei Furchen des Rübenfelds, uns<br />
von der Bäuerin zum Bepflanzen überlassen.<br />
Die Stauden bogen sich von der Fülle der Paradeiser<br />
und verhießen uns einen Genuss, der<br />
die Schwelle zum Überschwang und Glücksgefühl<br />
schon überflutete, zumal wir Kinder<br />
schon etliche Stadtkriegsjahre lang ein solch<br />
freudiges Mahl entbehrt hatten. Zwischen<br />
die Stauden hatten wir grünen Salat und Petersilie<br />
gesät und auch die gediehen zur Zufriedenheit.<br />
Aber es war nicht nur die Vorfreude auf<br />
den Gaumengenuss. Wir hatten die Pflanzen<br />
wachsen sehen. Wir hatten Gießkannen vom<br />
Brunnen zum Feld geschleppt und zugesehen,<br />
wie das Wasser einsickerte und dunkel<br />
färbte die hellbraune Erde. Es erfrischte uns<br />
selbst, wenn wir ihr zu trinken gaben.<br />
Als die Stauden schon hoch und kräftig geworden<br />
waren, fast so hoch wie wir Kinder,<br />
begannen sie zu blühen mit kleinen gelben<br />
Sternchen. Und wir redeten mit ihnen, weil<br />
die Großmutter gesagt hatte, sie würden<br />
dann schönere Früchte bekommen.<br />
So erschienen dann die Früchte, ganz klein<br />
und grün und hart zuerst. Wir begossen sie<br />
jeden Tag, sie vermehrten sich reichlich, wurden<br />
größer und schwerer. Die Mutter stützte<br />
die Stauden mit Stöcken. Das Wasser half, die<br />
Sonne half, die Erde half. Und jetzt war es so<br />
weit. De Paradeiser aus dem Paradies sollten<br />
morgen in unsere Körbe geerntet werden.<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 14<br />
Es ist ein Sommersonnentag gewesen. Und<br />
eine warme Nacht. Und nun ein milder Morgen,<br />
in den wir hineinsprangen, zu unseren<br />
Paradeisern hin. Am Rain des Feld<br />
wegs dufteten die Minzen und der wilde<br />
Thymian. Wird gut sein zu den Pomodori.<br />
Von weitem müssten wir sie doch schon<br />
leuchten sehen. Aber wir sahen nichts, auch<br />
nicht, als wir näher kamen. Nur die grünen<br />
Stauden mit den etwas rauen Blättern, die<br />
unordentlich herunter hingen. Standen da,<br />
sprachlos, erstarrt. Bis die Stimme der Mutter<br />
uns aufweckte: „Das Gesindel, die Diebsbande,<br />
die hergelaufene …“ Die Worte ertranken<br />
ihr in Tränen.<br />
Da war uns das Paradies entschwunden.<br />
Hinausgeworfen waren wir. Die Großmutter<br />
presste die Lippen zusammen. Dann löste<br />
sich ihr Gesicht und sie murmelte: „Sind<br />
halt auch arme Hascherln, von so weit her<br />
geflüchtet …“<br />
*Paradeiser: österreichisch; Paradeisapfel, Tomate<br />
Gabriele Wenng-Debert<br />
Br i e f m a r k e n a U s a l l e r we lt<br />
Er hat es heute wieder versucht.<br />
Die Sonne scheint wie zum ersten Mal<br />
und die Katze läuft, die Nase in die Luft<br />
gereckt, Unbekanntes witternd die Grenzen<br />
ihres Halbkreises aus. Er hat sie vor Jahren<br />
auf dem verwilderten Grundstück nebenan<br />
in einem Verschlag eingesperrt vorgefunden.<br />
Durch ihr klägliches Maunzen ist er auf sie<br />
aufmerksam geworden und hat sie mitgenommen.<br />
Sie war verwirrt und konnte sich<br />
in der Umgebung nicht mehr zurechtfinden.<br />
Die Tage in den engen Holzwänden hatten<br />
ihr den Orientierungssinn genommen. Darum<br />
leint er sie bei schönem Wetter am Treppenaufgang<br />
zur Haustür an. Von dort aus<br />
kommt sie bis zum Zaun, wobei die Leine<br />
sie davon abhält, drüber zu springen und
sich zu verlaufen. Im Garten jedoch hat sie<br />
jede Möglichkeit. Sie kann sich die wärmsten<br />
Plätzchen auf dem Holzstoß neben der Garage<br />
aussuchen. Sie kann auf Vögel lauern, hat<br />
sich daran gewöhnt, dass diese Flügel haben<br />
und Zäune für sie kein Hindernis darstellen.<br />
Sie hat gelernt, trotz Leine auf den großen<br />
Apfelbaum zu klettern und, wenn sie es<br />
geschickt anstellt und einer von ihnen nicht<br />
aufpasst, gelingt es ihr sogar, einen Vogel zu<br />
fangen.<br />
Heute fühlt er sich leicht und beschwingt<br />
und darum zieht er den Mantel an, steckt den<br />
Geldbeutel ein, überprüft, ob die Streifenkarte,<br />
die im Seitenfach steckt, noch Gültigkeit<br />
hat und macht sich auf den Weg.<br />
Es ist 10 Uhr vormittag, die Berufspendler<br />
sind also längst in der Stadt an ihren Arbeitsplätzen,<br />
die Hausfrauen auch schon an den<br />
Wühltischen der Kaufhäuser. Nur vereinzelte<br />
Personen warten auf dem Bahnsteig. Er<br />
steckt die Streifenkarte in den Stempelautomaten.<br />
Ein leichter Wind weht. Die letzten<br />
verschrumpelten Blätter vom Herbst lassen<br />
sich von ihm auf die Schienen wehen zu zerdrückten<br />
Zigarettenstummeln, zerknüllten<br />
Papierschnipseln und Pappbechern. Der Reinigungswagen<br />
ist noch nicht durchgefahren.<br />
Es riecht nach Eisenstaub und Frühling. Er<br />
schaut auf die elektronische Anzeige. Zehn<br />
Minuten noch. Oder fünf. Je nachdem, in<br />
welche Richtung er fahren will. Was vollkommen<br />
egal ist. Fünf Minuten scheinen ihm<br />
überhastet. Ein Überraschungsmanöver, sozusagen.<br />
Er ist ein bisschen gespannt, glaubt<br />
aber nicht daran. Zehn Minuten scheinen<br />
ihm eher wahrscheinlich.<br />
Er geht den Bahnsteig auf und ab, zehn<br />
Schritte hin, zehn Schritte her, wie es die Berufstätigen<br />
machen, als könnten sie dadurch<br />
schon ein Stück ihrem Ziel entgegengehen.<br />
Er will es sich nicht vorstellen, aber die Bilder<br />
kommen automatisch: wie er in der<br />
Bahn sitzt, auf dem kühlen, abgeschabten<br />
dunkelblauen Kunststoffpolster – vielleicht<br />
sind die in den neuen Zügen gar nicht mehr<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 15<br />
blau und aus Kunststoff - wie er durch das<br />
im Gegenlicht trübe Fenster die Häuser hinter<br />
einem Schleier vorbeihuschen sieht, wie<br />
er sich immer weiter von zu Hause entfernt,<br />
wie er dann den Mann gegenüber betrachtet,<br />
im Detail, angefangen von den auf die<br />
Zeitung gehefteten Augen bis zu den blank<br />
polierten Schuhen, in denen die Bedenkenlosigkeit<br />
für den heutigen Weg steckt, egal wo<br />
er ihn hinführen mag. Wie er schließlich auf<br />
die Mantelknöpfe des Mannes starren wird,<br />
als wolle er sie auswendig lernen… An dieser<br />
Stelle bricht er ab und wendet sich wieder<br />
dem Bahnsteig zu, beschleunigt das Tempo,<br />
entfernt sich also vom Zug, der kommen soll<br />
und meint, was spräche dagegen, über den<br />
Bahnsteig hinaus zu gehen, einfach immer<br />
weiter?<br />
Der Gegenzug fährt ein. Verspätete Schüler<br />
tröpfeln aus ihm heraus, rennen die Treppen<br />
hinab. Der Zug ist fast leer, und er denkt, dass<br />
es viel mutiger wäre, den Zug in die Stadt zu<br />
nehmen. Er ist sich nicht ganz sicher, ob er<br />
sich etwas vormacht. Der Zugführer lehnt<br />
sich aus seinem Fenster, schaut den Zug entlang,<br />
blickt ihn, wie es ihm scheint, vorwurfsvoll<br />
an, wendet sich dann nach innen, und<br />
setzt die Waggons langsam und dann immer<br />
schneller in Fahrt: ein automatischer, selbstverständlicher<br />
Rhythmus, über den sich niemand<br />
Gedanken macht.<br />
Er setzt sich auf die Bank im Windschatten<br />
der Trennwände, liest auf einer dort liegenden<br />
Zeitung die Überschriften. So kann es<br />
gehen. Er konzentriert sich auf die Ereignisse,<br />
den französischen Staatspräsidenten, der mit<br />
seiner angetrauten Vorführpuppe die Reihen<br />
irgendwelcher herausgeputzter Soldaten abschreitet<br />
in irgendeinem Land der Welt, einer<br />
Kolonie vielleicht, und er sagt sich vor, dass<br />
das absolut lächerlich sei, hält sich aber an<br />
den Furchen des Politikergesichtes fest, an<br />
der Körperhaltung der Begleiterin, den Kostümfalten,<br />
den Ballerinas, deren einer von<br />
dem im Schwung nach hinten weg gestreckten<br />
Fuß zu rutschen droht. Er starrt auf diesen<br />
Fuß, auf die Schrift darunter, dabei kann
man das Geräusch des einfahrenden Zuges<br />
glatt überhören, wenn nicht der Luftzug die<br />
Zeitungsseite hoch plustern würde. Mechanisch<br />
erhebt er sich, stellt sich zu den anderen<br />
Fahrgästen an den Rand des Bahnsteigs.<br />
Der Zug hält, die Türen vor ihm schieben<br />
sich auseinander. Und so bleiben sie stehen<br />
für die Zeit eines unendlichen Jetzt, der Zug<br />
mit seinem großen Maul und er. So stehen sie<br />
Minuten, Stunden, die Erde dreht sich einmal<br />
um sich selbst, Länder werden erleuchtet, der<br />
Eiffelturm, die Freiheitsstatue, das Licht fällt<br />
in die Abgründe des Grand Canyon, wandert<br />
weiter zur Küste Kaliforniens, lässt diese zurück,<br />
die daraufhin wie selbstverständlich in<br />
den dunklen Mantel schlüpft, fährt über die<br />
Wellen des Pazifiks, strandet irgendwo in<br />
China, setzt über Felsen, schlägt Schneisen,<br />
lässt die Wüste erglühen und erlisch dort,<br />
von woher es gekommen ist. Der Zug schließt<br />
sein Maul und setzt sich in Bewegung, zuerst<br />
mühsam - denn die ersten Schritte benötigen<br />
immer die meiste Kraft - schubst sich selbst<br />
voran und bringt die Fahrgäste die ersten Kilometer<br />
weit auf ihrem Weg in die Welt, ohne<br />
dass sie etwas anderes dazu tun müssen, als<br />
eben einzusteigen, zwei Schritte, vielleicht<br />
drei reichen aus.<br />
Er sieht dem Zug nach, wie er sich von ihm<br />
entfernt und ihn stehen lässt und meint, im<br />
Singen der Gleise das Stimmengewirr der<br />
Personen zu hören oder auch ihre Gedanken,<br />
die schon ans Ziel oder zum nächsten Zug<br />
vorauseilen. Auf dem großen Werbeplakat,<br />
das jetzt wieder zu sehen ist, nachdem der<br />
Zug es nicht mehr verdeckt, badet eine junge,<br />
schwarzhaarige Frau in einer azurblauen<br />
Bucht, „Erleben Sie die Türkei“ steht in<br />
schwungvollen Lettern darunter. Der Bahnsteig<br />
ist leer bis auf einen Raben, der an einer<br />
auf dem Boden liegenden Brottüte zerrt<br />
und mit einem Stück Semmel im Schnabel<br />
zufrieden das Weite sucht. Er schaut auf die<br />
elektronische Anzeige: der Gegenzug soll in<br />
fünfzehn Minuten eintreffen.<br />
Als er mittag nach Hause kommt, liegt die<br />
Katze auf der Bank neben dem Schuppen<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 16<br />
und wärmt sich in der Sonne den Pelz. Eine<br />
Amsel keckert im Apfelbaum, aber sie hebt<br />
nur kurz und scheinbar unbeteiligt den Kopf<br />
und legt ihn dann wieder auf die Pfoten. Er<br />
geht ins Haus und zieht den Mantel aus, legt<br />
den Geldbeutel auf das Tischchen im Flur,<br />
will schon weitergehen, hält aber kurz inne,<br />
nimmt die Streifenkarte heraus und betrachtet<br />
die Stempel: fünf mal zehn Uhr fünfzehn<br />
und keine Fahrt zurück. Die Karte ist voll. Er<br />
wirft sie in den Abfalleimer.<br />
Dann geht er ins Wohnzimmer, holt ein dickes,<br />
rotes Album aus dem Regal und setzt<br />
sich damit an den Tisch. Seit seiner Kindheit<br />
sammelt er Briefmarken, ein Album reiht<br />
sich ans andere, alle säuberlich beschriftet,<br />
die Marken darin übersichtlich sortiert nach<br />
Ländern, nach Erscheinungsjahren, nach<br />
Sätzen. Es gibt kein Land, das er nicht kennt,<br />
sämtliche früheren Bezeichnungen, die sich<br />
mit der politischen Lage gewandelt haben,<br />
sind ihm geläufig. Cirenaica ist eine italienische<br />
Kolonie in Libyen gewesen, S. Tomé hat<br />
unter portugiesischer Herrschaft gestanden,<br />
der mittlere Kongo hat zu Frankreich gehört,<br />
Rhodesien und Nyassaland tragen das Bild<br />
der englischen Königin. Er weiß, wie die<br />
Hauptstadt von Burkina Faso heißt und wo<br />
Kalinoaru liegt. Wenn ich groß bin, hat er gedacht,<br />
werde ich diese Länder sehen. Jetzt ist<br />
er groß, aber das alleine genügt wohl nicht.<br />
Die Sehnsucht danach, die muss groß genug<br />
sein. Wenn nicht heute, dann morgen.<br />
Morgen wird er es wieder versuchen.<br />
Gabriele Wengg-Debert ist eine bekannte<br />
Autorin interessanter Prosa und hat uns diese<br />
Kurzprosa zur Verfügung gestellt.
Renate Weidauer<br />
te r r a a U s t r i a i n c o g n i ta<br />
Die Sonne brannte unbarmherzig vom<br />
wolkenlosen Himmel, oben am Hang<br />
streckte ein Eisenholzbaum seinen ausgebleichten<br />
Stamm in die Höhe, gelbe Grasbüschel<br />
überwucherten den Weg, den verbranntes<br />
Buschwerk säumte. Etwas hing dort oben<br />
am dicksten Ast. Er kniff die Augen gegen<br />
die blendende Sonne zusammen, aber aus<br />
der Ferne erkannte er es nicht.<br />
Seine staubigen Schuhe sandten die Schritte<br />
in den harten Boden. Er ging rhythmisch,<br />
automatisch und fragte sich, als der dunkle<br />
Gegenstand in sein Blickfeld kam, ob er<br />
wirklich wissen wollte, was da hing und<br />
sich in der bewegungslosen Luft nur leicht<br />
drehte. Der Baum und dieses Etwas bildeten<br />
eine Einheit, so wie er sich mit diesem dürren,<br />
menschenfeindlichen Land eins glaubte,<br />
obwohl immer der Tatsache bewusst, dass<br />
er der Fremdkörper war. Das Land brauchte<br />
ihn nicht, nahm nicht einmal Notiz von<br />
ihm, der auf diesem Land, in diesem Land,<br />
lebte. Er aber brauchte das Land: die braune,<br />
verbrannte, staubige Erde, auf der er lief, auf<br />
der er schlief, eingehüllt in seinen Schlafsack,<br />
hautnah mit ihr und dennoch nicht eins. Die<br />
dürren Bäume und spärlichen Büsche, unter<br />
denen er nach Wasser grub und deren trockene<br />
Äste das Feuer nährten, auf dem er sich<br />
seinen Tee kochte und das Dörrfleisch, hatten<br />
etwas Feindseliges an sich. Hin und wieder<br />
schenkte diese Natur ihm Früchte, selten genug,<br />
eine kostbare Gabe.<br />
Schleichend war ihm die Erkenntnis gekommen,<br />
dass dieses Land ihn verneinte, ausschloss,<br />
sich ihm nie öffnen würde, wie eine<br />
widerspenstige Geliebte, dass diesem Land<br />
gegenüber all seine Anstrengungen, sein<br />
verzweifeltes Bemühen um ein Miteinander,<br />
vergeblich waren. Es gab nur Herrschaft, Dominanz<br />
der Natur über den Menschen, denn<br />
der einzelne Mensch konnte das Land nicht<br />
beherrschen, sich ihm zwar nähern, aber er<br />
musste sich ihm beugen. Partnerschaft, ein<br />
gegenseitiges Geben und Nehmen – unmög-<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 17<br />
lich, dazu war das Land zu groß, zu eigenständig,<br />
zu hart, zu unmenschlich. Es duldete<br />
kaum Spuren der Menschen, hin und wieder<br />
Weidezäune, eine Buschpiste, dünne Ader auf<br />
staubtrockener Haut. Er wollte es hinter sich<br />
lassen, ein für alle Mal, es aufgeben und von<br />
sich stoßen, so, wie das Land ihn abgestoßen<br />
hatte – und doch, er kam nicht frei davon.<br />
Auf den Weg hatte er sich gemacht, ohne um<br />
das Ziel zu wissen, aus einer dumpfen Verzweiflung<br />
völligen Ausgestoßenseins heraus,<br />
aufgegeben. Er war einfach losgegangen durch<br />
den dürren, trockenen Busch.<br />
Jetzt aber wollte er doch wissen, was dort<br />
im Baum hing, auf ihn wartete, sich ihm anbot.<br />
Er näherte sich dem Hügel, einem heiligen Ort<br />
der Eingeborenen, wie er wusste, getrieben<br />
von dem Gedanken, erkunden zu müssen, was<br />
dort im Eisenholzbaum hing. Er fühlte sich auf<br />
seltsame Weise angezogen.<br />
Mühsam, in der Hitze keuchend, Schweiß lief<br />
ihm übers Gesicht, ohne, dass er sich die Mühe<br />
machte, ihn abzuwischen, stapfte er durch den<br />
Staub. Mit jedem Schritt in die Höhe weitete<br />
sich sein Blickfeld. Am höchsten Punkt, von<br />
dem aus er den Eisenholzbaum mit seinem<br />
Rätsel aus einem ganz anderen Blickwinkel<br />
sehen konnte, erblickte er unten , in der Ebene,<br />
unvermutet eine Art Schafsschuppen, auf<br />
jeden Fall ein einsames Gebäude in der Ferne,<br />
Menschenspur. Sein Blick sog sich daran fest.<br />
Eine dunkle Linie führte darauf zu, auf der anderen<br />
Seite ebenfalls - nicht erkennbar, woher,<br />
wohin, aus dem Nichts auftauchend und auf<br />
der anderen Seite im Nichts verschwindend.<br />
Als er jetzt, sich dem Baum nähernd, der ihn<br />
mit seltsamer Kraft herbei zu ziehen schien,<br />
seinen Blick nach oben richtete, konnte er noch<br />
immer keine Einzelheiten erkennen. Ohne<br />
Grund beschleunigte er seine Schritte, stand<br />
dann direkt unter dem seltsamen Etwas: kein<br />
Toter, wie er wohl insgeheim befürchtet hatte,<br />
eine Art Schilfmatte, eingeflochten Wurzeln<br />
und Knochen und gefärbte Zweige in bizarren<br />
Formen. Ein Wegweiser der Eingeborenen!<br />
Das erkannte er. Er aber konnte ihn nicht lesen!<br />
Wieder fühlte er sich zurück gestoßen.<br />
Ob der Hinweis sich auf das Gebäude unten<br />
bezog? Vielleicht eine Warnung bedeutete?
Er blickte in die tiefer gelegene Landschaft.<br />
Ein dunkler Strich bewegte sich von rechts<br />
auf der sichtbaren Linie auf das Gebäude zu.<br />
Ein schriller Pfiff zerschnitt die hitzeflirrende<br />
Luft. Er erkannte eine Rauchfahne und stellte<br />
überrascht fest, dass es sich um einen Zug<br />
handelte. Also war das Gebäude ein Bahn<br />
hof, einsam in der Steppe gelegen, aber ein<br />
menschlicher Punkt, etwas, das er auf sich<br />
beziehen konnte: ein Zug, der ihn aus diesem<br />
verbrannten, verdammten, gleichzeitig<br />
gehassten und geliebten Land würde heraus<br />
führen können. Das, was er sich im Geheimen<br />
doch gewünscht hatte! Wirklich gewünscht?<br />
Wollte er es tatsächlich? Aufgeben? Fliehen?<br />
Jetzt, als er die Möglichkeit dazu sah, war<br />
er sich nicht mehr so sicher, seine Entscheidung<br />
doch noch nicht endgültig gefallen. Er<br />
könnte sie aufschieben, warten, jetzt, wo er<br />
wusste, wie er dem allen den Rücken kehren<br />
konnte – wenn er es wirklich wollte.<br />
Sein Blick haftete auf dem Gebäude. Ein<br />
harter Pfeifton lief durch die Luft, der Zug<br />
setzte sich wieder in Bewegung, er verließ<br />
den Bahnhof. Nur kurz war sein Halt gewesen.<br />
Wer hatte dort gewartet?<br />
Oder war jemand ausgestiegen, von hier<br />
oben nicht erkennbar, vom Staub schon wieder<br />
verschluckt? Er schüttelte den Sack mit<br />
seiner spärlichen Habe auf dem Rücken zurecht,<br />
während er nachdenklich mit dem<br />
Blick seiner gegen die Helle zusammen gekniffenen<br />
Augen dem davon ziehenden<br />
Strich folgte; dann drehte er sich entschlossen<br />
um, schritt aus - und lächelte.<br />
Willi Volka<br />
hU l d U f o l k<br />
Vier Pils für die Herren vom Stammtisch“,<br />
sagte die Kellnerin und setzte die<br />
schaumgekrönten Gläser ab. „Die Runde geht<br />
auf mich“, erklärte Peter und wandte sich an<br />
Rolf. “Also, du willst wirklich dabei gewesen<br />
sein, bei diesem Sternschnuppentennis?”<br />
Rolf hob sein Glas, nahm einen tiefen Schluck.<br />
Ein schmaler Schaumkranz blieb über der<br />
Oberlippe haften.<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 18<br />
“Danke”, sagt er, “würde ich es sonst erzählen<br />
können?”<br />
“Und das soll in Island geschehen sein?”<br />
“Ja, in einer Junisommernacht. Warst du schon<br />
mal in Island?”<br />
“Ne”, antwortete Peter, sah Rolf ungläubig an<br />
und fragte: “Und da ist wirklich ein Ball, so<br />
groß wie die Sonne am Himmel, lautlos von<br />
einem Ende zum anderen geflogen?”<br />
“Ja, sagte ich doch schon. Hinter einem weißen<br />
Gletscher tauchte gleich einem Löffel ein<br />
Schläger auf, der den Ball wieder zurück katapultierte.<br />
Am anderen Ende der Flugbahn<br />
geschah dasselbe. Manchmal platzte der Ball<br />
und Funken stiebten über den Himmel”, fuhr<br />
Rolf unbeirrt fort.<br />
“War schon immer ein Spinner, der Rolf”, entfuhr<br />
es Bruno.<br />
„Und kippt zu viele Pils”, ergänzte Walter.<br />
Quer über den Tisch zog ein schmaler bläulicher<br />
Rauchstrich aus Peters Zigarillo.<br />
“Lasst ihn, hört sich doch interessant an”, sagte<br />
Peter und zog genüsslich am Zigarillo.<br />
“Haben das noch andere gesehen?” wollte<br />
Walter wissen.<br />
“Ja natürlich, der isländische Rundfunk berichtete<br />
live darüber.“<br />
“Spinner im Quadrat”, murmelte Bruno und<br />
musterte Rolf verächtlich. “Die Pilse schäumen<br />
ihm im Kopf”, murmelte Walter.<br />
“Wieso gerade in Island?” bohrte Peter weiter.<br />
„Island hat lange Winter. Für diese Art des<br />
Tennis braucht es keine Halle mehr. Da gibt es<br />
kein schweißtreibendes über den Sand hetzen,<br />
keine Muskel- und Sehnenschmerzen mehr.“<br />
Rolf trank einen Schluck Bier und fuhr fort:<br />
“Es geht wie beim Flipperspiel. Im richtigen<br />
Augenblick den Knopf gedrückt und schon<br />
saust der Ball zurück. Bei guten Wetterbedingungen<br />
geht das mit mobiler Konsole auch im<br />
Freien.“<br />
“Das wird also in Island erprobt?” fragte Peter<br />
weiter.<br />
“Ja, im Land der Sagas glaubt man an Lichterscheinungen<br />
und an Elfen, Trolle, Riesen und<br />
Huldren.“<br />
„Was bitte? Ja, doch, natürlich. Auch an Marsmännchen,<br />
an UFOs und an das Ungeheuer
von Loch Ness, nicht wahr?” brach es aus<br />
Bruno heraus.<br />
„Auch an Normen und Lichtgespenster“,<br />
sagte Walter.<br />
„Auf die Lebensräume der Elfen und des<br />
Huldufolks achten die Isländer besonders“,<br />
beteuerte Rolf.<br />
„Huldufolk!?“ wiederholte Peter kopfschüttelnd.<br />
„Ja, die Huldren, unsichtbare menschenähnliche<br />
Wesen, die als Huldufolk in Felsen<br />
wohnen, wie die Elfen.“<br />
„Als einmal über einen von ihnen bewohnten<br />
Hügel eine neue Straße gebaut werden sollte,<br />
träumte nachts dem Baggerführer, dass<br />
die Zähne der Baggerschaufel brachen. Beim<br />
Weiterarbeiten ging auch noch die Schaufel<br />
entzwei. Als eine neue eingesetzt worden<br />
war und er den Bagger besteigen wollte, flogen<br />
Steine, die ihn verletzten.“<br />
“Jetzt rufe ich den Klapsmühlendoktor”, sagte<br />
Bruno.<br />
„Hier ist mein Handy“, stichelte Walter.<br />
„Und als am nächsten Tag die Baggerzähne<br />
tatsächlich brachen, stieg der Mann sofort aus<br />
dem Führerhaus und verweigerte die Arbeit.<br />
Als ein anderer weiter baggerte, wurde der<br />
von einem Stein an der Schulter getroffen,<br />
so dass er den Bagger nicht mehr bedienen<br />
konnte“, fuhr Rolf fort.<br />
„Ist doch alles Fantasterei“, warf Peter ein.<br />
“Ich hatte eine Elfenbeauftragte kennen gelernt<br />
und konnte sie befragen”, sagte Rolf<br />
kurz und blickte locker in die Runde und heftete<br />
dabei seinen Blick auf Peter, den Straßenbauingenieur.<br />
„Sie schenkte mir eine Karte<br />
der unsichtbaren Populationen.“<br />
“Fräulein, eine Runde für alle”, rief Rolf triumphierend.<br />
Peter erhob sich.<br />
Rolf blickte Peter nach, verfolgte dessen Weg,<br />
der in Richtung Toilette führte.<br />
“Wenn Peter Straßen und Brücken baut,<br />
macht er sie real, aber du?” bemerkte Walter.<br />
“Ach, was wissen Ingenieure von der ‚Hidden<br />
World’, von schwerelosen und unsichtbar<br />
bewohnten Räumen? Die neue Straße<br />
wurde übrigens damals dann seitlich versetzt<br />
gebaut. Wir schwimmen zwischen die-<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 19<br />
sen Welten, wie Fische im Wasser”, murmelte<br />
Rolf.<br />
Peter, der zurück kam, schnappte die letzten<br />
Sätze auf und sagte: “Und du bist ihr Laich,<br />
was?”<br />
“Nein, ihr Kaviar”, prustete Bruno.<br />
Rolf sah verärgert in die Runde. Peter hielt seinem<br />
Blick stand und fragte gelassen: „Zu was<br />
führen denn deine Hirnwelten?” Während er<br />
dies sprach zog Rauch aus seinem Mund. “Du<br />
lebst doch gar nicht real in Island. Und das mit<br />
dem Distanztennis, vergiss es. Von wegen einen<br />
Ball zwischen Reykjavik und Tunis oder<br />
gar Kapstadt hin und her fliegen zu lassen”,<br />
redete Peter weiter.<br />
„Von Afrika war nie die Rede“, sagte Rolf trotzig<br />
und starrte vor sich auf den Tisch und murmelte<br />
leise: “Ich war in Island und war dort bei<br />
einer Elfenbeauftragten Assistent. Sie arbeitet<br />
seit Jahren an einer ‚Hidden World Map’.”<br />
„‚Hidden World Map’?“ fragte Walter erstaunt<br />
zurück.<br />
In diesem Augenblick erschien die Kellnerin,<br />
brachtet die von Rolf bestellte Runde, stellte jedem<br />
ein schaumgekröntes Glas auf den Tisch.<br />
“Auf wessen Rechnung geht das?” fragte sie.<br />
“Auf meine!” rief Peter rasch.<br />
Rolf sah Peter fragend an.<br />
“Also morgen kommst du zu mir. Hier meine<br />
Adresse.”<br />
Rolf blickte ihn verblüfft an.<br />
“Das mit der Elfenkarte interessiert mich“, und<br />
er schlug Rolf auf die Schulter. „Kumpels, ich<br />
ziehe jetzt”, sagte er und drückte den Zigarillo<br />
im Ascher aus, klopfte auf den Tisch und setzte<br />
nach: “Also abgemacht, Rolf, du kommst und<br />
bringst die Karte mit?”<br />
“Na, wenn da nicht die Huldren mit Steinen<br />
schmeißen werden”, unkte Bruno.<br />
“Ja, morgen um neun“, sagte Rolf kurz und lächelte.<br />
“Tschüss, bis dann”, verabschiedete sich Peter.<br />
“Der ist immer für eine Überraschung gut”,<br />
meinte Bruno.<br />
„Steht doch fest im wirklichen Leben“, ergänzte<br />
Walter.<br />
In: Der diskrete Charme rätselhafter Poesie, S.81-84,<br />
Hrsg.: Elmar Ferber, Ferber-Verlag Köln, 2006
Conchita Laurenz<br />
Du sagst, dass ich aufhören soll zu weinen.<br />
So kannst Du Dich nicht von mir trennen und<br />
willst mich wieder in den Arm nehmen.<br />
Ich will das nicht.<br />
Auch, wenn ich heule, vielleicht weil es so<br />
überraschend kam,<br />
vielleicht aber auch, weil damit ein weiterer<br />
Lebensabschnitt vorüber geht, heißt das<br />
nicht, dass ich eine Trennung nicht akzeptieren<br />
kann.<br />
Du sagst, dass es vielleicht doch ein Fehler<br />
war, Dich von mir trennen zu wollen.<br />
Blickst gönnerhaft zu mir herunter.<br />
Ich kann nicht ohne Dich leben, denkst Du.<br />
Ich bin unfähig etwas zu sagen.<br />
Du meinst, dass ich Dein Verhalten doch bitte<br />
verstehen soll.<br />
Schon viel zu lange sind wir zusammen.<br />
Da ist nichts Neues und Aufregendes mehr.<br />
Wir sollten weiterziehen, Du und ich.<br />
Siehst Du denn nicht, dass ich meinen Rucksack<br />
schon am schnüren bin?<br />
Du sagst, dass wir ja eigentlich an unser Kind<br />
denken müssen.<br />
Innerhalb von 10 Minuten möchtest Du doch<br />
wieder mit mir zusammen bleiben.<br />
Nur zu welchem Preis?<br />
Wäre es für mich so schlimm allein erziehend<br />
zu sein?<br />
Während Du redest, gehe ich mein zukünftiges<br />
Leben im Kopf durch.<br />
Und auch wenn ich jetzt noch weine, ich<br />
schaffe das!<br />
Du meinst, dass wir zumindest zusammen<br />
bleiben sollten, bis unsere Kleine etwas älter<br />
ist.<br />
Ich frage Dich, ob Du da auch schon ein bestimmtes<br />
Datum im Kopf hast?<br />
Und wie Du Dir unser gemeinsames Leben<br />
vorstellst?<br />
Schließlich habe auch ich gewisse Vorstellungen,<br />
Wünsche, Hoffnungen und Träume.<br />
Doch eigentlich höre ich Dir schon gar nicht<br />
mehr zu.<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 20<br />
Noch während Du so dies und das sagst, packe<br />
ich die Taschentücher weg.<br />
Ich mache die Tür hinter Dir zu.<br />
Und wünsche Dir viel Glück auf Deinem<br />
neuen Weg.<br />
Sandy Green<br />
sü d w i n d ü B e r m la n d<br />
Wie lange schon stand ich vor dem Bild<br />
und fragte mich immerzu, wie jemand<br />
nur auf die Idee kommen konnte Wind zu<br />
malen?<br />
Südwind.<br />
Wieso ausgerechnet Südwind? Was hatte<br />
Südwind mit dem Thema „Heimat“ zu tun,<br />
dem diese Ausstellung gewidmet war?<br />
Abgeerntete dunkle Felder und verdorrte<br />
Wiesen durchzog ein schmaler Weg, der sich<br />
am Horizont ins Nichts verlor. Über allem<br />
spannte sich ein düsterer Himmel, alles beherrschend.<br />
Vom Wind zerrissene Wolken<br />
trieben in Fetzen dahin, hell vorm schweren<br />
Grau. Das trockene Gras schaukelte hin und<br />
her, erst sacht, raschelte leise. Dann schüttelte<br />
es sich mit lautem Rauschen. Der Südwind<br />
umwehte mich warm, strich mir über<br />
die Wangen, wühlte in meinem Haar. Er<br />
flüsterte, hauchte meinen Namen. Ich ging<br />
los und hörte, wie der Kies des Weges unter<br />
meinen Sohlen knirschte. So beständig ich<br />
vorwärts schritt, schien ich dennoch nicht<br />
von der Stelle zu kommen. Die Felder und<br />
Wiesen sahen immer gleich aus und der Horizont<br />
blieb fern. Unerreichbar. Doch stehen<br />
bleiben konnte ich nicht – weiter und weiter<br />
trieb mich das Rufen des Windes. Immer<br />
vertrauter wurde seine Stimme. Auch die<br />
Landschaft kam mir langsam mehr und mehr<br />
bekannt vor. Unmerklich tauchten einzelne<br />
Bilder aus den Tiefen meiner Erinnerung<br />
hervor, schwebten an die Oberfläche meines<br />
Bewusstseins und lösten sich unerkannt auf.<br />
Ich versuchte, sie zu greifen, festzuhalten,<br />
doch sie entzogen sich der Bemühung meines<br />
Verstandes. Noch während ich versuchte,<br />
meine Erinnerungen zu fassen, tauchte
am Horizont ein dunkler Punkt auf. Meine<br />
Schritte brachten mich näher und der Punkt<br />
wurde größer, nahm langsam die Gestalt<br />
eines Menschen an. Je näher ich kam, desto<br />
deutlicher konnte ich die Gestalt erkennen.<br />
Es war ein Junge, vielleicht zehn Jahre alt,<br />
der im trockenen Gras kauerte. Reglos hockte<br />
er da, hatte mir den Rücken zugewandt<br />
und ich vermutete, dass er mich nicht gehört<br />
hatte. Seltsame Kleidung trug er. Die knielangen<br />
Hosen aus grauem kratzigem Stoff,<br />
die Hosenträger, das weiße kurzärmelige<br />
Hemd erinnerten mich an ein Foto aus meiner<br />
Kindheit. Auch die geschorenen Haare<br />
kamen mir sonderbar vertraut vor. Ich<br />
blieb stehen und betrachtete den Jungen. Da<br />
wandte er plötzlich den Kopf und ich blickte<br />
in mein Bubengesicht. Doch es war nicht<br />
das fröhliche Gesicht mit dem verschmitzten<br />
Lächeln, das ich von dem Foto kannte.<br />
Aus den blauen Augen, die durch mich hindurch<br />
zu sehen schienen, schaute mir tiefe<br />
Furcht entgegen. Der Junge wandte sich ab<br />
und kroch durch das hohe Gras. Der Wind<br />
peitschte die trockenen Halme und schwere<br />
Wolken verdunkelten den Himmel. Langsam<br />
folgte ich dem Burschen zu einem kleinen<br />
Mädchen, das zitternd am Boden lag.<br />
Der Junge schaute erst in alle Richtungen<br />
und nahm dann das Kind in die Arme. Das<br />
Rauschen des Windes wurde immer heftiger,<br />
vermischte sich mit einem lauten Dröhnen.<br />
Ich sah zum Himmel auf und entdeckte<br />
die Flugzeuge. Tief rasten sie über die Felder<br />
heran. Der Lärm ihrer Propeller wurde<br />
unerträglich. Ein Rattern, gleichmäßig und<br />
schnell, übertönte die Motorengeräusche.<br />
Als ich mich umschaute, sah ich unzählige<br />
Menschen, die versuchten, vor den Flugzeugen<br />
zu fliehen. Doch es gab nichts, wo sie<br />
sich hätten verstecken können, kein Busch,<br />
kein Baum, kein Haus. Wehrlos waren sie<br />
den Maschinengewehrsalven ausgeliefert.<br />
Schreie gellten, Körper wurden zu Boden<br />
geschleudert, zusammengekrümmt blieben<br />
sie liegen. Blut tränkte die ausgetrocknete<br />
Erde.<br />
Das kleine Mädchen weinte.<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 21<br />
Es gab keine Worte, die Trost gespendet<br />
hätten.<br />
Der Junge umschlang seine Schwester, versuchte,<br />
sie zu schützen. Doch das Mädchen<br />
strampelte und schlug um sich. Er konnte<br />
sie nicht halten. Sie riss sich los und rannte<br />
durch das hohe Gras davon. Seine Hand<br />
griff nach ihr, doch fasste nur ihr Haarband,<br />
das sich löste. Noch bevor er aufspringen<br />
konnte, sah er, wie sie herumgewirbelt<br />
wurde. Die Geschosse durchschlugen ihren<br />
zarten Körper. Dann fiel sie. Das hellgelbe<br />
Kleid saugte sich voll Rot. Auf allen Vieren<br />
kroch er zu ihr, hockte sich neben sie. Mit<br />
bebenden Fingern streichelte er ihr weiches<br />
Haar, bis die Flugzeuge abdrehten und eine<br />
unwirkliche Stille zurückließen.<br />
Hände packten ihn, zerrten ihn weg von<br />
ihr, seiner Schwester, seinem Leben, allem,<br />
was ihm noch geblieben war. Sie schleiften<br />
ihn über die Wiese davon. Kleiner wurden<br />
sie und kleiner, bis sie hinter dem Horizont<br />
verschwanden. Der Wind verstummte. Gelähmt<br />
stand ich da und starrte auf das leblose<br />
Mädchen. Da traf mich der erste Regentropfen.<br />
Warm fiel der Regen auf meine Reglosigkeit<br />
herab, durchdrang meine Kleidung,<br />
meine Haut, meine Seele. Sanft umhüllte er<br />
mich, rann über mein Gesicht, tropfte auf<br />
die staubige Erde.<br />
„Geht es Ihnen nicht gut?“<br />
Ich schrak herum und blickte in das Gesicht<br />
einer jungen Frau. Sie trug die Uniform des<br />
Museumspersonals.<br />
„Doch, es ist alles in Ordnung“, stammelte<br />
ich, fuhr mit dem Handrücken über mein<br />
Gesicht und fühlte die Nässe. Unwillkürlich<br />
griff ich in meine Jackentasche, zog ein Tuch<br />
heraus und wischte mir die Tränen von den<br />
Wangen. Als ich das Tuch zurückstecken<br />
wollte, fiel mein Blick darauf und ich hielt<br />
mitten in der Bewegung inne.<br />
Es war das Haarband meiner Schwester.
Wilfried a. Faust<br />
Das Gewebe<br />
Die Welt ist in geheimen Knoten verbunden<br />
anastasius Kircher (1631)<br />
Immer, wenn wir uns die Mühe machen,<br />
genau hinzuschauen, wie die Dinge und<br />
Ereignisse in unserem persönlichen Leben<br />
mit dem Leben unserer Mitmenschen und<br />
ihren Geschehnissen zusammenhängen,<br />
miteinander verknüpft sind und wie Fäden<br />
in einem großen Gewebe ein Gesamtmuster<br />
ergeben, sind wir überrascht. ‚Steckt dahinter<br />
ein Plan oder eine bestimmte Absicht‘, so<br />
fragen wir uns.<br />
Es ist uns natürlich schier unmöglich, auf<br />
diese Weise unsere Welt mit allen ihren Vernetzungen<br />
zu erfassen, aber dennoch kann<br />
es gelingen, einen größeren Ausschnitt zu<br />
betrachten, um eine Ahnung zu bekommen,<br />
wie die Fäden verlaufen und wie das Muster<br />
entsteht.<br />
Begeben wir uns einmal als unbeteiligter<br />
Betrachter auf eine Ebene, die es uns ermöglicht,<br />
rein zufällig einige Personen in ihrem<br />
Lebensraum aufzuspüren und ihr Beziehungsgeflecht<br />
zu entdecken:<br />
Wir blicken in eine Wohnung, die in einer<br />
engen Gasse einer Kleinstadt liegt, und sehen<br />
Katrin, eine allein erziehende junge Frau. Sie<br />
hat ihrem siebenjährigen Töchterchen Sabrina<br />
gerade eine Gutenachtgeschichte vorgelesen,<br />
obwohl die Kleine erstaunlicherweise<br />
recht gut lesen kann aber noch immer darauf<br />
besteht, dass sie durch die beruhigende<br />
Stimme der Mutter in den Schlummer findet.<br />
Katrin erfüllt ihr die Bitte natürlich gern, da<br />
sie es liebt, ihrem Kind beim Einschlafen zuzuschauen,<br />
wenn der unerschütterliche Friede<br />
in das Kinderherz einzieht und die entspannten<br />
Gesichtszüge davon künden, dass<br />
die Pforte zur Traumwelt weit offen steht.<br />
Ein bisschen beneidet sie Sabrina um den<br />
leichten Zugang zum erholsamen Schlaf. Sie<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 22<br />
selbst tut sich zurzeit recht schwer damit und<br />
hängt zu lange dem erlebten Tagesgeschehen<br />
nach. Die planenden Gedanken in ihr<br />
wollen gar nicht schweigen, und so sitzt sie<br />
oft abends noch spät in dem weichen Sessel,<br />
wenn der Fernseher läuft, dessen Bilder und<br />
Töne sie kaum bewusst wahrnimmt. Dann<br />
fragt sie sich zum wievielten Male, warum<br />
ihre Ehe so schnell zerbrochen ist.<br />
Heute scheint wieder so ein Abend gekommen<br />
zu sein, der die bevorstehende<br />
Nachtruhe gefährden will. Die Gedanken<br />
geben keine Ruhe, und so bleibt sie in ihrem<br />
bequemen Sessel sitzen und nimmt ab und<br />
an einen Schluck Rotwein zu sich, der sie beruhigen<br />
und müde machen soll.<br />
Auf dem niedrigen Tischchen in der gegenüber<br />
liegenden Zimmerecke brennt eine kleine<br />
Kerze in einem geschnitzten Holzleuchter<br />
herunter, neben dem eine angefangene<br />
Strickarbeit liegt, aus der ein langer Faden<br />
hängt und zum Wollknäuel führt, welches<br />
unten auf dem Fußboden liegt. Neben dem<br />
Knäuel liegt Katrins hübsche, grauweiß getigerte<br />
Katze und döst scheinbar vor sich hin.<br />
Doch ihre Ohren spielen in verschiedene<br />
Richtungen und verraten ihre Wachsamkeit.<br />
Katrin hat das Zimmerfenster offen gelassen,<br />
so dass ein leichter Luftzug, der durch<br />
das ebenfalls geöffnete Küchenfenster entsteht,<br />
den Raum durchweht. Die Wanduhr<br />
zeigt eine Stunde nach Mitternacht an. Katrin<br />
ist eingenickt. Die Zugluft beginnt, stärker<br />
zu werden; sie bewegt die Tür und lässt sie<br />
ins Schloss fallen. Der locker sitzende Schlüssel<br />
rutscht aus seinem Loch und fällt klirrend<br />
auf den unbedeckten Parkettfußboden.<br />
Katrin schläft nun so fest, dass sie dieses Geräusch<br />
nicht hört. Wahrscheinlich hat der<br />
Rotwein sein bestes dafür getan.<br />
Vom Klirren des Schlüssels erschreckt, läuft<br />
das schon seit längerem mitbewohnende<br />
Mäuschen, das sich unvorsichtig aus seinem<br />
Loch hinter der großen Bücherwand hervor
gewagt hat, quer durch das Zimmer. Darauf<br />
hat die Katze nun schon seit geraumer Zeit<br />
gewartet und macht einen Satz in Richtung<br />
der Beute, streift das Wollknäuel, das nun<br />
seinerseits in Bewegung gerät, aber dabei den<br />
Faden zur Strickarbeit auf dem Tisch strammzieht<br />
und den daneben stehenden Leuchter<br />
aus leichtem Holz etwas bewegt, wobei die<br />
nicht ganz festsitzende brennende Kerze aus<br />
der Halterung kippt. Die Kerze rollt von dem<br />
niedrigen Tisch - immer noch brennend - und<br />
fällt auf den kleinen Wollteppich davor. Die<br />
Flamme beginnt, diesen zu versengen, bis ein<br />
leichter Brand entsteht, der sich langsam ausbreitet<br />
und die Zimmergardine erfasst, kleine<br />
Rauchschwaden entwickeln sich, ziehen<br />
hoch und dringen durch die angelehnte Tür,<br />
die ins Kinderzimmer führt.<br />
Sabrina hat einen bösen Traum gehabt und<br />
ist aufgewacht. Sie bemerkt den Brandgeruch<br />
und steigt aus ihrem Bettchen, um ins Wohnzimmer<br />
zur Mutter zu gehen. Sie will wissen,<br />
was los ist und ruft, noch in ihrem Zimmer:<br />
„Mami, was riecht hier so?“<br />
Katrin erwacht jetzt und erlebt einige<br />
Schrecksekunden, bis ihre Wahrnehmung<br />
einsetzt.<br />
Noch etwas schlaftrunken tappt Sabrina zu<br />
ihrer Zimmertür, durch deren Spalt der Feuerschein<br />
dringt, und stößt sie vollends auf.<br />
Als sie ihre Mutter erblickt, die mit schreckgeweiteten<br />
Augen regungslos dasteht, rennt<br />
sie auf Katrin zu, die nun alles voll erfasst.<br />
Sie zieht die Wolldecke von der Couch und<br />
schlägt auf das Feuer ein. Es wird unerträglich<br />
heiß im Raum. Katrin springt zum<br />
geöffneten Fenster, schließt es hastig, reißt<br />
dann ihre Tochter in den Arm und rennt mit<br />
ihr aus dem Zimmer, die Tür hinter sich zuschlagend.<br />
Die Katze huscht verängstigt mit<br />
hinaus.<br />
Jetzt befinden sich Mutter und Tochter im<br />
Flur, wo das Telefon steht. Katrin wählt mit<br />
zitterndem Zeigefinger die Notrufnummer<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 23<br />
und schildert der sich meldenden Stimme<br />
in hastigen Sätzen die Situation. Im Haus<br />
hört man Rufe. Dann klopft es an Katrins<br />
Eingangstür, die sie auch sofort öffnet. Draußen<br />
steht der Hausmeister: „Frau Brandtner,<br />
sind Sie verletzt? Haben Sie schon die Feuerwehr<br />
alarmiert?“ keucht er, denn er ist die<br />
fünf Treppen heraufgerannt.<br />
„Ja natürlich, den Notruf habe ich verständigt.“<br />
„Wann? „<br />
„Gerade eben.“<br />
„Aber ich habe von der Straße her den Feuerschein<br />
in ihrem Fenster schon vor ein paar<br />
Minuten beobachtet.“<br />
„Ich war im Sessel eingeschlafen.“<br />
Katrin beginnt zu schluchzen und Sabrina<br />
klammert sich ängstlich an ihre Mutter.<br />
Es kommen auch ein paar Nachbarn mit<br />
besorgten Gesichtern die Treppe herauf, und<br />
in der Ferne hört man das Horn der Feuerwehr.<br />
Nun beginnen wir zu fragen, wer oder<br />
was der Auslöser dieses Notfalls gewesen<br />
sei: Der Luftzug, der die Tür bewegt hatte?<br />
Der Schlüssel, der das entscheidende Geräusch<br />
für die Maus verursachte?<br />
Die Katze, die durch den Wollfaden die Kerze<br />
umfallen ließ? Die Kerze, dessen Flamme<br />
den Teppich in Brand setzte?<br />
Mit solcher Spitzfindigkeit kommen wir<br />
aber nicht weiter, denn es geht darum herauszufinden,<br />
welche Personen und Gegenstände<br />
zueinander gefunden haben, um miteinander<br />
ein Geschehen in Gang zu setzen.<br />
Aus welchen Bereichen kommen sie, und<br />
in welche Verflechtung haben sie sich begeben?<br />
Da ist zum Beispiel das Wollknäuel und<br />
die halbfertige Strickarbeit. Die verwendete<br />
Wolle stammt von einem Merino-Schaf, das<br />
in Australien auf einer kleinen Farm unter<br />
50 Artgenossen lebt und dort der erklärte<br />
Liebling der siebenjährigen Farmerstochter<br />
Sally ist. Das Tier war der Familie aus einer<br />
fremden Herde zugelaufen, die durch einen
Buschbrand zersprengt worden war. Sally<br />
hatte ihren Liebling mit einem hellgrünen<br />
Farbfleck gekennzeichnet. Die gleiche Farbe<br />
hat übrigens auch die Wolle, die Katrin gerade<br />
verarbeitet und von ihrer Freundin Viktoria<br />
geschenkt bekommen hat. Übrigens, im<br />
australischen Bundesstaat Victoria lebt Sally<br />
mit ihrer Familie.<br />
Katrins Freundin hat vor zwei Monaten<br />
ihren Arbeitsplatz in dem Unternehmen verloren,<br />
das sich unter anderem auch mit dem<br />
Import von australischer Wolle befasst hatte<br />
und in den Konkurs gehen musste.<br />
Viktoria ist vor einem Monat verreist, und<br />
hat Katrin zum Abschied eine reich verzierte<br />
Kerze gegeben, die nun den kleinen afghanischen<br />
Vorleger in Brand gesteckt hat. Dieser<br />
Teppich spielt noch eine besondere Rolle für<br />
die kleine Sabrina, wie wir sehen werden.<br />
Vorerst müssen wir noch den Rotwein, von<br />
dem Katrin während des Abends getrunken<br />
hat, unter die Lupe nehmen. Er wurde vor<br />
vier Jahren in der im Nachbarort gelegenen<br />
Weinkellerei „Verikas“ auf die Flasche gezogen,<br />
in jener Kellerei, in deren tiefen und weit<br />
verzweigten Gewölben eine Mäuse jagende<br />
Katze haust, die eine Schwester von Katrins<br />
Schmusetier ist.<br />
Der dortige Kellermeister Wery wiederum ist<br />
im vergangenen Jahr in Israel gewesen und<br />
hat von seiner Reise einen Kerzenständer aus<br />
altem Olivenholz mitgebracht.<br />
Dieses Mitbringsel wollte daheim niemand<br />
haben, weshalb er den Leuchter kurzerhand<br />
seiner Schwägerin, nämlich Katrins Freundin<br />
Viktoria, als Geburtstagsgeschenk übergab,<br />
die ihrerseits keine Verwendung dafür fand<br />
und diesen ungeliebten Gegenstand letzthin<br />
Katrin mitbrachte, die ihn auch annahm.<br />
So fand der kleine Gast aus Israel doch noch<br />
eine Heimstatt, in der er aber nur leicht angekohlt<br />
worden ist, denn Olivenholz ist widerstandsfähig.<br />
Nachdem der Zimmerbrand gelöscht werden<br />
kann, landet er nun zusammen mit der<br />
Rotweinflasche in der Mülltonne auf dem<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 24<br />
Abfallberg am Rande der Stadt, wo der Obdachlose<br />
Hannes Petri das versengte Stück<br />
findet und die noch gut erkennbare Schnitzarbeit<br />
bewundert. Als gelernter Schreiner<br />
kennt er sich in Holzarten aus und sieht, dass<br />
es sich um altes Olivenholz handeln muss.<br />
Und wo stehen die ältesten Olivenbäume?<br />
Natürlich in Israel, am See Genezareth, wo<br />
der Apostel Petrus Fischer war. Dich nehme<br />
ich mit, du stammst sicher aus jener Ecke,<br />
wo die Menschenfischer um Jesus ihre Netze<br />
ausgeworfen hatten. Und zu meinem Namen<br />
passt du auch sehr gut, denkt der alte Petri,<br />
denn wenn du wirklich so alt bist, hast du<br />
den Apostel Petrus sicherlich gesehen.<br />
Damit wickelt er den Gegenstand in sein<br />
Taschentuch und steckt ihn in die Hosentasche.<br />
Langsam wird das Geflecht, um das es hier<br />
geht, erkennbar. Doch noch fehlt der Strang,<br />
der nach Afghanistan führen soll. Der Vorleger,<br />
der die Kerzenflamme aufnahm, übt eine<br />
starke Anziehungskraft auf uns als Beobachter<br />
aus.<br />
Wir sehen in ein kleines Dorf, unweit von<br />
Kabul. In der Hütte von Ali Tsengutan hockt<br />
sein Kind, ein Mädchen, vor einem hölzernen<br />
Knüpfrahmen und ist vor Übermüdung über<br />
seiner Arbeit eingeschlafen. Dieses Mädchen<br />
hat vor ungefähr drei Jahren den kleinen<br />
Teppich geknüpft, der in Katrins Wohnstube<br />
gelegen hat und über einen geldgierigen<br />
Händler nach Europa gelangte. Verschiedene<br />
Personen und Unternehmen haben an<br />
diesem Produkt ihr Geld verdient; nur die<br />
kleine Assaya hat daran keinen Anteil gehabt.<br />
Selbst ihr Vater ist nur ein bescheidener<br />
Nutznießer der Arbeiten seiner Tochter, die<br />
er notgedrungen zwingen muss, ihren Anteil<br />
zum Familieneinkommen beizutragen.<br />
Nun schläft die Kleine ermattet, hat die<br />
schmerzenden Finger vergessen. Der Vater<br />
trägt sie vorsichtig auf ihre bescheidene Bettstatt.<br />
Im Traum reist sie in das ferne Land,<br />
das man Europa nennt und wo ihre kleinen<br />
Arbeiten fremde Räume zieren, so wie der
Vater es ihr erklärt hat.<br />
Gibt es eine Verbindung zwischen der kleinen<br />
Knüpferin und Sabrina?<br />
In Afghanistan ist es nun morgens vier<br />
Uhr und in Deutschland gerade Mitternacht.<br />
Beide Kinder schlafen tief. Assayas Erschöpfung<br />
von der schweren Arbeit am Rahmen<br />
lässt das Mädchen in dieser Morgenstunde<br />
noch nicht merken, dass ihre Eltern schon<br />
aufgestanden sind, und so darf der kleine,<br />
geschwächte Körper noch ein, zwei Stunden<br />
ruhen.<br />
Sabrina träumt gerade, sie ginge durch<br />
einen dichten Wald und entdeckt einen kleinen<br />
See, der sie magisch anzieht. Sie kniet an<br />
seinem Ufer nieder und erschaut zunächst<br />
ihr Spiegelbild auf der Wasseroberfläche.<br />
Plötzlich erscheint daneben ein zweites Gesicht:<br />
Ein Mädchenkopf ist es, umrahmt von<br />
schwarzen Locken und große, dunkle, mandelförmige<br />
Augen strahlen Sabrina an, die<br />
sich erschrocken umdreht. Da steht Assaya<br />
vor ihr und lächelt sie an.<br />
Obwohl doch keines von den beiden<br />
Kindern die Sprache des anderen verstehen<br />
könnte, ermöglicht die Traumebene aber das<br />
Zwiegespräch:<br />
Assaya beginnt:<br />
„Ich weiß, dass du einen Teppich hast, den<br />
ich gemacht habe. Gefällt er dir?“<br />
„Oh, es tut mir so leid, er ist verbrannt. Wir<br />
hatten einen Unfall zuhause. Es brach Feuer<br />
aus und dabei blieb nur Asche von dem Teppich<br />
übrig. Bist du sehr traurig deswegen?“<br />
„Ach nein, du kannst ja nichts dafür. Ich<br />
knüpfe dir einen viel schöneren, wenn du<br />
willst. Meine Mami hat mir ein neues Muster<br />
gezeigt und das will ich morgen probieren.<br />
Wenn die Arbeit fertig ist, sage ich dir<br />
Bescheid; wir treffen uns am besten hier wieder,<br />
an diesem See.“<br />
„Fein, ich freue mich schon jetzt darauf.“<br />
„Du musst meinen Namen aber wissen. Ich<br />
heiße Assaya, und du?“<br />
„Ich bin Sabrina.“<br />
prosa<br />
„Bis bald, Sabrina.“<br />
„Oh ja, bis bald, Assaya.“<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 25<br />
Beide Mädchen haben tatsächlich gemeinsam<br />
diesen Traum.<br />
Einige Monate später - Katrin ist mit ihrer<br />
Tochter in eine andere Wohnung gezogen<br />
- sieht Sabrina, als sie von der Schule nach<br />
Hause kommt, vor dem kleinen Tisch, auf<br />
dem der Fernseher steht, einen neuen, quadratischen<br />
Teppich liegen, der ein bezauberndes<br />
Muster in den Farben zeigt, die Sabrina<br />
besonders gern hat.<br />
„Mami, woher hast du den neuen Teppich?“<br />
„Ach, ich war heute Morgen auf dem Wochenmarkt,<br />
wo ein ausländischer Händler,<br />
der ganz seltsam gekleidet war, ihn mir anbot,<br />
wirklich zu einem Spottpreis. Da konnte<br />
ich nicht widerstehen und habe ihn mitgenommen.<br />
Er soll wieder aus Afghanistan<br />
sein, wie unser alter, der ja leider verbrannt<br />
ist. Dieser ist doch fast noch schöner, oder?“<br />
„Tausendmal schöner!“ ruft Sabrina begeistert.<br />
Von ihrem Traum erzählt sie ihrer Mutter<br />
nichts, doch nun weiß sie, dass Assaya<br />
diesen Weg gewählt hat, um ihr den neuen<br />
Vorleger zu bringen.<br />
Am nächsten Tag sehen Mutter und Tochter<br />
in einer aktuellen Sendung im Fernsehen<br />
einen Bericht über Afghanistan. Bei einem<br />
Kameraschwenk erfasst die Linse eine Menschengruppe<br />
in einem Dorf, und ein Kindergesicht<br />
leuchtet auf.<br />
„Das ist ja Assaya!“ ruft Sabrina aufgeregt,<br />
denn sie hat ihre kleine Traumfreundin erkannt.<br />
Katrin versteht diese Reaktion nicht<br />
und sieht ihr Töchterchen fragend an. Da<br />
beginnt Sabrina denn doch, ihrer Mutter den<br />
Traum zu erzählen. Katrin hört verwundert<br />
aber aufmerksam zu.<br />
„Weißt du, Mami, ist es nicht merkwürdig,<br />
wie viele Sachen immer zusammenpassen?<br />
Ich glaube, wenn wir richtig nachsehen, hängen<br />
noch viel mehr Dinge zusammen, so wie
ein Teppich mit vielen, vielen Knoten. Meinst<br />
du nicht auch?“<br />
Ihre Kinderseele hat mehr erfasst, als ihre<br />
Mutter ahnt und wir hoffen für Sabrina, dass<br />
sie nie in ihrem Leben vergessen möge, ihre<br />
Wahrnehmungen auf diese Weise zu schärfen<br />
und zu entwickeln.<br />
Karin Alette<br />
es ist ja g a r n i c h t so s c h l i m m<br />
Lange, blank schimmernde Gänge, nummerierte<br />
Türen rechts und links. Es riecht<br />
nach Krankenhaus. Weiß gekleidete Schwestern<br />
und Ärzte gehen an mir vorbei, jeder auf<br />
eine Weise anonym. Ich suche nach einem<br />
Zimmer auf der linken Seite. Dabei kommt<br />
mir in den Sinn, dass ich Vater in meinem<br />
Leben bisher nur ein einziges Mal als Patient<br />
in einem Krankenhaus erlebt habe. Damals<br />
hatte er Gicht, sein Zeh schmerzte immer<br />
mehr und er musste stationär aufgenommen<br />
werden. Ein- oder zweimal hatte ich ihn dort<br />
besucht, dann konnte er wieder nach Hause.<br />
Eine harmlose Sache – und jetzt?<br />
Beklommenheit und Unsicherheit vermischen<br />
meine Gefühle. Ich wusste nicht allzu<br />
viel, er hätte Schwierigkeiten beim Essen und<br />
Trinken. Eine Gesichtshälfte hing herunter –<br />
und er hätte sie nicht mehr unter Kontrolle.<br />
Ich stelle mir vor, wenn ich die Kontrolle über<br />
mein Gesicht verlöre, mein Gesicht würde<br />
nicht auf mich hören, so als würde eine Seite<br />
nicht mehr zu mir gehören. Das Kinn hinge<br />
herunter und meine Gesichtsmuskeln könnten<br />
es nicht mehr anheben. Ich könnte nicht<br />
sprechen, nicht schlucken. Ich denke an hilflos<br />
ausgeliefert sein – an Gesicht verlieren –<br />
an stummes Leiden.<br />
Meine Augen streifen ein Bild auf dem Flur.<br />
Eine ruhige weite Landschaft und am Horizont<br />
Sonnenuntergang. Der Fotograf hat ein<br />
Stück dieser Schönheit einfangen können,<br />
denke ich, Schönheit, Glanz, überflutetes<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 26<br />
Licht, feurige Energie – vor dem Untergang.<br />
Trost liegt in der Betrachtung. Die Natur<br />
ist wunderschön – auch noch wenn sie sich<br />
verabschiedet. Es ist, als schiene etwas von<br />
der anderen Welt herüber, in der die Sonne<br />
gerade eintaucht, etwas das uns noch verborgen<br />
bleibt, ein erhabener Glanz, so dass<br />
andächtiges Staunen in mir zurückbleibt.<br />
Ich gehe weiter – endlich, die letzte Türe<br />
auf dem Gang, dahinter liegt Vater! Wieder<br />
Zögern, Beklommenheit und Unsicherheit,<br />
da gebe ich mir einen Ruck, klopfe lauter als<br />
beabsichtigt an, so als ob ich mir mit diesem<br />
Klopfen selbst Mut mache, öffne die Türe<br />
und trete ein.<br />
Ein freundliches Krankenzimmer, drei<br />
Betten, ein großes Fenster, viel Licht und im<br />
mittleren Bett sehe ich Vater sitzen. Ich beruhige<br />
mich – es ist ja gar nicht so schlimm.<br />
Unsere Fantasie macht doch immer alles<br />
schlimmer, bauscht auf, macht Angst. Doch<br />
wenn man den Mut hat genau hinzuschauen,<br />
dann tröstet sie uns.<br />
Ich begrüße ihn, er hängt am Tropf und<br />
einen Schlauch hat man ihm durch die Nase<br />
gezogen. Ich bedaure ihn und ich bewundere<br />
ihn gleichzeitig. Mir wollte ein Arzt auch<br />
einmal einen Schlauch durch die Nase befördern.<br />
Trotz Zureden, vielen ernsthaften<br />
Versuchen, ich konnte es nicht, alles in mir<br />
wehrte sich gegen diesen dicken Schlauch.<br />
Ich konnte ihn einfach nicht schlucken. Und<br />
Vater, der sonst nicht einmal eine kleine Tablette<br />
schlucken konnte, er hat es fertiggebracht,<br />
diesen Schlauch anzunehmen. Hat er<br />
damit sein Schicksal angenommen? Ich sage<br />
ihm, dass ich weiß, was es für ihn bedeutet<br />
haben muss, diesen Schlauch zu schlucken,<br />
frage, wie er das fertiggebracht hätte. In seiner<br />
Bescheidenheit sagte er nur: „Nun ja, das<br />
war auch nicht einfach“. Vater ist ganz wach,<br />
er sitzt aufrecht in seinem Bett, er nimmt alles<br />
um sich herum auf, ich bin froh, denke „Es<br />
ist ja nicht so schlimm“. Ich freue mich, sage
ihm: „bestimmt kannst du bald wieder nach<br />
Hause“ darauf eine lange, fast vorwurfsvolle<br />
aber auch zweifelhafte Antwort: „Hoffentlich!?“<br />
Irgendwie bin ich jetzt verwirrt über<br />
seine Antwort, habe sie nicht erwartet. Was<br />
denkt er, was geht in ihm vor? Sicher, er ist<br />
fast achtzig Jahre, aber bis jetzt topfit geblieben,<br />
er erschien mir immer jünger als er war.<br />
Ich unterbreche meine Gedanken, sehe seine<br />
Augen, was ist da anders geworden, überlege<br />
ich, sie erscheinen mir irgendwie nebelhaft<br />
und grau, es kommt mir vor, als sähe<br />
Vater in eine Weite, die ich nicht sehen kann.<br />
Ist er jetzt hier im Krankenzimmer oder ist<br />
ein Teil von ihm woanders, weit fort?<br />
Ich hätte ihn fragen sollen, schon als er<br />
„hoffentlich“ sagte, hätte ich ihn fragen sollen.<br />
Doch ich war irgendwie sprachlos und<br />
unvorbereitet. Außerdem, ich dachte, ich<br />
habe ja noch viel Zeit, bald geht es ihm besser,<br />
bald kann er wieder nach Hause. Morgen<br />
werde ich zuerst einmal mit dem Arzt<br />
sprechen, heute ist Sonntag, da ist niemand<br />
da, doch morgen sofort in der Frühe fahre<br />
ich in die Klinik, nehme ich mir vor.<br />
Es kommen mehr Besucher, es wird unruhiger<br />
im Krankenzimmer, er wird es auch. Ich<br />
merke, es ist ihm zu viel. Ein Pfleger kommt<br />
herein, er will sein Bett machen.<br />
Wir warten draußen. Wir warten lange, zu<br />
lange!<br />
Als wir wieder hineingehen, ist alles anders.<br />
Er ist verwirrt, wir sagen ihm, wir gehen<br />
nach Hause, wir kämen morgen wieder.<br />
Er nickt nur, dann nach einer Pause, als wir<br />
uns verabschieden wollen, sagt er: „Und ich<br />
bleibe hier.“ Seine letzten Worte, es waren<br />
seine letzten Worte, hätte ich das gewusst.<br />
Ich habe das unbestimmte Gefühl, er wusste<br />
es irgendwie – er war uns allen weit vorausgegangen<br />
– er konnte weiter sehen mit seinen<br />
inneren Augen.<br />
Er hat es uns allen gesagt – ich bleibe hier<br />
doch schonend und verschlüsselt hat er es<br />
gesagt – er wollte uns nicht beunruhigen.<br />
So wie er lebte, ruhig und bescheiden, ist er<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 27<br />
am nächsten Morgen für immer eingeschlafen.<br />
Ohne Aufsehen, nicht einmal seine Bettnachbarn<br />
haben etwas gemerkt.<br />
Er wollte uns keine schlaflosen Nächte bereiten,<br />
er wollte so einfach davongehen. Wir<br />
wissen nur, er ist ruhig und ohne Kampf eingeschlafen.<br />
Mit seinem Tod ließ er uns zwar<br />
Schmerz und Schock aber nicht zuletzt auch<br />
Trost zurück. Sein Abschied war leicht für<br />
uns, als ginge er nur kurz fort, als wüsste er,<br />
es ist nur ein vorübergehender Abschied.<br />
Georg Walz<br />
Be w e g U n g im li c h t<br />
Lyrische Erzählung<br />
Laut drängt das metallene Kreischen in<br />
seine morgendlichen Gedanken. Räder,<br />
eingefangen und geführt in parallelen eisernen<br />
Schienen. Eisenräder, die in jeder Kurve<br />
versuchen auszubrechen. Bereit, die eng begrenzende<br />
Leitlinie zu verlassen und eigene<br />
Wege zu gehen.<br />
Verschlafen hebt er den Blick. Blickt dem vorauseilenden<br />
Geräusch entgegen.<br />
Er liebt es zu sehen. Die großen Fensterscheiben<br />
und die oberirdische Fahrt erlauben<br />
an der Umwelt teilzuhaben. Gestatten ihm<br />
seine Umgebung zu erleben. Ein Teil davon<br />
zu sein. Die Fassaden der Häuser fliegen in<br />
gebührendem Abstand vorbei. Fenster, Türen,<br />
Auslagen von Geschäften schieben sich<br />
von vorne in sein Blickfeld, gleiten seitlich<br />
entlang und ehe er sie exakt erfassen kann<br />
und sich ihrer Bedeutung bewusst wird, verlassen<br />
sie erneut seinen Blickwinkel. Nur,<br />
wenn sein Kopf im Einzelfall mitschwingt,<br />
bleiben ihm Bruchteile von Sekunden, um<br />
detaillierter zu erkennen, was an seinem<br />
Leben vorüberzieht. Vereinzelt dazwischen<br />
große Plakattafeln, die ihre einzige Aufgabe,<br />
die Menschen zu verführen, sehr ernst nehmen.<br />
Groß, mächtig ausladend sind die lächelnden<br />
Gesichter in der bunten Einheit der<br />
Werbevielfalt nicht zu übersehen.
Obwohl er sie noch nicht sehen kann, weiß<br />
er, dass sie nun kommt. Seine Linie 16. Pünktlich,<br />
wie immer. Selbst zu dieser frühen Stunde.<br />
Er kann sich auf ihre Pünktlichkeit verlassen.<br />
Seit vielen Jahren begleitet sie ihn auf<br />
seinem Weg zur Arbeit. Jeden Morgen durch<br />
alle Jahreszeiten hindurch.<br />
Nebenan führen gepflasterte Trampelpfade<br />
entlang. Sie ertragen geduldig die Hast und<br />
Eile der Menschen, deren Schritte keine Spuren<br />
im harten Stein hinterlassen. Menschen<br />
ohne Ruhe. Nur die unsichtbare Hand an<br />
den Kreuzungen der Wege, die bei Rot aus<br />
ihrem Versteck kommt, stoppt den Vorwärtsdrang<br />
einen Farbklecks lange. Ausgeatmete<br />
Unruhe kann verordnete Zwangspause<br />
nicht akzeptieren. Sie überträgt sich auf den<br />
Pulsschlag der Wartenden. Lässt diesen höher<br />
schlagen. Verführt einige zum Ausbruch.<br />
Ihr Ego erlaubt es nicht, zwangsgeführt unterbrochen<br />
zu werden. Sie möchten kostbare<br />
Zeit nicht nutzlos mit Warten vergeuden.<br />
Warten auf ein Grün, das ihnen Fortführung<br />
der Hast signalisiert. Das schwingende Pendel<br />
der Uhr beherrscht ihren Tagesrhythmus.<br />
Sie ignorieren den verordneten Halt, sofern<br />
es der querlaufende Strom der nach Abgas<br />
stinkenden Blechlawine erlaubt und sie eine<br />
scheinbare Lücke zu erspähen glauben. Wie<br />
gehetztes Wild springen sie in die Lichtung<br />
vor die Flinten der Jäger. Als hätten sie nicht<br />
verstanden, dass sie riskieren, ihren Atem für<br />
immer vor eines der drängelnden Fahrzeuge<br />
zu werfen.<br />
Gelb – Grün. Die Hast geht weiter.<br />
Fauchend biegt sie in seine Straße ein. Wie<br />
schon oft im Halbdunkel beschleicht ihn das<br />
Gefühl, dass zwischen den Häuserschluchten<br />
ein fauchender Drache mit glühenden<br />
Augen auf ihn zuläuft. Gebändigt von einem<br />
Drachenführer mit Erfahrung im Haar, der<br />
dafür sorgt, dass das Ungetüm aus Metall<br />
und Glas, keinen Schaden anrichten kann.<br />
Die Bremsen der eisernen Räder bringen<br />
die Gedanken zum Stillstand. Zentimetergenau<br />
kommt sie an der dafür vorgesehenen<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 28<br />
Stelle zum Stehen. Es bleibt Zeit nachzudenken<br />
und den Blick auf dem scheinbaren Stillstand<br />
der Umgebung ruhen zu lassen. Das<br />
Erkennen wird um ein Vielfaches leichter.<br />
Die spiegelnden Schaufenster der Geschäfte<br />
legen ihre Masken ab. Gesichter, die sich dahinter<br />
verborgen haben, werden in der Ruhe<br />
erkennbar,<br />
- Zeit, tiefe Furchen zu betrachten, die das<br />
Leben in die Gesichter der älteren Herren<br />
gezogen hat, die ihre Hunde an der langen<br />
Leine Gassi führen und mit ihnen die Hoffnung<br />
zu teilen, noch einmal das Leben in<br />
vollen Zügen genießen zu dürfen,<br />
- Muße, die vielen Tage zu zählen, die er in<br />
harten Holzstühlen verbracht hat. Sein Arsch<br />
hat deshalb keine Schwielen bekommen. Die<br />
Härte hat dafür gesorgt, dass er nie länger<br />
als nötig sitzenblieb, sich immer wieder erhob<br />
und seinen Weg weiterging. Sein Ziel<br />
nie aus den Augen verlor.<br />
Er musste sich nie in der Dunkelheit der<br />
Wege verstecken. Die Gesichter der Fahrgäste,<br />
die ihn begleiten, haben die gewohnte<br />
angenehme Farbe. Nicht die Blässe, die vom<br />
Neonlicht in den unterirdischen Schächten<br />
auf die Haut aufgetragen wird.<br />
An der Haltestelle steht sie ganz still. So,<br />
als müsse sie Luft holen. Nur bei einem Halt<br />
gibt sie die Türen frei und lässt die Menschen<br />
ein- und aussteigen.<br />
Gestärkt fährt sie mit einem harten Ruck<br />
wieder an und setzt brausend, schnaubend<br />
und schnarrend ihre Fahrt fort. Das bläuliche<br />
Licht, das der Stromabnehmer aus dem<br />
Schwarz des Himmels reißt, fällt zwischen<br />
die Schritte dahin hastender Gestalten und<br />
erhellt für Momente dunkle Gesichter.<br />
Der scheinbaren Unordnung, die Chaos<br />
nahelegt, liegt sinnvolles Handeln zu<br />
Grunde. Die endlose Schlange der eilenden<br />
Beine wird von den Abgängen der U-Bahn<br />
verschluckt. Sie verschwinden in der Dunkelheit<br />
der Fahrt, um an anderer Stelle der<br />
Stadt erneut an die Oberfläche gespuckt zu<br />
werden.
Unverständnis ruht in der Farbe seiner Augen.<br />
Er kann sie nicht verstehen. Die Dunkelfahrer.<br />
Die Gäste der Schächte der Nacht.<br />
Die nicht sehen wollen. Die sich nicht die<br />
Zeit nehmen am oberirdischen Geschehen<br />
teilzuhaben und die Fahrt zu erleben. Deren<br />
einziges Bestreben es ist, schnellstens von<br />
der Geburt zum Ziel zu gelangen.<br />
In der Enge der Sitze und der nicht vor-<br />
handenen Beinfreiheit ruht eine Atmosphäre<br />
akzeptierter Nähe. Kommen sich Füße zu<br />
nahe, so bleibt den Kontrahenten nur, sich in<br />
der Drehung mit dem vorhandenen Platz zu<br />
arrangieren und weitest mögliche Freiheit<br />
zu suchen.<br />
Er liebt das Spiel der Beschleunigung. Den<br />
hellen, lauter werdenden Pfeifton, der nur<br />
im Stillstand in die Ruhe übergeht.<br />
Sie lässt vieles hinter sich. Menschen in Einzelkabinen<br />
umgeben von Blech und Glas.<br />
Privatsphäre wird suggeriert. Rundum ungeschützt<br />
vor den Blicken all derer, die ebenso<br />
wie sie selbst Zeit im Stau vertrödeln. Versonnen<br />
lauscht er dem Klang des ledernen<br />
Balges, der die Waggonteile zu beiden Seiten<br />
verbindet und das immerwährende Lied der<br />
Kurven spielt.<br />
Hin und wieder verläuft die Fahrt in Bereichen,<br />
die Nähe ausschließt. Hier läuft der<br />
Vorwärtsdrang zur Höchstform auf. Die Geschwindigkeit<br />
nutzt die freie Strecke.<br />
Bereits nach kurzer Zeit fährt sie in das Leben<br />
zurück und nimmt von Neuem Einfluss.<br />
Der schrille Glockenton weist Unvorsichtige<br />
in die Schranken und sorgt wie eine<br />
unsichtbare Feuerlanze dafür, dass die unterschiedlichen<br />
Charaktere, im Bauche des<br />
stromfressenden Ungetüms, ungehindert<br />
den vorgegeben Weg fortsetzen können. So<br />
manches Mal beschleicht ihn das Gefühl,<br />
dass der Dompteur die Glocke, nicht um zu<br />
warnen einsetzt, sondern seine persönliche<br />
Wichtigkeit hervorhebt.<br />
Die Tram begleitet sein Leben. Es hat es<br />
ohne sie versucht. Vor Jahren. Als die neue<br />
Linie unter Tage fertiggestellt war, trug auch<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 29<br />
er sein Gefühl viele Treppenstufen hinab.<br />
Nach wenigen Fahrten stellte er sich, wie<br />
gewohnt, an seine Haltestelle über Tage. Als<br />
die Linie seines Lebens sich näherte, schrillte<br />
der helle Ton der Glocke ungewöhnlich lange.<br />
Der Fahrzeugführer hob die Hand und<br />
grüßte mit lachendem Gesicht. Dies hatte er<br />
noch nie getan.<br />
Ingrid Benada<br />
mi n U t e n d e r er i n n e r U n g<br />
Eine Liebesgeschichte<br />
Liebe Waltraud,<br />
das Leben besteht aus Zufällen und ein solcher<br />
Zufall geschah heute Abend. Als ich<br />
nach einer Schallplatte suchte, um mich zu<br />
entspannen, fiel mir das „Konzert für Klavier<br />
und Orchester Nr. 4 in G-Dur” von<br />
Beethoven in die Hände und wieder grübelte<br />
ich darüber nach, ob Fred mir diese Platte<br />
vor achtundzwanzig Jahren nach Suhl geschickt<br />
hat oder nicht.<br />
Es spricht so viel dafür, aber sie könnte auch<br />
von jemand anderem sein. Nur von wem?<br />
Sie kam mit der Post in der Vorweihnachtszeit<br />
ohne Absender, gut geschützt in acht<br />
anderen Plattenhüllen. Auf dem Schutzumschlag<br />
steht in Druckschrift. „Eine frohe<br />
und glückliche Vorweihnachtszeit!” Nichts<br />
weiter und keine Unterschrift. Freds Schrift<br />
könnte in Druckschrift so ausgesehen haben.<br />
Könnte! Ich kenne nur seine Schreibschrift.<br />
Die Sendung war in Leipzig aufgegeben<br />
worden. Ich habe damals niemanden<br />
aus Leipzig gekannt. Er aber war beruflich<br />
häufig in den Großstädten des Landes unterwegs.<br />
Das spricht für ihn, auch die sorgfältige<br />
Verpackung.<br />
Und er liebte Beethoven, am meisten seine<br />
Egmont-Ouvertüre. Aber die hatte ich damals<br />
noch vor meiner Hochzeit mit meinem<br />
ersten Mann von ihm mit Absender<br />
erhalten.<br />
Kennst du dieses G-Dur-Konzert – das<br />
vierte? Es ist so unsagbar lyrisch, aber auch
elegisch und dramatisch. Und beim Hören<br />
fühlt man, dass nichts schwieriger ist, als<br />
Glück zu gestalten. Wir konnten es nicht.<br />
Beethoven hat in diesem Konzert alles Glück<br />
in Frage gestellt, ja er klagt über dessen Verlust.<br />
Aber klingt es am Schluss des Konzertes<br />
nicht doch wie Erfüllung? Ihm und mir war<br />
es nicht vergönnt.<br />
Liebe Waltraud, du wirst nicht ahnen, welchen<br />
Sturm damals Fred mit seiner Gabe entfacht<br />
hat. Mein erster Mann war grenzenlos<br />
eifersüchtig. Es dauerte einige Tage, bis er mit<br />
diesem Ereignis leben konnte. Ich musste die<br />
Platte retten, denn er wollte sie vernichten.<br />
Das Anonyme war es, das ihn zu den wildesten<br />
und unsinnigsten Spekulationen anregte.<br />
Hätte Fred seinen Absender angegeben,<br />
hätte ich meinem Manne erklären können,<br />
dass ich ihn vor unserer Zeit gekannt habe.<br />
So aber glaubte er, die Platte wäre von einem<br />
gegenwärtigen Verehrer. Seitdem schaute er<br />
alle Männer misstrauisch an, die in meine<br />
Nähe kamen.<br />
Drei Jahre später, wir waren schon in Berlin,<br />
habe ich nochmals seine krankhafte Eifersucht<br />
erlebt. Sein Cousin hatte mir zum<br />
Geburtstag dreißig langstielige rote Rosen<br />
geschenkt. Von ihm war das sicher unüberlegt.<br />
Als mein Mann nach Hause kam, fragte<br />
er als erstes, von wem die Rosen seien, ging<br />
dann in die Küche, holte Mückenspray und<br />
besprühte sie damit. Nach wenigen Sekunden<br />
ließen sie die Köpfe hängen. Ich war<br />
traurig über seine Eifersucht und wegen der<br />
schönen Rosen. Aber da er diesmal den Absender<br />
kannte, war er leichter zu beruhigen.<br />
Fred liebte auch herben Rotwein. Ich habe<br />
jahrelang keinen anderen getrunken, eigentlich<br />
auch noch während meiner ersten Ehe.<br />
Und er mochte den Regen. Wie sehr hatte<br />
es an dem Tage in Erfurt geregnet, an dem<br />
wir uns das erste Mal sahen. Im Wartehäuschen<br />
einer Straßenbahnhaltestelle hatten wir<br />
durchnässt Unterschlupf gesucht. Wir sahen<br />
uns lachend an. Es war Liebe auf den ersten<br />
Blick. Wir sind dann den ganzen Tag zusammengeblieben<br />
und die nächsten Tage auch.<br />
Seine Lieblingslektüre waren die Erzählungen<br />
von Paul Heyse. Während unserer gan-<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 30<br />
zen Beziehung hat er mir immer die Bücher<br />
geschickt, die ihm gerade besonders gefielen.<br />
Ich habe noch alle. In einem der Bücher<br />
(„Menschen im Frühling”, Nordische Liebesgeschichten)<br />
habe ich von ihm kürzlich<br />
einen handgeschriebenen Zettel gefunden<br />
mit den Abfahrtszeiten von Heiligenstadt<br />
nach Chemnitz und zurück. Er hatte mehrere<br />
Möglichkeiten herausgesucht. Diesen Zettel<br />
habe ich sicher als Lesezeichen benutzt,<br />
und so ist er meiner Vernichtungswut entgangen.<br />
Ich habe seit damals nicht mehr in<br />
dieses Buch hineingeschaut.<br />
Es hat, wie alle anderen von ihm, vier Umzüge<br />
überstanden. Seine Schallplatten und<br />
Bücher habe ich behalten, aber die Briefe<br />
und Fotos noch in Heiligenstadt vernichtet.<br />
Vorher habe ich sie noch einmal betrachtet,<br />
gelesen und dann in die Flammen geworfen<br />
und zugesehen, wie sie sich aufbäumten<br />
und verbrannten. Blatt für Blatt fraß das<br />
Feuer, nur Asche blieb auf dem Rost und in<br />
mir zurück. Es hat mehrere Stunden gedauert,<br />
denn er hatte viele und lange Briefe geschrieben,<br />
sechs bis sechzehn Seiten, alle mit<br />
kleiner Schrift. Heute tut es mir leid, dass ich<br />
sie nicht mehr habe. Aber ich wollte damals<br />
mit ihm und mit einem Abschnitt meines<br />
Lebens abschließen. Ich habe es so oder ähnlich<br />
mehrmals im Leben getan. Aber nie ist<br />
es mir so schwer gefallen und niemals war<br />
ich so unglücklich und verzweifelt, niemals<br />
hatte ich so geliebt.<br />
Ein paar Tage später kam der letzte Brief von<br />
ihm. Er wollte sich mit mir in Erfurt treffen.<br />
Alles klang wie ein Neuanfang oder eine<br />
Fortsetzung. Da habe ich ihm noch einmal<br />
geschrieben. Es war kein Liebesbrief, kein<br />
Abschiedsbrief, nur noch ein Verlangen nach<br />
Ruhe und Alltäglichkeit. Ich hatte Angst vor<br />
dem ständigen Wechselbad der Gefühle,<br />
hatte keine Kraft mehr. Nur noch Traurigkeit<br />
und Resignation waren in mir.<br />
Liebe Waltraud, über diese Liebe und die<br />
Hintergründe des Endes, die du ja kennst,<br />
wollte ich eine Erzählung schreiben, habe<br />
sie auch angefangen, aber bald wieder damit<br />
aufgehört, weil die Geschichte so ungewöhnlich<br />
ist. Alle würden denken, dass ich eine
kitschige Phantasie hätte. Aber manches im<br />
Leben kann man sich gar nicht ausdenken.<br />
Du weißt, dass er sich gern über Kunst unterhielt.<br />
Einmal hat er mir eine lange Abhandlung<br />
darüber geschrieben, warum er<br />
den Freiheitschor aus „Fidelio” von Beethoven<br />
dem aus „Nabucco” von Verdi vorziehen<br />
würde. Es war ein vernichtendes Urteil<br />
über Verdi, das ich übertrieben fand. Aber so<br />
war er oft. Für ihn gab es nur schwarz oder<br />
weiß, alles oder nichts. Bloß das Leben ist anders<br />
und ich war es auch. Es gibt immer viele<br />
Zwischentöne, viele Grautöne. Er hat sie<br />
nicht sehen wollen. Dieses Absolute hat unsere<br />
Beziehung nicht ertragen. Ich glaube, er<br />
hat selbst unter seinen Ansprüchen am meisten<br />
gelitten, ohne sie ändern zu können.<br />
Er war im Zeichen der Jungfrau geboren, ich<br />
im Krebs. Jungfrauen hassen auch nichts so<br />
sehr als das Gefühl, dass von ihnen Besitz ergriffen<br />
wird. Krebse haben oft Probleme, sich<br />
so zu verhalten, dass der andere sich nicht<br />
eingeengt fühlt. Überlässt man die Jungfrau<br />
sich dann selbst, las ich kürzlich, kehrt sie<br />
zurück. Und so war es auch bei uns. Aber ich<br />
wollte nicht mehr.<br />
Wenn der Krebs sagt „ich fühle,” spricht die<br />
Jungfrau „ich analysiere”. Und Fred analysierte.<br />
Er suchte stets Vollkommenheit und<br />
Klarheit, die seine Analysen nicht zeigen<br />
konnten, denn nichts im Leben ist wirklich<br />
vollkommen. Ist es nicht gerade das Unvollkommene,<br />
das uns anzieht, auch in der<br />
Liebe? Seine Intelligenz und sein Aussehen<br />
haben mich zu ihm hingezogen. Aber geliebt<br />
habe ich seine kleinen Schwächen und Fehler.<br />
Liebe Waltraud, wie oft war ich schon ungehalten<br />
darüber, dass ich im Sternzeichen des<br />
Krebses geboren bin. Ich habe immer Probleme<br />
gehabt, den Augenblick wirklich zu genießen.<br />
Intuition und Vorahnung machen einen<br />
Teil meines Lebens aus. So habe ich stets<br />
im Voraus gewusst, wie das Ende einer Beziehung<br />
sein wird, auch in dieser Liebe. Das<br />
war und ist belastend. Das Ende schon am<br />
Anfang zu wissen, mindert die Freude am<br />
Augenblick. Man müsste das ändern, aber es<br />
geht nicht, weil man nicht aus seiner Haut<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 31<br />
heraus kann. Um wie viel besser ist es, wenn<br />
man dem Jetzt und der Illusion leben kann.<br />
Hoffentlich hast du nicht solche Probleme.<br />
Aber vielleicht ist das alles Unsinn mit den<br />
Sternenzeichen. Zufall. Mein jetziger Mann<br />
ist Widder. Widder und Krebs sollen nicht zusammenpassen.<br />
Aber nie hatte ich das Gefühl,<br />
dass diese Verbindung nicht funktionieren<br />
könnte. Natürlich haben Krebs und Widder<br />
andere Ziele und Motivationen. Auch sind<br />
seine Hörner genau so widerstandsfähig wie<br />
meine Krebsschalen. Aber ich habe ihm die<br />
Führung überlassen und ziehe mich gegebenenfalls<br />
in meinen Panzer zurück. So geht es.<br />
Einmal wollte Fred unbedingt wissen, wie<br />
man Herzensbildung so kurz wie möglich definieren<br />
könnte. Ich habe lange überlegt und<br />
dann fielen mir die Verszeilen von Theodor<br />
Fontane ein:<br />
„O lerne denken mit dem Herzen<br />
Und lerne fühlen mit dem Geist.”<br />
Er war begeistert. Ich weiß nicht mehr, wozu<br />
er es wissen wollte.<br />
Auch erinnere ich mich, dass wir uns in Halle<br />
getroffen haben. Wir hatten kein Geld für Hotelzimmer<br />
und haben am Ufer der Saale die<br />
Nacht verbracht.<br />
Mein Leben lang habe ich versucht, die Schattenseiten<br />
dieser Liebe zu vergessen und immer<br />
nur an die Schönheit und das Gute gedacht,<br />
das mir heute noch wie ein fernes und<br />
unerreichbares Ideal erscheint. Es ist nie zu<br />
erreichen. Doch ich habe eine Ahnung davon,<br />
und das ist etwas Kostbares.<br />
Erinnerst du dich an die Rilke-Worte:<br />
„Du machst mich allein. Dich einzig kann ich<br />
vertauschen.<br />
Eine Weile bist du’s, dann wieder ist es das<br />
Rauschen,<br />
oder ist es ein Duft ohne Rest.<br />
Ach, in den Armen habe ich sie alle verloren,<br />
du nur, du wirst immer geboren:<br />
weil ich niemals dich anhielt, halt ich dich<br />
fest.”<br />
Hoffentlich habe ich dich nicht zu sehr mit<br />
meinen Erinnerungen gelangweilt.<br />
Über die Gegenwart erzähle ich dir das nächste<br />
Mal.<br />
Mit herzlichen Grüßen Gudrun
Willy Hänscheid<br />
da s ha n d y<br />
Christine schenkte mir zu meinem Geburtstag<br />
ein Handy.<br />
„Immer mobil und jeder Zeit zu erreichen“,<br />
sagte sie und lächelte.<br />
Ich hatte allerdings eher den Verdacht, dass<br />
sie mich auf dieser Art wesentlich besser<br />
kontrollieren wollte.<br />
Zwei Wochen später verließ ich nach einem<br />
recht arbeitsreichen Tag sehr spät mein Büro<br />
und erwischte noch gerade die S-Bahn. Die<br />
Wagen waren wieder einmal mehr als gut<br />
besetzt. Nach wenigen Minuten ertönte ein<br />
Signal aus der Innenseite meiner Jacke. Ich<br />
fischte mein Handy umständlich aus der Tasche<br />
und meldete mich:<br />
„Hallo?“<br />
„Wo bist du?“<br />
„In der S-Bahn.“<br />
„Ich habe auf dich gewartet.“<br />
Es war Christine. Ihre Stimme klang sehr gereizt.<br />
„Christine“, sagte ich und schaute mich vorsichtig<br />
um, „ich bin in der Bahn. Die Wagen<br />
sind alle so besetzt, dass viele stehen müssen.“<br />
„Das interessiert mich überhaupt nicht“,<br />
sagte Christine.<br />
„Ich...“<br />
Mein Nebenmann grinste breit. Die anderen<br />
schauten mich interessiert an.<br />
„Ich kann nicht reden“, flüsterte ich.<br />
„Sprich lauter!“ verlangte Christine.<br />
Mein Nebenmann nickte, als ob er Christine<br />
auch verstanden hätte.<br />
„Warum bist du eigentlich nicht gekommen?<br />
Musstest du wieder bei ihr bleiben?“<br />
„Bei wem?“<br />
„Bei deiner Frau natürlich“, sagte Christine<br />
böse.<br />
„Bei meiner Frau?“<br />
„Ich kenne dich“, fuhr Christine fort. „Du<br />
hast ihr wieder nichts gesagt.“<br />
„Meine Frau...“<br />
Ich hielt plötzlich inne und schaute erschrocken<br />
in die Runde. Spätestens zu diesem<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 32<br />
Zeitpunkt ahnten die meisten Fahrgäste im<br />
Wagen, dass ich neben meiner Frau auch<br />
noch eine Geliebte hatte.<br />
„Christine, es tut mir leid, aber...“<br />
„Kaufe Blumen“, flüsterte mein Nachbar.<br />
„Wem?“<br />
„Der Christine natürlich“, sagte mein Nachbar.<br />
Einige umstehende Männer nickten zustimmend.<br />
„Unerhört!“ sagte eine Frau von ihrem Sitzplatz<br />
aus.<br />
„Ruhe!“ zischte mein Nachbar.<br />
„Christine“, sagte ich, „die Bahn ist brechend<br />
voll. Ich kann nicht reden.“<br />
„Das ist mir egal“, sagte Christine.<br />
„Warum nicht?“ fragte mein Nachbar. „Sag<br />
ihr doch, dass du Blumen kaufen wirst.<br />
Und...“<br />
„Und dann verbringst du einen schönen<br />
Abend mit der Christine“, sagte jemand aus<br />
der vorderen Ecke.<br />
„Viel besser noch eine schöne Nacht“, schlug<br />
einer hinter mir vor.<br />
Ich drehte mich zu ihm um, und er grinste<br />
mich unverschämt an.<br />
„Männer sind Schweine“, sagte die Frau.<br />
„Du bist nicht gefragt“, sagte ihr Ehemann.<br />
„Und außerdem geht es dich überhaupt<br />
nichts an.“<br />
Die Frau saß auf dem Schoß ihres Mannes<br />
und schwieg nun beleidigt.<br />
„Was ist los?“ fragte Christine.<br />
„Ich werde dich später anrufen“, schlug ich<br />
vor.<br />
„Was soll das?“ erwiderte Christine. „Du redest<br />
doch mit mir. Also können wir das auch<br />
sofort klären.“<br />
„Aber...“<br />
„Nichts aber!“ sagte mein Nachbar. „Sage<br />
ihr, dass du Blumen kaufen wirst!“<br />
„Christine?“ begann ich wieder und nahm<br />
das Handy vom Ohr.<br />
„Was ist?“ fragte mein Nachbar und stieß<br />
mich an.<br />
„Vielleicht braucht ihn aber heute seine<br />
Frau“, gab einer aus der letzten Reihe zu bedenken.
„Stimmt das?“ wollte mein Nachbar wissen.<br />
Ich nickte schuldbewusst.<br />
„Alle Männer sind Schweine“, sagte die Frau.<br />
Diesmal schwieg ihr Mann betreten.<br />
„Sage der Christine, dass du gleich mit Blumen<br />
erscheinen wirst“, forderte mein Nachbar.<br />
„Und deine Frau rufen wir an und sagen ihr,<br />
dass du leider länger arbeiten musst“, meinte<br />
ein weiterer Mann hinter mir und lachte<br />
anzüglich.<br />
Ich nahm das Handy wieder ans Ohr.<br />
„Christine, bist du noch da?“<br />
„Ich warte auf eine Erklärung“, sagte Christine.<br />
„Was machst du eigentlich?“<br />
„Ich werde dich besuchen“, murmelte ich.<br />
„Wann?“<br />
„Jetzt gleich.“<br />
„Vergiss die Blumen nicht!“ sagte mein Nachbar.<br />
„Mit wem redest du andauernd?“ fragte<br />
Christine.<br />
„Mit keinem. Aber die Bahn ist voll.“<br />
„Und was soll das?“ antwortete Christine<br />
ungehalten.<br />
„Denk bloß an die Blumen!“ sagte mein<br />
Nachbar.<br />
„Christine, ich werde Blumen kaufen und sofort<br />
bei dir erscheinen. Dann können wir in<br />
aller Ruhe darüber reden.“<br />
„Die Blumen gehören in den Müll“, sagte die<br />
Frau entrüstet.<br />
„Ich will keine Blumen“, sagte Christine. „Ich<br />
will, dass du endlich mit deiner Frau über<br />
unser Verhältnis redest.“<br />
„Was ist?“ fragte mein Nachbar.<br />
„Sie will keine Blumen“, sagte ich.<br />
„Das meint die nicht so“, zweifelte einer hinter<br />
mir.<br />
„Wenn du nicht mit deiner Frau redest“, sagte<br />
Christine, „dann werde ich das machen.“<br />
„Nein!“ schrie ich entsetzt. „Mach das bitte<br />
nicht!“<br />
„Was soll sie nicht machen?“ wollte mein<br />
Nachbar wissen.<br />
„Mit meiner Frau reden“, sagte ich kleinlaut.<br />
„Diese Weiber!“ warf jemand verächtlich aus<br />
der hinteren Reihe ein.<br />
„Geschieht ihm ganz recht“, triumphierte<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 33<br />
die Frau auf dem Schoß ihres Mannes. „Alle<br />
Männer...“<br />
„Ja, ja. Männer sind Ferkel“, unterbrach sie<br />
ihr Mann. „Wir wissen es nun alle. Du hast<br />
es oft genug gesagt.“<br />
„Du musst natürlich sofort zu ihr“, sagte<br />
mein Nachbar.<br />
Ich nickte ergeben.<br />
„Sage ihr, dass du kommen wirst!“<br />
„Und seine Frau?“ warf einer aus der letzten<br />
Reihe ein.<br />
„Ach ja!“ sagte mein Nachbar. „Was machen<br />
wir mit seiner Frau?“<br />
„Ruf sie an“, schlug einer hinter mir vor.<br />
Ich schüttelte den Kopf.<br />
„Christine, bist du noch in der Leitung?“<br />
Endlich ihre Stimme:<br />
„Was ist eigentlich los?“<br />
„Ich sagte doch, dass ich in einem vollbesetzten<br />
Zug stehe und...“<br />
„Du willst mir sagen, dass alle im Zug unser<br />
Gespräch hören können?“<br />
„Ich weiß es wirklich nicht.“<br />
„Spinnst du!?“ sagte Christine und warf den<br />
Hörer auf die Gabel.<br />
Ich nahm das Handy wieder vom Ohr.<br />
„Was ist nun schon wieder los?“ wollte mein<br />
Nachbar wissen.<br />
„Eingehängt“, sagte ich.<br />
„Na endlich“, sagte die Frau.<br />
„Dumm gelaufen“, kommentierte der Mann<br />
in der letzten Reihe.<br />
„Wer wird denn gleich aufgeben“, brummte<br />
mein Nachbar.<br />
Ich schwieg.<br />
„Ruf deine Frau an und sage ihr, dass du<br />
später kommen wirst!“<br />
„Ich weiß nicht...“<br />
„Wie heißt deine Frau?“<br />
„Eva.“<br />
„Also gut, rufen wir deine Eva an.“<br />
„Siehst du? Männer sind Schweine“, wiederholte<br />
die Frau wieder. „Schweine und ausgekochte<br />
Schufte.“<br />
Endlich hielt der Zug.<br />
„Was ist?“ sagte mein Nachbar und tippte<br />
auf mein Handy.<br />
„Ich muss aussteigen“, sagte ich erleichtert<br />
und drängte zur Tür.
„Ruf die Eva an und kaufe Blumen für die<br />
Christine! Das zieht immer“, riet mir mein<br />
Nachbar zum Abschied.<br />
Ich nickte beiläufig, trat auf den Bahnsteig und<br />
schaute lange mit gemischten Gefühlen der abfahrenden<br />
S-Bahn nach.<br />
Wieder dieses verdammte und eindringliche<br />
Signal. Ich fischte mein Handy aus der Hosentasche.<br />
„Hallo?“ sagte ich.<br />
Es war Eva.<br />
„Wo bleibst du?“ fragte sie verärgert.<br />
Ich schaute mich verstohlen um. Einige Reisende,<br />
die auf dem Bahnsteig standen, horchten<br />
neugierig auf und sahen mich erwartungsvoll<br />
an.<br />
„Ich bin gerade auf dem Bahnsteig“, sagte ich.<br />
„Und wieder sehr spät“, stellte Eva fest.<br />
„Ich musste länger arbeiten.“<br />
„Wer es glaubt.“<br />
„Was soll das heißen?“<br />
„Vielleicht bis du ja gar nicht auf dem Bahnsteig.“<br />
„Aber Eva!“<br />
„Vielleicht hast du eine Geliebte.“<br />
„Ich habe keine Geliebte.“<br />
Ein junger Mann in Arbeitskleidung trat näher.<br />
„Kann ich helfen?“ fragte er. „Nein!“ sagte ich<br />
genervt. „Lass mir meine Ruhe!“<br />
„Das könnte dir gefallen“, sagte Eva böse.<br />
„Eva, bitte...“<br />
„Du musst Blumen kaufen!“ schlug der junge<br />
Mann vor.<br />
„Wem?“<br />
„Na, der Eva natürlich.“<br />
Ich drehte mich um.<br />
„Kauf ihr rote Rosen!“<br />
„Was?“<br />
„Das wirkt immer.“<br />
Ich wandte mich ab.<br />
„Eva? Bist du noch da?“<br />
„Und ob.“<br />
„Ich rufe dich zurück.“<br />
„Schade“, meinte der junge Mann enttäuscht.<br />
Ich verließ den Bahnsteig. Eine ältere Frau saß<br />
auf ihrem Koffer und blickte mich strafend an.<br />
„Pfui!“ sagte sie leise.<br />
Endlich in der Bahnhofshalle. Wieder dieses<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 34<br />
scheußliche Signal.<br />
„Oh nein!“ stöhnte ich.<br />
Es war Christine.<br />
„Du erbärmlicher Schuft!“<br />
„Christine...“<br />
„Wo treibst du dich noch herum?“ wollte sie<br />
wissen.<br />
„Im Bahnhof.“<br />
Ich blickte verstohlen die umstehenden Reisenden<br />
an. Alle schienen wieder einmal die<br />
Ohren aufzustellen.<br />
„Das glaube ich nicht“, meinte Christine ärgerlich.<br />
Ich verließ die Halle.<br />
„Christine?“ sagte ich auf dem Vorplatz.<br />
„Christine, bist du noch da?“<br />
Keine Antwort. Sie hatte offensichtlich wieder<br />
aufgelegt.<br />
Ich ließ das Handy in meine Aktentasche<br />
gleiten und ging zur Bushaltestelle hinüber.<br />
Nach kurzer Zeit war da wieder dieses<br />
widerliche Zirpen. Der Bus tauchte auf. Ich<br />
nahm das Handy aus der Tasche, warf es in<br />
den Abfallkorb und bestieg den Bus. Durch<br />
das Fenster sah ich, wie jemand das Handy<br />
aus dem Abfall fischte.<br />
Der Bus fuhr los. Es war mir scheißegal.<br />
Ich habe Blumen gekauft und bin nach Hause<br />
gegangen. Eva hat mir wieder einmal alles<br />
verziehen.<br />
Gestern fuhr ich mit der S-Bahn in die Stadt.<br />
Der Zug war brechend voll. Neben mir stand<br />
ein Typ, der mir bekannt vorkam. Er hatte ein<br />
Handy in der Tasche. Es zirpte geräuschvoll<br />
und unangenehm.<br />
„Hallo?“ sagte er.<br />
Im Wagen schauten alle interessiert hoch.<br />
„Nein, Christine!“ sagte er.<br />
Ich spitzte die Ohren. Eine seltsame Ahnung<br />
tauchte auf.<br />
„Das stimmt nicht“, sagte er. „Ich war nicht<br />
bei der Inge.“<br />
Er lauschte mit gerunzelter Stirn.<br />
„Wirklich nicht“, beteuerte er.<br />
„Wer ist Christine?“ fragte mein Nebenmann,<br />
offensichtlich ein Bekannter von ihm.<br />
Er verdeckte das Handy mit der Hand.<br />
„Meine neue Freundin.<br />
„Du hast eine neue Freundin?“
Er nickte begeistert:<br />
„Eine verrückte Geschichte.“<br />
„Wieso?“<br />
„Ich habe dieses Handy gefunden, als Christine<br />
gerade darauf anrief.“<br />
„Wo?“<br />
„An der Bushaltestelle vor dem Bahnhof.“<br />
„Unglaublich.“<br />
„Ist aber so.“<br />
„Und wer ist Inge?“<br />
„Meine Verlobte.“<br />
„Männer sind Verbrecher“, flüsterte eine<br />
junge Frau ihrer Freundin zu.<br />
Ich stieß den Mann mit dem Handy an.<br />
„Du musst Blumen kaufen!“ schlug ich vor.<br />
„Wem?“<br />
„Der Christine natürlich.“<br />
„Richtig“, sagte der Bekannte.<br />
„Christine, hörst du mich?“<br />
Er lauschte einige Zeit und verzog das Gesicht.<br />
„Ich komme“, sagte er.<br />
„Denk an die Blumen!“ sagte ich.<br />
„Sehr gut“, sagte der Bekannte. „Und die<br />
Inge rufen wir an und sagen ihr, dass du<br />
heute Überstunden machen musst.“<br />
„Männer sind Schweine“, stellte die junge<br />
Frau bekümmert fest.<br />
„Vergiss die Blumen nicht!“ sagte ich.<br />
Der Zug hielt. Ich stieg aus. Auf dem Bahnsteig<br />
schaute ich noch einmal in den Wagen.<br />
Der Mann nahm gerade das Handy vom<br />
Ohr und sah seinen Bekannten unsicher und<br />
fragend an.<br />
Ich hätte schwören können, dass es der Typ<br />
war, der damals mein Handy aus dem Abfallkorb<br />
gefischt hatte.<br />
Ich ging in den Bahnhof und grinste schadenfroh.<br />
Geschah ihm ganz recht, diesem<br />
hirnlosen Vollidioten!<br />
prosa<br />
Klaus Mühlen<br />
na c h t s c h at t e n<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 35<br />
Er drehte sich um.<br />
„Pitsch – Patsch“.<br />
Ununterbrochen. Und dazu, Regen, Wasser<br />
in Unmengen fielen herab, es regnete und<br />
regnete. Er schaute auf die Uhr, als ob sie<br />
mit dem Regen etwas zu tun hätte. Nur eines<br />
war ihm in diesem Moment klar: Die Uhr,<br />
wasserdicht, hatte in diesem Moment nichts<br />
gemeinsam mit seinen Schuhen. In diesen<br />
suchte sich das Wasser von vorne nach hinten<br />
unaufhaltsam einen Weg. Gummistiefel<br />
wären besser gewesen. Auch seine Kleider<br />
wurden vom Regen nicht verschont. Einen<br />
Schirm! Aber erst einmal einen haben. Und<br />
außerdem war ihm so ein Ding viel zu umständlich:<br />
Mit sich herum tragen, dann darauf<br />
achten, ja nicht liegen lassen. Viele hatte<br />
er schon liegen lassen.<br />
Und wieder dieses Pitsch – Patsch. Als ob jemand<br />
nur in den überall vorhandenen Pfützen,<br />
ausgerechnet darin, springen würde. Im<br />
Licht der Straßenlaternen spiegelten sie sich<br />
wie silbernes Lackpapier.<br />
Immer nur für kurz schimmerte das Mondlicht<br />
zwischen den dunklen Wolken des<br />
Nachthimmels hervor. Sicherlich hatte auch<br />
er dieses Pitsch – Patsch gehört, und verkroch<br />
sich darauf hin hinter einer vorbeiziehenden<br />
Wolke. Dann wieder dieses Pitsch – Patsch.<br />
Unheimlich.<br />
Dann hatte es sich der Mond doch überlegt.<br />
Und er schob die schwarze Wolke wieder zur<br />
Seite.<br />
„Pitsch – Patsch“. Es erschreckte ihn immer<br />
mehr.<br />
Und im Licht des Mondes stand nun ein großer<br />
Schatten von der Straße reichend an der<br />
Hauswand hinauf. Größer als ein Pferd es<br />
sein konnte. Der Schatten blieb stehen, zitterte<br />
und wackelte nicht. Wie an die Wand gemalt,<br />
unbeweglich verankert.<br />
Verschwunden war auf einmal dieses Pitsch<br />
– Patsch. Eiskalt wurde ihm vom Hals bis zu<br />
den Füßen. So ein Kribbeln. Dabei bemerk
te er schon gar nicht mehr, dass es vielleicht<br />
auch nur die durchnässten Kleider sein<br />
konnten, die ihn frösteln ließen.<br />
Er machte einen Schritt rückwärts. Stolperte<br />
und setzte sich, ausgerechnet in einer der<br />
großen Pfützen. Als hätte der Schatten an<br />
der Hauswand darauf gewartet. Er bewegte<br />
sich, kroch lautlos heran. Direkt auf ihn<br />
zu, umklammerte ihn, deckte ihn zu. Ihm<br />
wurde noch kälter. Mitten in dem Schatten<br />
lag er nun. Wenn nur nicht die Füße so<br />
schwer wären, dachte er und schloss die<br />
Augen. Nur nicht hinsehen wollte er. Dann<br />
spürte er Wärme, ein Hauch davon, der sein<br />
Gesicht schon fast streichelte. Ein Atem,<br />
der schnell ein- und ausgeatmet wurde.<br />
Als mutig galt unser Mann nicht. In diesem<br />
Zustand erst recht nicht.<br />
Der Kopf brummte, der Magen knurrte, fast<br />
übel war ihm. Und jetzt die Augen öffnen?<br />
Nein, dachte er. Noch nicht, erst überlegen,<br />
langsam denken. Erst einmal abwarten, was<br />
noch kommt.<br />
Und dann wieder dieses Pitsch – Patsch.<br />
Um ihn herum. Neugier war es dann doch<br />
schon. Er öffnete erst das linke Auge und<br />
langsam das rechte.<br />
Zwei im Laternenlicht leuchtende Augen<br />
blickten ihn an. Eine Nase beschnupperte<br />
ihn. Und dann spürte er wieder diese Wärme,<br />
aber anders als vorher. Zutraulich! Oder<br />
war es Mitleid mit ihm? Auch er war nass<br />
bis auf die Haut. Und wenn er nicht gewusst<br />
hätte, dass er nicht lachen kann, hatte<br />
er doch das Gefühl, auch er lache. Er über<br />
ihn und der Vierbeiner über ihn. Zwei in<br />
der Nacht im Regen und pitsch patsch nass.<br />
Lange gingen sie danach nebeneinander<br />
her. Der Hund, als gehöre er zu ihm. Der<br />
Regen hörte nicht auf, es regnete und regnete<br />
unvermindert weiter.<br />
Er aber fühlte sich nicht mehr alleine in dieser<br />
Nacht. Pitsch – Patsch begleitete ihn.<br />
prosa<br />
Helga Thomas<br />
die gl o c k e n B l U m e<br />
o d e r m e i n e r s t e s ge B e t<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 36<br />
Als meine Großmutter fragte – es war eigentlich<br />
nur der Form nach eine Frage<br />
– „Na, du betest sicher nicht?“, spürte ich all<br />
die ablehnenden Gefühle in ihrer Stimme,<br />
die sie gegen meine Mutter hatte. Ich drückte<br />
mich ganz fest ins Bett und sagte mutig<br />
zu ihrem Gesicht, das über mir war, jeden<br />
Moment bereit, sich hrabzusenken und mir<br />
den unvermeidlichen Gutenachtkuss zu geben:<br />
„Natürlich bete ich“. Auch wenn sie es<br />
sich nicht anmerken ließ, sie war überrascht.<br />
Aber nun wollte sie mit mir beten und wollte<br />
wissen, welches denn mein Gebet sei.<br />
In meinem angstvollen Erschrecken kam<br />
mir aber eine Erinnerung zu Hilfe. Damals<br />
vor Jahren, als ich noch klein gewesen war<br />
und mit anderen Kindern im Krankenhaus<br />
weit weg von zu Hause gelegen hatte, hatten<br />
mich, d. h. uns, die beiden großen Mädchen<br />
nach unseren Gebeten gefragt. Sie hatten<br />
schon die Abende zuvor, wenn die Krankenschwester<br />
gute Nacht gesagt, das Licht<br />
gelöscht und die Notrufklingel über das Bett<br />
der Großen aufgehängt hatte, den Tag beendet<br />
mit: „Jetzt beten wir“. Ich hatte bis dahin<br />
nicht gewusst, was beten ist, aber ich hatte<br />
Bilder von schönen Frauen gesehen, die<br />
ihre Hände aneinander legten und ein Dach<br />
formten (wie bei dem hässlichen Fingerspiel<br />
„Petze, Petze ging in‘ Laden …“), das tat ich<br />
dann auch und ließ die Erinnerungsbilder<br />
des Tages an mir vorbeiziehen. Aber dazu<br />
brauchte es die Handhaltung nicht und ich<br />
wurde wieder wach. Beten musste noch etwas<br />
anderes sein. Die schönen Frauen lächelten,<br />
als ob sie jemand zuhörten und schauten<br />
dabei auf ihre Hände. Ich verfolgte nun den<br />
Tagesablauf vom Ende her, im Rhythmus<br />
des sanften Schaukelns, und lauschte, ob der<br />
Engel neben meinem Bett mir etwas zuflüsterte.<br />
Das war so anstrengend, dass ich müde<br />
wurde und einschlief, bevor ich beim Mor
gen angelangt war. Reihum, in der Reihenfolge<br />
der Betten, sagten wir unsere Gebete auf.<br />
Die Kleinste, noch im Gitterbettchen, die bald<br />
ein Engelchen sein würde, sagte ihres lustig,<br />
noch ganz in kindlicher Sprache:<br />
Ich bin klein, mein Herz ist rein,<br />
soll niemand drin wohnen<br />
als Mama und Papa allein.<br />
Das Gebet gefiel mir nicht, ich konnte mir<br />
nicht mein Herz als Puppenstube vorstellen<br />
und warum Mama und Papa allein, warum<br />
nicht die Großmütter und Großväter? Das<br />
Mädchen, das wohl so alt war wie ich und<br />
rechts neben meinem Bett lag, sagte etwas von<br />
wachenden Engeln und zum Schluss sprach<br />
es von seinem Vater, der in der Fremde beschützt<br />
werden sollte und dessen Heimkehr<br />
es erwünschte.<br />
Dann war ich an der Reihe. Was sollte ich sagen?<br />
Ich wusste nicht, dass zum Beten nicht<br />
nur Bilder gehören, sondern auch Worte! Ich<br />
hatte an diesem Tag beim Spaziergang (ich<br />
durfte zum ersten Mal auch raus in den Wald<br />
und die Berge) Glockenblumen gesehen und<br />
sie hatten eine Flut von wunderbaren Gefühlen<br />
in mir ausgelöst. Sie sahen aus wie die betenden<br />
Frauen, ganz still lauschten sie auf ihren Glockenklang:<br />
Die Glockenblumen läuten<br />
und das Gebet beginnt.<br />
Die Mädchen fanden es wunderschön, aber<br />
wollten wissen, wie es weitergeht. Ich meinte,<br />
das wisse ich nicht, es doch immer anders,<br />
je nachdem wie der Tag gewesen sei. Was beteten<br />
die beiden Großen? Das gleiche Gebet:<br />
Breit aus die Flügel beide …<br />
Es gefiel mir und ich verstand, dass sie sich<br />
zuflüsterten, ihr Gebet sei das Schönste.<br />
Das erlebte ich alles auf einen Blick, als dasGesicht<br />
meiner Großmutter wartend über mir<br />
schwebte. „Breit aus der Flügel beide“. Sie<br />
freute sich, aber wartete und sagte dann weiter,<br />
als ob sie mir vorsage: „und nimm Dein<br />
Küchlein ein“… So ging es Zeile für Zeile.<br />
Ich hörte später, nachdem sie mich lieb geküsst<br />
hatte, wie sie meinte: „War das Kind<br />
aufgeregt, es hatte vor Aufregung alles vergessen“.<br />
Ich schlief schlecht diese Nacht nach meinem<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 37<br />
neuen Gebet, denn ich versuchte, es nicht<br />
mehr zu vergessen, denn morgen könnte ich<br />
doch nicht schon wieder aufgeregt sein.<br />
aus „Geschichten (m)einer Kindheit“<br />
<strong>Denis</strong> <strong>Gustavus</strong><br />
Als ich noch klein war<br />
Als ich noch klein war, da war mein<br />
Berlin auch noch sehr klein und die<br />
großen Menschen schimpften oft, weil in<br />
den Geschäften so wenig Auswahl in den<br />
Regalen rum lag und das Meiste ja sowieso<br />
nie da war. Es gab auch nicht so viele unterschiedliche<br />
Kaufhallen mit so bunten Reklamelichtern<br />
und lauter Werbeplakaten überall.<br />
Aber wenn meine Tante und mein Onkel<br />
mit ihrem lustig knatternden, orang’en VW-<br />
Käfer kamen, dann hatten sie immer ganz<br />
viel abenteuerliches Obst, merkwürdigen<br />
Käse und lauter bunte Kaugummis dabei.<br />
Kugelrunde bubblegums, die aussahen wie<br />
Spielmurmeln, ganz platte, mit Leiterstufen<br />
dran und auch rechteckige und alle in<br />
ganz vielen Geschmäckern. Und dann gab<br />
es auch immer jede Menge Schokolade in<br />
ganz anderen Farben als nur in Braun. Und<br />
Ahoibrausepulver. Das war komisch, weil<br />
das tanzte immer auf der Zunge herum und<br />
knallte so laut im Mund, dass ich mich jedes<br />
Mal erschrocken habe.<br />
Tante Moni und Onkel Hansi waren aber<br />
nicht die Einzigen mit so was, der Weihnachtsmann<br />
hatte auch ganz viel solche<br />
tollen Leckereien.<br />
Als ich noch klein war, da gab es Zeitabstände,<br />
die bis Weihnachten Äonen vergehen lassen<br />
wollten und noch viel länger waren da<br />
immer noch die duftenden Tannennadeln<br />
zu finden, die sich zwischen den quietschenden<br />
und knarrenden Dielen versteckt hatten.<br />
Einmal hab ich im Kinderzimmer mein bunt
emaltes Indianerzelt aufgebaut und dazu<br />
Papas Nägel in die Dielen geschlagen. Dabei<br />
sind die Nadeln dann in die Luft gehüpft.<br />
Papa auch.<br />
Als ich noch klein war, ächzte und spuckte<br />
der Wasserhahn immer erst braunes Wasser<br />
aus, bevor sich ein klarer Wasserstrom bildete.<br />
Und wenn Papa wieder zulange geduscht<br />
hatte, gab es für Stunden kein warmes Wasser<br />
und der Boiler rumpelte dann andauernd<br />
ganz laut. Ich fand das unheimlich. Aber dafür<br />
hatten wir eine eigene Toilette und brauchten<br />
nicht extra auf die halbe Treppe oder auf den<br />
Hof zu laufen. Mama war trotzdem oft ganz<br />
verzweifelt im Winter, denn es gab zu wenig<br />
Kohlen und nur der Ofen im Wohnzimmer<br />
wärmte wirklich gut. Einmal, als meine Eltern<br />
meinen Bruder und mich ausgehschick<br />
angezogen hatten, da ging sich Mama noch<br />
im Bad schminken. Sie war dann immer so in<br />
Eile, also dachte ich mir mit meinem Bruder<br />
aus, wie wir ihr helfen konnten. Wir haben<br />
uns gegenseitig reichhaltig mit Florena eingecremt<br />
und dann das Rußpuder aus dem<br />
Ofen geholt. Das war ein Spaß, überall waren<br />
unsere Fußtapsen zu sehen, aber wir nicht,<br />
wegen der riesigen Aschewolke im Zimmer.<br />
Mein Onkel Berni hat als erstes laut losgebrüllt<br />
vor Lachen. Mama und Papa brauchten<br />
erst eine Stotterpause, aber am Ende hatten<br />
wir alle Bauchweh vom Gejauchze.<br />
Als ich noch klein war, da waren die Fenster<br />
auf der einen Seite in unserem Haus zugemauert<br />
und eine große, graue Mauer ging<br />
mitten durch unser Haus über die Elsenstraße<br />
in das nächste Wohnhaus hinein. Aber<br />
auf die andere Mauerseite, da durfte man<br />
nicht hin. Außer wenn man Oma und Opa<br />
war. Vom Dachboden aus konnte ich dahin<br />
gucken, jedoch machte mir das immer so ein<br />
komisches beklemmendes Gefühl im Bauch<br />
und irgendwie wurde ich traurig davon. Da<br />
liefen Menschen rum, die genauso aussahen<br />
wie alle anderen auch, gar nicht weit, doch<br />
ich konnte ihnen nie Guten Tag sagen oder<br />
mit den Kindern spielen. Dabei hatten wir<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 38<br />
doch blinde kleine Kätzchen auf dem Hof,<br />
die hätte ich ihnen so gerne gezeigt.<br />
Als ich noch klein war, habe ich gerne auf dem<br />
Hof gespielt und mit meinem Bruder zusammen<br />
mit dicken Stöcken in dunkle Schlammpfützen<br />
geschlagen. Einmal haben mir große<br />
Kinder vom Hof das Blaulicht von meinem<br />
geliebten Feuerwehrauto abgebrochen. Weinend<br />
bin ich zu meinem Bruder hineingelaufen<br />
und hab ihm mein kaputtes Lieblingsauto<br />
hingehalten. Da ist er dann rausgeeilt und<br />
noch bevor mein Papa eingreifen konnte, hatte<br />
er alle Jungs auf dem Hof verkloppt, weil<br />
er wusste ja nicht, wer es gewesen ist und da<br />
hat er eben alle verkloppt.<br />
Als ich noch klein war, konnte ich immer auf<br />
der Straße Fußball spielen, weil Autos gab<br />
es ja nicht viele und bei uns war ja sowieso<br />
überall Sackgasse. Wenn dann aber doch mal<br />
ein Auto vorbei kam, dann hielt das einfach<br />
an. Und dann bin ich also kurz zur Seite gegangen<br />
und da konnte ich dann immer noch<br />
ganz lange die süße Luft vom Auspuff riechen.<br />
Papa hatte mal einen kugelrunden, schwarzen<br />
Wolga ausgeliehen bekommen, mit blauer<br />
Scheibe über dem Tacho. Da glitzerte die<br />
Sonne drin. In den Wolga konnte ich aber<br />
nicht alleine einsteigen, weil die Stufe einfach<br />
viel zu hoch war. Aber die übergroße<br />
Sitzbank war superweich, ganz rutschig und<br />
roch nach Lakritze. Meine Füße baumelten<br />
da immer an der Sitzkante und ich konnte<br />
die Häuserdächer, die Baumspitzen und die<br />
Wolken am Himmel sehen.<br />
Als ich noch klein war, hatten die Briefkästen<br />
nur einen Schlitz und wenn die Straßenbahn<br />
um die Ecke kam, dann kreischte die jedes<br />
Mal ganz schrecklich laut. Die Bänke darin<br />
waren aus lackiertem Holz und die Fahrkarte<br />
konnte ich ohne zu bezahlen, einfach so vom<br />
Rollenautomat abziehen, aber ich hab mich<br />
nicht getraut. An der Tür zu stehen, mochte<br />
ich nicht besonders, denn die ging manchmal<br />
während der Fahrt einfach auf, und das war<br />
mir dann nicht so ganz geheuer.
Als ich noch klein war, hatte ich andauernd<br />
Angst, groß zu werden, denn mein Papa<br />
hatte mir erzählt, die großen Menschen<br />
sterben irgendwann. Meist wenn sie Oma<br />
und Opa sind und Oma starb ja dann auch<br />
irgendwann. Da hab ich dann beschlossen,<br />
einfach nicht mehr zu wachsen und viel<br />
gewachsen bin ich ja dann auch wirklich<br />
nicht.<br />
Als ich noch klein war, mochte ich die großen<br />
Menschen nicht besonders, weil manche<br />
waren sehr zornig und haben mich am Ohr<br />
gezogen oder mit mir geschimpft, wenn<br />
ich wieder zu laut war. Und die grimmigen<br />
Polizisten in unserer Gegend konnten sich<br />
einfach nicht merken, dass wir da wohnten<br />
und stellten Mama und Papa immer wieder<br />
die gleichen Fragen. Die waren auch so eine<br />
Art Eltern, weil die wollten auch immer<br />
wissen, wo wir hin wollen und warum und<br />
ob Mama und Papa auch alle Papiere dabei<br />
hatten und so. Ich hab ihnen dann auch<br />
Papiere bemalt, die wollten die aber nicht,<br />
obwohl meine viel schöner waren. Polizist<br />
wollte ich nicht werden. Erst ja, aber die<br />
waren ja immer so unfreundlich.<br />
Als ich noch klein war, war oft Stromausfall<br />
und dann haben Mama und Papa manchmal<br />
gekichert und ich musste ins Bett.<br />
Als ich noch klein war, hatten wir zu<br />
Hause einen Schwarzweißfernseher mit<br />
dunkelbraunem Holz drum herum und da<br />
hab ich dann immer Trickfilme geguckt. Am<br />
liebsten Grisu, der kleine Drachen, der doch<br />
so gerne Feuerwehrmann werden wollte,<br />
obwohl er so anders war als alle anderen<br />
und sein Papa ihm immer sagte, dass das<br />
nicht geht, weil er ist doch ein Drachen und<br />
da muss er Feuer spucken und deshalb kann<br />
er doch kein Feuerwehrdrachen werden.<br />
Grisu wurde trotzdem Feuerwehrmann und<br />
hatte sich an diesem Tag riesig gefreut. Er<br />
bekam einen Helm und eine Uniform und<br />
er musste versprechen, von nun an allen<br />
Menschen und Tieren immer noch mehr zu<br />
helfen. Und da wollte ich dann doch groß<br />
werden.<br />
Ich wollte Feuerwehrmann werden.<br />
Berlin, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 39
Walter Ehrismann<br />
mise e n Pl a c e<br />
oder Mayas Bankett und die Ehre des Kellners<br />
er Fürst war zu welterfahren, um an<br />
D einem Ort im Landesinnern sizilianischen<br />
Gästen mit einem Essen aufzuwarten,<br />
das mit einer potage begann, und er verstieß<br />
umso leichter gegen die Regeln der haute cuisine,<br />
als diese Sitte auch ihm nicht zusagte.<br />
Doch die Kunde dieses barbarischen ausländischen<br />
Brauchs, eine fade Brühe als ersten<br />
Gang aufzutragen, war allzu hartnäckig bis<br />
zu Donnafugatas Prominenz vorgedrungen,<br />
so dass zu Beginn dieser feierlichen Essen<br />
sich in jedem seiner Gäste ein Rest Bangigkeit<br />
regte. Als nun drei Diener in Grün, Gold<br />
und gepuderter Perücke hereinkamen, jeder<br />
eine riesige Silberplatte mit einer ragenden<br />
Makkaroni-Timbale tragend, enthielten sich<br />
nur vier von zwanzig Personen entzückter<br />
Überraschungsbekundungen: der Fürst und<br />
die Fürstin, weil sie Bescheid wussten, Angelica<br />
aus Geziertheit und Concetta aus Mangel<br />
an Appetit.»<br />
Der Gattopardo, Giuseppe Tomasi di Lampedusa<br />
Dieser kurze Textausschnitt spiegelt die<br />
festgefügte Ordnung einer längst vergangenen<br />
Zeit - das Fürstenpaar als Gastgeber, die<br />
Familienangehörigen, die Gästeschar und die<br />
Diener. Auch das Küchenpersonal ist durch<br />
die Beschreibung der aufgetragenen Speisen<br />
anwesend, unsichtbar und stumm. Jeder ist<br />
da, wo ihn das Leben hingestellt hat. Das Ergreifendste<br />
daran ist die Unbedingtheit, mit<br />
der alles seinen klar geregelten Lauf nimmt<br />
und seine Richtigkeit hat. Die Dinge sind an<br />
ihrem Platz, die Menschen verstehen sich als<br />
Teil des großen Welttheaters, wo die Rollen<br />
von Anfang an verteilt sind und von niemandem<br />
in Frage gestellt werden. Nur ganz leise<br />
klopft der Fürst, dank seines abgeklärten<br />
Wissens um die Brüchigkeit alles Gefügten,<br />
an die verborgenen Tapetentüren.<br />
Zwischen Küche und Tischgesellschaft<br />
nimmt der Diener, oder eben der Kellner,<br />
essay<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 40<br />
die Rolle des «go between» ein - er ist die<br />
Person des Abends, von der vieles abhängt:<br />
Seine Art, gleichzeitig anwesend zu sein und<br />
doch in den Augen der Gäste unwichtig zu<br />
erscheinen - auch das Wesen des in seinem<br />
Kern rituellen Vorgangs - beides veredelt<br />
den Genuss des Essens und Trinkens. Durch<br />
striktes Einhalten einer durch Tradition vorgegebenen<br />
Zeremonie hebt der Diener den<br />
Gast in den Rang des Fürsten: «Der Gast ist<br />
König!» Das Hereintragen und Vorzeigen<br />
der pièce de résistance gehört bereits zur kultischen<br />
Handlung und ist heute wieder in<br />
Mode. Nicht umsonst spricht man von «Esstempeln».<br />
Auch kein amuse bouche, kein<br />
entrée, das nicht von der beschwörenden<br />
Stimme des Kellners begleitet wird, der uns<br />
ins Geheimnis dieses plat einweiht und uns<br />
zu wissenden Komplizen macht, indem er<br />
uns scheinbar teilnehmen lässt an der création<br />
der Köstlichkeiten. Voilà le ragoût du Roi<br />
- Kellner, Diener sein! Ohne Gold-Livree und<br />
Perücke, aber in schwarzer Hose und weißer<br />
Jacke, vor dem Krieg noch im Cutaway, dem<br />
weißen Hemd mit gestärktem Kragen und<br />
der Fliege. So spielt der Kellner, versteckt, auf<br />
jene Zeit an, da der Fürst zu Tische lud. Lange<br />
Zeit war es deshalb in guten «Häusern»<br />
verpönt, dem Gast eine Bedienerin zuzumuten,<br />
denn das hatte immer den Beigeschmack<br />
des établissement, des demi-monde. Wenn<br />
ich aber, als Gast, nebenbei erwähnen kann:<br />
Wissen Sie, das ist mein Kellner, erhöht es<br />
meine Reputation und die Begleitung staunt,<br />
wenn ich beim Eintreten mit meinem Namen<br />
angesprochen werde. Es ist eine der Schönheiten<br />
dieses Berufs, so wie der Diener die<br />
Erhabenheit des Gastgebers verkörpert, des<br />
Fürstenhauses, des Fünfsternehotels, wenn<br />
der Kellner in seinem traditionellen habit<br />
dem Anwesenden, dem Eingeladenen, das<br />
Gefühl gibt, am dîner als an etwas Majestätischem<br />
teilzunehmen, was ungeübte Gäste in<br />
große Ängste stürzen kann und Befürchtungen<br />
auslöst, nicht richtig gekleidet zu sein,<br />
sich unangebracht zu benehmen oder gar das<br />
falsche Besteck zu ergreifen.<br />
Sein Kellner sein! Die Launen des Gastes<br />
glätten, als verschwiegener Mitwisser kleiner
Nöte den Abend mitzugestalten, als Katalysator<br />
der Freude zu wirken und den Gast<br />
darauf in die Nacht hinaus zu verabschieden,<br />
wohl versehen nicht gerade mit den<br />
heiligen Sterbesakramenten, dafür mit den<br />
Tröstungen eines gelungenen Essens, das<br />
in Magen und Geist jene Wärme ausbreitet,<br />
die Eros für jeden Empfänglichen bereit hält.<br />
Später im Office mit den andern der Brigade<br />
den Verlauf des Gastmahls kommentieren,<br />
einen Schluck nehmen, wenn Mitternacht<br />
längst vorbei ist. Abrechnen, das heißt, den<br />
tronc, das Trinkgeld teilen. Den nächsten Tag<br />
besprechen: morgen, wie immer zuerst die<br />
Mise en Place.<br />
Für das petit déjeuner sind andere zuständig,<br />
Frauen eben. Es ist unter unserer Würde.<br />
Wir sind ausgebildet, Hotelfachschule, in<br />
der Welt herum gekommen. Kennen Sie das<br />
Kulm? Nein? Das Savoy auch nicht und das<br />
Dorchester? Im Dorchester spielen Tommy<br />
Dorsey und Nat Gonella live, im Savoy Benny<br />
Goodman. Das allerdings war vor dem<br />
Krieg. Und Teddy Stauffer im Kulm - hier<br />
Kellner sein - Jahrzehnte vorbei! Was darauf<br />
folgte, war der lange Weg des Abstiegs eines<br />
Berufsstandes, «McDonaldisierung», durch<br />
Infrarot aufgewärmte Speisen, Steamer in der<br />
Küche, eine ganz andere Gastrophilosophie.<br />
Bei uns hat es mit Pragers Möven begonnen:<br />
Austern, Krevettencocktails, Champagnercüpli<br />
zu jeder Tageszeit und für jedermann.<br />
Diese zu kurz bemessenen Mahlzeiten! Auf<br />
den Tischchen waren anfangs vier Brötchen<br />
und die Ketchupflasche bereitgestellt, als Beigabe<br />
zum Lunch gedacht. Dann kamen ungeplant<br />
nachmittags die Alten und taten sich<br />
gütlich daran, stundenlang vor einer Tasse<br />
Kaffee oder Minztee sitzend. Und dieses Gerede<br />
an den schmalen Tischen! Den Gehstock<br />
auf den Boden gelegt, den Mantel über der<br />
Stuhllehne. Soll ich Ihnen beim Aufstehen<br />
helfen? Diese Rechnung konnte für niemanden<br />
mehr aufgehen, es war eine Entfremdung<br />
zwischen Gastgeber und ungeliebten, neuen<br />
Gästen. Dann wurde konsequenterweise das<br />
Trinkgeld abgeschafft und damit die Kultur<br />
des Dienens. Von jetzt an waren wir Lohnarbeiter<br />
und unser Beruf ein Job.<br />
essay<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 41<br />
Bereits mein Vater arbeitete im Service.<br />
Er begann seine Lehre zu einer Zeit, als der<br />
Beruf des Kellners noch Garantie war, die<br />
Welt zu sehen. Er mochte keine Jahresstelle.<br />
Mit Nachmittagstee, Stammtisch und Bierfröhlichkeit<br />
am Abend hatte er nichts zu<br />
schaffen. Das Gebaren der jungen Gäste, die<br />
heute die auf «cooles Design« getrimmten<br />
Gaststätten füllen, war ihm fremd. Er blieb<br />
eine Saison lang an einem Ort, dann ging er<br />
wieder. Überallhin. Sich immer wieder neu<br />
einfügend in das Ewiggleiche. Nach der Familiengründung<br />
wurde es allerdings schwieriger,<br />
sein Berufsethos zu halten. Enttäuscht<br />
brachte er die kupferne Flambierpfanne, die<br />
ihm gehörte, nach Hause. Sie wurde nicht<br />
mehr benötigt und endete im Keller. Einmal<br />
hatte er sie nochmals hervor genommen, für<br />
Crêpes Suzette zum Hochzeitstag, worauf<br />
der Küchenvorhang beim Flambieren Feuer<br />
fing. Früher, da hatte er sogar ein eigenes<br />
Gästebuch geführt. Alle großen Stationen<br />
seines Arbeitslebens waren darin verzeichnet.<br />
Es war die Welt! Und immer wieder Unterschriften,<br />
Widmungen berühmter Gäste:<br />
Könige, Filmstars, Minister, Bundesräte, der<br />
General. Die täglichen Begebenheiten seiner<br />
jungen Familie aber erfuhr er bald nur<br />
noch aus zweiter Hand. Am Morgen war der<br />
Nachwuchs in der Schule, nachmittags, während<br />
seiner Zimmerstunde, ebenfalls, und in<br />
der Nacht, wenn er heimkam, schlief alles. Es<br />
konnte drei Wochen dauern, bis ich meinen<br />
Vater kurz erblickte. Für mehr als ein paar<br />
Worte und Blicke reichte es dann nicht.<br />
Für ihn schien das Leben leicht. Was er<br />
verdiente, wussten wir nicht, vielleicht nicht<br />
einmal er selbst. Er lebte damals vom Tronc,<br />
das heißt, die Trinkgelder wurden nach einem<br />
vertraglich festgelegten Schlüssel an die<br />
Servicebrigade verteilt. Das war eine Rangordnung<br />
wie bei der Armee: Commis, Commis<br />
de Rang, Chef de Rang, Chef de Service,<br />
Chef de Restaurant, Maître d‘Hôtel - ich habe<br />
später als Quereinsteiger angefangen, mir<br />
eine Schürze umgebunden, den Chasseur<br />
gemacht mit der Voiture, den Gästen offeriert,<br />
was der Feinschmeckerwagen zu bieten<br />
hatte. An den Nachmittagen Sandwiches,
Pâtisserie und Tortenstücke, Papierservietten<br />
und Besteck in den Schublädchen, oben die<br />
Süßigkeiten unter der Cloche. Die voiture,<br />
das war mittags und abends. Friedrich Dürrenmatt<br />
erwähnt diesen kulinarischen Höhepunkt<br />
der Kronenhalle in einem seiner Kriminalromane.<br />
Zum ersten Mal sah ich Maya Riklis «Bankett»<br />
1999 in Zofingen, im Obergeschoss des<br />
alten Schützenhauses. Ein klassizistischer<br />
Fest- und Ballraum, spiegelndes Parkett. Der<br />
Raum beherbergte das verlassene Gelage, als<br />
Kunstereignis dargestellt. An zwei langen Tischen,<br />
unter drei erhabenen Kronleuchtern<br />
hatten, an weißem Linnen, imaginär, sechzig<br />
Leute gesessen, in angeregte Gespräche vertieft.<br />
Was sie dachten, sagten, gesagt hätten<br />
oder hätten sagen mögen, war in kleine und<br />
große Flaschen und Karaffen aus hellem reinem<br />
Glas eingraviert. Die Position der verschwundenen<br />
Gäste markierten Weingläser<br />
mit ihren Namen. Die damastenen Mundtücher,<br />
achtlos hingeworfen, betonten die<br />
Trostlosigkeit eines verlassenen Festes, wie<br />
es Luchino Visconti in seinen Filmwerken oft<br />
darstellte, u.a. in «Der Tod in Venedig».<br />
Man fühlte sich beim Betrachten aber eher<br />
an den alten Schwarz-Weiß-Film «Das letzte<br />
Ufer» erinnert: Nach einem vernichtenden<br />
Atomschlag gegen die USA erhält ein davongekommener<br />
U-Boot-Kapitän, von Gregory<br />
Peck gespielt, den finalen Auftrag, von<br />
Australien aus an die Küste Kaliforniens auszulaufen,<br />
wo geheimnisvolle Laute Überlebender<br />
registriert wurden, von irgendeinem<br />
Lauschprogramm aufgezeichnet. Freiwillige<br />
gehen in Schutzanzügen an Land, suchen<br />
und finden den Zeugen der untergegangenen<br />
Gesellschaft, einen Fensterflügel, sinnlos<br />
im Winde hin- und her schlagend und über<br />
einen intakten Morse-Apparat den fernen<br />
Lauschern suggerierend, es sei noch Leben<br />
vorhanden. Die Suchenden sind mit der Leere<br />
konfrontiert, die das Leben hinterlässt,<br />
wenn es abhanden gekommen ist. So nimmt<br />
der Kapitän wieder Kurs aufs offene Meer. Er<br />
und seine Mannschaft, desillusioniert, lassen<br />
auf hoher See das Boot bei geöffneten Schot-<br />
essay<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 42<br />
ten versinken.<br />
Beim Eintritt in den Saal ist die mise en<br />
place, die Tischordnung, noch erkenntlich,<br />
obwohl das Galadiner eigentlich vorbei ist<br />
und die Menschen gegangen sind. Deren Gedankenfragmente<br />
und Pseudodialoge schweben<br />
noch im Raum, über den Bankett-tischen.<br />
Die gebrauchten Servietten liegen achtlos,<br />
von der Künstlerin aber bewusst arrangiert,<br />
an den Plätzen. Essspuren, Lippenstiftreste<br />
und Speichelflecken sind durch silberne<br />
Kreuzstiche eingefasst und so verewigt worden.<br />
Die Einladungskarte zum Bankett wies<br />
ein Zitat aus «Der Gattopardo» Giuseppe Tomasi<br />
di Lampedusas auf, wobei der Text in<br />
der Schwebe ließ, ob mit der Einladung die<br />
Teilnahme an einem herrschaftlichen Bankett<br />
oder nur an der Zurschaustellung dieses<br />
Banketts gedacht war. Und die Besucher, die<br />
meisten von ihnen wohl wissend, dass sie als<br />
Mayas Freunde und Bekannte mit Serviette<br />
und eingeritzten Gesprächsfetzen dargestellt<br />
worden waren, strömten neugierig in den<br />
Saal, suchten, von Geisterhand getrieben, «ihren»<br />
Platz auf und erkannten, plötzlich doch<br />
überrascht, den eingravierten Namen im<br />
Glas und die Spuren auf den Mundtüchern,<br />
die sie vor Monaten hinterlassen hatten und<br />
die die Künstlerin in der Zwischenzeit durch<br />
ihre Bearbeitung veredelt hatte. Man schaute,<br />
wer neben einem gesessen hätte - man wollte<br />
ja wissen, mit wem man den imaginären<br />
Abend verbracht hätte, von der Künstlerin<br />
zu dieser Nachbarschaft genötigt. «Mit diesen<br />
zynischen Kommentaren kann ich gar<br />
nichts anfangen! Manchmal als Theoretiker,<br />
manchmal als Künstler..... Ja, auch Lyrik!<br />
Wieso unsichtbar?» Ich habe mich ebenfalls<br />
gefunden.<br />
«Tancredi bemühte sich, Galanterie und<br />
Gaumenfreude miteinander zu verbinden,<br />
und versuchte, entrückt, in der Würze der<br />
wohlschmeckenden Gabelvoll Makkaroni<br />
den Duft von Angelicas Küssen zu erahnen,<br />
doch er stellte enttäuscht fest, dass das Experiment<br />
unzulänglich war, und ließ es sein,<br />
behielt sich aber diese Träume für den Nachtisch<br />
vor; Don Fabrizio, obschon hingerissen
vom Anblick der ihm gegenüber sitzenden<br />
Angelica, stellte als einziger am Tisch fest,<br />
dass die demi-glace zu üppig war und nahm<br />
sich vor, morgen den Koch darauf hinzuweisen;<br />
die anderen aßen, gedankenverloren,<br />
und wussten nicht, dass das Essen ihnen so<br />
köstlich schmeckte, weil sich eine sinnliche<br />
Aura ins Haus eingeschlichen hatte.»<br />
Eros und Thanatos auch hier.... Ich bin hingerissen.<br />
Wie von einem Traum eingefangen.<br />
Gleichzeitig tauchen verborgen gebliebene<br />
Bilder auf. Bilder aus meiner Jugend. Da<br />
fehlt noch jemand! Genau: der Kellner. Ohne<br />
ihn, den Diener, lebt keine Gesellschaft. Auf<br />
dem blankpolierten Parkett ergäbe sich das<br />
Spurenbild all seiner Schritte und Pirouetten,<br />
Arbeitswege und Warteräume, wenn er auf<br />
den Tisch zu trat, die Karte reichte, die Bestellung<br />
aufnahm, eine Bewegung, fest und<br />
für sich allein. Die Kraft, alles genau zu tun.<br />
Die Zerlegung der Speisen auf dem guéridon,<br />
dem Anrichtetisch. Sein Ernst und sein<br />
Schweigen machten daraus etwas Würdevolles.<br />
Er schritt schneller, hüpfte und schwebte<br />
fast, seine Drehungen hatten etwas rhythmisch<br />
Anmutiges, er wandte sich um, nahm<br />
aus dem Unsichtbaren ein Ding, stellte es an<br />
seinen richtigen Platz, rückte hier an einem<br />
Besteck, gab Feuer, reichte den Wein, tischte<br />
auf, tischte ab ohne die Bewegung zu unterbrechen,<br />
als ob sie sich verselbständigt hätte,<br />
er schob den Stuhl zur Seite, half dem Gast<br />
sich zu erheben, brachte Hut und Mantel. Er<br />
blickte auf den Tisch, sah das gebrauchte Geschirr,<br />
das verschobene Besteck, das umgestürzte<br />
Glas, die beschmutzte Serviette. Das<br />
liegen gelassene Leben. Nicht dass er sich<br />
jetzt hingesetzt hätte, sich auszuruhen! Das<br />
Bankett war vorüber. Er war nicht geladen<br />
gewesen. Stattdessen würde er sich ans Abräumen<br />
machen, den Tisch wieder vorbereiten.<br />
Doch niemals hätte sich mein Vater, der<br />
Kellner, die Frage gestellt, ob er lebe um zu<br />
arbeiten, oder ob er arbeite um zu leben. Solche<br />
Sinnfragen standen ihm ferne, waren in<br />
seinen Augen philosophische Spitzfindigkeiten.<br />
Er nahm das Leben hin. «Jeder an seinem<br />
Ort!» pflegte er zu sagen. Mise en Place.<br />
essay<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 43<br />
Mit diesem Beitrag konnte Walter Ehrismann den 2. Preis (257<br />
Einsendungen europaweit) im Wettbewerb des Literaturhauses<br />
Basel zum Thema ‚Arbeiten wir, um zu leben - oder leben wir, um<br />
zu arbeiten‘ erreichen. Wir gratulieren!<br />
Hermann Wischnat<br />
ein k o m i s c h e s ge d i c h t?<br />
Was ist das Komische am komischen Gedicht?<br />
Ist es etwa das Humorvolle, das<br />
Satirische? Aber Vorsicht, wir sind im Begriff,<br />
der Frage mit weiteren Fragen zu begegnen.<br />
Komik ist, Lexiken folgend, der Wortbedeutung<br />
nach vom griechischen Komos, Festzug,<br />
abgeleitet. Sie hat heute die Bedeutungsbreite<br />
von erheiternd, kauzig über unbeholfen,<br />
lächerlich bis sonderbar, befremdend. Sie erzielt<br />
diese Wirkung durch Abweichung vom<br />
Normalen, vom Gewohnten. Komik kann<br />
gewollt erzeugt werden, sich aber auch ungewollt<br />
ergeben.<br />
Das Gewohnte läuft in Regeln ab. Das Ungewohnte<br />
überrascht und irritiert die Regelerwartungen.<br />
Der Komikrezipient erwartet<br />
solche Überraschungen und Erwartungstäuschungen,<br />
um seinen Spaß oder seine Freude<br />
daran zu haben. Und der Komiker ist der<br />
Darsteller der Überraschungen und Erwartungstäuschungen.<br />
In welchem Verhältnis zueinander stehen<br />
nun Komik und Gedicht? Zur Veranschaulichung<br />
wage ich einen praktischen Versuch:<br />
modern learning<br />
oder Die Sprache als Schule<br />
Unsere Schule<br />
ist eine coole,<br />
die, wie du weißt,<br />
stetig Anglizismen machen tut.<br />
Da ist sie gut.<br />
Das bringt uns Wellness<br />
mit größter Schnellness<br />
in unsre Schule.<br />
Solch eine Kuhle! 10
Signalisiert wird modernes Lernen in einer<br />
Schule. Bei genauerem Hinsehen ist als Schule<br />
die Sprache gemeint, die zur gespielten<br />
allgemeinen Zufriedenheit sehr zügig und<br />
nüchtern Anglizismen zeugt und vermittelt.<br />
Formal zeigt sich der Text als zweistrophiges<br />
Gedicht in Paarreimen, die Verse regelmäßig<br />
in daktylischem Auftakt (-vv-). Allerdings<br />
ist zwischen die beiden Strophen ein Einzelvers<br />
geschaltet, choriambisch (-vv-): „Da ist<br />
sie gut“. Und diese auffällige Zeile reimt sich<br />
mit dem vierten Vers („stetig Anglizismen<br />
machen tut“), der aus der Reimerwartung<br />
(auf „weißt“) herausfällt und als einziger<br />
metrisch als fünfhebiger Trochäus gefasst ist.<br />
Der dritte Vers, der Wissen signalisiert, steht<br />
unvermutet reimlos (und orientierungslos?)<br />
da. Und die beiden formalen Ausnahmeverse<br />
reimen sich unversehens auf „tut“ und<br />
„gut“.<br />
Zum Schluss schert der letzte Vers als einziger<br />
aus der Linksbündigkeit in Richtung<br />
Rechtsbündigkeit aus. Warum? - Er schließt<br />
als Lautgestalt den Rahmen zu den beiden<br />
Eingangsversen und vermittelt als Schlussaussage<br />
Nüchternheit und Souveränität, wie<br />
man das heutzutage von dem Anglizismus<br />
„cool“ erwartet. Jedoch über das Auge wahrgenommen,<br />
lenkt der Vers die Vorstellung in<br />
eine andere Richtung („Kuhle“). Oder nur<br />
ein Rechtschreibfehler? Das Schweben und<br />
die Mehrdeutigkeit zeigen sich überdies darin,<br />
dass die letzte Strophe alternativ auch in<br />
Jamben (v - v - v) gelesen werden kann.<br />
Wenn der Text ein komisches Gedicht sein<br />
will, stellen sich auf diesen Anspruch bezogene<br />
Fragen:<br />
Bringen Inhalt und Form Abweichungen<br />
vom Gewohnten? Ist die Spannung für heutiges<br />
Komikverständnis stark genug? Überraschen<br />
Gedankenlauf und Ergebnis hinreichend?<br />
Lacht beim Anglizismenthema heute<br />
überhaupt noch jemand? Weist das Komische<br />
hier in Richtung des Humors, der sich<br />
als ein heiteres Verstehen der Unvollkommenheiten<br />
unseres Lebens zeigt? Oder eher<br />
in Richtung Satire, die kritisch und verfremdend<br />
an ein Zeitthema herangeht, um es ge-<br />
essay<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 44<br />
zielt zum Besseren zu ändern? Oder weist<br />
hier die Komik gar in Richtung Groteske, die<br />
den aktualisierten Gegenstand als ausweglos<br />
verfahren und verloren ansieht?<br />
Je nach „Komiksozialisation“ 1 und Gedichtverständnis<br />
der Leserinnen und Leser dürfen<br />
unterschiedliche Reaktionen auf diesen Text<br />
und unterschiedliche Antworten auf diese<br />
Fragen erwartet werden.<br />
Wie breit die Komik als Humor und Satire<br />
heute verstanden wird, belegt beispielsweise<br />
Friedhelm Hamann an Beiträgen zum<br />
Wilhelm-Busch-Preis. Sie sind „grotesk, abgründig,<br />
makaber, anstößig, bissig und dann<br />
wieder ulkig, brav, bestätigend, sympathisch,<br />
leichtsinnig, verspielt. ... Was einem als hintergründiger<br />
Humor erscheint, hält der andere<br />
für eine Banalität.“ 2<br />
Nicht zu übergehen sind als allgemeine Aussagen<br />
Robert Gernhardts zehn Thesen zum<br />
komischen Gedicht. 3 Einige Stichworte seien<br />
genannt:<br />
Das komische Gedicht „zielt auf das Lachen<br />
ab“, erschöpft sich aber nicht darin. Es<br />
„braucht die Regel“ und „bedarf der Inspiration“.<br />
Es ist einerseits „zeitverfallen“, andererseits<br />
„haltbar“ und „ist der Königsweg<br />
zum Lachen“.<br />
Wenden wir uns einem zweiten Text zu.<br />
Zukunft 2<br />
Ein junger Hund ist leichter zu händeln<br />
als ein Kind.<br />
Er wächst schneller heran und gehorcht<br />
besser.<br />
Er muss zudem nicht aufs Gymnasium.<br />
Allerdings gibt es bis jetzt immer noch<br />
kein Welpengeld.<br />
Auch sollte man dem Tier zuliebe<br />
(Tierliebe)<br />
die Hundesteuer regelmäßig zahlen.<br />
Die Frage - Hund oder Kind - will also<br />
überlegt sein.<br />
Aber unter dem Strich kommt man<br />
mit einem xxnd - doch, doch -<br />
besser zurecht. 10
Die Aktualität des Themas kann niemand bestreiten<br />
(oder doch?).Ist es zeitgemäß gestaltet?<br />
Überzeugen formal die drei je fünfzeiligen<br />
freiversigen Strophen? Der Leserhythmus<br />
wird von Zeilenbrüchen bestimmt, sofern<br />
der Leser sich auf sie einlässt. Inhaltlich wird<br />
zunächst bei der Frage „Hund oder Kind“<br />
der Hund favorisiert. Fallen die Argumente<br />
aus dem Erwartungsrahmen? Nur scheinbar?<br />
Birgt die Entscheidung „xxnd - doch,<br />
doch -“ ein für Komik hinreichendes Überraschungsmoment?<br />
Ist der Text insgesamt<br />
verständlich? 4 Was soll in diesem Gedichttitel<br />
die „2“? Ist der Textinhalt überhaupt zum<br />
Lachen?<br />
Wirken der Ton, die Atmosphäre zu hart oder<br />
zu weich? Allgemein erwartet man heutzutage<br />
angeblich eine raue Gangart. Der Humor<br />
sollte „grotesk sein oder böse - am besten beides“,<br />
und das gerade bei der jungen Generation,<br />
bzw. für die junge Generation. 5 . (Strasser<br />
... ) Oder sollte Komik auch - oder gerade<br />
besonders - Freiraum für Freude schaffen,<br />
die über den spaßigen Augenblick hinausweist?<br />
6<br />
Ein drittes und letztes Beispiel:<br />
Abfälle<br />
Elläf ba<br />
Elläf ba<br />
Elläf ba<br />
ba! ba! ba!<br />
Elläf ba10<br />
Das Gedicht besteht aus einem Wort, mit<br />
dem lautlich durch die Umkehrung der Leserichtung,<br />
durch die Verselbständigung der<br />
Silbe „ab/ba“ und durch die Setzung dreier<br />
Rufzeichen gespielt wird. Ein Kindergedicht<br />
(?) und im übrigen methodisch nicht neu.<br />
Aber ergibt „Un-Sinniges“ hier nicht doch<br />
„Gegen-Sinniges“? 7 Stellen Sie sich vor, irgendwo<br />
(Familie, Büro?) heißt es bei Unaufgeräumtheiten<br />
augenzwinkernd: „Elläf ba“.<br />
Und es wird ohne Aufhebens(?) gehandelt.<br />
essay<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 45<br />
Bei aller Vielfalt des Erscheinungsbilds der<br />
Komik fußt sie im Grunde auf wenigen -<br />
freilich geschickt zu variierenden - Grundelementen,<br />
als da z. B. sind: „Das Spiel mit<br />
dem Tabuierten und dem Unbewussten, die<br />
überraschende Zusammenführung kontrastierender<br />
Ebenen, die Nichterfüllung einer<br />
zuvor gezielt aufgebauten Lesererwartung,<br />
die planvolle Einrichtung erzählerischer Lücken<br />
...“. 8 Zu beachten ist der thematisch unterschiedlich<br />
schnelle Wechsel von Komikmoden<br />
im Verbund mit Gewohnheiten und<br />
Erfahrungen. Denn nur aus gleichem Verstehen<br />
heraus können Menschen über das<br />
Gleiche lachen. - Das ist aber gleichmachend<br />
nicht einforderbar, glücklicherweise. Also:<br />
„Das Komische schlechthin gibt es gar nicht.<br />
Was der eine komisch findet, kommt dem<br />
anderen vielleicht gar nicht komisch vor ...“ 9<br />
Ja, wenn das so ist, sollte jeder von uns nun<br />
aber gerade mit eigenen Gedichten Komik<br />
probieren. Viel Erfolg und Freude!<br />
-------<br />
1) Gernhardt, Robert / Zehrer, Klaus Cäsar (Hg.): „Hell<br />
und schnell. 555 komische Gedichte aus 5 Jahrhunderten“,<br />
621 S., S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 4/2005<br />
(Erstaufl. 2004), hier: Zehrer, Klaus Cäsar, S.505<br />
2) Hamann, Friedhelm in Anthologie: Wilhelm-Busch-<br />
Preis für satirische und humoristische Versdichtung 2003,<br />
Geleitwort, S.3 (ISBN 3-00-011856-x)<br />
3) Gernhardt, Robert: Vgl. Anm. 1, S.11-14 und Frankfurter<br />
Allgemeine Zeitung: „Zur Heiterkeit bereit. Zehn<br />
Thesen zum komischen Gedicht“, Ausgabe v. 12.02.2004<br />
4) Wiesler, Andre: „Komisches Schreiben“, in „Federwelt,<br />
Zeitschrift für Autorinnen und Autoren“, Nr. 50, Febr./<br />
März 2005, S.21-25 - Wiesler bringt sieben Beispiele des<br />
Komischen unter den Vorzeichen „Komik muss verstanden<br />
werden“ und „Komik ist unerwartet“.<br />
5) Strasser, Hermann, Graf, Achim: „Schmidteinander ins<br />
21. Jahrhundert. Auf dem Weg in die Spaß- und Spottgesellschaft?“<br />
in: Beil. B 12/2000 zur Wochenztg. „Das<br />
Parlament“ S.11, Spalte 2<br />
6) Stecher, Reinhold: Das Geschenk der Weihnacht. Freiburg<br />
1991, S.53 - Stecher geht pointiert auf den Unterschied<br />
zwischen Spaß und Freude ein.<br />
7) Berdel, Dieter: „Scherzdichtung, Nonsenspoesie & Co.<br />
Kleine Auswahl humorvoller Lyrik“. In: „Lachen gefährdet<br />
die Gesundheit. Humoriges für Lesende und Schreibende“,<br />
Edition Doppelpunkt, Wien 2000, S.68 (Vgl.<br />
Anm. 9!)<br />
8) Zehrer, Klaus: Vgl. Anm. 1, hier S.506<br />
9) Topka, Rosina: „Wer lachen kann, hat mehr vom Leben
und der Literatur“. In: Lachen gefährdet die Gesundheit.<br />
Humoriges für Lesende und Schreibende, S.7-60, Edition<br />
Doppelpunkt, Wien 2000, S.20. (Vgl. Anm. 7!)<br />
10) Wischnat, Hermann: „modern learning“; „Zukunft 2“;<br />
„Abfälle“<br />
BÜCHERTISCH<br />
Theo Schmich, ‚lyrische ruhrgebietsbilder‘<br />
Gedichte und 7 Holzschnitte von Carmen<br />
Weber, Universitätsverlag DI.N. Brockmeyer,<br />
Bochum, 2008; ISBN 978-3-8196-0709-7,<br />
kart. 88 S., € 9,90<br />
Thomas Rackwitz, ‚in halle schläft der hund<br />
beim pinkeln ein‘, Gedichte FIXPOETRY Lesehefte<br />
Nr. 4, 2009, Verlag im Proberaum 3,<br />
Klingenberg, ISBN 978-3-94 1296-03-9;<br />
€ 6,90<br />
KLEINES FEUILLETON<br />
Claudio Magris erhält den Friedenspreis<br />
des deutschen Buchhandels<br />
Anlässlich der Buchmesse 2009 in Frankfurt<br />
wird der Friedenspreis des deutschen Buchhandels<br />
an den Italiener Claudio Magris verliehen.<br />
In der Begründung des Stiftungsrates<br />
heißt es, er hat sich „wie kaum ein anderer<br />
mit dem Problem des Zusammenlebens und<br />
Zusammenwirkens verschiedener Kulturen<br />
beschäftigt. In zahlreichen Werken erzählt er<br />
von der Vielfalt der Systeme und Sprachen<br />
Mitteleuropas, von Eigentümlichkeiten und<br />
Gegensätzen.“<br />
Claudio Magris wurde 1939 in Triest geboren,<br />
studierte Germanistik und Philosophie<br />
und arbeitet als Schriftsteller, Literaturwissenschaftler,<br />
Essayist und Kolumnist. Er<br />
wuchs in einem Grenzgebiet auf. So verwundert<br />
nicht sein späteres Sich Einsetzen für<br />
die Blickwinkel und Problemverflechtungen<br />
unterschiedlicher Kulturen. Bekannt wurde<br />
er mit dem Werk ‚Danubio’. Es handelt von<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 46<br />
einer literarischen Reise entlang der Donau,<br />
in deren Vordergrund die multikulturelle<br />
Vergangenheit dieses geschichtsträchtigen<br />
Umfeldes steht. Seine dort entworfene Vision<br />
eines von Stacheldraht und Mauer ungeteilten<br />
Mitteleuropas wurde schon wenige<br />
Jahre nach der Veröffentlichung Realität.<br />
Die Reaktionen auf die angekündigte Verleihung<br />
waren unterschiedlich. Während die<br />
‚Zeit’ schreibt, er ist ein ‚würdiger Preisträger’,<br />
äußert sich die FAZ etwas verhaltener.<br />
Magris selbst bleibt bescheiden. In seinem<br />
ersten Interview mit Holger Heimann (Börsenblatt)<br />
sagt er: ‚..vor allem gibt es eine große<br />
Dankbarkeit, und so ist es möglich, einen<br />
solchen Preis guten Gewissens anzunehmen<br />
– mit der Überzeugung, dass man ihn eigentlich<br />
mit vielen anderen teilen sollte’.<br />
Urheberrecht und Google<br />
Dass wir ein starkes Urheberrecht brauchen,<br />
haben die Erfahrungen mit den Internetmöglichkeiten<br />
gelehrt. Bereits seit dem 30. 8. 2006<br />
werden von Google digitalisierte Bücher ins<br />
Netz gestellt und können von jedermann<br />
eingesehen bzw. ausgedruckt werden. Zunächst<br />
handelte es sich nur um Bücher, deren<br />
Urheberrecht abgelaufen ist – das älteste<br />
Buch stammte von 1560. Mittlerweile geht es<br />
jedoch um eine ganz erhebliche Anzahl von<br />
Büchern, deren Urheberrecht noch besteht.<br />
Die Autoren erfuhren die Digitalisierung<br />
eher zufällig und wurden nicht verständigt.<br />
Die Zeit schreibt im April 2009 dazu: ‚Google<br />
digitalisiert das Wissen der Welt. Wer dagegen<br />
protestiert, gilt als Spielverderber.’<br />
Ministerin Zypries äußerte sich aufgebracht<br />
dazu im Mai in Berlin: ‚Der Schutz des geistigen<br />
Eigentums ist gerade für Deutschland<br />
so wichtig, weil kluge Ideen, Kreativität und<br />
Innovationen unsere wichtigste Ressource<br />
sind.’<br />
Auch wenn der Einspruchstermin, seine<br />
Bücher von Google digitalisieren zu lassen,<br />
vom Mai d. J. einstweilen auf den 4. September<br />
2009 verlegt wurde, ist nach wie vor<br />
erforderlich, dass AutorInnen Widerspruch
einlegen, andernfalls sind sie von einem Prozessvergleich<br />
mit Google betroffen, falls er<br />
im Oktober vom Bundesrichter in New York<br />
für wirksam erklärt wird. Demnach sollen<br />
Autoren, deren Bücher bereits digitalisiert<br />
wurden, mit etwa 60 Dollar pro Werk entschädigt<br />
werden.<br />
Die Mitgliederversammlung der VG Wort<br />
hat am 23. Mai 2009 beschlossen, ‚dass die<br />
VG Wort bestimmte Rechte aus dem Google-<br />
Settlement für Autoren und Verlage gemeinsam<br />
wahrnimmt. Der Beschluss ... sieht vor,<br />
dass die VG Wort die Vergütungsansprüche<br />
für die bis zum 5. Mai 2009 von Google digitalisierten<br />
Werke einzieht, gleichzeitig aber<br />
die in Deutschland erschienenen Werke aus<br />
dem Digitalisierungsprogramm von Google<br />
zurückzieht. Dies wiederum wurde mit der<br />
Möglichkeit verbunden, dass die VG Wort in<br />
Zukunft digitale Nutzungen von vergriffenen<br />
Werken – im Unterschied zu lieferbaren<br />
Werken lizenzieren kann, wenn die Rechteinhaber<br />
damit einverstanden sind.’<br />
Aktuelles dazu kann jeweils auf der Homepage<br />
von VG Wort nachgesehen werden.<br />
Autoren und Autorinnen werden gebeten,<br />
auf die aktuellen Nachrichten zum Urheberrecht<br />
betr. Google zu achten.<br />
Richard von Weizsäcker als ‚Förderer<br />
des Buches” geehrt<br />
In Anerkennung und Würdigung seiner herausragenden<br />
Verdienste für das Buch ehrte<br />
der Börsenverein des Deutschen Buchhandels<br />
Bundespräsident a. D. Dr. Richard von<br />
Weizsäcker durch die Verleihung der Auszeichnung<br />
‚Dem Förderer des Buches’.<br />
Aus der Urkunde: ‚In außergewöhnlicher<br />
Weise hat Richard von Weizsäcker die Entwicklung<br />
des Buches, des Börsenvereins,<br />
seiner Verleger und Buchhändler über Jahrzehnte<br />
hinweg begleitet. Den Friedenspreis<br />
des Deutschen Buchhandels hat er öffentlich<br />
gestärkt, in dem er als Laudator Octavio Paz<br />
und Friedrich Schorlemmer geehrt hat. Als<br />
Bundespräsident hat er die Schirmherrschaft<br />
für den Vorlesewettbewerb übernommen,<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 47<br />
der es Kindern möglich macht, durch Lesen<br />
einen leichteren Zugang zur Bildung zu finden.<br />
Wer sich wie er für das Buch einsetzt<br />
– ein Gut, das auf elementare Bedürfnisse<br />
des Menschen antwortet und das unter den<br />
Medien der gewaltloseste Vermittler ist und<br />
bleibt, dem ist der Wert des Wortes und des<br />
geistigen Eigentums wichtig.’<br />
Frankfurter Buchmesse<br />
Die traditionsreiche Buchmesse soll um weitere<br />
13 Jahre bis 2022 in Frankfurt stattfinden.<br />
Ihre Geschichte reicht bis ins 15. Jahrhundert<br />
zurück. 1949 lebte die neuzeitliche Tradition<br />
der Buchmesse in Frankfurt wieder auf,<br />
1951 zog sie aus dem Römer und der Paulskirche<br />
auf das Messegelände. Mit mehr als<br />
7.000 Ausstellern aus 100 Ländern und über<br />
299.000 internationalen Besuchern ist die<br />
Frankfurter Buchmesse die größte Buch-<br />
und Medienmesse der Welt. Ungezählte<br />
Veranstaltungen, Lesungen, Präsentationen<br />
etc. finden jährlich hier statt. In diesem Jahr<br />
ist die Buchmesse vom 14. bis 18. Oktober<br />
geöffnet. Ehrengast ist China.<br />
Hörbuchmarkt<br />
Anlässlich der ersten Jahrestagung der AK<br />
Hörbuchverlage am 17. Juni d. J. erfuhren<br />
wir von Argon-Geschäftsführer Henning<br />
Stumpp, dass der Hörbuchmarkt noch lange<br />
nicht satt ist.<br />
Mit dem passenden ‚Angebotsmix’ könne<br />
sich die Anzahl der Hörbuch-Nutzer bis 2015<br />
von 4 auf sicherlich 10 Millionen erhöhen.<br />
Der Hörbuchmarkt ist bis 2007 in einem rasanten<br />
Tempo angestiegen. Es werden immer<br />
mehr Audiobooks gekauft; der Umsatz<br />
ist laut dem Marktforschungsunternehmen<br />
GfK von 72 Millionen Euro im Jahr 2001 auf<br />
167,8 Millionen Euro im Jahr 2007 gestiegen.
GLOBArt Award 2009<br />
*Ernesto Cardenal wird mit dem „GLOBArt<br />
Award 2009“ ausgezeichnet.*<br />
Der nicaraguanische Priester-Dichter<br />
Ernesto Cardenal (84) wurde mit dem „GLO-<br />
BArt Award 2009 in Wien ausgezeichnet. Er<br />
erhielt diese Ehrung für sein engagiertes politisches<br />
Eintreten als ‚Befreiungstheologe’.<br />
Bis heute setzt er sich für die Armen und Unterdrückten<br />
in Nicaragua ein. Er gilt als einer<br />
der bedeutendsten Schriftsteller Lateinamerikas.<br />
Ernesto Cardenal wurde am 20. Januar 1925<br />
in Granada, Nicaragua, geboren und war unter<br />
der sandinistischen Regierung zwischen<br />
1979 und 1987 Kulturminister.<br />
Sein politisches Engagement brachte ihn immer<br />
wieder in Konflikt mit der Amtskirche.<br />
1980 erhielt er den Friedenspreis des deutschen<br />
Buchhandels - 1985 wurde er hingegen<br />
vom Vatikan wegen seiner politischen<br />
Tätigkeit von seinem Amt als katholischer<br />
Priester suspendiert. Er bemühte sich nie um<br />
eine Rückgängigmachung dieser kirchlichen<br />
Sanktionen. Sein dichterisches Werk war<br />
schon öfter für den Nobelpreis im Gespräch.<br />
GLOBArt zeichnet seit 1997 Persönlichkeiten<br />
für ihr zivilgesellschaftliches Engagement<br />
mit dem GLOBArt Award aus.<br />
Zu den Preisträgern zählen Yehudi Menuhin,<br />
Bischof Erwin Kräutler, Vaclav Havel und<br />
zuletzt 2007 Riccardo Muti.<br />
NEUE MITGLIEDER<br />
Irmentraud ter Veer, Den-Haag<br />
Theo Schmich, Essen<br />
<strong>Denis</strong> <strong>Gustavus</strong>, Berlin<br />
Irmentraud ter Veer<br />
Aus einem Bündel<br />
fällt das Gewicht<br />
sie werden leichter<br />
die Kleider<br />
AZ<br />
IGda<br />
Umrisse<br />
verlieren sich<br />
Raum gewinne ich<br />
Raum<br />
bis ich nur mehr<br />
Gebärde<br />
bin<br />
theo Schmich<br />
Das Rad<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 48<br />
An einem Punkt<br />
der Ewigkeit, wir, geflochten<br />
auf das Rad<br />
der Zeit,<br />
durch die wir rasen und mit ihr durch<br />
Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit –<br />
Rad der Zeit.<br />
Das Ziel?<br />
Durch Nebel, Sternendunst,<br />
in Universums Ferne.<br />
Irgendwo, Irgendwas.<br />
Oder nichts.<br />
Für nichts dies Rasen unter Sternenhimmeln,<br />
vorbei an Sonnen, Monden, Welten,<br />
geflochten auf das Rad?<br />
Kein Lohn, der winkt für die Tortur,<br />
nichts als Vergessen,<br />
kein Überleben,<br />
irgendwie?<br />
Gewiss ist eines:<br />
Wir sind<br />
Ein Teil der Ewigkeit –<br />
Wenn auch geflochten auf das Rad.<br />
(aus ‚Rasende, ruhende Zeit‘, Anthologie,<br />
Etaina-Verlag, 2008<br />
<strong>Denis</strong> <strong>Gustavus</strong><br />
ist im prosa-Teil vertreten.
BÜCHERSCHAU<br />
Eckhard Erxleben: sommergeflüster am<br />
herbstrand, Wiesenburg Verlag 2009, € 12.-<br />
Eckhard Erxleben legt mit seinem neuen Lyrikband<br />
eine weitere Nuance seines Schaffens<br />
vor. Leichtgefühlte Romantik, spielerische<br />
Sinnlichkeit, Naturnähe, auch bisweilen<br />
zärtliche Schwermut sind in fast allen dieser<br />
Gedichte zu spüren.<br />
Die Kapitelüberschriften der fünf Buchabschnitte<br />
nennen sich ‚sommergeflüster’, ‚lust<br />
ist jetzt’, ‚du möchtest doch auch’, am herbstrand’<br />
und ‚traubenblaue schwermut’.<br />
Der Stil der Texte hingegen erscheint ein wenig<br />
unterschiedlich.<br />
Da geht es einerseits um mögliche, stets anrührende<br />
Doppelbödigkeit - ‚reife rispen’<br />
z.B., ‚familienmuseum’ oder ein ‚wissendes<br />
lied’; poetisch verführen auch Zeilen wie<br />
‚die maserung speichert vergangene wetter’<br />
oder ‚nadelnd hab’ ich abgeworfen, was<br />
mich stört’.<br />
Anderes hingegen kommt klar und fast prosaisch<br />
daher, etwa ‚heiße haut, darauf klebt<br />
gras’ oder ‚bis auch der berg in flammen<br />
stand’.<br />
So berühren manche Zeilen scheinbar etwas<br />
alltagseinfach – sie lassen sich durch die spielerische<br />
Stimmung trotzdem meist gut lesen.<br />
Bilder wie ‚liebeszittern’ oder ‚knospenbrüste’<br />
scheinen jedoch ein wenig altgebraucht,<br />
ebenso etwas sonderlich die Zeile:‚kraftvoll<br />
ihre hüften spürt...’.<br />
Doch unversehens kann Erxleben nach kleinen<br />
Merkwürdigkeiten in dichte, poetische<br />
Bilder wechseln. Zauber verraten magisch<br />
anmutendere Zeilen wie ‚in baumfarben<br />
schimmern die federn unter den flügeln’<br />
oder ‚wie ein fell aus märchen wächst moos<br />
über uns’.<br />
Es erfreut der gelegentliche Blick zum Märchenhaften,<br />
‚neulich im waldhaus’ z.B. .<br />
Der Liebende übernachtet bei einer Hexe.<br />
Sie bückt sich, sammelt Kraut, ‚doch dann<br />
sah sie mich durch ihre beine, spuckte das<br />
kraut aus und ...strich ganz langsam zu mir<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 49<br />
kommend ihre sieben röcke glatt’. Oder: ‚der<br />
schatten des schwarzen vogels schon, und<br />
keiner weiß, ob erlösung wartet.’<br />
Insgesamt ein hübsches Gedichtbändchen,<br />
liebevoll dem Buchtitel gemäss gestaltet in<br />
Naturgrünes und Gelb – innen ergänzt mit<br />
impressionistisch-zarten Graphiken von<br />
Maxi Springsguth.<br />
SERVICE<br />
WETTBEWERBE<br />
1 Lyrikpreis Meran<br />
AZ<br />
Der Kreis Südtiroler Autorinnen und Autoren<br />
und die Kurverwaltung Meran schreiben<br />
zum zehnten Mal den ‚Lyrikpreis<br />
Meran’ aus. Preise: Lyrikpreis Meran: 8.000<br />
Euro, Südtiroler Landesregierung. Preis der<br />
Stiftung Sparkasse: 3.500 Euro. Medienpreis:<br />
2.500 Euro - RAI-Sender, Bozen. Teilnahmeberechtigt<br />
sind alle deutschsprachigen AutorInnen,<br />
die einen eigenständigen Lyrik-<br />
oder Prosaband (kein Sachbuch, Drehbuch,<br />
keine Veröffentlichung im Web) in einem<br />
Verlag (kein Selbst- oder Eigenverlag!) veröffentlicht<br />
haben. Das Sekretariat nimmt die<br />
Beiträge - 10 unveröffentlichte Gedichte in<br />
fünffacher Ausführung - entgegen. Die Gedichte<br />
gelten als veröffentlicht, wenn sie in<br />
Buchform oder in einem anderen Printmedium<br />
abgedruckt sind. Die eingereichten Texte<br />
müssen anonym bzw. mit Kennwort versehen<br />
sein. Name und Adresse, ergänzt um<br />
eine Vita, sollen separat in einem Umschlag<br />
mitgeschickt werden. Einsendungen sind<br />
nur per Post (nicht per Email) zu senden an:<br />
Kurverwaltung Meran/Lyrikpreis Meran,<br />
Freiheitsstraße 35, I-39012 Meran.<br />
Eine Vorjury wählt neun AutorInnen aus.<br />
Diese werden nach Meran eingeladen. Dort<br />
werden die drei PreisträgerInnen ermittelt.<br />
Allen Eingeladenen werden die Fahrtkosten
vergütet und ein freier Aufenthalt von drei<br />
Tagen mit Halbpension in Meran gewährt.<br />
Die Lesungen werden für den Hörfunk RAI<br />
Sender Bozen aufgezeichnet. Für die Ausstrahlung<br />
wird ein Honorar ausbezahlt. Die<br />
Preisverteilung erfolgt am 8. 5. 2010.<br />
Jury: Hans-Jürgen Balmes, S. Fischer-Verlag,<br />
Christoph Buchwald, Ulla Hahn, Ilma Rakusa<br />
und Wolfgang Wiesmüller. Die Texte der<br />
eingeladenen AutorInnen werden in einer<br />
Broschüre veröffentlicht. Die Rechte bleiben<br />
erhalten.<br />
Info: Tel.: 0039-0473-272000 , Mail: info@meraninfo.eu<br />
oder per Webseite - http://www.<br />
kuenstlerbund.org/de/lyrikpreis bzw. auch<br />
Tel.: 0039-0471-977037 .<br />
Einsendeschluss: 20.10.2009<br />
2 Dresdner Lyrikpreis 2010<br />
Der Dresdner Lyrikpreis wird 2010 zum 7.<br />
Mal verliehen und ist mit 5.000 Euro dotiert.<br />
Bewerber aus dem deutschsprachigen Raum<br />
und der Tschechischen Republik können von<br />
Verlagen, Literaturzeitschriften, Autorenverbänden<br />
und literarischen Vereinigungen vorgeschlagen<br />
werden. Eigenbewerbungen sind<br />
erwünscht. Eingereicht werden sollen mindestens<br />
6, höchstens 10 Gedichte eines Autors<br />
in fünffacher Ausfertigung. Auf den Texten<br />
soll anstelle des eigenen Namens ein Kennwort<br />
erscheinen. Persönliche Daten und Vita<br />
sind in einem verschlossenen Umschlag beizulegen,<br />
der ebenfalls das Kennwort enthält.<br />
Eine tschechische und eine deutsche Vorjury<br />
nominieren jeweils bis zu 5 Kandidaten, die<br />
zur Endausscheidung eingeladen werden.<br />
Vor Hauptjury und Publikum präsentieren<br />
die AutorInnen einen ca. zehnminütigen<br />
Ausschnitt der Wettbewerbsbeiträge.<br />
Sämtliche eingesandten Texte aller nominierten<br />
Bewerber werden im Vorfeld von<br />
Übersetzern in die jeweils andere Sprache<br />
übertragen und der Hauptjury zur Verfügung<br />
gestellt. Bewerber müssen grundsätzlich<br />
bereit sein, am Tag der Preisverleihung<br />
in Dresden zu lesen. Manuskripte sind auf<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 50<br />
dem Postweg – nicht per Email! - einzureichen<br />
an das:<br />
Dresdner Literaturbüro, Antonstraße 1, 01097<br />
Dresden. Ab 01.02.10 werden die Kennworte<br />
der Nominierten auf der Homepage vom<br />
Dresdner Literaturbüro veröffentlicht. Infos:<br />
T./F: 0351-804 50 87 oder http://www.dresdner-literaturbuero.de.<br />
Einsendeschluss: 30. September 2009.<br />
3 Agatha-Christie-Krimipreis 2010<br />
Deutschlands beste Krimiautoren werden<br />
gesucht für den Agatha-Christie-Krimipreis<br />
2010. Er wird vergeben vom S. Fischer Taschenbuch<br />
Verlag, der Buchhandlung Hugendubel,<br />
FOCUS Online und dem Krimifestival<br />
München: Eine hochkarätige Jury sucht<br />
die beste Krimigeschichte zum Thema: ‚Wo<br />
das Verbrechen zu Hause ist’.<br />
‚Ob in der vertrauten Nachbarschaft oder der<br />
exotischen Ferne, im eleganten Landhaus,<br />
bei treuen Freunden oder auf gefährlichen<br />
Reisen - Ihre Story sollte maximal 10 Manuskriptseiten<br />
(je 30 Zeilen à 60 Anschläge)<br />
umfassen und darf noch nicht veröffentlicht<br />
sein.’ Zwei Exemplare des fertigen Manuskripts<br />
sind einzusenden. Auf dem Text darf<br />
nur der Titel der Story, nicht der Autorenname<br />
stehen. Eine Kurzbiographie mit Namen,<br />
Anschrift, Email-Adresse und ggf. Publikationsliste<br />
ist beizulegen, auf der der Titel<br />
der Kurzgeschichte nochmals vermerkt sein<br />
muss. Die drei besten Geschichten erhalten<br />
wertvolle Preise und werden beim Krimifestival<br />
München im März 2010 ausgezeichnet.<br />
Zudem erscheinen die 25 besten Storys im<br />
März 2010 in einer Anthologie im Fischer Taschenbuch<br />
Verlag!<br />
Einsendungen an: S. Fischer Verlage, „Agatha-Christie-Krimipreis<br />
2010“,<br />
Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt.<br />
Infos: 0049-69/60620 und http://www.fischerverlage.de/page/Agatha-Christie-Krimipreis.<br />
Einsendeschluss ist der 31. August 2009
4 Literaturförderpreis der Landeshauptstadt<br />
Mainz<br />
Herzlich eingeladen zur Teilnahme am Literaturförderpreis<br />
der Landeshauptstadt<br />
Mainz sind junge AutorInnen, die nicht älter<br />
als 34 Jahre sind, einen deutlichen Bezug zur<br />
Stadt Mainz haben, bisher nur wenige Veröffentlichungen<br />
vorweisen können und deren<br />
Texte eine sprachliche und/oder inhaltliche<br />
Innovation darstellen. Die einzureichenden<br />
Arbeiten – 30 Zeilen á 60 Anschläge - sind an<br />
keine bestimmte literarische Gattung, auch<br />
an kein Thema gebunden.<br />
Eine Vorjury wählt drei KandidatInnen aus.<br />
Während der öffentlichen Lesung am 26.<br />
November 2009 im Ratssaal des Mainzer<br />
Ratshauses tragen diese ihre Arbeiten der<br />
Hauptjury vor. Diese besteht aus einem/er<br />
Literaturkritiker/in, einem/er Vertreter/in der<br />
Vorjury, dem Kulturdezernenten der Stadt<br />
Mainz und dem anwesenden Publikum. Bei<br />
Stimmengleichheit gibt das Mehrheitsvotum<br />
des Publikums den Ausschlag. Der Förderpreis<br />
ist mit 2.600 € dotiert.<br />
Die Texte in dreifacher Ausfertigung sollen<br />
unter einem Kennwort eingesandt werden.<br />
Die persönlichen Daten sind in einem gesonderten<br />
Umschlag (Zettel mit Name, Adresse,<br />
Kurzbiographie und den ersten drei Worten<br />
der einzelnen Texte) beizufügen.<br />
Manuskripte an: Literaturbüro Mainz für<br />
Rheinland-Pfalz, Neutorstraße 1, 55116<br />
Mainz. Infos: Tel. 06131-22 02, Mail info@literaturbuero-rlp.de<br />
oder<br />
http://www.literaturbuero-rlp.de/ .<br />
Einsendeschluss: 4. September 2009<br />
5 DeLiA Literaturpreis 2010<br />
Der Verein zur Förderung deutscher Liebesromanliteratur<br />
e. V. schreibt den mit 1000<br />
Euro dotierten Literaturpreis für das Jahr<br />
2010 aus.<br />
Teilnahmeberechtigt sind: deutschsprachige<br />
Liebesromane (Original- und Erstausgaben)<br />
ohne Subgenre-Beschränkung, erstveröffent-<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 51<br />
licht im Jahr 2009, keine Neuauflagen und<br />
Wiederauflagen, keine Übersetzungen aus<br />
anderen Sprachen, keine Veröffentlichungen<br />
mit Kostenbeteiligung des Autors und/oder<br />
Book on Demand, keine E-Books oder Hörbücher.<br />
Manuskripte und Exposés werden<br />
nicht angenommen. Daneben gibt es weitere<br />
Ausschlussgründe in Bezug auf Format, Beziehbarkeit<br />
und Inhalte.<br />
Autoren, Autorinnen und Verlage, die sich<br />
beteiligen möchten, nehmen bitte vorher zur<br />
Erläuterung der genauen Vorgehensweise<br />
Kontakt mit der Juryvorsitzenden auf: Brigitta<br />
D’Orazio. Mail: brkanitz@tin.it.<br />
Infos über die Geschäftsstelle: Delia, Rebecca<br />
Michéle, Fasanenweg 33 , 73230 Kirchheim/<br />
Teck , Tel.: 0049-7021/ 73 69 64 oder unter:<br />
http://www.delia-online.de.<br />
Einsendeschluss : 31.12.2009<br />
6 Traurige Hurras und freche Verse/<br />
Ruhrgebietstexte für das Jahr 2010<br />
Das Literaturbüro Ruhr e. V. und die Westdeutsche<br />
Allgemeine Zeitung schreiben einen<br />
Wettbewerb aus:‚Traurige Hurras und<br />
freche Verse’ – ein Wettbewerb zu Gedichten<br />
aus dem Ruhrgebiet. Es handelt sich um ein<br />
Projekt des Literaturbüros, gefördert vom<br />
Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen<br />
und der Kunststiftung NRW in Kooperation<br />
mit der Westdeutschen Allgemeinen<br />
Zeitung.<br />
Zwei bedeutsame Impulse gingen einst von<br />
der Ruhr aus, die (Wieder-)Entdeckung der<br />
Arbeitswelt als Thema literarischen Schreibens<br />
und die Förderung der so genannten<br />
Regional-Kriminalliteratur (local crimes). Mit<br />
dem Ruhrgebiet verbindet man heute mehr<br />
Schriftsteller denn je. Max von der Grün, Nicolas<br />
Born, Jürgen Lodemann, Fritz Eckenga,<br />
Inge Meyer-Dietrich und eine erhebliche Reihe<br />
weiterer angesehener Autoren stammen<br />
aus dieser Gegend und sind über Deutschland<br />
hinaus bekannt geworden. Hinzu kommen<br />
häufiger Theaterautoren, auch aus der<br />
Sparte des Kabarett. In der Lyrik gibt es be-
kannte Namen wie Ernst Meister, Ralf Thenior<br />
oder Liselotte Rauner, auch junge Poetry-<br />
Slammer.<br />
Um im Jahre 2010 Neuentdeckungen der Lyrik<br />
in der Metropole Ruhr vorzustellen, ist<br />
dieser Wettbewerb ausgeschrieben. Einen<br />
Preis wird es im Rahmen des Wettbewerbes<br />
„Traurige Hurras“ nicht geben. Jeder Teilnehmer<br />
stimmt jedoch einer möglichen Veröffentlichung<br />
eines oder zweier seiner Gedichte in<br />
einer Anthologie zu. Im Gegenzug erhält er<br />
vier Belegexemplare. Die Anthologie soll um<br />
die kommende Jahreswende als Lektüre für<br />
52 Wochen des Jahres 2010 im Rahmen einer<br />
Abschlusslesung vorgestellt werden.<br />
Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung<br />
(WAZ) möchte 2010 regelmäßig Gedichte aus<br />
der Anthologie abdrucken. Im Buch werden<br />
nicht nur die besten Wettbewerbstexte abgedruckt,<br />
sondern auch ausgewählte Gedichte<br />
namhafter Autoren, zu welchen Schriftstellerkollegen<br />
eine Interpretation schreiben<br />
werden.<br />
Teilnahme: Max. drei (!) Gedichte in deutscher<br />
Sprache ohne Absendernennung. Im<br />
gesonderten Umschlag müssen Angaben zu<br />
Namen, Adresse und Geburtsdatum beigefügt<br />
werden. Manuskripte an: Literaturbüro<br />
Ruhr e. V., Friedrich-Ebert-Str. 8, 45964 Gladbeck.<br />
Infos: Tel. 02043-992 644, Mail: info@literaturbuero-ruhr.de,<br />
Webseite: http://www.<br />
literaturbuero-ruhr.de.<br />
Einsendungen (nur per Post, keine Mail!)<br />
bis 11.9.2009.<br />
7 Putlitzer Preis 2010<br />
Das Thema des diesjährigen Wettbewerbs lautet:<br />
„Essen“. Die eingesandten Texte <strong>deutschsprachiger</strong><br />
Autoren, unveröffentlicht bis zum<br />
Tag der Preisverleihung am 5. 6. 2010, können<br />
mit max. 1.000 Wörtern (incl. Überschrift)<br />
eingesandt werden. (Im Internet eingestellte<br />
Texte gelten als veröffentlicht). Gedichte,<br />
Theaterstücke, Songtexte usw. werden nicht<br />
akzeptiert. Es werden ausschließlich Kurzgeschichten<br />
bewertet. Es gelten die üblichen<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 52<br />
Standards für die Formatierung: (30 Zeilen à<br />
60 Zeichen pro Seite). Statt des Namens sind<br />
die vier Ausfertigungen mit Codewort zu<br />
versehen. Ein Blatt mit Adresse und Kurzvita<br />
des Autors ist in einem verschlossenen Umschlag,<br />
auf dem das Codewort wiederholt<br />
wird, beizulegen. Die Jury bilden Autoren,<br />
Verlagslektoren oder Literaturagenten sowie<br />
Vertreter des 42erAutoren e. V.<br />
Die Preisvergabe erfolgt am 5. Juni 2010 in<br />
Putlitz/Brandenburg. Der Sieger erhält den<br />
„Putlitzer Preis 2010“ und ein Preisgeld von<br />
150 Euro. Der zweite Preisträger erhält ein<br />
Preisgeld von 100 Euro, der dritte 75 Euro.<br />
Weitere Plätze von vier bis sechs sind dotiert<br />
mit je 50 Euro. Die Gewinner der ersten drei<br />
Plätze erhalten außerdem freie Übernachtung<br />
für zwei Personen in Putlitz. Die Siegertexte<br />
der Plätze 1 bis 3 werden voraussichtlich im<br />
„Autorenkalender 2011“ des 42erAutoren e.<br />
V. veröffentlicht. Die Autoren erklären sich<br />
mit einer vereinsinternen Lektorierung ihres<br />
Textes einverstanden. (Halten wir bei einem<br />
Wettbewerb für sehr fraglich, A.Z.).<br />
Manuskripte in 4-facher Ausfertigung<br />
an: 42erAutoren e. V., z. Hd. Karen<br />
Lark, Kirchhofallee 80, 24114 Kiel. Infos:<br />
vorstand@42erAutoren.de und http://www.<br />
putlitzerpreis.de/. Eine Telefonnummer ist<br />
im Impressum nicht angegeben.<br />
Einsendeschluss: 15.10. 2009.<br />
8 Erich Kästnergesellschaft e. V.<br />
Die Erich Kästner Gesellschaft e. V. vergibt<br />
jährlich den „Erich Kästner Förderpreis“<br />
für Kinder und Jugendliche. 2008 gewann<br />
die Erich-Kästner-Grundschule Gera den 1.<br />
Preis.<br />
Für 2009 werden wieder Einzel- und Gemeinschaftsarbeiten<br />
gesucht – d.h. auch Projekte<br />
einer ganzen Schule, die sich ‚mit der<br />
Persönlichkeit, dem Werk, den literarischen,<br />
gesellschaftlichen und pädagogischen Intentionen<br />
und der Nachwirkung von Erich Kästner<br />
auseinandersetzen‘.<br />
Genre: Lyrik, Prosa, Dramatik, mediale Ar-
eiten (z. B. Reportage, Foto, Film, Vertonung),<br />
Sprach-Bild-Texte (z. B. Comic, Collage),<br />
Sachtexte (z. B. Erörterung), Facharbeiten.<br />
Denkbar ist auch für Erich-Kästner-Schulen<br />
eine Dokumentation / Darstellung der ständigen<br />
Präsentation ihres Namensgebers im<br />
Schulalltag und/oder zu besonderen Anlässen.<br />
Entscheidend ist der Bezug zur Person, zu<br />
Werk und Ideen Erich Kästners.<br />
Für Nachfragen stehen zur Verfügung:<br />
Matthias Nicolai, Im Haselbusch 7, 53343<br />
Wachtberg, Tel. 0228-3240463, Mail: matthias.nicolai@t-online.de<br />
und Horst Wiechers,<br />
Nordstrasse 13, 48149 Münster, Tel. 0251-<br />
1627115, Mail: horst.wiechers@gmx.de.<br />
Die Preissumme beträgt 500,- € (auch Staffelung<br />
möglich). Beiträge sind einzureichen<br />
beim 1.Vorsitzenden der Erich Kästner Gesellschaft:<br />
Prof. Dr. Bernhard Meier, Universität<br />
Leipzig, Institut für Germanistik, Beethovenstraße<br />
15, 04107 Leipzig. Infos: www.<br />
erichkaestnergesellschaft.de .<br />
Einsendeschluss: 31.10.2009.<br />
9 Literareon –<br />
Kurzgeschichtenwettbewerb<br />
Der Herbert Utz Verlag veranstaltet im Rahmen<br />
der Reihe Literareon einen Kurzgeschichten-Wettbewerb<br />
mit dem Motto ‚Rückenwind’.<br />
Die Teilnahme steht allen offen.<br />
Pro Autorin/Autor darf nur ein Beitrag eingereicht<br />
werden. Er soll 1.500 Wörter (ca. 3<br />
Seiten) nicht überschreiten und muss unveröffentlicht<br />
sein. Der Titel kann das Motto<br />
enthalten, darf aber auf keinen Fall nur ‚Rückenwind’<br />
lauten (Unterscheidbarkeit der<br />
Beiträge).<br />
Der Text ist, ohne Namensnennung, einzureichen,<br />
wie folgt: a) als ausgedrucktes Exemplar<br />
auf DIN-A4 Papier und b) die entsprechende<br />
Datei auf zwei PC-Disketten<br />
oder CD-ROM (zwei, da diese oft durch den<br />
Postversand beschädigt werden). Dem Text<br />
voranzustellen sind der Titel und die Angabe<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 53<br />
der Wortanzahl. Er darf keine Text- und Formatzeichnungen<br />
enthalten (wie z.B. kursiv,<br />
fett, unterstrichen).<br />
Eine Teilnahmeschutzgebühr ist in Form von<br />
Briefmarken oder Internationalen Postantwortscheinen<br />
beizulegen: Akzeptiert werden<br />
deutsche Briefmarken (5 Marken à 55 Cent),<br />
österreichische Briefmarken (5 Marken à 55<br />
Cent) und Schweizerische Briefmarken ( 5<br />
Marken à 85 Rappen). Aus dem übrigen Ausland<br />
werden zwei Internationale Antwortscheine<br />
erbeten.<br />
Dem Text ist ein Anschreiben beizufügen mit<br />
der Adresse des Verfassers/der Verfasserin,<br />
der Titel des Beitrags, eine Kurzvita von 3-5<br />
Zeilen und das Geburtsdatum.<br />
Die Preise für den Literareon-Kurzgeschichten-Wettbewerb<br />
2009/2010 sind:<br />
1. Preis: 500 Euro, 2. Preis: Buchpaket im<br />
Wert von 150 Euro, 3. Preis: Buchpaket im<br />
Wert von 100 Euro, 4.-10. Preis: Buchpakete<br />
im Wert von je 50 Euro.<br />
Die besten Kurzgeschichten werden in der<br />
Anthologienreihe /kladde.auf/die.reihe veröffentlicht.<br />
Die Teilnehmer verpflichten sich,<br />
ihre eingesandten Werke bis zum Tag der<br />
Preisverleihung in keiner Form zu veröffentlichen.<br />
Einsendungen an Literareon, Herbert Utz<br />
Verlag GmbH, Adalbertstraße 57, 80799 München.<br />
Infos: Tel. 089-30779693, Mail: info@literareon.de<br />
und http://www.literareon.de.<br />
Einsendeschluss: 30.11.2009.<br />
10 Erostepost –<br />
Geschichtswettbewerb<br />
1989 wurde der Name „erostepost“ in seine<br />
Bestandteile zerlegt. Jährlich gab es einen Literaturpreis<br />
zu den Themen eros, rost, step,<br />
epos, post, euro, stop und pest. Nach einer<br />
mehrjährigen Pause wird der erostepost-Literaturpreis<br />
erneut ins Leben gerufen. Seit<br />
2002 werden jedoch keine Themen, sondern<br />
Genres ausgeschrieben. Nach<br />
e – wie emil und die detektive, Kriminalge<br />
schichten (erostepost Nr. 28)
– wie raumschiff enterprise, science-fictionstories<br />
(erostepost Nr. 30)<br />
o – wie ode an die freude, Lyrik (erostepost<br />
Nr. 33)<br />
s – wie sindbad und die seefahrer, Märchen<br />
(erostepost Nr. 35)<br />
t – wie tanz der vampire, Horrorgeschichten<br />
(erostepost Nr. 37) und<br />
e – wie emmanuelle, erotische Geschichten<br />
(erostepost Nr. 39) folgt nun<br />
p – wie pippi langstrumpf, Geschichten für<br />
Kinder.<br />
Es werden literarisch anspruchsvolle Texte<br />
gesucht, welche Kindern ‘Mut machen, stark<br />
zu sein und mit Optimismus durchs Leben<br />
zu gehen’.<br />
Beiträge - Prosa und Lyrik - für Kinder von<br />
etwa 6 bis 12 Jahren sollen eingereicht werden,<br />
die jedoch Erwachsene ebenfalls ansprechen.<br />
Der Gesamtumfang der Beiträge sollte<br />
20.000 Zeichen nicht überschreiten. Mindestens<br />
sollten sie für ein Bilderbuch reichen; für<br />
einen illustrierten Kindergedichtband sollen<br />
sie etwa 10.000 Zeichen umfassen.<br />
Das Preisgeld beträgt 1.500 Euro. Einreichungen<br />
sind erbeten in dreifacher Ausfertigung<br />
und anonym/mit Kennwort (persönliche Daten<br />
im geschlossenen Kuvert mit gleichem<br />
Kennwort) an: erostepost im Literaturhaus,<br />
Strubergase 23, A-5020 Salzburg<br />
Infos: Tel. 0043 662-439 589, Mail: erostepost@literaturhaus-salzburg.at<br />
oder http://<br />
www.erostepost.at/.<br />
Einsendeschluss: 31.12. 2009.<br />
11 GD Bildung und Kultur -<br />
Programm für lebenslanges Lernen<br />
Von unserem Mitglied Karin Manke, hautberuflich<br />
im Heimatmuseum Treptow/Tagebuch-<br />
und Erinnerungsarchiv erhalten wir<br />
folgende<br />
SCHREIB – AUFRUFE 2009<br />
In Vorbereitung auf das Jahr 2010 – dem<br />
20. Jahr der Deutschen Einheit – werden im<br />
engen Zusammenwirken der Einrichtun-<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 54<br />
gen des Tagebuch- und Erinnerungsarchivs<br />
beim Heimatmuseum Berlin/Treptow und<br />
des sozial.label e. V. folgende Schreibaufrufe<br />
ausgerufen. Diese sind Bestandteil des gemeinsamen<br />
Europa-Projektes EUROPEAN<br />
MEMORIES.<br />
1.<br />
Wie sehen sie aus, die sozialen Veränderungen,<br />
die alle Generationen betroffen haben –<br />
und dies nicht nur in Deutschland sondern<br />
länderübergreifend in ganz Europa?<br />
Erzählen und berichten Sie von einem (oder<br />
mehreren) entscheidenden Ereignissen Ihres<br />
Lebens, aus den vergangenen 20 Jahren.<br />
Eine neue Generation ist herangewachsen,<br />
die nie ein geteiltes Deutschland erlebt hat,<br />
die nicht mehr im „Osten“ bzw. im „Westen“<br />
aufgewachsen ist.<br />
Wir wünschen uns doch ganz besonders die<br />
Meinung der jungen Generation. Ist Ost und<br />
West für sie überhaupt noch ein Thema?<br />
Aber es geht auch um Fragen wie: Sind wir<br />
„ein Volk“ geworden? Was hat sich beruflich,<br />
privat in Ihrem Leben verändert? Erinnern<br />
Sie sich noch an Ihren ersten „West“ bzw.<br />
„Ost“-Begriff, den Sie hinzulernten? Haben<br />
sich Umgangsformen verändert? Findet ein<br />
Miteinander statt, nicht nur im ganz persönlichen<br />
Leben – in Freundschaften und Partnerschaftsbeziehungen<br />
– sondern auf allen<br />
gesellschaftlichen Ebenen? Wie unterschiedlich<br />
entwickelte sich das neue Deutschland<br />
in den jeweiligen Bundesländern? Und von<br />
welchen Erfahrungen haben Berliner zu berichten,<br />
die sich im „Schmelztiegel“ von Ost<br />
und West befinden?<br />
Welche Schwerpunkte im Rahmen des Europa-Projektes<br />
sind für den Schreibaufruf:<br />
2.<br />
Hinterfragen und Beleuchten kultureller Traditionen<br />
und Sitten in Europa, im Vergleich<br />
zum Heimatland.<br />
3.<br />
Worin zeigt und stellt sich uns ein Europa
dar, das nicht nur im Kopf sondern auch im<br />
Herzen präsent ist?<br />
Alle eingereichten Beiträge gehen in den<br />
Bestand des Tagebuch - und Erinnerungsarchivs<br />
über und stehen später Nutzern für<br />
Forschungszwecke zur Verfügung.<br />
Das Tagebuch - und Erinnerungsarchiv wird<br />
aus dem Fundus der Textzusendungen eine<br />
eigene Publikation erstellen. Die Auswahl<br />
dafür trifft ein Beratungsgremium .<br />
Durch eine zentrale Jury werden zwei Beiträge<br />
ausgewählt und finden Eingang in eine<br />
europäische Publikation.<br />
Alle Texte finden sich auf der Internetseite<br />
wieder.<br />
Die 1. Etappe endete am 20. Juni 2009, die 2.<br />
Etappe endet am 30. Oktober 2009.<br />
4.<br />
TAGEBUCH - Alltägliche Erfahrungen bewahren<br />
Das Schreiben geht weiter! 2007 hat es begonnen<br />
– zum 7.7.07 haben sich über 40 Autoren<br />
reflektierend diesem Tag besonders gewidmet.<br />
Mit großem Erfolg wurde auch dem<br />
8.8.08 seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt.<br />
Nun liegt der 9.9.2009 vor uns – nicht nur als<br />
eine magische Zahl, sondern als Anlass wieder<br />
das ganz persönliche Tagesgeschehen<br />
festzuhalten und das Leben, rückwirkend,<br />
zu betrachten.<br />
Uns interessiert der Alltag der Menschen.<br />
Womit sind sie beschäftigt? Welche Probleme<br />
und Krisen haben Sie bewältigt? Worin besteht<br />
Ihre geistige Nahrung? Was macht Sie<br />
besonders glücklich? Welche Erfahrungen<br />
und Erkenntnisse möchten Sie gern anderen<br />
Menschen weiter vermitteln?<br />
Diese Tagebuch-Form soll bis 12.12.2012 weiter<br />
geführt werden. Damit schaffen wir im<br />
Tagebuch – und Erinnerungsarchiv ein authentisches<br />
Dokument über einen längeren<br />
Zeitraum hinweg.<br />
Einsendeschluss: 23. Oktober 2009<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 55<br />
Bitte alle Textzusendungen mit jeweils einem<br />
Papierausdruck und einer digitalen Speicherung!<br />
Für weitere Fragen zu den Schreibaufrufen<br />
und zum Europa-Projekt steht Ihnen<br />
Karin Manke Tel. (030) 5346673 oder (030)<br />
902975653 gerne zur Verfügung.<br />
Für Einsendungen, die aus dem Bundesland<br />
Sachsen und Sachsen-Anhalt kommen,<br />
können Sie auch Frau Ines Branstner<br />
(0351/4692552) kontaktieren.<br />
Postanschrift für alle Einsendungen:<br />
Bezirksamt Treptow/Köpenick/Heimatmuseum<br />
Treptow<br />
Tagebuch und Erinnerungsarchiv<br />
PSF 910240, 12414 Berlin<br />
ta_er_ar@yahoo.de<br />
Stipendien<br />
1 Stuttgarter Schriftstellerhaus<br />
Der Verein Stuttgarter Schriftstellerhaus e. V.<br />
vergibt auch für das Jahr 2010 dreimonatige<br />
Wohn- und Arbeitsstipendien. Bewerben<br />
kann sich jeder deutschsprachige Schriftsteller/Schriftstellerin<br />
oder Übersetzer/Übersetzerin.<br />
Das Schriftstellerhaus vergibt in der<br />
Regel ein Stipendium für einen oder eine<br />
Übersetzer(in), ein Stipendium für eine(n)<br />
Kinder- und Jugendbuchautor(in) sowie zwei<br />
weitere Stipendien (Lyrik, Prosa, Drama).<br />
Das Stipendium ist mit einer Präsenzpflicht<br />
im Stuttgarter Schriftstellerhaus verbunden.<br />
Nach Abschluss des Stipendiums ist ein<br />
kleiner schriftlicher Arbeitsbericht in frei gewählter<br />
Form zu schreiben. Autoren, die kein<br />
Stipendium erhalten, haben die Möglichkeit,<br />
mit dem mit 1000 Euro dotierten Förderpreis<br />
des Vereins Stuttgarter Schriftstellerhaus ausgezeichnet<br />
zu werden. Einzureichen sind in<br />
fünffacher Ausführung eine Biographie, eine<br />
Bibliographie sowie eine kurze Werkprobe.<br />
Keine Büchersendungen! Eine Rücksendung<br />
der Unterlagen ist nicht möglich. Außerdem<br />
sind nach Möglichkeit zwei Persönlichkeiten
aus dem literarischen Leben zu nennen, die<br />
für Werk und Person einstehen.<br />
Bewerbungsstelle: Stuttgarter Schriftstellerhaus<br />
e. V., Kanalstraße 4, D-70182 Stuttgart.<br />
Infos: Tel. 0049-(0)711-233554, Mail astrid.<br />
braun@stuttgarter-schriftstellerhaus.de oder:<br />
http://www.stuttgarter-schriftstellerhaus.de/<br />
.<br />
Einsendeschluss: 15. August 2009.<br />
2 Literaturstipendium Inselschreiber<br />
Sylt/Johannesburg<br />
Dichten und Arbeiten an der Waterkant . Die<br />
Stiftung kunst:raum sylt quelle schreibt das<br />
‚Sylt-Quelle Literaturstipendium Inselschreiber’<br />
für deutschsprachige AutorInnen aus. Es<br />
bietet zehn Wochen Aufenthalt auf der Insel<br />
Sylt und in Johannesburg/ Südafrika. 6 bis 8<br />
Wochen verbringt der Stipendiat auf der Insel<br />
Sylt, mindestens 2 Wochen in Südafrikas<br />
Boomtown Johannesburg. Neben kostenfreiem<br />
Wohnen in einem 2-Zimmer-Appartment<br />
auf dem reizvollen Gelände der Sylt-Quelle<br />
in Rantum/Sylt und in einem modernen Studio<br />
in Johannesburg umfasst das Stipendium<br />
eine einmalige Zahlung von 5.000 Euro sowie<br />
die einmaligen Reisekosten von Deutschland<br />
nach Südafrika. Während des Stipendiums<br />
besteht Präsenzpflicht. Zwei Lesungen, eine<br />
im Literaturhaus Hamburg und eine in Johannesburg,<br />
gehören ebenfalls zu den Pflichten.<br />
Bewerben können sich deutschsprachige<br />
Autoren/innen unabhängig von Alter, Wohnsitz<br />
oder Staatsangehörigkeit. Der Bewerbung<br />
hinzuzufügen sind ein Lebenslauf und<br />
ein noch unveröffentlichter Essay oder eine<br />
noch unveröffentlichte Erzählung von ca. 4<br />
DIN A4 Seiten Länge.<br />
Thema des Essays/der Erzählung 2010: Der<br />
Weg hinaus.<br />
Über die Vergabe des Sylt-Quelle Literaturstipendiums<br />
entscheidet eine unabhängige<br />
Jury in einem zweistufigen Auswahlverfahren.<br />
Einsendungen nur per Email an folgende<br />
Adresse:<br />
Stiftung kunst:raum sylt quelle, Stichwort:<br />
Inselschreiber, Hafenstraße 1, D-25980 Ran-<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 56<br />
tum/Sylt, Mail: bewerbung@inselschreiber.<br />
de. Infos: Tel: 0049-4651-92031 oder. http://<br />
www.kr-sq.de/de/inselschreiber/index.php<br />
Bewerbungsschluss 15. Oktober 2009.<br />
Pfingsttreffen im Mai 2009 in Berlin<br />
AZ<br />
Im Ortsteil Johannisthal des Stadtbezirkes<br />
Berlin-Treptow kamen vom 28.-31. Mai der<br />
Vorstand, Mitglieder und Freunde der IGdA<br />
zusammen, um sich über Lyrik, Prosa, über<br />
Europa-Projekte und die Zukunft der <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
auszutauschen.<br />
Es war ein erster Versuch, Mitglieder und<br />
evtl. zukünftige Mitglieder miteinander in<br />
Verbindung zu bringen, um dem Ziel und<br />
Anspruch: „Verjüngung der IGdA“ gerecht<br />
zu werden.<br />
Gastgeber war das Tagebuch- und Erinnerungsarchiv<br />
beim Heimatmuseum Treptow,<br />
vertreten durch die Leiterin der Einrichtung.<br />
Räume für Gespräche, Lesungen sowie gastronomische<br />
Betreuung standen den Teilnehmern<br />
und Gästen zur Verfügung. Die<br />
Nachmittage und Abende gehörten touristischen<br />
Erkundungen im altehrwürdigen Köpenick<br />
und Treptow.<br />
Rainer Hengsbach-Parcham referierte über<br />
Lyrik. Die Frage stand im Raum, ob sich der<br />
Dichter für den Reim oder freie Rhythmen<br />
entscheidet und wann kann man dann von<br />
einem Gedicht sprechen, wann von lyrischer<br />
Prosa? An Hand von Beispielen, die Mitglieder<br />
und Gäste selbst vortrugen, wurde dies<br />
durch Worte des Redners bestätigt bzw. auch<br />
in Frage gestellt. Eine lebendige Diskussion<br />
entstand, in der klar und deutlich zum Ausdruck<br />
kam: Inhalt und Form bilden auch im<br />
Gedicht eine Einheit, verwoben mit einem<br />
meist starken Gefühl, einer Botschaft und das<br />
alles in möglichst originellen Metaphern verpackt.<br />
Purer Naturalismus, pure Wiedergabe<br />
von Erscheinungen sollten wohl besser in der<br />
Prosa zum Ausdruck gebracht werden. Und,
darin waren sich alle einig, ein Gedicht muss<br />
schwingen und fließen, Worte gleich einer<br />
Melodie zum Klingen bringen.<br />
Vier Berliner Autorinnen und Autoren stellten<br />
sich dann, an einem Nachmittag, mit ihren<br />
Texten vor.<br />
Claudia Altmann las Kurzprosa und Lyrik.<br />
Renate Loewenbergs Prosa-Geschichten, die<br />
sich sozialen Alltagsproblemen zuwandten,<br />
bewegten tief, aber ließen auch herzlich und<br />
befreiend alle Gäste zum Lachen bringen.<br />
Fanni Fam beeindruckte durch ihre ehrliche<br />
Reflektion auf ein Stück durchlittenes Leben.<br />
Besonders begeistert aber hat der junge<br />
Dennis <strong>Gustavus</strong>, der es verstand, mit seinen<br />
Episodengeschichten ein Stück DDR-Alltag<br />
auf ganz individuelle Weise wieder lebendig<br />
erden zu lassen.<br />
Die Leiterin des Tagebuch- und Erinnerungsarchives<br />
führte die von weit her angereisten<br />
Gäste durch die Dauerausstellung des Heimatmuseums<br />
Treptow und vermochte so einen<br />
Einblick in Treptower und Berliner Geschichte<br />
zu vermitteln.<br />
Vielleicht wird es wieder ein Pfingsttreffen<br />
im kommenden Jahr geben. Heimatmuseum,<br />
Tagebucharchiv und die Berliner Autorinnen<br />
und Autoren (die nicht der IGdA angehören)<br />
stehen auch dann wieder gerne als Gastgeber<br />
zur Verfügung.<br />
Auch die zu Beginn des Jahres begonnenen<br />
Regionaltreffen der IGdA-Mitglieder werden<br />
ab September 2009 weiterhin angeboten und<br />
hoffentlich von den Teilnehmern genutzt.<br />
Karin Manke<br />
2 Texte zum Workshop von Frau Manke<br />
Am stimmungsvollen Frühjahrstreffen der<br />
IGdA in Berlin – 28. – 31.5. 2009 - führte Karin<br />
Manke mit uns einen sehr anregenden Workshop<br />
durch. Wir hatten die Aufgabe, eine<br />
Jahreszahl zu ziehen und in ca. 30 Minuten<br />
eine Lebenssituation dazu zu erinnern. Hier<br />
zwei Beispieltexte dazu:<br />
IGda<br />
1980<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 57<br />
Nach acht Jahren Schweigepause wagte ich<br />
mich wieder daran, das Schreiben von einem<br />
Gedicht auszuprobieren. Die Gedanken<br />
dazu sperrte ich in meinen Kopf. Ich erzählte<br />
niemand etwas davon, lief auf meinen<br />
Schuhsohlen unsicher in den größeren Buchhandlungen<br />
umher, starrte die Seiten sog.<br />
‚moderner Lyrik’ an und wusste, ich würde<br />
dem Trend, abgebrochene Zeilen zu üben,<br />
mich anpassen müssen.<br />
Allzu gut erinnerte ich mich daran, warum<br />
ich vor diesen acht Pausenjahren in eine<br />
schriftstellerische Stille verfiel. Ich hatte eine<br />
umfangreichere Herzensblüte mit abendlicher<br />
Gefühlsseligkeit und überfrachteten<br />
Altreimen an die ’Horen’, eine der wichtigsten<br />
zeitgenössischen Literaturzeitungen geschickt.<br />
Die Antwort der Redaktion hatte meine künftigen<br />
Produktionen einstweilen in ein finsteres<br />
Aus geschoben.<br />
‚Schön, sehr schön’, hatten sie klar geantwortet.<br />
Aber – es wäre ‚vor hundert Jahren so<br />
schön’ gewesen. Nicht heutzutage. Und - sie<br />
hatten Recht.<br />
Zuhause suchte ich mir ein besonderes Papier<br />
aus einer hinteren Schublade heraus<br />
und dachte eine Ansammlung von Grübelminuten<br />
nach, an welchem Objekt ich diese<br />
modisch abgebrochenen Zeilen üben oder<br />
versuchen sollte.<br />
Mein Großvater zog mir durch den Sinn. Er<br />
hatte sich erst vor vier Wochen aus dem Leben<br />
verabschiedet. Ich hatte ihn mehr als geliebt,<br />
bewundert und – ich hatte noch nicht<br />
sehr viel Erfahrung mit dem Tod von Menschen<br />
gehabt.<br />
Ich schrieb und schrieb, es strömte ein sich<br />
von selbst dehnendes Wortmeer aus meiner<br />
Erinnerung - wie er es fertig gebracht hatte,<br />
in dem gesamten 1000-jährigen Reich standzuhalten<br />
und kein Mitglied der NSDAP zu<br />
werden. Dabei war dies für den geschäftsführenden<br />
Direktor einer Kleinfabrik gar<br />
nicht so einfach gewesen.<br />
‚Ich werde es mir überlegen,’ hatte er refrainmäßig<br />
den sich wiederholenden Politanfra-
gen geantwortet – und blieb bis zum Schluss:<br />
Nichtmitglied.<br />
Ich sandte meinen Worterguss kurzerhand<br />
an eine dieser Literaturzeitungen, eine Zeilengeschwulst,<br />
zu der ich schon lang‘ nicht<br />
mehr stehen würde.<br />
Der Großvater jedoch muss einen Eindruck<br />
hinterlassen haben, auch wenn ich mein Gedicht<br />
bald vergessen hatte.<br />
Ein Jahr später zog ich die Nachricht aus meinem<br />
klappernden Briefkasten. Mein erstes<br />
Gedicht würde abgedruckt.<br />
Ich fand mich in der Zeitung neben Hans Jürgen<br />
Heise und Karl Krolow wieder, die ich<br />
damals noch gar nicht kannte.<br />
2001<br />
Angelika Zöllner<br />
Kulturelle, vor allem aber literarische Vereinigungen<br />
geraten in Gefahr, sich kaum weiter<br />
zu entwickeln. Es ist ja gut, wie es ist, alle sind<br />
zufrieden … Sind sie das? Sind sie es, weil<br />
sie es nicht anders kennen, weil sie vielleicht<br />
Angst vor Veränderungen, vor Neuerungen<br />
haben? In einer jener Vereinigungen, in der<br />
man rechnerisch feststellen konnte, wann<br />
wer Gewinner des jährlich ausgeschriebenen<br />
Preises werden würde, war ich seit einigen<br />
Jahren Mitglied. Zufrieden, aber doch nicht<br />
ganz. Irgendetwas sollte anders werden, sollte<br />
Entwicklung zulassen.<br />
Es war 2001. In diesem Jahr startete der Versuch,<br />
junge Autoren aus Europa zu finden,<br />
die sich der Lyrik verschrieben hatten, wie<br />
viele andere und ich.<br />
Warum? Aus Interesse, Neugier und anderen<br />
Gründen, auch deshalb, um junge Menschen<br />
zu finden, die Mitglieder werden sollten und<br />
das möglichst für eine lange Zeit.<br />
Eigentlich – so fängt man keinen Satz an, aber<br />
ich brauche dieses Wort – hatte ich wenig<br />
Hoffnung, von jungen Menschen Beiträge<br />
zu einem Schreibwettbewerb zu bekommen.<br />
Der ausgeschriebene Preis war nicht hoch,<br />
mein Name gänzlich unbekannt. Es sollte ein<br />
Versuch sein.<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 58<br />
Unerwartet erhielt ich nach kurzer Zeit viele,<br />
nein, zahlreiche Zusendungen per Post – Sie<br />
wissen, das ist das, was der Briefträger bringt<br />
– und mein virtuelles Postfach quoll über. In<br />
diesem Jahr kamen fast 600 Gedichte, darunter<br />
waren viele, erstaunlich gute. Die Einsender<br />
lebten in Deutschland, der Schweiz,<br />
Österreich, der Türkei, Italien, Spanien, Bulgarien<br />
und in Russland. Darunter waren<br />
eine Tscherkessin, in der Türkei geboren, in<br />
Deutschland lebend, Autoren mit Migrantenhintergrund,<br />
usw. Sogar aus den USA<br />
kamen Gedichte. Der Wettbewerb existiert<br />
noch. Im letzten Jahr waren 960 Gedichte zu<br />
bewerten.<br />
Das Jahr 2001 hatte sehr viele Kontakte gebracht,<br />
einige davon halten bis heute. Aus<br />
den beigefügten Briefen und Mails konnte<br />
ich einiges über Leben, Sorgen und Freuden<br />
und Schicksale der jungen Menschen erfahren.<br />
Das war eine für mich sehr wertvolle Erfahrung.<br />
Es ist gelungen, einen Schweizer Lehrer,<br />
der eine Verpflichtung an die Lomonossow-<br />
Universität in Moskau hatte, jedoch kaum<br />
Russisch sprechen noch schreiben konnte,<br />
mit einer Jungautorin aus Moskau, die hervorragende<br />
Deutschkenntnisse besitzt, zusammen<br />
zu bringen. Beide sind heute noch<br />
in Kontakt. Aus dem Aufenthalt des Schweizer<br />
Lehrers ist ein Gedichtband über Moskau<br />
entstanden.<br />
2001 war auch der Beginn für zahlreiche andere<br />
Aktivitäten für junge Menschen, mit<br />
jungen Menschen, ein europäischer Gedanke,<br />
wie es sich erst mit den Jahren zeigte.<br />
Gaby G. Blattl
AUS DEM VORSTAND<br />
IGdA-Mitgliedsbeitrag<br />
Auf ein Wort! Sagt sich so schön. Es werden<br />
schon ein paar Absätze sein müssen.<br />
Ich hoffe, alle Mitglieder erhalten Ihr Gehalt,<br />
Ihre Rente, Ihre Pension oder Ihre Bezüge regelmäßig<br />
und fristgerecht. Dann gehören Sie<br />
zu dem Anteil, der auf diese Regelmäßigkeit<br />
baut. Sie sind damit in die Lage versetzt, jedenfalls<br />
für den monatlich überschaubaren<br />
Zeitrahmen, über Ihre finanzielle Verfügungsmasse<br />
disponieren zu können. Je enger<br />
die Spielräume, desto mehr sind sie auf regelmäßige<br />
Zahlungseingänge angewiesen.<br />
Auch ein Verein muss mit seiner Verfügungsmasse<br />
rechnen, allerdings auf ein Kalenderjahr<br />
bezogen. Er muss mit den eintreffenden<br />
Mitteln auskommen, denn er kann sein Konto<br />
nicht überziehen. Schulden machen, wie<br />
beim Staatshaushalt, entfällt. Denn wer gibt<br />
ihm Bürgschaften?<br />
Nun fallen die Ausgaben nicht alle im ersten<br />
Monat eines Kalenderjahres an, sondern<br />
verteilen sich übers Jahr, wie etwa die die<br />
Kosten für die Zeitschrift „aktuell“ oder sie<br />
fallen zu einem späteren Zeitpunkt an, wie<br />
etwa im Rahmen der Jahrestagung Descher-<br />
Feder u.a.. Deshalb müssen zum Jahresbeginn<br />
nicht alle Mitgliedsbeiträge vorliegen,<br />
aber doch die Mehrzahl.<br />
Als Schatzmeister arbeite ich ehrenamtlich<br />
und möchte den Arbeitsaufwand verständlicherweise<br />
möglichst gering halten. Sie wissen<br />
ja, Zeit ist kostbar. Ein guter Handwerker<br />
lässt sich entsprechend bezahlen, von Bankvorständen<br />
ganz zu schweigen. Auch würde<br />
ich gerne meine Zeit für das Feilen an einem<br />
Gedicht nutzen oder mit den Enkelkindern<br />
verbringen. Besonders dankbar bin ich daher<br />
all jenen Mitgliedern, die sich am Lasteneinzugsverfahren<br />
beteiligen. Sie ersparen mir<br />
eine Menge Arbeit. Denn wenn es erst einmal<br />
eingerichtet ist, dann läuft es automatisch, so<br />
lange keine Kontoänderung oder Beitragsänderung<br />
kommt. In gleicher Weise danke<br />
ich all jenen Mitgliedern, die selbst überwei-<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 59<br />
sen und dies unaufgefordert im ersten Jahresquartal<br />
tun. Glücklicherweise trifft dies<br />
für rund 80% der Mitglieds-beiträge beider<br />
Gruppen zu.<br />
Wer seine Zahlungen selbst verantwortlich<br />
leistet, den möchte ich herzlich bitten, dies<br />
stets im ersten Quartal eines Jahres zu tun.<br />
Wer es nicht getan, bitte möglichst umgehend,<br />
bevor ich leider Mahnungen verschicken<br />
muss. Dabei bemühe ich mich, dies<br />
möglichst per Mail zu machen, um Kosten<br />
für den Verein zu sparen. Und bitte, bei<br />
Überweisungen auch eindeutigen Namen<br />
und Zweck angeben. So lassen sich beim Zuordnen<br />
einer Beitragszahlung zeitaufwändige<br />
Nachforschungen vermeiden.<br />
Für rund 20% der Mitglieder bin ich im Zugzwang,<br />
die Mitgliedsbeiträge zu erbitten.<br />
Dies verteilt sich auf verschiedene Gruppen:<br />
Es bleiben noch genug Zeitaufwendungen<br />
für bestimmte Fälle übrig:<br />
1. Bei begrüßenswerten neuen Mitgliedschaften.<br />
Da das Lastschriftverfahren bei der<br />
Postbank etwa umständlich ist und erst im<br />
nächsten Jahr wirksam wird, bitte ich Neumitglieder<br />
ihren Mitgliedsbeitrag für das<br />
laufende Jahr plus 5 € Veraltungsgebühr direkt<br />
zu überweisen (nach dem 30. Juni eines<br />
Jahres wird nur die Hälfte fällig), auch wenn<br />
sie eine Einzugsberechtigung ausgestellt haben.<br />
2. Bei Mitgliedschaft in Nicht-EU-Ländern<br />
(z.B. Schweiz, USA). Hier müssen gegebenenfalls<br />
Sonderlösungen gefunden werden,<br />
da die Bankgebühren erheblich sind.<br />
Manche Banken kassieren ihren Anteil einfach<br />
ab und so kommt nicht der volle Mitgliedsbeitrag<br />
auf dem IGdA-Konto an und<br />
dem Schatzmeister fällt die leidige Aufgabe<br />
zu, Nachforderungen zu stellen. In EU-Ländern<br />
ist die Überweisung seit Einführung<br />
von IBAN und BIC seit einiger Zeit ohne Gebühren<br />
und reibungslos möglich.<br />
3. Mitglieder deren Kontonummer aus<br />
irgendeinem Grund nicht stimmen. Hier gibt<br />
es Bedarf für Klärung.<br />
4. Bei reduziertem Mitgliedsbeitrag.<br />
Grundsätzlich ist der volle Mitgliedsbeitrag<br />
von 50 € zu entrichten. Ausgenommen wer-
den Mitglieder in besonderer persönlicher<br />
und finanzieller Situation. Hierzu ist unaufgefordert<br />
jährlich ein Nachweis zu erbringen.<br />
In all zu vielen Fällen fehlt er. Ersparen sie es<br />
mir, nachzuhaken.<br />
5. Abgetauchte Mitglieder bzw. schwer<br />
erkrankte bzw. verstorbene Mitglieder.<br />
Es gibt einige Fälle, wo weder ein Mitgliedsbeitrag<br />
geleistet, noch auf eine Anfrage geantwortet<br />
wird. Solange nicht satzungsgemäß<br />
gekündigt wurde, besteht Beitragspflicht.<br />
Eine Kündigung muss mit einer Frist von<br />
drei Monaten zum Jahresende schriftlich bei<br />
der Geschäftsstelle vorliegen, andernfalls ist<br />
der Beitrag für ein weiteres Jahr fällig. Sollte<br />
wiederholt kein Mitgliedsbeitrag geleistet<br />
werden, beschließt der Vorstand den Ausschluss,<br />
nachdem das Mitglied mehrmals gemahnt<br />
worden ist.<br />
Trifft ein Mitglied ein schwerer Schicksalsschlag,<br />
der eine Mitgliedschaft für die<br />
Zukunft ausschließt, sollte dies, soweit es<br />
jemand bekannt wird, dem Vorstand mitgeteilt<br />
werden, um unsinnige Mahnungen zu<br />
vermeiden.<br />
Bitte haben Sie auch Verständnis, wenn es<br />
vorkommt, dass ich Sie anschreibe und um<br />
Mithilfe bei der Klärung ihrer Zahlung(en)<br />
bitte. Unstimmigkeiten können leider nur mit<br />
Ihrer Mithilfe ausgeräumt werden. Ich bitte<br />
Sie, mir nachzusehen, dass ich mich nicht jeden<br />
Tag und jede Woche, um die Mitgliedsbeiträge<br />
kümmere. So kann es vorkommen,<br />
dass nach einiger Zeit ich neu in die Listen<br />
einsteige und mir dabei schon mal ein Fehler<br />
unterlaufen kann. Dies ist keine Absicht.<br />
Aber die Unklarheiten liegen nicht nur auf<br />
meiner Seite. Bisher haben sich die Unklarheiten<br />
aufklären lassen.<br />
Mein ganz besonderer Dank gilt den Mitgliedern,<br />
die pünktlich zahlen. Glücklicherweise<br />
ist das die Mehrzahl. Hervorheben<br />
möchte ich, dass einige Mitglieder über den<br />
Mitgliedsbeitrag hinaus, der IGdA Spenden<br />
zukommen lassen. Dafür ist die IGdA sehr<br />
dankbar. Leider reichen die Einsparungen<br />
bei der Zeitschrift und der Verzicht auf eine<br />
Vorstandsitzung nicht aus, den Engpass bei<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 60<br />
den Finanzen zu beseitigen. Spenden sind<br />
herzlich willkommen. Dinge, wie ein Almanach<br />
oder Messestand auf der Buchmesse<br />
sind bei der jetzigen Finanzlage nicht möglich.<br />
Eine pünktliche Beitragszahlung würde<br />
wenigstens das Zeitschriftprojekt, die Homepage<br />
und die Preisvergaben in diesem Jahr<br />
sichern. Und dies sollte auf jeden Fall im<br />
Interesse des Vereins als Minimum möglich<br />
sein.<br />
Volker Wille<br />
Schatzmeister<br />
MITGLIEDER BERICHTEN<br />
Vergangenen Juni stellte Walter Ehrismann<br />
(CH) zum zweiten Male in der Galerie am<br />
Platz in Eglisau (CH) aus. Die Galerie existiert<br />
seit über 40 Jahren und ist mitten im<br />
mittelalterlichen Städtchen am Oberrhein gelegen,<br />
umgeben von Weinbergen.<br />
„Am Weg zur Farbe“ titelte die Ausstellung,<br />
und das aus nahe liegenden Gründen, denn<br />
Ehrismann war mit einem Textbeitrag 2007<br />
zum Thema „Farben“ im Podium vertreten,<br />
einer Kunstanthologie, die in Wien heraus<br />
gegeben wird. Und es waren die Farben,<br />
die die Besucher begeisterten: die neuesten<br />
Werkgruppen, große Leinwände, von Gelb<br />
zu Rosa, zu Weiß, Hellblau und Hellgrün<br />
pulsierend, von der Fotografie herkommend,<br />
mit Oeltempera übermalte Ink Jets, Bilder,<br />
die in ihrer subtilen Farbigkeit weit über alles<br />
hinaus gehen, was der Künstler bis her<br />
zu seinem Thema gemacht hat: Ein Fest der<br />
Farben!
IGdA in Wien<br />
Der erste Abend in diesem Jahr, Donnerstag,<br />
26. März 2009, 19 Uhr in Goldschmied’s<br />
Galerie Heinrich, Wien, war als literarischer<br />
Abend gedacht, Das neue Buch von Othmar<br />
Seidner, Widersprüche II, sollte präsentiert,<br />
einige Auszüge aus dem Schaffen der Mitglieder<br />
vorgetragen werden. Dazu war eine<br />
kurze Präsentation der IGdA geplant. Manche<br />
Abende entwickeln Eigendynamik, so<br />
auch hier. Nach einer kurzen Lesung der<br />
Gedichte von Othmar Seidner, einer ebenso<br />
kurzen Vorstellung der IGdA, wurde eine<br />
Fragestunde eingeleitet. Das Publikum interessierte<br />
sich in erster Linie für die Zeitung<br />
‚IGdA-aktuell‘, für die Aktivitäten der IGdA,<br />
Möglichkeiten, fragte nach Beitrittsmöglichkeiten.<br />
Othmar Seidner und ich gaben Auskunft,<br />
sprachen von den beiden Treffen in<br />
diesem Jahr, die auch von Gästen besucht<br />
werden könnten.<br />
Es war nicht nur für das Publikum interessant,<br />
Neues zu erfahren, auch für uns war es<br />
eine neue Erfahrung, Rede und Antwort zu<br />
stehen.<br />
Der zweite Abend fand Donnerstag, 7. Mai<br />
2009, um 19 Uhr statt. Anna Maria Sauseng<br />
konnte nach langer Zeit wieder nach Wien<br />
kommen, um hier aus ihrem Werk vorzutragen;<br />
dazu stand Helmfried Knoll auf dem<br />
Programm. Eines unserer neuen Mitglieder,<br />
Irmentraud ter Veer, war in Wien. So konnte<br />
ich sie einladen, in einer kurzen Lesung<br />
n diesem Abend teilzunehmen. Musikalisch<br />
untermalt wurde von Prof. Alfred Hertel,<br />
Oboe, Maria Szepesi, Sopran und dem Wiener<br />
Komponisten Norbert Herzog, der einige<br />
Gedichte von Anna Maria Sauseng vertont<br />
hatte. Othmar Seidner trug mit Anna Maria<br />
Sauseng aus deren Werk vor, Helmfried<br />
Knoll erzählte in seinem Beitrag über die österreichische<br />
Bundeshymne.<br />
Sowohl die Beiträge der beiden Autoren als<br />
auch die Zwischenmusik, vor allem sieben<br />
Lieder nach Texten der Autorin, gesungen<br />
von Maria Szepesi – eine österreichische Ur-<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 61<br />
aufführung – wurde von einem begeisterten<br />
Publikum sehr gut aufgenommen.<br />
Der nächste Abend findet am 29. Oktober<br />
2009 statt.<br />
Jahreshauptversammlung 2008<br />
(Nachtrag)<br />
Gaby G. Blattl<br />
Wie bereites im Editorial erwähnt, wurde<br />
versäumt, das Protokoll der Jahreshaupt-<br />
versammlung 2008 in Geiselwind abzudrucken.<br />
Ich hoffe, Sie können das Versäumnis<br />
verzeihen.<br />
<strong>Interessengemeinschaft</strong> <strong>deutschsprachiger</strong><br />
Autoren e. V. - VR 1829<br />
Protokoll der Jahreshauptversammlung vom<br />
26. September 2008 im Hotel Strohofer,<br />
Geiselwind<br />
Die Versammlung beginnt um 16 Uhr. Die zu<br />
diesem Zeitpunkt anwesenden elf Mitglieder<br />
wählen Herrn Dr. Volker Wille zum Versammlungsleiter.<br />
Herr Dr. Wille erklärt, dass<br />
die Mitgliederversammlung nicht beschlussfähig<br />
ist. Auf seinen Vorschlag entscheiden<br />
die anwesenden Mitglieder, die Versammlung<br />
um eine halbe Stunde zu vertagen.<br />
TOP 1<br />
Um 16.35 Uhr begrüßt der Versammlungsleiter<br />
Herr Dr. Volker Wille die elf anwesenden<br />
Mitglieder und erklärt, dass sich folgende<br />
Damen und Herren entschuldigt haben:<br />
Jutta Miller-Waldner wegen Krankheit,<br />
Rainer Hengsbach-Pacham wegen Krankheit,<br />
Prof. Dr. Horst Dinter hat abgesagt,<br />
Georg Walz aus familiären Gründen,<br />
Waltraud Weiß hat abgesagt, ebenso<br />
Peter Dreyling wegen beruflicher Verpflichtungen.<br />
Dann stellt der Versammlungsleiter fest, dass
sich die angereiste Frau Gesina M. Jaeckle in<br />
ihrem Hotelzimmer befindet, weil sie sich<br />
unwohl fühlt. Frau Jaeckle kommt nach 17<br />
Uhr und trägt sich als 12. Mitglied in die Anwesenheitsliste<br />
ein.<br />
TOP 2<br />
Der Versammlungsleiter vergewissert sich,<br />
dass die anwesenden Mitglieder satzungsgemäße<br />
Einladungen erhielten. Das Protokoll<br />
der Jahreshauptversammlung 2007, zu dem<br />
es keine Einwände gibt, wird einstimmig angenommen.<br />
TOP 3<br />
Der Versammlungsleiter erklärt, dass der Bericht<br />
der 1. Vorsitzenden wegen der Erkrankung<br />
von Frau Jutta Miller-Waldner entfällt.<br />
TOP 4<br />
Der Bericht der Geschäftsführerin entfällt,<br />
weil diese Position erst von Frau Gaby G.<br />
Blattl übernommen wurde.<br />
TOP 5<br />
Herr Dr. Volker Wille gibt als Schatzmeister<br />
seine Berichte für 2006 und 2007 ab.<br />
TOP 6<br />
Der Bericht der Kassenprüfer entfällt, weil<br />
der Rechnungsprüfer Herr Peter Dreyling<br />
wegen beruflicher Verpflichtungen entschuldigt<br />
ist. Die Rechnungsprüferin Frau Gesina<br />
M. Jaeckle erklärt später auf eine Frage des<br />
Versammlungsleiters, dass sie nur zusammen<br />
mit Herrn Peter Dreyling einen Bericht<br />
abgeben kann.<br />
TOP 7 und TOP 8<br />
Nach längerer Diskussion über die Entlastung<br />
des Vorstands für 2006 und 2007 wird<br />
folgendes einstimmig - bei Enthaltung der<br />
Betroffenen - beschlossen: Der Vorstand wird<br />
vorbehaltlich der ausstehenden Kassenprü-<br />
IGda<br />
fungsberichte entlastet.<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 62<br />
TOP 9<br />
Die Wahlleiterin Frau Gaby Hühn-Keller erklärt,<br />
dass 96 Wahlzettel aus den Wahlbriefen<br />
mit Poststempel bis einschl. 31.08.2008<br />
gezählt wurden. Fünf dieser Wahlzettel waren<br />
ungültig. Von den gültigen 91 Wahlzetteln<br />
entfielen folgende Stimmen auf die neun<br />
Kandidaten:<br />
Gaby G. Blattl 41<br />
Gabriela Franze 41<br />
Rainer Hengsbach-Parcham 50<br />
Jutta Miller-Waldner 69<br />
Othmar Seidner 49<br />
Georg Walz 45<br />
Waltraud Weiß 59<br />
Dr. Volker Wille 58<br />
Angelika Zöllner 53<br />
TOP 10<br />
Von den unter TOP 9 genannten Kandidaten<br />
sind nach Stimmenzahl und Satzung folgende<br />
sieben Personen gewählte Vorstandsmitglieder:<br />
RainerHengsbach-Parcham<br />
Jutta Miller-Waldner<br />
Othmar Seidner<br />
Georg Walz<br />
Waltraud Weiß<br />
Dr. Volker Wille<br />
Angelika Zöllner<br />
In der Vorstandssitzung vor der Jahreshauptversammlung<br />
wurden von den gewählten<br />
Vorstandsmitgliedern folgende Mitglieder<br />
als Kooptationsmitglieder in den Vorstand<br />
hinzugewählt:<br />
Gaby G. Blattl<br />
Gabriela Franze<br />
Prof. Dr. Horst Dinter (befristet)<br />
Die Vorstandschaft hat in der vorher stattgefundenen<br />
Vorstandssitzung satzungsgemäß<br />
per Abstimmung folgende Funktionen vergeben:<br />
1. Vorsitzender Othmar Seidner,<br />
Handelskai 224/5/9/59, A-1020 Wien
2. Vorsitzender Prof. Dr. Horst Dinter<br />
(befristet), Am Bahnhof 5,<br />
D-74670 Forchtenberg<br />
Schatzmeister Dr. Volker Wille,<br />
Platanenhof 23, D-30659 Hannover<br />
Schriftführerin Waltraud Weiß,<br />
Ingendorfer Weg 71, D-50829 Köln 30<br />
Geschäftsführerin Gaby G. Blattl,<br />
Anton-Baumgartner-Str.44/ C3/ 2503<br />
A-1230 Wien<br />
Beisitzer:<br />
• Rainer Hengsbach-Parcham,<br />
Stieglakeweg 21, D-13591 Berlin<br />
• Jutta Miller-Waldner, Müllerstr. 22 e,<br />
D-12207 Berlin<br />
• Angelika Zöllner,<br />
Imkerweg 11, D-42279 Wuppertal<br />
• Georg Walz,<br />
Wacholderstr. 2, D-82515 Wolfratshausen<br />
• Gabriela Franze,<br />
Rosenweg 8, D-09669 Frankenberg/Sa<br />
Die anwesenden Vorstandsmitglieder sind<br />
bereit, ihre Aufgaben zu übernehmen, von<br />
den übrigen wird die Zustimmung schriftlich<br />
eingeholt und dem Protokoll der Vorstandssitzung<br />
beigefügt.<br />
TOP 11<br />
Eine Neuwahl der Kassenprüfer erfolgt<br />
nicht, da Herr Dreyling nicht anwesend ist.<br />
Frau Jaeckle erklärt, dass sie das Amt abgeben<br />
will. Eine Wahl der Kassenprüfer soll im<br />
Rahmen der nächsten Mitgliederversammlung<br />
erfolgen, die dann das Jahr 2008 überprüfen<br />
wird. Die Überprüfung für 2006 und<br />
2007 soll jedoch bis Jahresende gemeinsam<br />
mit Herrn Dreyling durchgeführt werden.<br />
TOP 12<br />
Die Rudolf-Descher-Feder 2008 erhält Frau<br />
Luitgard Kasper-Merbach am 27.09.2008.<br />
IGda<br />
TOP 13<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 63<br />
Die Jahreshauptversammlung 2009 soll im<br />
September 2009 in Frankenberg/Sachsen<br />
stattfinden. (Genauer Termin wird noch festgelegt.)<br />
TOP 14<br />
Verschiedenes<br />
Unter dem Tagesordnungspunkt 14 wurden<br />
keine Beschlüsse gefasst.<br />
Gegen 18.10 Uhr erklärt der Versammlungsleiter<br />
die Jahreshauptversammlung 2008 für<br />
beendet.<br />
Schonungen, den 14. Oktober 2008<br />
(Konrad Wirner)<br />
Protokollführer<br />
LESERBRIEFE<br />
Hallo wertes Team,<br />
ich wollte euch nur mal ein Dankeschön senden,<br />
für die viele Arbeit, die Ihr Euch mit eurer<br />
Homepage macht.<br />
Sie enthält eine Fülle von Informationen und<br />
Links, wie man sie selten auf einer Webseite<br />
findet. Vielen Dank dafür.<br />
Mit freundlichem Gruß Bernhard Ka<br />
Auch ein L e s e r b r i e f<br />
Einwand gegen KHS-Text in 1/09<br />
S. 22 ff<br />
Sublimationsprophylaxe: Welch ein Wortgeschwalle!<br />
Warum will KHS eine sprachliche Verfeinerung<br />
der Lyrik vermeiden, ihr vorbeugen?<br />
Ist es nicht gerade Aufgabe der Lyrik, oder<br />
soll nur noch in Umgangs- und Gossensprache<br />
geschrieben werden? Ist das dann Zwischenmenschlichkeit<br />
(„interaktive Lyrik“ –
wieder typische Sprechblasenrhetorik!).<br />
Der Textschreiber Karl-Heinz Schreiber ist<br />
immer bereit, in arrogant-überheblicher Art<br />
die Texte anderer abzuqualifizieren. Was aber<br />
bieten seine eigenen Texte? Nun also schafft<br />
er es, ein als „Essay“ verkleidetes Elaborat –<br />
er selbst pflegt ja möglichst oft, Fremdwörter<br />
zu verwenden – in die ‚aktuell 1/09 zu bringen.<br />
Sollte dies der an sich lobenswerte Versuch<br />
sein zu zeigen, dass er auch anderes kann,<br />
als nur andere Autoren zur Schnecke zu machen?<br />
Oder was will dieser Text? Ich lese lieber<br />
Gehaltvolles, wie bisher meistens, in der<br />
ZS.<br />
Dieser Artikel aber ist eine aufgeblähte<br />
Sprachblase, weitgehend ohne Inhalt oder<br />
Sinn. Das wird jedoch durch den ausufernden,<br />
arroganten Gebrauch von Fremdwörtern<br />
verschleiert Er vermeidet es, allgemein<br />
verständlich zu schreiben So wird wohl in<br />
KHS’s Diktion das gute deutsche Wort „denken“<br />
zum „autogen interaktiven mentalen<br />
Prozess“. Erträglich ist so etwas nur als Persiflage.<br />
Wagen es Leser zu obigem Text zu sagen:<br />
„Das ist doch bloß unverständliches Blabla,“<br />
so wird KHS diese sofort als geistig minderbemittelt<br />
abqualifizieren. Das ist seine Art! Es<br />
gehört schon eine gewisse Portion Mut dazu,<br />
diesen Text offen abzulehnen.<br />
Was sagt der Text? Nichts von allgemeiner<br />
Bedeutung!<br />
Was will er? Sich selbst darstellen.<br />
Fragt man sich nach der Lektüre, was wurde<br />
eigentlich festgestellt, was meint der Schreiber?<br />
Unklares Gerede, Phrasen ohne Inhalt,<br />
aufgeblasenes Fremdwörtergeschreibe – also<br />
Nichts! „Getretner Quark, wird breit, nicht<br />
stark.“ ist der Kommentar, der sich aufdrängt,;<br />
denn wer, außer dem Verfasser, hat<br />
denn etwas von diesem Text? Er ist unnötig<br />
und einfach ärgerlich! Schade um den verschenkten<br />
Platz in der ZS.<br />
Nun, höchstens als Abschreckung oder als<br />
Anregung für Leserbriefe dürfte er eine Daseinsberechtigung<br />
haben.<br />
Also: wer traut sich noch?<br />
Renate Weidauer<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 64<br />
Zeitgut Autoren/Innen – Welche Erfahrungen<br />
haben Sie mit dem ZEITGUT-Verlag<br />
gemacht?<br />
Kennen Sie den Aufruf: „Erinnerungen gesucht?“<br />
Wenn ja, dann kennen Sie vielleicht<br />
auch die Reihe „ZEITGUT“ aus dem Verlag<br />
gleichen Namens (ehemals JKL Publikationen<br />
GmbH, Berlin)? Herausgeber ist Jürgen<br />
Kleindienst. (Vgl. www.zeitgut.com). Dabei<br />
handelt es sich um Publikationen, die Spuren<br />
der Vergangenheit sichern. Sie basieren<br />
auf Zeitzeugenberichte. Das Projekt hielt ich<br />
für beteiligungswert und auch interessant.<br />
Nur, und da liegt für mich ein großes Fragezeichen:<br />
Der Weg und Umgang mit mir als<br />
Autor ist zumindest ungehörig. Immerhin<br />
bin ich drei Werken vertreten ( in „Lebertran<br />
und Chewing Gum“ Bd. 14, 2000, „Halbstark<br />
und tüchtig“, Bd. 17 2002 und „Unvergessene<br />
Schulzeit 1945-1962“, 2005, TB Bd.2)<br />
Es begann vor etwa zwei Jahrzehnten mit<br />
Aufrufen zu Zeitzeugenberichten für bestimmte<br />
Themen und Zeitabschnitte. Ich beteiligte<br />
mich daran. Einige Beiträge wurden<br />
wie vereinbart gedruckt. Die Basis hierfür ist<br />
ein Vertrag, der auf Druckkostenzuschuss<br />
hinaus läuft. Da aber eine bescheidene Beteiligung<br />
am Verkauf vertraglich angeboten<br />
wurde, schien mir dieser Weg einigermaßen<br />
akzeptabel. Schließlich mussten die eingereichten<br />
Beiträge geprüft und wenn eine Veröffentlichung<br />
in Aussicht gestellt war, auch<br />
lektoriert werden. Der Druckkostenzuschuss<br />
pro Seite war umgehend vom Autor zu zahlen.<br />
Als Gegenleistung wurde eine bescheidene<br />
Ausschüttung nach Veröffentlichung<br />
von den verkauften Bänden entsprechend<br />
der belegten Seiten vertraglich garantiert.<br />
Meine Verträge wurden auf der oben genannten<br />
Basis abgeschlossen, die dann verändert<br />
wurden. Die Ausschüttung wurde<br />
von 10 % auf 8 % (im Jahr 2000) reduziert.<br />
Heute erhalten Autoren keine Ausschüttung<br />
mehr, dafür drei Belegexemplare und das<br />
Recht Bücher mit 35% Preisnachlass zu erwerben.<br />
Für diese Änderung mag es Gründe<br />
gegeben haben.
Für ein unangemessenes „Geschäftsgebaren“<br />
halte ich es jedoch, Beiträge vertraglich<br />
zur Veröffentlichung anzunehmen und sie<br />
nach rund einem Jahrzehnt nicht zu publizieren,<br />
geschweige mitzuteilen, dass sich das<br />
Konzept möglicherweise erweitert oder verändert<br />
hat und eine Einlösung der Verträge<br />
offensichtlich nicht mehr opportun ist. Eine<br />
Steigerung erfährt dieses Verhalten, dass ich<br />
auf mein Schreiben vom März dieses Jahres<br />
keine Antwort erhalten habe, geschweige<br />
denn, die erbetene Rückzahlung meiner geleisteten<br />
Seitenzahlungen erfolgt ist. Selbst<br />
die Ausschüttung für die veröffentlichten<br />
Beiträge ist nur unvollständig erfolgt.<br />
Da ich nicht weiß, ob es sich bei mir um einen<br />
Einzelfall handelt, oder ob diese Art sich<br />
zinsloses Kapital zu besorgen, oft erfolgt ist<br />
- es handelt sich vermutlich auch um ältere<br />
Menschen, die aus der Erinnerung schöpfen -<br />
wende ich mich an die Öffentlichkeit und bitte<br />
darum, dass sich weitere Autoren/Innen,<br />
die ähnliches Erfahrungen mit dem ZEIT-<br />
GUT-Verlag machen, sich melden. Sollte sich<br />
herausstellen, dass hier ein „systematisches“<br />
Vorgehen vorliegt, wäre dies ein Grund<br />
rechtliche Schritte zu prüfen. Sofern Sie auch<br />
betroffen sind und eine Rückzahlung ihrer<br />
im Rahmen von ZEITGUT-Autorenverträgen<br />
geleisteten Zahlungen erwägen, nehmen Sie<br />
bitte mit mir Kontakt auf über Internet:<br />
ADL.wille@t-online.de bzw. Telefon oder<br />
Postadresse.<br />
Mit bestem Dank<br />
Willi Volka<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 65<br />
Einladung<br />
zur Jahreshauptversammlung<br />
Sehr geehrtes Mitglied,<br />
hiermit lade ist Sie herzlich zur diesjährigen<br />
Jahreshauptversammlung ein.<br />
Sie findet am Freitag, dem 11. September<br />
2009 um 16 h im AKZENT-Landhotel Frankenberg,<br />
Dammplatz 3, 09669 Frankenberg,<br />
Tel. 037206/773, www.landhotel-frankenberg.de<br />
statt.<br />
Tagesordnung<br />
1. Begrüssung durch den 1. Vorsitzenden<br />
2. Feststellung der satzungsgemäßen Einla-<br />
dung und Beschlussfähigkeit<br />
3. Bericht des 1. Vorsitzenden<br />
4. Bericht der Geschäftsführerin<br />
5. Bericht des Schatzmeisters<br />
6. Bericht der Kassenprüfer<br />
7. Aussprache über die Berichte<br />
8. Entlastung des Vorstands für 2008<br />
9. Änderung im Vorstand: nach Rück- und<br />
Austritt von Prof. Horst Dinter wird Gabriela<br />
Franze als 2. Vorsitzende vorgeschlagen<br />
10. Wahl der Kassenprüfer<br />
11. Verleihung der Rudolf-Descher-Feder<br />
12. Tagungsort der Jahreshauptversammlung<br />
2010<br />
13. Herausgabe des Archives von Jutta Miller-Waldner<br />
14. Verschiedenes<br />
Ich würde mich freuen, wenn ich Sie möglichst<br />
zahlreich in Frankenberg begrüßen<br />
könnte.<br />
Herzliche Grüße<br />
Gez. Othmar Seidner,<br />
1. Vorsitzender der IGdA
Anfahrt nach Frankenberg<br />
IGda<br />
Mit dem Auto: BAB A4 Abfahrt Frankenberg – Richtung Zentrum (B169)<br />
mit dem Zug:<br />
bis Chemnitz Hauptbahnhof<br />
Ab Chemnitz-Hauptbahnhof weiter mit dem Zug: Chemnitz-Hauptbahnhof Niederwiesa<br />
Frankenberg-Bhf.<br />
mit dem Bus: Chemnitz-Hauptbahnhof Ausgang „Busbahnhof“ – ca. 6 Gehminuten bis Busbahnhof<br />
Abfahrt in der Regel stündlich um xx:17 Uhr und xx:30 Uhr ab Steig 6<br />
Taxi: Chemnitz-Hauptbahnhof Hauptausgang<br />
Taxikosten bis Landhotel Frankenberg ca. 20 Euro<br />
Ab Frankenberg-Bhf. bis Landhotel<br />
Fußweg ca. 20 min.: Winklerstraße – Überquerung der Schloßstraße – geradeaus weiter<br />
(Dammgasse) – nach links auf „Am Damm“ bis Dammplatz (HOTEL)<br />
oder<br />
Fahrdienst michalowski (037206/4243) Taxikosten von Frankenberg-Bhf. bis Landhotel ca. 5<br />
Euro<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 66
Jahreshauptversammlung 2009<br />
Unterbringung und Veranstaltungen im AKZENT-Landhotel Frankenberg, Dammplatz 3,<br />
09669 Frankenberg (Tel. 037206-773); Zimmerpreis f. EZ/P/N 40,00 EUR incl. Frühstück; Mittagessen<br />
individuell; Abendessen wird gegen Zuzahlung vom Landhotel angeboten. Bei hoher<br />
Teilnehmerzahl ermäßigt sich der Zimmerpreis auf 38,00 EUR. Der Tagungsraum „Striegistal“<br />
steht permanent zur Verfügung.<br />
Programm:<br />
Donnerstag, 10.09.2009<br />
bis 17:00 Uhr Einchecken im Hotel<br />
17:00 Uhr Begrüssung der Teilnehmer durch den 1. Vorsitzenden der IGdA,<br />
Othmar Seidner im Tagungsraum Striegistal<br />
18:00 Uhr Empfang im Ratssaal der Stadt Frankenberg mit Informationen über die Stadt<br />
20:00 Uhr Abendessen und gemütliches Beisammensein mit Lesungen aus eigenen<br />
Werken im Tagungsraum Striegistal<br />
Freitag, 11.09.2009<br />
09:30 Uhr Lesungen in Schulen<br />
10:45 Uhr Lyrik-Workshop unter Leitung von Hermann Wischnat<br />
12:00 Uhr Mittagessen<br />
13.30 Uhr Vorstandssitzung<br />
15:00 Uhr Jahreshauptversammlung im Tagungsraum Striegistal unter der Leitung des<br />
1. Vorsitzenden, Othmar Seidner<br />
18:00 Uhr öffentliche Lesung/en (je nach Anmeldungen – siehe Anmeldecoupon)<br />
Samstag, 12.09.2009<br />
IGda<br />
09:00 Uhr Prosa-Workshop unter Leitung von Karin Manke. Thema: Spannungsaufbau<br />
10:30 Uhr Ausflug nach Dresden (Unkostenbeitrag € 15,- zzgl. Mittagessen<br />
ca. € 15,- /3 Gänge)<br />
auf der Busfahrt erzählt Gabriella Hühn-Keller Unterhaltsames<br />
und Wissenswertes über zum Dresdner Autor Erich Kästner,<br />
12:00 Uhr Mittagessen im schwimmenden Elbrestaurant „Theaterkahn“ mit Gelegenheit<br />
zur Lesung aus eigenen Werken der Teilnehmer; anschließend Besichtigung<br />
der Dresdner Innenstadt (Zwingerhof, Hofkirche, Stadtschloss, Fürstenzug<br />
und Besichtigung der Frauenkirche);<br />
Heimfahrt gegen 16:00 Uhr/Ankunft im Hotel gg. 17:00 Uhr<br />
19:00 Uhr Abendessen im Hotel<br />
20:00 Uhr öffentlicher Festakt der IGdA zur Verleihung der Descher-Feder,<br />
des Nachwuchspreises und der Bekanntgabe der Sieger des internen<br />
Lyrikwettbewerbs sowie Lesungen der Preisträger;<br />
Umrahmung durch festliche Musik (Großer Saal des Hotels)<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 67
�<br />
Sonntag, 13.09.2009<br />
IGda<br />
Nach dem Frühstück zum Ausklang gemeinsames Beisammensein im Tagungsraum Striegistal,<br />
evtl. Nachbereitung des Jahrestreffens 2009 anschließend individuelle Abreise der Teilnehmer<br />
Ausrichter des Treffens: Gabriela Franze<br />
(Änderungen vorbehalten, Gäste sind herzlich willkommen)<br />
Texte für den Workshop von Hermann Wischnat bis zum 31. August 2009 an die Geschäftsstelle,<br />
Gaby G. Blattl, A-1230 Wien, Anton-Baumgartner-Str. 44/C3/2503, email: gabyblattl@<br />
chello.at<br />
Bitte Anmeldecoupon ausschneiden und bis spätestens 24. August 2009<br />
an Gabriela Franze, Aachener Str. 71, 50674 Köln, Tel. 0221-30249204 senden:<br />
Ich nehme am Treffen in Frankenberg mit _________ Person/en teil.<br />
Ich nehme teil an:<br />
� einer Lesung in der Grundschule Astrid Lindgren am 11.9., 9.30<br />
� einer Lesung im Gymnasium Martin Luther am 11.9., 9.30<br />
� einer öffentlichen 18-Uhr-Lesung am 11.9.<br />
� der Lesung zum öffentlichen Festakt der IGdA am 12.9., 20 Uhr<br />
Ich benötige vom Frankenberger Bahnhof bis zum Hotel den Fahrdienst Michalowski (ca 5 Euro)<br />
Datum Name,Vorname Unterschrift<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 68
GEDICHTE ZUM<br />
INTERNEN BEWERB:<br />
Neu in diesem Jahr: alle Mitglieder können<br />
abstimmen und so das Siegergedicht auswählen.<br />
Bitte vergeben Sie Punkte auf einer Skala von<br />
1 – 5. Das bedeutet: 5 ist die höchste Bewertung.<br />
Jede Bewertung ist wichtig!<br />
Stimmen sind bis 31.8.2009 an die Geschäftsstelle<br />
zu senden.<br />
1. Waldsterben<br />
Einst suchten die Menschen<br />
das saftige Grün<br />
in den Wipfel der Bäume<br />
und lauschten dem Lied<br />
der singenden Äste.<br />
Sie legten ihre Sehnsucht<br />
in diese heilige Stille<br />
und atmeten Hoffnung<br />
im Raunen des Waldes.<br />
Plötzlich verstummte<br />
das launische Säuseln,<br />
ein vernichtender Schatten<br />
lief über das Land,<br />
und hinterließ<br />
braun versengte Wipfel,<br />
brandenthäutete Äste,<br />
schmerzvoll röchelndes Holz<br />
ganz irr, im Todeskampf.<br />
Verdeckt nun all Orte<br />
unzähliger Träume,<br />
unter dem schweren Mantel<br />
vulkanischen Ruß.<br />
Schutzloser Wald<br />
alsbald verwandelt<br />
zu hartem Gestein.<br />
Fossilien Staub<br />
atmet nun folgend der Mensch.<br />
IGda<br />
2. Steinerner Wald.<br />
Du stummer Zeuge,<br />
redest nur<br />
kraft unsrer Fantasie.<br />
Gigantenwald,<br />
der noch fossil<br />
uns lehren will,<br />
was einst geschah.<br />
Verstand fasst nicht<br />
Millionenzeit,<br />
als du dich bautest.<br />
Kein Saurieraug’<br />
hat dich erblickt,<br />
warst schon gegangen,<br />
als Fleischkolosse<br />
den Boden stampften.<br />
Äonenfern, du Kalamit,<br />
dein Steinkleid reicht.<br />
Unendlich weit<br />
Verhallt dein Klang.<br />
So lauschen wir<br />
mit unsren Augen<br />
in deine Welt,<br />
die still verschwand<br />
ins Unbekannte.<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 69<br />
*<br />
3. Steinerner Wald<br />
Wie still du bist,<br />
du Zeuge einer Zeit,<br />
die mit gewaltiger Kraft<br />
das Antlitz des Planeten formte.<br />
Als du dann, Stamm um Stamm,<br />
auf Flächen zwischen den Vulkanen<br />
dein Reich ausdehntest<br />
und jeder Kontinent dich trug,<br />
als Feuerstürme um dich tobten<br />
da trotztest du den wilden Elementen<br />
dennoch dein Leben ab.
Doch zehrten heiße Perioden<br />
beharrlich deine Borke aus.<br />
In Risse, die du dulden musstest,<br />
sank Sediment um Sediment<br />
in Räume, die du hohl gelassen,<br />
nicht ahnend, dass dereinst<br />
fossile Formen künden würden,<br />
von deinem Sein.<br />
So stehen wir vor deinem Erbe,<br />
das, nun zu festem Stein geworden,<br />
in Ehrfurcht uns erstaunen lässt.<br />
Hab Dank, Gigant, für deine Kunde.<br />
*<br />
4. Säulen aus Stein<br />
Denkmäler die Säulen,<br />
ragen herüber aus der Vergangenheit,<br />
Stein gewordene Bäume,<br />
wiegten sich einst im Wind.<br />
In Jahrmillionen<br />
nicht Asche geworden,<br />
doch lange in Asche geborgen,<br />
aus der Neugierde sie<br />
nicht wiedererweckte,<br />
nicht auferstehen ließ –<br />
ans Licht geholt<br />
hat Neugierde sie,<br />
Kunstwerk der Natur<br />
ohne Zweige,<br />
ohne Blätter,<br />
ohne Tanz von Schmetterlingen,<br />
ragt majestätisch, schnörkellos<br />
der Säulenwald<br />
wächst nicht mehr,<br />
braucht nicht mehr zu wachsen,<br />
hat für seinen Ruhm genug getan,<br />
Denkmal seiner selbst,<br />
steht scheinbar stumm;<br />
doch wer reglos lauscht<br />
hört ein fernes Rauschen<br />
äonenweit.<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 70<br />
Nichts stört der Vergangenheit Erinnern,<br />
das um die Säulen, Stämme webt –<br />
selbst der Neugier Blicke nicht,<br />
die bis ins Mark der Säulen dringen –<br />
bis ins Mark sind sie aus Stein.<br />
*<br />
5. Versteinerte Bäume<br />
Bäume –<br />
Zu Stein erstarrt,<br />
in kristallinene Härte<br />
unter dem Druck<br />
von Jahrmillionen<br />
eingepresst in<br />
Tiefe und Dunkelheit<br />
dieser Erde.<br />
Keiner hat jemals<br />
eure Kronen betrachtet,<br />
eure Schatten gesucht,<br />
eurem Rauschen gelauscht,<br />
und doch war<br />
Leben um euch,<br />
fraglos diente ihr ihm.<br />
Auch, wenn niemand<br />
seinen Namen je<br />
in einen eurer Stämme schnitt,<br />
Namenlose ihr,<br />
ohne Widerhall,<br />
ohne Vogelruf,<br />
doch der Sonne entgegen,<br />
immer,<br />
damals<br />
wie heute.<br />
*<br />
6. Versteinerte Bäume<br />
Sind gewachsen die Bäume einst hoch,<br />
zum Himmel gereckt,<br />
lebendiges Holz,<br />
grün-leuchtende Blätter,<br />
Behausung für Insekten,
Vogelnester,<br />
Orte von Licht und Schatten,<br />
hingegeben dem Regen,<br />
dem Wind.<br />
Doch die Wälder wurden<br />
in großen Flächen gerodet,<br />
Stein auf Stein geschichtet,<br />
Beton.<br />
Statt der Stämme wachsen jetzt<br />
Wände, zu Häusern geschlossen,<br />
bewohnter Turm neben Turm,<br />
empor gegen den Himmel,<br />
Wohnungen für Menschen<br />
statt für Getier.<br />
Ausgeschlossen<br />
der fruchtende Regen,<br />
die erhellenden Strahlen der Sonne,<br />
der Gesang des Windes<br />
und Waldgeruch.<br />
Balkons atmen die Luft<br />
über der Steinwüste.<br />
Abgeschattet das Sonnenlicht.<br />
Beton, Ziegel und Steine<br />
wachsen nicht mehr aus sich selbst.<br />
Doch wie krabbelndes Getier<br />
leben wir<br />
im versteinerten Wald,<br />
selbst immer härter werdend.<br />
Einige von uns<br />
sind auch schon versteinert.<br />
*<br />
7. Ihr steinernen Bäume<br />
kein Abschied war euer<br />
ihr Zeugen ersten Lebens<br />
kein Echo fing euch auf als<br />
die Sonne eure Schatten<br />
einsammelte ihr erstarrtet im<br />
Feuer weit vor der Zeit<br />
in der Finsternis wurdet ihr Stein<br />
Vor euch kommen sie nicht weit<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 71<br />
unsere Worte nicht und<br />
nicht unsere Bäume<br />
davongekommen im Aschenregen<br />
oder gepflanzt nach dem großen Krieg.<br />
Sie sprechen uns Mut zu im Sturm<br />
zittern wir um ihre Kronen<br />
Gewiss - kein Anfang ist euer<br />
ohne Jahreszahl eure Zeit<br />
unsere Vögel aber<br />
werden singen für euch<br />
*<br />
8. Bäume groß wie Riesen<br />
Bäume<br />
groß wie Riesen<br />
alt<br />
sehr alt<br />
ruhen<br />
ersteinert<br />
im Boden<br />
noch als Wald<br />
Bäume<br />
groß wie Riesen<br />
alt<br />
sehr alt<br />
versteinert<br />
gräbt man sie jetzt aus<br />
Sollten sie mahnen<br />
die noch lebenden Bäume<br />
der Welt zu bewahren?!<br />
Bäume<br />
groß wie Riesen<br />
alt<br />
sehr alt<br />
zu hundert<br />
zu tausend<br />
nicht versteinert<br />
misst man sie nur noch als Klafter<br />
fort<br />
der Wald.
9. An den Versteinerten Wald von<br />
Chemnitz<br />
Aus dem verborgenen<br />
Schoß der Zeiten<br />
trittst du heute ans Licht,<br />
zeigst versteinert<br />
deine Größe und Schönheit.<br />
Du versetzt uns in Staunen<br />
ob der Millionen von Jahren,<br />
uns, die für unser Leben<br />
nur in Dekaden rechnen können.<br />
Doch, wir haben dich entdeckt!<br />
Erkannten deine Stein gewordene<br />
chemische Formel.<br />
Es gilt umzudenken, was unsere<br />
eigene Wichtigkeit betrifft,<br />
besonders unsere Gier<br />
nach den Ressourcen der Erde.<br />
Wir sollten begreifen,<br />
wir könnten leicht letztes Glied<br />
einer langen Kette von Erdzeiten sein.<br />
*<br />
10. Dicht der Wald<br />
Frieden- und Erbauung spendend<br />
Blätter rauschen im Wind<br />
Wind lässt Blätter rauschen<br />
in ewigem Wechselspiel<br />
ein Wachsen und Werden<br />
uralter Pflanzen<br />
regenwaldähnliches Paradies<br />
plötzlich – die Zäsur<br />
ein Toben bricht aus<br />
Explosion<br />
Magmakammern entleert<br />
Glut und Asche überall<br />
Ergußstein<br />
drängt an die Oberfläche<br />
Alles tot<br />
der Wald – verlassen, tot<br />
Holz wird zu Stein<br />
Pflanzen auch<br />
IGda<br />
alles vergeht, versinkt<br />
bis nach und nach<br />
geheimnisbergend<br />
noch immer<br />
Spuren freigelegt<br />
von Menschenhand<br />
und Menschengeist<br />
Ahnung geben von dem<br />
was einmal war.<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 72<br />
*<br />
11. Der alte Schachtelhalm<br />
Ich, ein Schachtelhalm, riesig, stehe hier<br />
zweihundertneunzig Millionen Jahre.<br />
Inzwischen bin ich allerdings versteint.<br />
Woher ich das weiß? – Nun, täglich laufen<br />
Kreaturen hier vorbei; Menschen nennen die sich.<br />
Öfter zeigen sie mit dem Finger auf mich und<br />
reden miteinander anscheinend über mich.<br />
So allmählich kriege ich einiges mit.<br />
Ehrlich, ehe die mich freilegten, aus Vulkanasche,<br />
wusste ich über mich nichts.<br />
Das war eine Umstellung. Mein lieber Mann!<br />
Neuerdings höre ich, wir<br />
– ein paar Schachtelhalmkollegen und ich – sollen<br />
zum Kulturdenkmal erklärt werden.<br />
Was das wohl wieder ist? Störend,<br />
wirklich störend die Unruhe in den letzten Jahren!<br />
Ansonsten wirken diese Rumwimmler<br />
– also wie die sich fortbewegen?! –<br />
richtig putzig.<br />
*
12. Und und und …<br />
Entzweigen Stämmen<br />
Äste viel<br />
stürzen Blätter ungezählt<br />
bäumen in Jahreszeiten<br />
Ringe<br />
und …<br />
gefällt zum Holzscheid<br />
Wärmeglut zu verstrahlen<br />
oder zu Brettern<br />
einer Schranktür<br />
oder am Stück<br />
geschnitzt zur Stehfigur<br />
ein Kreuz am Grab<br />
hartholzige Vergänglichkeit<br />
und …<br />
Zeitzeugen<br />
steingesägter<br />
geschliffener Ewigkeiten<br />
wo Mitwelt<br />
Paläozoikum<br />
Vergangenheit konserviert<br />
in Gegenwart<br />
glatt geringt<br />
zum Scheibengral<br />
die Wände bunt verzieren<br />
*<br />
13. Stammbuch<br />
Selten<br />
ein Stamm so vergreist<br />
aufschlägt Zeit<br />
im konservierten Stein.<br />
Mitten in Vergänglichkeit<br />
wird getragen<br />
in den Museumsraum<br />
aufgebäumte Vergessenheit.<br />
Steinstämmigen Baum<br />
der Vergänglichkeit<br />
entwunden<br />
sein Stammbuch.<br />
*<br />
IGda<br />
14. angst<br />
im versteinerten wald<br />
die bäume tot und hart<br />
so glänzend rein und<br />
zeitlos kalt erstarrt<br />
ich suche dich<br />
wir schweigen zwischen<br />
so viel ewigkeit wächst<br />
angst um unsre seelen<br />
dann deine hand<br />
in meiner warm und<br />
so verletzlich zart<br />
entsteinert mir das herz<br />
dass es vergänglich<br />
bleibt und lieben kann<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 73<br />
*<br />
„Steinerner Wald“
IGda<br />
MIT SPITZER FEDER BETRACHTET ...<br />
Das zweite Bein<br />
Bereits beim Entfernen des schützenden Packpapiers<br />
ist auf den ersten Blick zu erkennen,<br />
dass ich ein künstlerisch gestaltetes Kleinod<br />
in meinen Händen halte. Der besondere Reiz<br />
und das Flair, die von diesem ausgehen, sind<br />
sichtbar und spürbar. Limitiert und handgemacht<br />
im Verlag Proberaum 3, hat sie sich<br />
längst zu einer Literatur- und Kunstgenusszeitschrift<br />
mit Liebhaberstatus entwickelt.<br />
Als Hauptanliegen der Lyrik der Gegenwart<br />
gewidmet, bietet sie eine Publikationsbühne<br />
für Poesie, würdevoll umrahmt von Gegenwartskunst.<br />
Die Kleinauflage macht es möglich,<br />
dass jedes Exemplar durchnumeriert ist<br />
und Originalgrafiken enthält.<br />
Handgemalte, signierte Unikatumschläge<br />
halten den literarischen Inhalt der Ausgabe,<br />
der die Leser in Form einer Lose- und Faltblattsammlung<br />
und einiger Kleinbroschüren<br />
überrascht, in einer Einheit zusammen. Eine<br />
Strohschnur, verknotet an den Enden und zu<br />
einer Schleife gebunden, gibt zusätzlichen<br />
Halt und Sicherheit.<br />
Daumen und Zeigefinger ziehen erwartungsvoll<br />
die Schleife auf. Der Umschlag öffnet sich<br />
und gibt seinen Inhalt preis. Erstaunt, fast ein<br />
wenig ehrfürchtig schweift mein Blick über<br />
die einzelnen Exponate, die mir beinahe entgegen<br />
gefallen wären und dadurch ein heilloses<br />
Durcheinander und Chaos verursacht<br />
hätten. Nur die schnelle Reaktion bewahrt<br />
mich vor dem Sortiervorgang.<br />
Hellgelb, durchsichtig, zart fast zerbrechlich<br />
wirkt das Blatt auf dem das Inhaltsverzeichnis<br />
in tiefschwarzen Lettern abgedruckt wurde.<br />
Nun offenbart sich ein Nachteil dieser Präsentation.<br />
Aufgefächert fällt es mir schwer<br />
mich zu entscheiden, womit ich meine literarische<br />
Exkursion beginnen soll. Ich entscheide<br />
mich zunächst alles optisch auf mich wirken<br />
zu lassen, ehe ich mich den Inhalten im<br />
Detail widme. Kunstgenuss vor dem Genuss<br />
der Worte.<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 74<br />
Zunächst fällt mir auf, dass ich nicht eine Literaturzeitschrift<br />
erhalten habe, sondern derer<br />
viele. Die einzelnen Booklets lassen diesen<br />
Schluss zu.<br />
HErbert Laschet Toussaint lebt in Berlin und<br />
schreibt und publiziert seit mehr als dreißig<br />
Jahren graue Literatur. Sein A6-Booklett liegt<br />
oben auf. Nun, Gedichte sind immer Geschmacksache.<br />
Ich kann nur rein subjektiv<br />
feststellen, dass mich der Inhalt nicht überzeugt<br />
hat. Hingegen sprechen mich Julietta<br />
Fix gefühlvolle Texte sehr an. Hier spüre<br />
ich eine innere Sehnsucht, mit der sie an ihre<br />
Leser herangeht. Deutlich ist im Spiegel ihrer<br />
Lyriken ein fröhlicher, aber auch trauriger<br />
Alltag erkennbar. Danach verlasse ich<br />
den Grauzyklus und wende mich dem grünen<br />
Cover zu, das eine Stadt im Linolschnitt<br />
zeigt. Hans Ehrenbaum, im ersten Weltkrieg<br />
gefallen, gehörte zu den frühen Dichtern des<br />
Expressionismus. Sein Zyklus „Die Stadt“<br />
ist vermutlich um das Jahr 1912 entstanden<br />
und hat auch heute, fast hundert Jahre später,<br />
seine Wirkung nicht verloren. Die Texte<br />
von Sabine Imhof deuten, mit einer enormen<br />
Detailverliebtheit und teilweise kitschig<br />
überladen, Gedanken an. Vermutlich gerade<br />
deshalb werde ich in ihren Bann gezogen,<br />
ohne dass ich mich dagegen wehren kann.<br />
Mit einer schonungslosen Offenheit nehmen<br />
Einzelheiten keinerlei Rücksicht auf das lyrische<br />
Ich und auf die Befindlichkeiten des<br />
Umfeldes.<br />
Tom Bresemannn gewährt mit seinen Gedichten<br />
interessante Einblicke in eine lyrische<br />
Welt, die nahe an die Metaphysische<br />
Ebene gerückt wird und gerade deshalb mittig<br />
im Leben steht. Martina Hefter gewann<br />
2008 den Meraner Lyrikpreis. Sie zielt mit<br />
ihren Gedichten auf menschliche Züge, die<br />
sich in der Assimilation von technischen Belangen<br />
wieder finden. Oder sind es lediglich<br />
die unverkennbar widerhallenden Laute der<br />
Technik, die sich in den Menschen abstoßen.<br />
Ein wenig enttäuscht bin ich von Antoine<br />
Emaz stummer Erinnerung. Dies lag möglicherweise<br />
an der eindeutig negativen Stim-
mung, die mich beim Lesen seiner Gedichte<br />
überkam. Mag jedoch sein, dass dies von<br />
ihm so gewollt ist. Sehr gut gefallen hat mir<br />
Frank Milautzckis lyrisches Ich, das mit seiner<br />
Trompete goldene Feen auf Blütenteppichen<br />
zaubert und diese tanzen lässt. Ebenso<br />
seine Originalgrafiken, darunter viele Linoldrucke,<br />
die sich mit den Inhalten wirkungsvoll<br />
ergänzen. Bleibt zu hoffen, dass diese<br />
den Weg in einen wirkungsvollen Rahmen<br />
an einen würdigen Platz mit vielen Betrachtern<br />
finden. Angenehm erotisierend beginnt<br />
Almut Aue seinen Streifzug. Stellt dann klar<br />
und pulsierend das Leben an das Ende, um<br />
in tänzelnden Worten den Leser an die Hand<br />
zu nehmen und diesem die Welt aus seiner<br />
Sicht zu erklären. Fast am Ende angekommen<br />
machen vier Rezensionen von Stefan<br />
Heuer Lust darauf mehr über die vorgestellten<br />
Bücher zu erfahren.<br />
Laut Statement des Herausgebers ist die Literaturzeitschrift<br />
eher eine persönliche Gabe<br />
an Freunde oder ein knapp bemessenes literarisches<br />
und künstlerisches Gut für einen<br />
offenen Freundeskreis zum Sammeln, als ein<br />
öffentlicher Rummelplatz für Literatur. Es ist<br />
daher nicht weiter verwunderlich, dass Autoren<br />
vom Herausgeber zur Mitwirkung an<br />
der jeweiligen Ausgabe eingeladen werden.<br />
Dies hat den Vorteil, dass eine Überflutung<br />
des Herausgebers mit mehr oder minder guten<br />
Texten nicht eintreten kann, jedoch entgeht<br />
ihm dabei sicherlich auch die eine oder<br />
andere literarische Neuentdeckung, da der<br />
Wirkungskreis durch diese Vorgehensweise<br />
sehr begrenzt erscheint.<br />
Ich persönlich begrüße es sehr, dass es in unserer<br />
allzu kurzlebigen Zeit noch Enthusiasten<br />
gibt, die ihr Wirken und Können in den<br />
Kreis von Literatur und Kunst stellen und es<br />
sich nicht nehmen lassen, von Zeit zu Zeit etwas<br />
sehr wertvolles zu schaffen und dieses<br />
mit anderen Interessierten zu teilen. Vor allem<br />
derjenige, der das Besondere lebt, der in der<br />
Kunst das Exquisite liebt, der in der Literatur<br />
das Außergewöhnliche und Anspruchsvolle<br />
sucht, wird bei der Literaturzeitschrift „Das<br />
zweite Bein“ fündig.<br />
IGda<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 75<br />
Kontaktadresse:<br />
Das zweite Bein<br />
website: siehe unter - www.smallpress.de/<br />
produktgruppe/mid/3/<br />
Redaktion: Verlag im Proberaum 3<br />
Trennfurterstr. 14, D - 63911 Klingenberg<br />
Hrsg: Frank Milautzcki<br />
E-Mail: wuestenschiff@t-online.de<br />
Preis: 25 Euro<br />
Gründung: 1995<br />
erscheint: sporadisch<br />
Auflage: 30 nummerierte und handgemachte<br />
Exemplare<br />
Format und Seitenzahl: Ausgabe in der<br />
Art einer Loseblatt- und Faltblattsammlung,<br />
ca. 100 S.; veröffentlicht: Literatur<br />
und Grafik für Anspruchsvolle<br />
Hinweise für Autoren: Autoren werden<br />
vom Hrsg. persönlich zur Mitwirkung<br />
eingeladen<br />
Georg Walz
<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
<strong>deutschsprachiger</strong> Autoren e.V.<br />
Das Forum für Ihre Texte<br />
www.igda.net www.igda.net/blog/*<br />
TREFFEN<br />
mit Autorenlesungen und<br />
LITERATURPREISEN<br />
rudolf-Descher-Feder und<br />
nachwuchspreis der IGda<br />
WERKSTATTGESPRäCHEN<br />
VERöFFENTLICHUNGEN<br />
in IGda-aktuell und IGda-almanach<br />
PRäSENTATION<br />
unserer mitglieder im Internet<br />
1967 gegründet<br />
Informationsmaterial erhalten Sie bei der Geschäftsstelle<br />
der <strong>Interessengemeinschaft</strong> <strong>deutschsprachiger</strong> Autoren (IGdA) e.V.<br />
Gaby G. Blattl<br />
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