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Denis Gustavus - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...

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Organ der<br />

<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

<strong>deutschsprachiger</strong><br />

Autoren e. V. (IGdA)<br />

ISSN 0930-7079<br />

33. Jahrgang 2009<br />

Ausgabe 2/3<br />

Doppelnummer € 8,-


Inhalt Impressum<br />

EDITORIAL S. 3<br />

Gaby G. Blattl<br />

LYRIK S. 5<br />

C. Scheel, K. Manke, Regine Lotz-Albach, D. Sedlmayr, T. Schmich,<br />

I. ter Veer, U.Student, G. von Hippel-Schäfer, G.M. Lange, H. Wischnat,<br />

D. Werner, H. Thomas, K. Mühlen, H. Fleiss, R. Weidauer<br />

PROSA S. 11<br />

Meine schöne Märchenwelt G. Hühn-Keller S. 11<br />

Verlorene Paradiese I. ter Veer S. 14<br />

Briefmarken aus aller Welt G. Wenng-Debert S. 14<br />

Terra austria incognita Renate Weidauer S. 15<br />

Huldufolk W. Volka S. 18<br />

Du sagst C. Laurenz S. 20<br />

Südwind überm Land S. Green S. 20<br />

Das Gewebe Wilfried A. Faust S. 22<br />

Es ist ja gar nicht so schlimm K. Alette S. 26<br />

Bewegung im Licht G. Walz S. 27<br />

Minuten der Erinnerung I. Benada S. 29<br />

Das Handy W. Hänscheid S. 32<br />

Nachtschatten K. Mühlen S. 32<br />

Die Glockenblume H. Thomas S. 36<br />

Als ich noch klein war D. <strong>Gustavus</strong> S. 37<br />

ESSAY S. 40<br />

Mise en place W. Ehrismann S. 40<br />

Ein komisches Gedicht ? H. Wischnat S. 43<br />

IGdA<br />

Büchertisch S. 46<br />

Kleines Feuilleton S. 46<br />

Neue Mitglieder S. 48<br />

Bücherschau S. 49<br />

Service S. 49<br />

Bericht Berlin-Treffen 2009 S. 56<br />

Text Angelika Zöllner S. 57<br />

Texte Gaby G. Blattl S. 58<br />

Aus dem Vorstand S. 59<br />

Nachtrag Protokoll 2008 S. 61<br />

Leserbriefe S. 63<br />

Bernhard Ka, R. Weidauer, W. Volka<br />

Einladung und Programm<br />

Frankenberg S. 65<br />

Anmeldecoupon S. 68<br />

Interner Wettbewerb 2009 S. 69<br />

MIT SPITZER FEDER BETRACHTET<br />

Georg Walz S. 74<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 2<br />

Redaktion der IGdA-aktuell:<br />

Angelika Zöllner (Lyrik u. Service)<br />

e-mail: angelika.zoellner@gmx.de)<br />

Rainer Hengsbach-Parcham (Lyrik)<br />

Gaby G. Blattl (Prosa)<br />

e-mail: gabyblattl@chello.at<br />

Renate Weidauer (Prosa)<br />

r+t.weidauer@freenet.de<br />

Georg Walz (Mit spitzer Feder …)<br />

georgwalz@web.de<br />

Anschrift der Redaktion :<br />

IGdA-aktuell -Angelika Zöllner<br />

Imkerweg 11, 42279 Wuppertal<br />

Tel: 0202/526512<br />

Layout: Gaby G. Blattl<br />

Titelbild: A. Wirski-Saini<br />

Fotos:<br />

Gaby G.Blattl (S.39)<br />

A. Wirski-Saini (S.5 und S.10)<br />

Angelika Zöllner (S.4)<br />

Druck: Druckerei Meyer, Scheinfeld<br />

IGdA-aktuell erscheint viermal pro<br />

Jahr; Bezug für IGdA-Mitglieder:<br />

Einzelpreis € 4.-zzügl. Porto<br />

Doppelnummer € 8.- zzgl. Porto<br />

Abonnement: € 21.-/Jahr<br />

Alle Rechte an den Beiträgen liegen bei<br />

den Autoren. Nachdruck nur mit ausdrücklicher<br />

Genehmigung der Redaktion.<br />

Namentlich gezeichnete Beiträge<br />

geben die Meinung der Autoren, nicht<br />

unbedingt die der Redaktion wieder.<br />

ISSN 0930-7079<br />

1. Vorsitzender:<br />

Othmar Seidner<br />

A-1020 Wien, Handelskai 224/5/9/59<br />

e-mail: othmar-seidner@chello.at<br />

Geschäftsstelle:<br />

Gaby G. Blattl<br />

A-1230 Wien<br />

Anton- Baumgartnerstr. 44/C3/2503<br />

e-mail: gabyblattl@chello.at<br />

Schatzmeister:<br />

Dr. Volker Wille<br />

D-30659 Hannover, Platanenhof 23<br />

Bankverbindung:<br />

Postbank Hannover, BLZ: 250 100 30<br />

Konto: 102088-302<br />

IBAN DE50 2501 0030 0102 0883 02<br />

BIC PBNKDEFF<br />

IGdA-Aktuell wird auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt.


Liebe Mitglieder, liebe Leser,<br />

Berlin ist eine Reise wert … umso mehr,<br />

wenn Literaten durch literarische Aktivitäten<br />

angelockt werden. Karin Manke, ein<br />

aktives Mitglied aus Berlin, das monatliche<br />

Treffen für IGdA-Mitglieder in Berlin abhält,<br />

hat mit kundiger Hand die Organisation des<br />

Frühlingstreffens übernommen.<br />

Wie im Januar 2009 initiiert, hat sie das richtige<br />

Maß getroffen, den angereisten Mitgliedern<br />

ein Berlin zu zeigen, das sicher wenige<br />

Touristen kennen und literarische Aktivitäten<br />

zu vermitteln. Sie finden ihren Bericht<br />

im Blattinneren.<br />

Es wurde vereinbart, nach diesem ‚Probelauf‘<br />

in jedem Jahr ein Treffen in Berlin im<br />

Frühjahr zu veranstalten. Frau Manke hat<br />

dazu viele Ideen.<br />

Die Vorarbeiten zum Jahrestreffen laufen<br />

seit Monaten. Zur Erinnerung 10.-13.9.2009<br />

in Frankenberg/Sa. (Anmeldungen bitte im<br />

Hotel direkt und bei Gabriela Franze und/<br />

oder der Geschäftsstelle. Es wäre schön,<br />

wenn sich diesmal viele Mitglieder zur<br />

Teilnahme in dieser schönen Umgebung<br />

entschließen könnten. Gabriela Franze hat<br />

dazu ein Programm zusammengestellt, das<br />

Sie zufriedenstellen wird. Auch dazu finden<br />

Sie Details im Blattinneren.<br />

Die Redaktion hat sich für eine Doppelnummer<br />

entschieden, denn in diesem Jahr<br />

werden erstmals die Gedichte zum Internen<br />

Bewerb abgedruckt, damit alle Mitglieder,<br />

auch jene die nicht nach Frankenberg reisen<br />

können, ihre Stimme bzw. Bewertung abgeben<br />

können. Dazu reicht ein formloses Schreiben<br />

per Post oder email an die Geschäftsstelle<br />

bis 31. August 2009. (Poststempel).<br />

Bewertungen können beim Treffen noch bis<br />

11.9. 2009, Mittag, abgegeben werden. Bitte<br />

beachten Sie diese Termine.<br />

Hermann Wischnat wird in Frankenberg<br />

einen seiner geschätzten Workshops halten.<br />

Dazu bitten wir Sie, ein Gedicht einzusenden,<br />

das lyrik-handwerklich für Sie<br />

als EinsenderIn von aktuellem Interesse ist.<br />

Die EinsenderInnen können den Text (zunächst)<br />

anonymisiert vorlegen lassen oder<br />

Editorial<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 3<br />

selbst dazu Thesen und Fragen vortragen.<br />

Ziel: Austausch der TeilnehmerInnen über<br />

aktuelle Fragen der Lyrik aus der Sicht der<br />

‚Macher‘.<br />

Dazu bitte ich um Texte bis 31. August 2009<br />

an die Geschäftsstelle..<br />

In diesem Jahr wird es wieder ein Weihnachtsheft<br />

geben. Dazu erwarten wir gerne<br />

Ihre Beiträge in Lyrik, Prosa, anregende,<br />

bewegende, evtl. auch humorvolle Texte,<br />

Essays oder Glossen. Es können auch Erzählungen<br />

von einem Weihnachtsfest an ungewöhnlichen<br />

Orten, Weihnachtsbräuchen<br />

mit sich mischenden Kulturen sein.<br />

Ihrer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.<br />

Die Idee der früheren Redakteurin greife ich<br />

gerne auf und gebe auch der Mundart etwas<br />

Raum in diesem Weihnachtsheft. Da es problematisch<br />

ist, ‚fremde‘ Mundart zu lesen,<br />

bitte ich um Verständnis, dass dafür nur wenige<br />

Seiten zur Verfügung stehen werden.<br />

Um neuerliche Einsendung muss ich Sie bitten,<br />

weil es nicht gelungen ist, Ihre Beiträge<br />

von Jutta Miller-Waldner zu übernehmen.<br />

(Der Vorstand ist weiterhin bemüht, hier<br />

eine Lösung zu finden).<br />

Die Redaktion wird, wie in der letzten Ausgabe,<br />

fallweise auch Beiträge von Nicht-Mitgliedern<br />

drucken, die jeweils gekennzeichnet<br />

sind. Diese Öffnung ist zur Belebung<br />

der Zeitung gedacht, kann neue Impulse<br />

bringen.<br />

In eigener Sache bitte ich Sie, Manuskripte,<br />

die zum Abdruck freigegeben sind, auf<br />

grammatikalische ‚Unzulänglichkeiten‘<br />

oder Tippfehler zu prüfen. Eventuelle Rückfragen<br />

der Redaktion sind nicht möglich. Ich<br />

bitte Sie, Ihre Beiträge in der ‚neuen‘ Rechtschreibung<br />

abzufassen bzw. entsprechend<br />

zu ändern.<br />

Prosabeiträge sollten 5 Seiten, einzeilig, pro<br />

Seite 30 Zeilen, max. 60 Zeichen, Schriftgröße<br />

12, nicht überschreiten.


In der Redaktion hat sich eine Änderung ergeben.<br />

Rainer Hengsbach-Parcham hat sich<br />

zurückgezogen, um seinen eigenen Arbeiten<br />

wieder genügend Raum zu geben.<br />

Wir danken ihm für den bisherigen Einsatz.<br />

Die Redaktionsleitung wurde aufgegeben.<br />

Als Redaktionsadresse firmiert Angelika<br />

Zöllner, die auch dankenswerterweise den<br />

Versand erledigt;<br />

Zuständig für Lyrik:<br />

Angelika Zöllner, die auch den Serviceteil betreut;<br />

zuständig für Prosa:<br />

Renate Weidauer und Gaby G. Blattl<br />

zuständig für die ‚Spitze Feder‘:<br />

Georg Walz in bewährter Weise.<br />

Berlin Köpenick<br />

Editorial<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 4<br />

Leserbriefe, Wünsche, Beschwerden bitte ich<br />

Sie an die Geschäftsstelle zu senden.<br />

Genaue Angaben finden Sie auf Seite 2/ Impressum.<br />

Die Redaktion hat sich bemüht, Ihnen ein<br />

vielfältiges Angebot an Lesestoff zu bieten.<br />

Wenn Sie unzufrieden sind, schreiben Sie<br />

bitte einen Leserbrief, wenn Sie zufrieden<br />

sind, gerne auch. Nur im Miteinander, im<br />

Austausch können wir nicht nur eine gute<br />

Zeitung machen, nach der auch Nicht-Mitglieder<br />

gerne greifen, sondern dem Namen<br />

<strong>Interessengemeinschaft</strong> gerecht werden.<br />

Ich wünsche Ihnen einen sonnigen, kreativen<br />

Sommer, freue mich schon jetzt auf Ihre<br />

Einsendungen und darauf, viele Mitglieder<br />

und Interessenten in Frankenberg zu sehen.<br />

Gaby G. Blattl


Cordula Scheel<br />

Un t e rw e g s<br />

Schatten dunkeln<br />

im Feuermohn<br />

unbekannt<br />

die Stufen<br />

Veränderungen<br />

im Geröll<br />

Erinnerung der Füße<br />

In kühler Luft<br />

eine schimmernde Spur<br />

zu den Anhöhen<br />

weiß die Schlehen<br />

dunkler die Schatten<br />

weiß ich noch.<br />

Karin Manke<br />

so m m e r t a g<br />

An einem Tag wie diesem<br />

trat der Fluss über die Ufer<br />

vor Übermut.<br />

Da blühten in Sekundenschnelle<br />

Sommerblumen<br />

und Setzlinge wuchsen in den Himmel.<br />

An einem Tag wie diesem<br />

tummelten sich die Emotionen<br />

am überschwemmten Ufer<br />

und erschraken<br />

über sich<br />

in ihrer Leidenschaft.<br />

An einem Tag wie diesem<br />

stürzte sich die Vernunft<br />

in den reißenden Fluss,<br />

ihn zu bändigen und zu bezwingen,<br />

dass alles wieder<br />

im Normalen fließe.<br />

„Die Brücke“<br />

lyrik<br />

Regine Lotz-Albach<br />

si n g e n d l e r n e i c h f l i e g e n...<br />

Die verblühten<br />

Rosenreste<br />

unserer Jahre<br />

sind aufgereiht<br />

zwischen deinen Lockrufen<br />

Veilchenblätter bedecken<br />

den steinigen Erinnerungspfad -<br />

Aber mein Traum<br />

webt Kette und Faden<br />

eines Gedichtes<br />

in meine verstrickten Gedanken -<br />

Nur noch ein kleines Stück<br />

über die schwankende Brücke<br />

und ich stehe im Licht<br />

neben meiner zerbrochenen Zeit-<br />

Ich glaube fest daran<br />

singend lerne ich fliegen -<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 5


Dietmar Sedlmayr<br />

Po r t U g i e s i s c h e la n d s c h a f t m i t to d<br />

Goldener Teppich, ausgebreitet<br />

bis an der Horizonte Blau.<br />

Glanz der Ähren aufgerastert<br />

und dein Gesicht – Joana ! – mittendrin!<br />

Deine Schläfen im Verschwimmen,<br />

deine Stirn im Spiel des Winds.<br />

Hörtet ihr den Schritt der Schnitter,<br />

den tausendfachen Fischgesang? –<br />

Wie sie das Kornfeld jäh umzingelt‘,<br />

sein bleierner Dämmer niederriss –<br />

wie sie das blaue Lichtfeld traf!<br />

Welche Ernte – welches Brot!<br />

Da baut ihr Herz sich seine Brücke,<br />

fliehn aus den Augen Licht und Räume –<br />

unter tausend Schritten fallen<br />

alle Nächte in die Schale dieses Morgens.<br />

Über Joanas Stirn und Augen<br />

wird der Tag zur Mandelblüte<br />

- - - - - -<br />

die weht.<br />

Theo Schmich<br />

Za h l e s h e i m<br />

Ich zahl es dir heim<br />

Droht der Mann<br />

Der Frau<br />

Die es schon heimgezahlt hat<br />

Die Gleichgültigkeit<br />

Mit Kälte gezahlt<br />

Mit Schlägen der Mann<br />

Die Frau dem Kind das zurück<br />

Das wächst<br />

Kälte, Gleichgültigkeit<br />

Ich zahl es dir heim<br />

Soldat<br />

Krieg<br />

Zahl es heim<br />

Tod, Vernichtung<br />

Kälte Gleichgültigkeit<br />

Ich zahl es heim.<br />

lyrik<br />

Irmentraud ter Veer<br />

1945<br />

Glühender Sonnenball sinkt<br />

Kinderstadt schwindet dahin<br />

Räder rollen -<br />

ins uferlose Unbekannte<br />

Über Bodenloses gehen<br />

viel Grün überall<br />

eine Stimme verkündet<br />

Ende<br />

Heimatlose auf Wiesen<br />

erblasste gefallene Sterne<br />

Räder murmeln von fern<br />

verstummte Seelen<br />

hängen wie Dunst über uns.<br />

aus ‚Verhüllte Orte‘, Möllmann Verlag.<br />

Ursula Student<br />

Un e r s c h r o c k e n<br />

Zwischen Dunkelheit von<br />

Schwarznächten<br />

Weißer und grellbunter Welt<br />

Trubel auf Straßen<br />

An abgelegenen Waldstücken<br />

Gelbgrünen Wiesenflächen vorüber<br />

Trotten meine einsamen Tage.<br />

Zeitweilig klagloses Verharren<br />

Meiner dehnbaren Stunden<br />

Die stockgestützt weitertraben<br />

Auf festem Grund<br />

Kopferhoben – liedfreudig<br />

Unbekanntem entgegen.<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 6


Ursula Student<br />

aU f U n d d av o n<br />

Mit eiligen Füßen rennt<br />

Der Tag dem Abend entgegen<br />

Frühmorgens steht der Nachfolger<br />

Ohne Anklopfen da<br />

Hastig Stunde um Stunde<br />

Im Vorwärtslauf<br />

Nicht mal für Sekunden<br />

Zu stoppen<br />

Ich irritiert<br />

Schon wieder<br />

Getrieben im Blick<br />

Auf die Uhr<br />

Den erstaunten Ärger<br />

Wo blieb ich mit meinen<br />

Gedanken – dem Wollen<br />

Auf der Strecke des kurzbemessenen Lebens<br />

Atemlos stets hinterher.<br />

Gabriele von Hippel-Schäfer<br />

re n t n e r Pa r a d i e s<br />

Da gehen die Alten<br />

Blumenversonnen<br />

Über die Wiesen der Welt<br />

Noch Ungestorbene<br />

Wachsen sie heimlich<br />

Zur Grube<br />

Manche wenden sich um,<br />

gedenken zitternd der Enkel.<br />

Manche wenden sich aufwärts,<br />

schimmernd von Seligkeiten.<br />

lyrik<br />

Gabriele von Hippel-Schäfer<br />

ho f f n U n g<br />

Aus Eismeer<br />

zwischen verkrusteten Schollen<br />

aufschnellt ein Silberfisch<br />

unlöschlicher Hoffnung<br />

unsterbliches Leben!<br />

Gabriele Maria Lange<br />

an d i c h<br />

Auf meinen Wegspuren<br />

Glasperlen glänzen<br />

Ein durchsichtiges Spiel<br />

Unter dünner Schicht<br />

Eingefangen<br />

Gesponnene Sonnenfäden<br />

Hier und in allen Augenblicken<br />

Wie ein Ruf<br />

Dringt zerbrechlicher Klang<br />

Wenn der Fuß tastet auf Wegspuren<br />

Geboren eine junge Melodie<br />

Das Kind<br />

Aus den Sonnenfäden<br />

Aller Augenblicke.<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 7


Hermann Wischnat<br />

nü c h t e r n e s Zi e l<br />

einer Lyrikübung<br />

Zur Klärung der Gedankentrübung<br />

hilft oftmals eine Lyrikübung.<br />

Gereimt und metrisch oder frei<br />

- im Grunde einerlei -.<br />

Hauptsache die, ein trübes Denken<br />

lässt sich in klare Bahnen lenken.<br />

Dittmar Werner<br />

er i n n e r U n g, g e s P i e g e lt<br />

Alles was Platz hat<br />

in einem Spiegel<br />

ist aufgewachsen<br />

zwischen Entfernungen<br />

mit mehr als einer Geschichte<br />

über Drinnen und Draußen<br />

Alles was geschieht<br />

in einem Spiegel<br />

wird zurückgeworfen<br />

in Netzhaut-Räume<br />

aufgefangen<br />

bevor man versteht<br />

was Erfahrungen zu sagen haben<br />

die sich noch erinnern lassen<br />

am Zeitstrahl<br />

im eignen Gesicht<br />

lyrik<br />

Helga Thomas<br />

vo r s i c h t<br />

Vorsicht,<br />

tritt achtsam<br />

auf den Weg<br />

in die ungewisse Zukunft,<br />

tritt nicht in die Spuren<br />

der andern<br />

vor dir,<br />

sie sind deinen Füßen<br />

nicht angemessen,<br />

du könntest stolpern,<br />

straucheln,<br />

die Schale deiner geöffneten Hände<br />

könnte den Tropfen verschütten,<br />

den letzten, der blieb.<br />

Klaus Mühlen<br />

we t t e r l a U n e<br />

Im Regen Blätter wippen,<br />

Tropfen rollen hinab,<br />

versickern in trockne Böden,<br />

lechzender Bäume und Büsche.<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 8<br />

Von grauweißen Wolken erschreckt<br />

Knospen eingerollt im tiefen Schweigen,<br />

das Gras zittert im Winde<br />

und Blumendüfte entfliehen.<br />

Ein Specht klopft bereits wieder,<br />

Hummel und Falter schwirren,<br />

die Luft bemalt, in sich versunken<br />

mit bunten Farben eines Regenbogens.<br />

Daraus schöpft die Erde<br />

Im Geben leuchtendes Blühen,<br />

lächelnd stimmt der Himmel zu<br />

mit himmlisch blauem Kuss.


Cordula Scheel<br />

vo n d e r le i c h t i g k e i t<br />

Ungehört ist sie<br />

einfach ausgeblieben<br />

still geworden dieser Tag<br />

die Worte ungesprochen<br />

der Ort nicht unerwartet<br />

Schmerz an fremder<br />

Freundlichkeit entlang<br />

Im Gegenlicht<br />

Schattenspiele an der Wand<br />

sie ballt die Faust<br />

reckt hohe Fingerohren<br />

eine mümmelnde Hasenschnauze<br />

dreht die Hand zum Schlag<br />

ein Krokodil schnappt zu<br />

Der Schlaf bilderleer<br />

Fantasien flüchtig im<br />

namenlosen Raum<br />

die Ruhe der offenen Tür<br />

keine Luftschlösser<br />

und beinahe leicht<br />

die unerfahrene Freiheit<br />

lyrik<br />

Hanna Fleiss<br />

al s sie...<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 9<br />

Als sie deinem Mann endlich<br />

Arbeit gaben nach sieben schrecklichen Jahren,<br />

Zog kleines Glück ein in die Arme-Leute-Stube.<br />

Da gab’s wieder ‘nen Happen im Magen,<br />

Sonntags auch Kuchen mit Sahne,<br />

Mal rausfahren an den Wannsee,<br />

Damenwahl beim Ball verkehrt,<br />

Das Nadelstrichkostüm, die Bluse<br />

Mit Rüschen.<br />

Durch die Arbeiterstraßen marschierten<br />

Proleten in braunen Uniformen.<br />

Dir taten sie nichts zuleide, du warst keine<br />

Wie die Goldstein von nebenan.<br />

Du warst ja eine von ihnen, von<br />

Deutscher Rasse, von deutschem Blut.<br />

Im Radio bellte der Führer.<br />

Du fragtest dich nichts,<br />

Deine Welt war wieder in Ordnung.<br />

Der Alte, immer noch<br />

Mit seiner Drückebergerstelle bei AEG,<br />

Musste nicht an die Front.<br />

Es hätte so schön sein können.<br />

Wäre da nur nicht<br />

Der Krieg, der verfluchte, gewesen.<br />

Und als sie dir den Brief schickten,<br />

Der Sohn gefallen an der Ostfront,<br />

Weintest du nicht, du warst<br />

Eine stolze Mutter in Schwarz.<br />

Manchmal nur fragte die Enkelin<br />

Nach dem Vater, das ging vorüber.<br />

Sein Stahlhelmbild mit dem Hakenkreuz<br />

Stand auf dem Vertiko. Der Held<br />

Der Familie.<br />

Und während der Alte schlief,<br />

Wühltest du dich aus dem Bett,<br />

Fielst auf die Knie, rangst die Hände.<br />

Der Junge, mein Gott. Womit<br />

Hattest du das verdient.


Renate Weidauer<br />

aU f d e n sc h l a c h t f e l d e r n d e s Zw e i t e n we lt k r i e g s<br />

Die namenlosen Toten waren nur noch Zahlen,<br />

die starren Körper nur statistisch noch erfasst.<br />

So schützte der Verstand sich vor dem Grauen,<br />

Entmenschlichung durch Masse abstrahiert.<br />

Als ich mir zwischen Toten Wege bahnte,<br />

geschah es plötzlich, neben meinem Fuß,<br />

dass das erloschne Antlitz eines Toten<br />

mir zugewandt, mit den erstarrten Augen.<br />

Die Verkrustung brach<br />

und ich sah das Gesicht,<br />

den einen Menschen, dessen Tod mich traf,<br />

so dass Entsetzen vor dem Sterben mich befiel.<br />

Ich selber war der Tote, diesen Augenblick,<br />

der Tod nicht mehr nur anonyme Zahl.<br />

Aus diesen Augen sprach das Leiden aller,<br />

Sinnlosigkeit des Sterbens traf auf mein Gefühl.<br />

Nicht Volk, nicht Vaterland, nicht Ehre<br />

glorifizierten diesen Tod,<br />

die Berge dieser Toten,<br />

deren eignes Leid verdeckt von namenloser Masse.<br />

Dieser eine Augenblick:<br />

Er führte mich zum grauenvollen Abgrund,<br />

wo jeder Schutz versagt,<br />

wo Menschen schreien<br />

in der Todesqual.<br />

Die Zahlen schreien nicht,<br />

nicht die Statistik.<br />

Sie nehmen nur dem Tod die Menschlichkeit.<br />

lyrik<br />

- aus dem Zyklus „Bäume“<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 10


Gaby Hühn-Keller<br />

me i n e s c h ö n e mä r c h e n w e lt<br />

Im Herbst des Jahres 2007 besichtigte ich<br />

eine alte Burg. Sie erhob sich, fest verankert<br />

und verschmolzen mit einem natürlichen<br />

Felsgebilde, am Rande einer kleinen Stadt. In<br />

einem Dreiviertelkreis fasste ein Fluss Stadt<br />

und Burg am Fuße der Felsen ein. Die Stadt<br />

lag in Tschechien, früher hätte man Böhmen<br />

gesagt.<br />

Drache! Ja, Drache! Ich sehe ihn noch genau<br />

vor mir. Flügelspannweite etwa drei Meter,<br />

den langen Hals und schmalen Kopf, der in<br />

einen Schnabel endete, nach oben gereckt. Die<br />

schräg im Kopf liegenden Schlitzaugen waren<br />

von innen erleuchtet. Er befand sich in einer<br />

Art Schacht oder Brunnen in halber Höhe innerhalb<br />

der Burggemäuer und wollte offensichtlich<br />

heraus. Eine Tafel am Rand dieses<br />

Verlieses erzählte eine kleine Geschichte über<br />

ihn und nannte seinen Namen. „Sárkány“<br />

hieß er. Im Tschechischen schrieb man es ein<br />

bisschen anders, als ich dies hier tue – aber ich<br />

habe sofort erfasst, wer das war. Wie durch<br />

ein Zauberwort fiel ich beim Lesen dieses<br />

Namens um 60 Jahre zurück in meine frühe<br />

Kindheit. Sárkány! Ihn kenne ich schon lange.<br />

Im Ungarischen ist dies das Wort für Drache.<br />

Von ihm hatte mir mein Vater, als wir noch<br />

in Ungarn lebten, viel erzählt. Er hatte ihn in<br />

den Karpaten angesiedelt. Dort hätte er bei<br />

den Bauern Schaden angerichtet. Er konnte<br />

mit den Krallen ein Schaf aus der Herde heraus<br />

fangen, es im Fluge wegschleppen, um<br />

es dann in seiner Höhle zu fressen. Es gäbe<br />

aber auch mutige Männer, die versuchten, so<br />

einen riesigen Drachen zu töten. Doch dieser<br />

Versuch ginge nicht immer gut aus. Ein Drache<br />

könne nämlich Feuer spucken und sich<br />

so seine Gegner vom Leib halten. Hier, in<br />

dieser Burg, rief Sárkány bei mir schlagartig<br />

viele andere Gestalten auf den Plan: Hexen,<br />

Prinzessinnen, Prinzen, Zauberer, Riesen,<br />

Zwerge, Elfen. Hatte sich doch meine Mutter<br />

in den Kopf gesetzt, kaum, dass ich in der<br />

ersten Klasse das Alphabet gelernt hatte, mir<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 11<br />

auch das ungarische Alphabet beizubringen.<br />

Wir waren aus Ungarn ausgesiedelt worden<br />

und lebten jetzt in Bayern. Sie ließ sich von<br />

einer ihrer Cousinen aus Budapest ein Märchenbuch<br />

schicken. Und nun musste ich lesen<br />

und nochmals lesen. Jeden Tag eine gute<br />

halbe Stunde laut vorlesen, Sonntag eingeschlossen.<br />

Um meine Muttersprache nicht<br />

zu verlernen, wurde betont. Zuerst schmeckte<br />

mir das gar nicht. Als aber auch eine Geschichte<br />

von einem Drachen vorkam, begannen<br />

mir die Märchen zu gefallen.<br />

Im Laufe eines Jahres erschloss sich mir die<br />

Welt von Sárkány & Co. Ich gelangte sogar<br />

zu der Überzeugung, dass es in Ungarn um<br />

einiges besser gewesen sein musste als jetzt<br />

in Bayern, ein paar Jahre nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg. Denn, wie ich lesen konnte, flogen<br />

in Ungarn so viele Rebhühner herum, dass<br />

sie ein Kater, der schöne rote Stiefel trug, sogar<br />

im Auftrage seines Herrn an einen Grafen<br />

verschenken konnte. Hier hatte ich noch nirgends<br />

Rebhühner gesehen, einen Kater mit<br />

Stiefeln auch nicht. Nicht einmal ich besaß<br />

Stiefel. Ich hatte mir im Winter Frostbeulen<br />

zugezogen, weil ich keine warmen Schuhe<br />

hatte. Und die setzten mir ziemlich zu, vor<br />

allem in der Schule, wo man sich konzentrieren<br />

musste und still zu sitzen hatte. Oder das<br />

Mädchen, das Piroska hieß und einem bösen<br />

Wolf begegnet war, was trug es für leckeren<br />

Kuchen und sogar eine Flasche Wein im Korb<br />

zur kranken Großmutter. An dieser Stelle<br />

unterbrach mich mein Vater beim Vorlesen<br />

und sagte: „Ich würde gerne wieder einmal<br />

richtig Wein trinken. Ich bin es von Jugend<br />

an gewohnt. Meine Eltern hatten selbst einen<br />

Weinberg. Der Wein fehlt mir sehr.“ Und<br />

Mutter fügte hinzu: „Ich wollte, ich könnte<br />

jetzt diesen oder jenen Kuchen backen, nach<br />

einem guten alten Rezept Dazu bräuchte ich<br />

allerdings Walnüsse oder auch mal Edelkastanien,<br />

aber die gibt es hier nicht.“ Manchmal,<br />

wenn von einem Königreich die Rede<br />

war, fing mein Vater an, von einer Doppelmonarchie<br />

zu schwärmen, in der ein Kaiser<br />

Franz Josef regiert hatte, dessen Abbild auf<br />

seinem Schullesebuch vorne drauf gewesen


sei. Dieser Kaiser hätte einen ganz großen<br />

Vielvölkerstaat allein durch seine Persönlichkeit<br />

zusammengehalten. Es habe auch vor<br />

ihm schon Herrscher auf dem Thron dieser<br />

Monarchie gegeben, Ferdinand hießen sogar<br />

mehrere, aber so weit wolle er nicht ausholen.<br />

Dieser Franz Josef war eben der letzte große<br />

Kaiser im alten Europa. Mein Vater konnte<br />

so spannend schildern, dass ich davon überzeugt<br />

war, dies sei eins der Märchen, das man<br />

vergessen hatte, in mein Buch aufzunehmen.<br />

Ich war froh über die mündliche Ergänzung.<br />

Er erzählte mir dies selbstverständlich in Ungarisch<br />

und so durfte ich die Dauer seiner<br />

Schilderungen von meiner Vorlesestunde abziehen.<br />

Ich fragte ihn oft genug nach diesem<br />

Kaiser. Ich glaubte, mein Vater sei persönlich<br />

mit ihm bekannt gewesen, und meine Mutter<br />

kannte alle Rezepte der wohlschmeckenden<br />

Kuchen und Torten, die man im Reich dieses<br />

Kaisers zubereitet und gegessen hatte. Denn,<br />

den Kaiserschmarrn kannte sie ja auch. Den<br />

machte sie manchmal. Dazu gab es alle Zutaten,<br />

auch in Bayern. Und der schmeckte<br />

sehr gut. Die Märchen-Lesezeit zog sich noch<br />

ein, zwei Jahre hin. Dann drängte mich meine<br />

Mutter nicht mehr. Sie begründete dies<br />

damit, dass die Russen jetzt einen „Eisernen<br />

Vorhang“ bauen, der direkt an unserem früheren<br />

Wohnort vorbei führt. Der Ostblock<br />

wird dadurch so fest verschlossen, dass sie<br />

nicht mehr daran glauben kann, dass wir<br />

jemals in unsere Heimat zurückkehren. Ich<br />

solle mich erkundigen, ob es in der Schule<br />

Bücher zu Ausleihen gäbe. Deutsch sei für<br />

mich ab sofort wichtiger.<br />

Mich beschäftigte ihre Aussage. Wie hatte<br />

man sich so einen eisernen Vorhang vorzustellen?<br />

Ich kannte nur Vorhänge aus Stoff. Und<br />

so einen Ostblock! War der groß? Wie konnte<br />

man den mit einem Vorhang verschließen?<br />

Brauchte man dafür nicht eher Schlösser? Es<br />

schien sich um ein Märchen zu handeln, in<br />

dem alles und alle eingeschlossen wurden,<br />

das aber seltsamerweise ausgerechnet m i r<br />

eine neue Freiheit brachte. Ich musste nicht<br />

mehr täglich lesen. Ich fragte meine Mutter:<br />

„Haben die Russen einen so mächtigen<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 12<br />

Zauberer, dass er riesige eiserne Vorhänge<br />

Hokuspokus um einen Ostblock zaubern<br />

kann?“ „Wie bitte? Was sagst du denn da?<br />

Du hältst das doch nicht etwa für eins deiner<br />

Märchen. Das ist die Wahrheit. Nichts als die<br />

bittere Wahrheit. Und wir und Millionen anderer<br />

Menschen haben das Nachsehen.“ Sie<br />

erklärte mir den Sachverhalt.<br />

In der Schulbibliothek entdeckte ich eine<br />

Fülle von Mädchen- und Jugendbüchern,<br />

sowie literarische Stoffe, die ich allesamt verschlang,<br />

obwohl sie noch in einer altmodischen<br />

Schrift gedruckt waren, die wir nicht<br />

mehr lernten. Als ich in die siebte Klasse<br />

ging, bekamen wir eine neue Handarbeitslehrerin.<br />

Wir hatten eine Schürze genäht<br />

und waren nun mehrere Wochen damit beschäftigt,<br />

diese mit einem selbst entworfenen<br />

Muster, ausgeführt in Kreuzstichen, zu<br />

verzieren. Da auch jüngere Mädchen an der<br />

Handarbeit teilnahmen, um Topflappen zu<br />

häkeln, brachte die Lehrerin eines Tages ein<br />

dickes Buch mit, aus dem wir abwechselnd<br />

vorlesen sollten, während wir still arbeiteten.<br />

Sie drückte es mir in die Hand. Ich sollte den<br />

Anfang machen. Auf dem Buchdeckel stand:<br />

Deutscher Hausschatz – Grimms Märchen.<br />

Ich schlug auf: „Rotkäppchen“ – und begann<br />

vorzulesen. Handelte es sich da nicht um<br />

„meine“ Piroska, die ja auch ein rotes Käppchen<br />

getragen hatte? Nach der Stunde bat ich<br />

darum, das Buch mit nach Hause nehmen zu<br />

dürfen. Und tatsächlich, als ich die Titel der<br />

Märchen verglich, stimmten viele überein.<br />

Diese Märchen kamen also aus Deutschland!<br />

Ich erkannte, dass ich dem großen Irrtum<br />

unterlegen war, all die wunderbaren Begebenheiten,<br />

die in den Geschichten vorkamen,<br />

nach Ungarn zu verlagern. War Deutschland<br />

das wahre Wunderland? Ich dachte viel darüber<br />

nach. Sicher doch. Mein Vater hatte<br />

schon länger nichts mehr vom Kaiser Franz<br />

Josef erzählt. Er hatte keine Zeit mehr, denn<br />

er hatte eine feste Arbeit gefunden. Es gehe<br />

weiter, Deutschland sei im Aufbau, sagte er.<br />

Auch meine Mutter konnte jetzt ihre Backkünste<br />

vorführen. Es gab alle Zutaten zu<br />

ihren guten alten Rezepten, sogar auf dem


Dorf. Alle hatten offensichtlich diese neue<br />

Zeit der Wunder erkannt, nur ich nicht. Ich<br />

beschloss, ohne mich mit jemandem zu beraten,<br />

für mich eine neue, eine märchenlose<br />

Zeit zu beginnen. Ich wollte mich von Märchen<br />

nicht mehr in die Irre führen lassen.<br />

Ganz bewusst nahm ich diesen Einschnitt<br />

vor, nachdem diese bestickte Schürze fertig<br />

war. Und Schürzen besticken würde ich<br />

auch nicht mehr!<br />

Es war mir ganz gut gelungen, das kann<br />

ich jetzt fast schon sagen, den Wechselfällen<br />

meines inzwischen ziemlich fortgeschrittenen<br />

Lebens sowohl realistisch wie umsichtig<br />

entgegenzutreten.<br />

Aber nun das hier: Ein sprühender Funke<br />

aus Sárkánys Auge spült mir alle Märchen,<br />

die auf meinem Seelenhintergrund<br />

geschlummert hatten, an die Oberfläche Ich<br />

lese jetzt seine Geschichte durch: Sárkány<br />

ist ein lieber Drache. Er hilft den arbeitsamen<br />

Hausfrauen beim Anzünden des Herdfeuers.<br />

Während sie sich viel und geduldig<br />

bücken und mühen müssen beim täglichen<br />

Feuermachen, besucht er sie manchmal aus<br />

purer Freundschaft. Er öffnet einmal das<br />

Maul, spuckt Feuer in die Späne unter dem<br />

Holz – und schon brennt es. Die Frauen lieben<br />

ihn dafür.<br />

So weit so gut. Erfasst mich eben heute<br />

Nostalgie. Das muss man auch mal zulassen.<br />

Aber Schritt um Schritt verdichtet sich dieses<br />

Gefühl, reißt mich mit wie ein Wasserstrudel<br />

in einem Fluss. Ich schaue mir Burg und<br />

Städtchen von unten an. Dort gibt es eine<br />

kleine Freilichtbühne. Was wurde im Sommer<br />

gespielt? Das Plakat hängt noch: „Rusalka“.<br />

Welche Figuren kommen in dieser<br />

Oper vor? Ein Prinz, eine Fürstin, eine Wassernixe<br />

in der Hauptrolle, ein Wassermann,<br />

eine Hexe, drei Nymphen. Ich gehe in ein<br />

kleines Café. In der Theke sehe ich eine frisch<br />

aufgeschnittene Torte: „Heute Walnusstorte<br />

mit Honig, noch nach alte Rezept von Großmutter“,<br />

sagt die Verkäuferin in böhmischdeutschem<br />

Singsang. Sie bedient auch und<br />

bringt ein Stück an meinen Tisch. Jetzt sehe<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 13<br />

ich ihre blütenweiße Schürze auch unten. Sie<br />

ist handbestickt mit mehreren Reihen von<br />

schmückenden Mustern im Kreuzstich. Mir<br />

bleibt fast der Atem weg. Hier wird noch<br />

selbst gebacken und selbst gestickt?! Während<br />

des Essens betrachte ich alte, vergilbte<br />

Schwarzweißfotos an der Wand. Sie zeigen<br />

die örtliche Feuerwehr, einen Gesangsverein,<br />

Soldaten, die sich nochmals fotografieren<br />

lassen, ehe sie in den Ersten Weltkrieg<br />

ziehen. Dazwischen hängt ein Kupferstich:<br />

Kaiser Franz Josef prächtig ausstaffiert, hoch<br />

zu Ross, wie er eine Parade abnimmt. Als ich<br />

wieder hinaustrete, entdecke ich auf der gegenüberliegenden<br />

Seite ein Hotel. Schwarz<br />

prangt der habsburgische Doppeladler auf<br />

einem Schild, auf jedem seiner Köpfe eine<br />

Krone, in der Mitte darüber eine dritte, eine<br />

größere. In der einen Kralle trägt er Schwert<br />

und Zepter, in der anderen den Reichsapfel.<br />

Ein Schriftzug in Tschechisch und Deutsch<br />

umrundet den Adler. Hotel Kaiser Ferdinand.<br />

Nun fühle ich mich wie völlig in einer<br />

anderen Welt. Als ob meine längst verstorbenen<br />

Eltern plötzlich neben mir stünden und<br />

mir schelmisch schmunzelnd zuriefen: „Na,<br />

siehst du, haben wir das nicht immer so gesagt?“<br />

Ich erkenne, dass ich hier eintauchen<br />

darf in eine mir vertraute, längst vergangene<br />

Zeit. Völlig unerwartet lässt sie sich hier<br />

auf eine real-irreale Weise von mir nochmals<br />

nacherleben. Ich genieße dieses Gefühl. Es<br />

macht mich rundherum glücklich.<br />

(veröffentlicht in „napoleon ist an allem schuld“, Wolfgang<br />

hager Verlag 2008, alle rechte bei der autorin)


Irmentraud ter Veer<br />

ve r l o r e n e Pa r a d i e s e<br />

Noch einen Sonnentag! Warten wir. Dann<br />

werden sie rot sein, wie die glühendrote<br />

Kugel des Sonnenaufgangs. Und dann, vom<br />

Tag erwärmt, werden sie duften wie südliche<br />

Kräuter. Pomodoro, Apfel aus Gold, aus rotem<br />

Gold – schön ist dieser Name. Aber noch<br />

glücklicher gewählt – ist: Paradeiser.*<br />

„Paradeiser“, riefen die Marktfrauen früher,<br />

„vom Paradies!“- Unser Paradies wuchs dort<br />

draußen in drei Furchen des Rübenfelds, uns<br />

von der Bäuerin zum Bepflanzen überlassen.<br />

Die Stauden bogen sich von der Fülle der Paradeiser<br />

und verhießen uns einen Genuss, der<br />

die Schwelle zum Überschwang und Glücksgefühl<br />

schon überflutete, zumal wir Kinder<br />

schon etliche Stadtkriegsjahre lang ein solch<br />

freudiges Mahl entbehrt hatten. Zwischen<br />

die Stauden hatten wir grünen Salat und Petersilie<br />

gesät und auch die gediehen zur Zufriedenheit.<br />

Aber es war nicht nur die Vorfreude auf<br />

den Gaumengenuss. Wir hatten die Pflanzen<br />

wachsen sehen. Wir hatten Gießkannen vom<br />

Brunnen zum Feld geschleppt und zugesehen,<br />

wie das Wasser einsickerte und dunkel<br />

färbte die hellbraune Erde. Es erfrischte uns<br />

selbst, wenn wir ihr zu trinken gaben.<br />

Als die Stauden schon hoch und kräftig geworden<br />

waren, fast so hoch wie wir Kinder,<br />

begannen sie zu blühen mit kleinen gelben<br />

Sternchen. Und wir redeten mit ihnen, weil<br />

die Großmutter gesagt hatte, sie würden<br />

dann schönere Früchte bekommen.<br />

So erschienen dann die Früchte, ganz klein<br />

und grün und hart zuerst. Wir begossen sie<br />

jeden Tag, sie vermehrten sich reichlich, wurden<br />

größer und schwerer. Die Mutter stützte<br />

die Stauden mit Stöcken. Das Wasser half, die<br />

Sonne half, die Erde half. Und jetzt war es so<br />

weit. De Paradeiser aus dem Paradies sollten<br />

morgen in unsere Körbe geerntet werden.<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 14<br />

Es ist ein Sommersonnentag gewesen. Und<br />

eine warme Nacht. Und nun ein milder Morgen,<br />

in den wir hineinsprangen, zu unseren<br />

Paradeisern hin. Am Rain des Feld<br />

wegs dufteten die Minzen und der wilde<br />

Thymian. Wird gut sein zu den Pomodori.<br />

Von weitem müssten wir sie doch schon<br />

leuchten sehen. Aber wir sahen nichts, auch<br />

nicht, als wir näher kamen. Nur die grünen<br />

Stauden mit den etwas rauen Blättern, die<br />

unordentlich herunter hingen. Standen da,<br />

sprachlos, erstarrt. Bis die Stimme der Mutter<br />

uns aufweckte: „Das Gesindel, die Diebsbande,<br />

die hergelaufene …“ Die Worte ertranken<br />

ihr in Tränen.<br />

Da war uns das Paradies entschwunden.<br />

Hinausgeworfen waren wir. Die Großmutter<br />

presste die Lippen zusammen. Dann löste<br />

sich ihr Gesicht und sie murmelte: „Sind<br />

halt auch arme Hascherln, von so weit her<br />

geflüchtet …“<br />

*Paradeiser: österreichisch; Paradeisapfel, Tomate<br />

Gabriele Wenng-Debert<br />

Br i e f m a r k e n a U s a l l e r we lt<br />

Er hat es heute wieder versucht.<br />

Die Sonne scheint wie zum ersten Mal<br />

und die Katze läuft, die Nase in die Luft<br />

gereckt, Unbekanntes witternd die Grenzen<br />

ihres Halbkreises aus. Er hat sie vor Jahren<br />

auf dem verwilderten Grundstück nebenan<br />

in einem Verschlag eingesperrt vorgefunden.<br />

Durch ihr klägliches Maunzen ist er auf sie<br />

aufmerksam geworden und hat sie mitgenommen.<br />

Sie war verwirrt und konnte sich<br />

in der Umgebung nicht mehr zurechtfinden.<br />

Die Tage in den engen Holzwänden hatten<br />

ihr den Orientierungssinn genommen. Darum<br />

leint er sie bei schönem Wetter am Treppenaufgang<br />

zur Haustür an. Von dort aus<br />

kommt sie bis zum Zaun, wobei die Leine<br />

sie davon abhält, drüber zu springen und


sich zu verlaufen. Im Garten jedoch hat sie<br />

jede Möglichkeit. Sie kann sich die wärmsten<br />

Plätzchen auf dem Holzstoß neben der Garage<br />

aussuchen. Sie kann auf Vögel lauern, hat<br />

sich daran gewöhnt, dass diese Flügel haben<br />

und Zäune für sie kein Hindernis darstellen.<br />

Sie hat gelernt, trotz Leine auf den großen<br />

Apfelbaum zu klettern und, wenn sie es<br />

geschickt anstellt und einer von ihnen nicht<br />

aufpasst, gelingt es ihr sogar, einen Vogel zu<br />

fangen.<br />

Heute fühlt er sich leicht und beschwingt<br />

und darum zieht er den Mantel an, steckt den<br />

Geldbeutel ein, überprüft, ob die Streifenkarte,<br />

die im Seitenfach steckt, noch Gültigkeit<br />

hat und macht sich auf den Weg.<br />

Es ist 10 Uhr vormittag, die Berufspendler<br />

sind also längst in der Stadt an ihren Arbeitsplätzen,<br />

die Hausfrauen auch schon an den<br />

Wühltischen der Kaufhäuser. Nur vereinzelte<br />

Personen warten auf dem Bahnsteig. Er<br />

steckt die Streifenkarte in den Stempelautomaten.<br />

Ein leichter Wind weht. Die letzten<br />

verschrumpelten Blätter vom Herbst lassen<br />

sich von ihm auf die Schienen wehen zu zerdrückten<br />

Zigarettenstummeln, zerknüllten<br />

Papierschnipseln und Pappbechern. Der Reinigungswagen<br />

ist noch nicht durchgefahren.<br />

Es riecht nach Eisenstaub und Frühling. Er<br />

schaut auf die elektronische Anzeige. Zehn<br />

Minuten noch. Oder fünf. Je nachdem, in<br />

welche Richtung er fahren will. Was vollkommen<br />

egal ist. Fünf Minuten scheinen ihm<br />

überhastet. Ein Überraschungsmanöver, sozusagen.<br />

Er ist ein bisschen gespannt, glaubt<br />

aber nicht daran. Zehn Minuten scheinen<br />

ihm eher wahrscheinlich.<br />

Er geht den Bahnsteig auf und ab, zehn<br />

Schritte hin, zehn Schritte her, wie es die Berufstätigen<br />

machen, als könnten sie dadurch<br />

schon ein Stück ihrem Ziel entgegengehen.<br />

Er will es sich nicht vorstellen, aber die Bilder<br />

kommen automatisch: wie er in der<br />

Bahn sitzt, auf dem kühlen, abgeschabten<br />

dunkelblauen Kunststoffpolster – vielleicht<br />

sind die in den neuen Zügen gar nicht mehr<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 15<br />

blau und aus Kunststoff - wie er durch das<br />

im Gegenlicht trübe Fenster die Häuser hinter<br />

einem Schleier vorbeihuschen sieht, wie<br />

er sich immer weiter von zu Hause entfernt,<br />

wie er dann den Mann gegenüber betrachtet,<br />

im Detail, angefangen von den auf die<br />

Zeitung gehefteten Augen bis zu den blank<br />

polierten Schuhen, in denen die Bedenkenlosigkeit<br />

für den heutigen Weg steckt, egal wo<br />

er ihn hinführen mag. Wie er schließlich auf<br />

die Mantelknöpfe des Mannes starren wird,<br />

als wolle er sie auswendig lernen… An dieser<br />

Stelle bricht er ab und wendet sich wieder<br />

dem Bahnsteig zu, beschleunigt das Tempo,<br />

entfernt sich also vom Zug, der kommen soll<br />

und meint, was spräche dagegen, über den<br />

Bahnsteig hinaus zu gehen, einfach immer<br />

weiter?<br />

Der Gegenzug fährt ein. Verspätete Schüler<br />

tröpfeln aus ihm heraus, rennen die Treppen<br />

hinab. Der Zug ist fast leer, und er denkt, dass<br />

es viel mutiger wäre, den Zug in die Stadt zu<br />

nehmen. Er ist sich nicht ganz sicher, ob er<br />

sich etwas vormacht. Der Zugführer lehnt<br />

sich aus seinem Fenster, schaut den Zug entlang,<br />

blickt ihn, wie es ihm scheint, vorwurfsvoll<br />

an, wendet sich dann nach innen, und<br />

setzt die Waggons langsam und dann immer<br />

schneller in Fahrt: ein automatischer, selbstverständlicher<br />

Rhythmus, über den sich niemand<br />

Gedanken macht.<br />

Er setzt sich auf die Bank im Windschatten<br />

der Trennwände, liest auf einer dort liegenden<br />

Zeitung die Überschriften. So kann es<br />

gehen. Er konzentriert sich auf die Ereignisse,<br />

den französischen Staatspräsidenten, der mit<br />

seiner angetrauten Vorführpuppe die Reihen<br />

irgendwelcher herausgeputzter Soldaten abschreitet<br />

in irgendeinem Land der Welt, einer<br />

Kolonie vielleicht, und er sagt sich vor, dass<br />

das absolut lächerlich sei, hält sich aber an<br />

den Furchen des Politikergesichtes fest, an<br />

der Körperhaltung der Begleiterin, den Kostümfalten,<br />

den Ballerinas, deren einer von<br />

dem im Schwung nach hinten weg gestreckten<br />

Fuß zu rutschen droht. Er starrt auf diesen<br />

Fuß, auf die Schrift darunter, dabei kann


man das Geräusch des einfahrenden Zuges<br />

glatt überhören, wenn nicht der Luftzug die<br />

Zeitungsseite hoch plustern würde. Mechanisch<br />

erhebt er sich, stellt sich zu den anderen<br />

Fahrgästen an den Rand des Bahnsteigs.<br />

Der Zug hält, die Türen vor ihm schieben<br />

sich auseinander. Und so bleiben sie stehen<br />

für die Zeit eines unendlichen Jetzt, der Zug<br />

mit seinem großen Maul und er. So stehen sie<br />

Minuten, Stunden, die Erde dreht sich einmal<br />

um sich selbst, Länder werden erleuchtet, der<br />

Eiffelturm, die Freiheitsstatue, das Licht fällt<br />

in die Abgründe des Grand Canyon, wandert<br />

weiter zur Küste Kaliforniens, lässt diese zurück,<br />

die daraufhin wie selbstverständlich in<br />

den dunklen Mantel schlüpft, fährt über die<br />

Wellen des Pazifiks, strandet irgendwo in<br />

China, setzt über Felsen, schlägt Schneisen,<br />

lässt die Wüste erglühen und erlisch dort,<br />

von woher es gekommen ist. Der Zug schließt<br />

sein Maul und setzt sich in Bewegung, zuerst<br />

mühsam - denn die ersten Schritte benötigen<br />

immer die meiste Kraft - schubst sich selbst<br />

voran und bringt die Fahrgäste die ersten Kilometer<br />

weit auf ihrem Weg in die Welt, ohne<br />

dass sie etwas anderes dazu tun müssen, als<br />

eben einzusteigen, zwei Schritte, vielleicht<br />

drei reichen aus.<br />

Er sieht dem Zug nach, wie er sich von ihm<br />

entfernt und ihn stehen lässt und meint, im<br />

Singen der Gleise das Stimmengewirr der<br />

Personen zu hören oder auch ihre Gedanken,<br />

die schon ans Ziel oder zum nächsten Zug<br />

vorauseilen. Auf dem großen Werbeplakat,<br />

das jetzt wieder zu sehen ist, nachdem der<br />

Zug es nicht mehr verdeckt, badet eine junge,<br />

schwarzhaarige Frau in einer azurblauen<br />

Bucht, „Erleben Sie die Türkei“ steht in<br />

schwungvollen Lettern darunter. Der Bahnsteig<br />

ist leer bis auf einen Raben, der an einer<br />

auf dem Boden liegenden Brottüte zerrt<br />

und mit einem Stück Semmel im Schnabel<br />

zufrieden das Weite sucht. Er schaut auf die<br />

elektronische Anzeige: der Gegenzug soll in<br />

fünfzehn Minuten eintreffen.<br />

Als er mittag nach Hause kommt, liegt die<br />

Katze auf der Bank neben dem Schuppen<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 16<br />

und wärmt sich in der Sonne den Pelz. Eine<br />

Amsel keckert im Apfelbaum, aber sie hebt<br />

nur kurz und scheinbar unbeteiligt den Kopf<br />

und legt ihn dann wieder auf die Pfoten. Er<br />

geht ins Haus und zieht den Mantel aus, legt<br />

den Geldbeutel auf das Tischchen im Flur,<br />

will schon weitergehen, hält aber kurz inne,<br />

nimmt die Streifenkarte heraus und betrachtet<br />

die Stempel: fünf mal zehn Uhr fünfzehn<br />

und keine Fahrt zurück. Die Karte ist voll. Er<br />

wirft sie in den Abfalleimer.<br />

Dann geht er ins Wohnzimmer, holt ein dickes,<br />

rotes Album aus dem Regal und setzt<br />

sich damit an den Tisch. Seit seiner Kindheit<br />

sammelt er Briefmarken, ein Album reiht<br />

sich ans andere, alle säuberlich beschriftet,<br />

die Marken darin übersichtlich sortiert nach<br />

Ländern, nach Erscheinungsjahren, nach<br />

Sätzen. Es gibt kein Land, das er nicht kennt,<br />

sämtliche früheren Bezeichnungen, die sich<br />

mit der politischen Lage gewandelt haben,<br />

sind ihm geläufig. Cirenaica ist eine italienische<br />

Kolonie in Libyen gewesen, S. Tomé hat<br />

unter portugiesischer Herrschaft gestanden,<br />

der mittlere Kongo hat zu Frankreich gehört,<br />

Rhodesien und Nyassaland tragen das Bild<br />

der englischen Königin. Er weiß, wie die<br />

Hauptstadt von Burkina Faso heißt und wo<br />

Kalinoaru liegt. Wenn ich groß bin, hat er gedacht,<br />

werde ich diese Länder sehen. Jetzt ist<br />

er groß, aber das alleine genügt wohl nicht.<br />

Die Sehnsucht danach, die muss groß genug<br />

sein. Wenn nicht heute, dann morgen.<br />

Morgen wird er es wieder versuchen.<br />

Gabriele Wengg-Debert ist eine bekannte<br />

Autorin interessanter Prosa und hat uns diese<br />

Kurzprosa zur Verfügung gestellt.


Renate Weidauer<br />

te r r a a U s t r i a i n c o g n i ta<br />

Die Sonne brannte unbarmherzig vom<br />

wolkenlosen Himmel, oben am Hang<br />

streckte ein Eisenholzbaum seinen ausgebleichten<br />

Stamm in die Höhe, gelbe Grasbüschel<br />

überwucherten den Weg, den verbranntes<br />

Buschwerk säumte. Etwas hing dort oben<br />

am dicksten Ast. Er kniff die Augen gegen<br />

die blendende Sonne zusammen, aber aus<br />

der Ferne erkannte er es nicht.<br />

Seine staubigen Schuhe sandten die Schritte<br />

in den harten Boden. Er ging rhythmisch,<br />

automatisch und fragte sich, als der dunkle<br />

Gegenstand in sein Blickfeld kam, ob er<br />

wirklich wissen wollte, was da hing und<br />

sich in der bewegungslosen Luft nur leicht<br />

drehte. Der Baum und dieses Etwas bildeten<br />

eine Einheit, so wie er sich mit diesem dürren,<br />

menschenfeindlichen Land eins glaubte,<br />

obwohl immer der Tatsache bewusst, dass<br />

er der Fremdkörper war. Das Land brauchte<br />

ihn nicht, nahm nicht einmal Notiz von<br />

ihm, der auf diesem Land, in diesem Land,<br />

lebte. Er aber brauchte das Land: die braune,<br />

verbrannte, staubige Erde, auf der er lief, auf<br />

der er schlief, eingehüllt in seinen Schlafsack,<br />

hautnah mit ihr und dennoch nicht eins. Die<br />

dürren Bäume und spärlichen Büsche, unter<br />

denen er nach Wasser grub und deren trockene<br />

Äste das Feuer nährten, auf dem er sich<br />

seinen Tee kochte und das Dörrfleisch, hatten<br />

etwas Feindseliges an sich. Hin und wieder<br />

schenkte diese Natur ihm Früchte, selten genug,<br />

eine kostbare Gabe.<br />

Schleichend war ihm die Erkenntnis gekommen,<br />

dass dieses Land ihn verneinte, ausschloss,<br />

sich ihm nie öffnen würde, wie eine<br />

widerspenstige Geliebte, dass diesem Land<br />

gegenüber all seine Anstrengungen, sein<br />

verzweifeltes Bemühen um ein Miteinander,<br />

vergeblich waren. Es gab nur Herrschaft, Dominanz<br />

der Natur über den Menschen, denn<br />

der einzelne Mensch konnte das Land nicht<br />

beherrschen, sich ihm zwar nähern, aber er<br />

musste sich ihm beugen. Partnerschaft, ein<br />

gegenseitiges Geben und Nehmen – unmög-<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 17<br />

lich, dazu war das Land zu groß, zu eigenständig,<br />

zu hart, zu unmenschlich. Es duldete<br />

kaum Spuren der Menschen, hin und wieder<br />

Weidezäune, eine Buschpiste, dünne Ader auf<br />

staubtrockener Haut. Er wollte es hinter sich<br />

lassen, ein für alle Mal, es aufgeben und von<br />

sich stoßen, so, wie das Land ihn abgestoßen<br />

hatte – und doch, er kam nicht frei davon.<br />

Auf den Weg hatte er sich gemacht, ohne um<br />

das Ziel zu wissen, aus einer dumpfen Verzweiflung<br />

völligen Ausgestoßenseins heraus,<br />

aufgegeben. Er war einfach losgegangen durch<br />

den dürren, trockenen Busch.<br />

Jetzt aber wollte er doch wissen, was dort<br />

im Baum hing, auf ihn wartete, sich ihm anbot.<br />

Er näherte sich dem Hügel, einem heiligen Ort<br />

der Eingeborenen, wie er wusste, getrieben<br />

von dem Gedanken, erkunden zu müssen, was<br />

dort im Eisenholzbaum hing. Er fühlte sich auf<br />

seltsame Weise angezogen.<br />

Mühsam, in der Hitze keuchend, Schweiß lief<br />

ihm übers Gesicht, ohne, dass er sich die Mühe<br />

machte, ihn abzuwischen, stapfte er durch den<br />

Staub. Mit jedem Schritt in die Höhe weitete<br />

sich sein Blickfeld. Am höchsten Punkt, von<br />

dem aus er den Eisenholzbaum mit seinem<br />

Rätsel aus einem ganz anderen Blickwinkel<br />

sehen konnte, erblickte er unten , in der Ebene,<br />

unvermutet eine Art Schafsschuppen, auf<br />

jeden Fall ein einsames Gebäude in der Ferne,<br />

Menschenspur. Sein Blick sog sich daran fest.<br />

Eine dunkle Linie führte darauf zu, auf der anderen<br />

Seite ebenfalls - nicht erkennbar, woher,<br />

wohin, aus dem Nichts auftauchend und auf<br />

der anderen Seite im Nichts verschwindend.<br />

Als er jetzt, sich dem Baum nähernd, der ihn<br />

mit seltsamer Kraft herbei zu ziehen schien,<br />

seinen Blick nach oben richtete, konnte er noch<br />

immer keine Einzelheiten erkennen. Ohne<br />

Grund beschleunigte er seine Schritte, stand<br />

dann direkt unter dem seltsamen Etwas: kein<br />

Toter, wie er wohl insgeheim befürchtet hatte,<br />

eine Art Schilfmatte, eingeflochten Wurzeln<br />

und Knochen und gefärbte Zweige in bizarren<br />

Formen. Ein Wegweiser der Eingeborenen!<br />

Das erkannte er. Er aber konnte ihn nicht lesen!<br />

Wieder fühlte er sich zurück gestoßen.<br />

Ob der Hinweis sich auf das Gebäude unten<br />

bezog? Vielleicht eine Warnung bedeutete?


Er blickte in die tiefer gelegene Landschaft.<br />

Ein dunkler Strich bewegte sich von rechts<br />

auf der sichtbaren Linie auf das Gebäude zu.<br />

Ein schriller Pfiff zerschnitt die hitzeflirrende<br />

Luft. Er erkannte eine Rauchfahne und stellte<br />

überrascht fest, dass es sich um einen Zug<br />

handelte. Also war das Gebäude ein Bahn<br />

hof, einsam in der Steppe gelegen, aber ein<br />

menschlicher Punkt, etwas, das er auf sich<br />

beziehen konnte: ein Zug, der ihn aus diesem<br />

verbrannten, verdammten, gleichzeitig<br />

gehassten und geliebten Land würde heraus<br />

führen können. Das, was er sich im Geheimen<br />

doch gewünscht hatte! Wirklich gewünscht?<br />

Wollte er es tatsächlich? Aufgeben? Fliehen?<br />

Jetzt, als er die Möglichkeit dazu sah, war<br />

er sich nicht mehr so sicher, seine Entscheidung<br />

doch noch nicht endgültig gefallen. Er<br />

könnte sie aufschieben, warten, jetzt, wo er<br />

wusste, wie er dem allen den Rücken kehren<br />

konnte – wenn er es wirklich wollte.<br />

Sein Blick haftete auf dem Gebäude. Ein<br />

harter Pfeifton lief durch die Luft, der Zug<br />

setzte sich wieder in Bewegung, er verließ<br />

den Bahnhof. Nur kurz war sein Halt gewesen.<br />

Wer hatte dort gewartet?<br />

Oder war jemand ausgestiegen, von hier<br />

oben nicht erkennbar, vom Staub schon wieder<br />

verschluckt? Er schüttelte den Sack mit<br />

seiner spärlichen Habe auf dem Rücken zurecht,<br />

während er nachdenklich mit dem<br />

Blick seiner gegen die Helle zusammen gekniffenen<br />

Augen dem davon ziehenden<br />

Strich folgte; dann drehte er sich entschlossen<br />

um, schritt aus - und lächelte.<br />

Willi Volka<br />

hU l d U f o l k<br />

Vier Pils für die Herren vom Stammtisch“,<br />

sagte die Kellnerin und setzte die<br />

schaumgekrönten Gläser ab. „Die Runde geht<br />

auf mich“, erklärte Peter und wandte sich an<br />

Rolf. “Also, du willst wirklich dabei gewesen<br />

sein, bei diesem Sternschnuppentennis?”<br />

Rolf hob sein Glas, nahm einen tiefen Schluck.<br />

Ein schmaler Schaumkranz blieb über der<br />

Oberlippe haften.<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 18<br />

“Danke”, sagt er, “würde ich es sonst erzählen<br />

können?”<br />

“Und das soll in Island geschehen sein?”<br />

“Ja, in einer Junisommernacht. Warst du schon<br />

mal in Island?”<br />

“Ne”, antwortete Peter, sah Rolf ungläubig an<br />

und fragte: “Und da ist wirklich ein Ball, so<br />

groß wie die Sonne am Himmel, lautlos von<br />

einem Ende zum anderen geflogen?”<br />

“Ja, sagte ich doch schon. Hinter einem weißen<br />

Gletscher tauchte gleich einem Löffel ein<br />

Schläger auf, der den Ball wieder zurück katapultierte.<br />

Am anderen Ende der Flugbahn<br />

geschah dasselbe. Manchmal platzte der Ball<br />

und Funken stiebten über den Himmel”, fuhr<br />

Rolf unbeirrt fort.<br />

“War schon immer ein Spinner, der Rolf”, entfuhr<br />

es Bruno.<br />

„Und kippt zu viele Pils”, ergänzte Walter.<br />

Quer über den Tisch zog ein schmaler bläulicher<br />

Rauchstrich aus Peters Zigarillo.<br />

“Lasst ihn, hört sich doch interessant an”, sagte<br />

Peter und zog genüsslich am Zigarillo.<br />

“Haben das noch andere gesehen?” wollte<br />

Walter wissen.<br />

“Ja natürlich, der isländische Rundfunk berichtete<br />

live darüber.“<br />

“Spinner im Quadrat”, murmelte Bruno und<br />

musterte Rolf verächtlich. “Die Pilse schäumen<br />

ihm im Kopf”, murmelte Walter.<br />

“Wieso gerade in Island?” bohrte Peter weiter.<br />

„Island hat lange Winter. Für diese Art des<br />

Tennis braucht es keine Halle mehr. Da gibt es<br />

kein schweißtreibendes über den Sand hetzen,<br />

keine Muskel- und Sehnenschmerzen mehr.“<br />

Rolf trank einen Schluck Bier und fuhr fort:<br />

“Es geht wie beim Flipperspiel. Im richtigen<br />

Augenblick den Knopf gedrückt und schon<br />

saust der Ball zurück. Bei guten Wetterbedingungen<br />

geht das mit mobiler Konsole auch im<br />

Freien.“<br />

“Das wird also in Island erprobt?” fragte Peter<br />

weiter.<br />

“Ja, im Land der Sagas glaubt man an Lichterscheinungen<br />

und an Elfen, Trolle, Riesen und<br />

Huldren.“<br />

„Was bitte? Ja, doch, natürlich. Auch an Marsmännchen,<br />

an UFOs und an das Ungeheuer


von Loch Ness, nicht wahr?” brach es aus<br />

Bruno heraus.<br />

„Auch an Normen und Lichtgespenster“,<br />

sagte Walter.<br />

„Auf die Lebensräume der Elfen und des<br />

Huldufolks achten die Isländer besonders“,<br />

beteuerte Rolf.<br />

„Huldufolk!?“ wiederholte Peter kopfschüttelnd.<br />

„Ja, die Huldren, unsichtbare menschenähnliche<br />

Wesen, die als Huldufolk in Felsen<br />

wohnen, wie die Elfen.“<br />

„Als einmal über einen von ihnen bewohnten<br />

Hügel eine neue Straße gebaut werden sollte,<br />

träumte nachts dem Baggerführer, dass<br />

die Zähne der Baggerschaufel brachen. Beim<br />

Weiterarbeiten ging auch noch die Schaufel<br />

entzwei. Als eine neue eingesetzt worden<br />

war und er den Bagger besteigen wollte, flogen<br />

Steine, die ihn verletzten.“<br />

“Jetzt rufe ich den Klapsmühlendoktor”, sagte<br />

Bruno.<br />

„Hier ist mein Handy“, stichelte Walter.<br />

„Und als am nächsten Tag die Baggerzähne<br />

tatsächlich brachen, stieg der Mann sofort aus<br />

dem Führerhaus und verweigerte die Arbeit.<br />

Als ein anderer weiter baggerte, wurde der<br />

von einem Stein an der Schulter getroffen,<br />

so dass er den Bagger nicht mehr bedienen<br />

konnte“, fuhr Rolf fort.<br />

„Ist doch alles Fantasterei“, warf Peter ein.<br />

“Ich hatte eine Elfenbeauftragte kennen gelernt<br />

und konnte sie befragen”, sagte Rolf<br />

kurz und blickte locker in die Runde und heftete<br />

dabei seinen Blick auf Peter, den Straßenbauingenieur.<br />

„Sie schenkte mir eine Karte<br />

der unsichtbaren Populationen.“<br />

“Fräulein, eine Runde für alle”, rief Rolf triumphierend.<br />

Peter erhob sich.<br />

Rolf blickte Peter nach, verfolgte dessen Weg,<br />

der in Richtung Toilette führte.<br />

“Wenn Peter Straßen und Brücken baut,<br />

macht er sie real, aber du?” bemerkte Walter.<br />

“Ach, was wissen Ingenieure von der ‚Hidden<br />

World’, von schwerelosen und unsichtbar<br />

bewohnten Räumen? Die neue Straße<br />

wurde übrigens damals dann seitlich versetzt<br />

gebaut. Wir schwimmen zwischen die-<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 19<br />

sen Welten, wie Fische im Wasser”, murmelte<br />

Rolf.<br />

Peter, der zurück kam, schnappte die letzten<br />

Sätze auf und sagte: “Und du bist ihr Laich,<br />

was?”<br />

“Nein, ihr Kaviar”, prustete Bruno.<br />

Rolf sah verärgert in die Runde. Peter hielt seinem<br />

Blick stand und fragte gelassen: „Zu was<br />

führen denn deine Hirnwelten?” Während er<br />

dies sprach zog Rauch aus seinem Mund. “Du<br />

lebst doch gar nicht real in Island. Und das mit<br />

dem Distanztennis, vergiss es. Von wegen einen<br />

Ball zwischen Reykjavik und Tunis oder<br />

gar Kapstadt hin und her fliegen zu lassen”,<br />

redete Peter weiter.<br />

„Von Afrika war nie die Rede“, sagte Rolf trotzig<br />

und starrte vor sich auf den Tisch und murmelte<br />

leise: “Ich war in Island und war dort bei<br />

einer Elfenbeauftragten Assistent. Sie arbeitet<br />

seit Jahren an einer ‚Hidden World Map’.”<br />

„‚Hidden World Map’?“ fragte Walter erstaunt<br />

zurück.<br />

In diesem Augenblick erschien die Kellnerin,<br />

brachtet die von Rolf bestellte Runde, stellte jedem<br />

ein schaumgekröntes Glas auf den Tisch.<br />

“Auf wessen Rechnung geht das?” fragte sie.<br />

“Auf meine!” rief Peter rasch.<br />

Rolf sah Peter fragend an.<br />

“Also morgen kommst du zu mir. Hier meine<br />

Adresse.”<br />

Rolf blickte ihn verblüfft an.<br />

“Das mit der Elfenkarte interessiert mich“, und<br />

er schlug Rolf auf die Schulter. „Kumpels, ich<br />

ziehe jetzt”, sagte er und drückte den Zigarillo<br />

im Ascher aus, klopfte auf den Tisch und setzte<br />

nach: “Also abgemacht, Rolf, du kommst und<br />

bringst die Karte mit?”<br />

“Na, wenn da nicht die Huldren mit Steinen<br />

schmeißen werden”, unkte Bruno.<br />

“Ja, morgen um neun“, sagte Rolf kurz und lächelte.<br />

“Tschüss, bis dann”, verabschiedete sich Peter.<br />

“Der ist immer für eine Überraschung gut”,<br />

meinte Bruno.<br />

„Steht doch fest im wirklichen Leben“, ergänzte<br />

Walter.<br />

In: Der diskrete Charme rätselhafter Poesie, S.81-84,<br />

Hrsg.: Elmar Ferber, Ferber-Verlag Köln, 2006


Conchita Laurenz<br />

Du sagst, dass ich aufhören soll zu weinen.<br />

So kannst Du Dich nicht von mir trennen und<br />

willst mich wieder in den Arm nehmen.<br />

Ich will das nicht.<br />

Auch, wenn ich heule, vielleicht weil es so<br />

überraschend kam,<br />

vielleicht aber auch, weil damit ein weiterer<br />

Lebensabschnitt vorüber geht, heißt das<br />

nicht, dass ich eine Trennung nicht akzeptieren<br />

kann.<br />

Du sagst, dass es vielleicht doch ein Fehler<br />

war, Dich von mir trennen zu wollen.<br />

Blickst gönnerhaft zu mir herunter.<br />

Ich kann nicht ohne Dich leben, denkst Du.<br />

Ich bin unfähig etwas zu sagen.<br />

Du meinst, dass ich Dein Verhalten doch bitte<br />

verstehen soll.<br />

Schon viel zu lange sind wir zusammen.<br />

Da ist nichts Neues und Aufregendes mehr.<br />

Wir sollten weiterziehen, Du und ich.<br />

Siehst Du denn nicht, dass ich meinen Rucksack<br />

schon am schnüren bin?<br />

Du sagst, dass wir ja eigentlich an unser Kind<br />

denken müssen.<br />

Innerhalb von 10 Minuten möchtest Du doch<br />

wieder mit mir zusammen bleiben.<br />

Nur zu welchem Preis?<br />

Wäre es für mich so schlimm allein erziehend<br />

zu sein?<br />

Während Du redest, gehe ich mein zukünftiges<br />

Leben im Kopf durch.<br />

Und auch wenn ich jetzt noch weine, ich<br />

schaffe das!<br />

Du meinst, dass wir zumindest zusammen<br />

bleiben sollten, bis unsere Kleine etwas älter<br />

ist.<br />

Ich frage Dich, ob Du da auch schon ein bestimmtes<br />

Datum im Kopf hast?<br />

Und wie Du Dir unser gemeinsames Leben<br />

vorstellst?<br />

Schließlich habe auch ich gewisse Vorstellungen,<br />

Wünsche, Hoffnungen und Träume.<br />

Doch eigentlich höre ich Dir schon gar nicht<br />

mehr zu.<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 20<br />

Noch während Du so dies und das sagst, packe<br />

ich die Taschentücher weg.<br />

Ich mache die Tür hinter Dir zu.<br />

Und wünsche Dir viel Glück auf Deinem<br />

neuen Weg.<br />

Sandy Green<br />

sü d w i n d ü B e r m la n d<br />

Wie lange schon stand ich vor dem Bild<br />

und fragte mich immerzu, wie jemand<br />

nur auf die Idee kommen konnte Wind zu<br />

malen?<br />

Südwind.<br />

Wieso ausgerechnet Südwind? Was hatte<br />

Südwind mit dem Thema „Heimat“ zu tun,<br />

dem diese Ausstellung gewidmet war?<br />

Abgeerntete dunkle Felder und verdorrte<br />

Wiesen durchzog ein schmaler Weg, der sich<br />

am Horizont ins Nichts verlor. Über allem<br />

spannte sich ein düsterer Himmel, alles beherrschend.<br />

Vom Wind zerrissene Wolken<br />

trieben in Fetzen dahin, hell vorm schweren<br />

Grau. Das trockene Gras schaukelte hin und<br />

her, erst sacht, raschelte leise. Dann schüttelte<br />

es sich mit lautem Rauschen. Der Südwind<br />

umwehte mich warm, strich mir über<br />

die Wangen, wühlte in meinem Haar. Er<br />

flüsterte, hauchte meinen Namen. Ich ging<br />

los und hörte, wie der Kies des Weges unter<br />

meinen Sohlen knirschte. So beständig ich<br />

vorwärts schritt, schien ich dennoch nicht<br />

von der Stelle zu kommen. Die Felder und<br />

Wiesen sahen immer gleich aus und der Horizont<br />

blieb fern. Unerreichbar. Doch stehen<br />

bleiben konnte ich nicht – weiter und weiter<br />

trieb mich das Rufen des Windes. Immer<br />

vertrauter wurde seine Stimme. Auch die<br />

Landschaft kam mir langsam mehr und mehr<br />

bekannt vor. Unmerklich tauchten einzelne<br />

Bilder aus den Tiefen meiner Erinnerung<br />

hervor, schwebten an die Oberfläche meines<br />

Bewusstseins und lösten sich unerkannt auf.<br />

Ich versuchte, sie zu greifen, festzuhalten,<br />

doch sie entzogen sich der Bemühung meines<br />

Verstandes. Noch während ich versuchte,<br />

meine Erinnerungen zu fassen, tauchte


am Horizont ein dunkler Punkt auf. Meine<br />

Schritte brachten mich näher und der Punkt<br />

wurde größer, nahm langsam die Gestalt<br />

eines Menschen an. Je näher ich kam, desto<br />

deutlicher konnte ich die Gestalt erkennen.<br />

Es war ein Junge, vielleicht zehn Jahre alt,<br />

der im trockenen Gras kauerte. Reglos hockte<br />

er da, hatte mir den Rücken zugewandt<br />

und ich vermutete, dass er mich nicht gehört<br />

hatte. Seltsame Kleidung trug er. Die knielangen<br />

Hosen aus grauem kratzigem Stoff,<br />

die Hosenträger, das weiße kurzärmelige<br />

Hemd erinnerten mich an ein Foto aus meiner<br />

Kindheit. Auch die geschorenen Haare<br />

kamen mir sonderbar vertraut vor. Ich<br />

blieb stehen und betrachtete den Jungen. Da<br />

wandte er plötzlich den Kopf und ich blickte<br />

in mein Bubengesicht. Doch es war nicht<br />

das fröhliche Gesicht mit dem verschmitzten<br />

Lächeln, das ich von dem Foto kannte.<br />

Aus den blauen Augen, die durch mich hindurch<br />

zu sehen schienen, schaute mir tiefe<br />

Furcht entgegen. Der Junge wandte sich ab<br />

und kroch durch das hohe Gras. Der Wind<br />

peitschte die trockenen Halme und schwere<br />

Wolken verdunkelten den Himmel. Langsam<br />

folgte ich dem Burschen zu einem kleinen<br />

Mädchen, das zitternd am Boden lag.<br />

Der Junge schaute erst in alle Richtungen<br />

und nahm dann das Kind in die Arme. Das<br />

Rauschen des Windes wurde immer heftiger,<br />

vermischte sich mit einem lauten Dröhnen.<br />

Ich sah zum Himmel auf und entdeckte<br />

die Flugzeuge. Tief rasten sie über die Felder<br />

heran. Der Lärm ihrer Propeller wurde<br />

unerträglich. Ein Rattern, gleichmäßig und<br />

schnell, übertönte die Motorengeräusche.<br />

Als ich mich umschaute, sah ich unzählige<br />

Menschen, die versuchten, vor den Flugzeugen<br />

zu fliehen. Doch es gab nichts, wo sie<br />

sich hätten verstecken können, kein Busch,<br />

kein Baum, kein Haus. Wehrlos waren sie<br />

den Maschinengewehrsalven ausgeliefert.<br />

Schreie gellten, Körper wurden zu Boden<br />

geschleudert, zusammengekrümmt blieben<br />

sie liegen. Blut tränkte die ausgetrocknete<br />

Erde.<br />

Das kleine Mädchen weinte.<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 21<br />

Es gab keine Worte, die Trost gespendet<br />

hätten.<br />

Der Junge umschlang seine Schwester, versuchte,<br />

sie zu schützen. Doch das Mädchen<br />

strampelte und schlug um sich. Er konnte<br />

sie nicht halten. Sie riss sich los und rannte<br />

durch das hohe Gras davon. Seine Hand<br />

griff nach ihr, doch fasste nur ihr Haarband,<br />

das sich löste. Noch bevor er aufspringen<br />

konnte, sah er, wie sie herumgewirbelt<br />

wurde. Die Geschosse durchschlugen ihren<br />

zarten Körper. Dann fiel sie. Das hellgelbe<br />

Kleid saugte sich voll Rot. Auf allen Vieren<br />

kroch er zu ihr, hockte sich neben sie. Mit<br />

bebenden Fingern streichelte er ihr weiches<br />

Haar, bis die Flugzeuge abdrehten und eine<br />

unwirkliche Stille zurückließen.<br />

Hände packten ihn, zerrten ihn weg von<br />

ihr, seiner Schwester, seinem Leben, allem,<br />

was ihm noch geblieben war. Sie schleiften<br />

ihn über die Wiese davon. Kleiner wurden<br />

sie und kleiner, bis sie hinter dem Horizont<br />

verschwanden. Der Wind verstummte. Gelähmt<br />

stand ich da und starrte auf das leblose<br />

Mädchen. Da traf mich der erste Regentropfen.<br />

Warm fiel der Regen auf meine Reglosigkeit<br />

herab, durchdrang meine Kleidung,<br />

meine Haut, meine Seele. Sanft umhüllte er<br />

mich, rann über mein Gesicht, tropfte auf<br />

die staubige Erde.<br />

„Geht es Ihnen nicht gut?“<br />

Ich schrak herum und blickte in das Gesicht<br />

einer jungen Frau. Sie trug die Uniform des<br />

Museumspersonals.<br />

„Doch, es ist alles in Ordnung“, stammelte<br />

ich, fuhr mit dem Handrücken über mein<br />

Gesicht und fühlte die Nässe. Unwillkürlich<br />

griff ich in meine Jackentasche, zog ein Tuch<br />

heraus und wischte mir die Tränen von den<br />

Wangen. Als ich das Tuch zurückstecken<br />

wollte, fiel mein Blick darauf und ich hielt<br />

mitten in der Bewegung inne.<br />

Es war das Haarband meiner Schwester.


Wilfried a. Faust<br />

Das Gewebe<br />

Die Welt ist in geheimen Knoten verbunden<br />

anastasius Kircher (1631)<br />

Immer, wenn wir uns die Mühe machen,<br />

genau hinzuschauen, wie die Dinge und<br />

Ereignisse in unserem persönlichen Leben<br />

mit dem Leben unserer Mitmenschen und<br />

ihren Geschehnissen zusammenhängen,<br />

miteinander verknüpft sind und wie Fäden<br />

in einem großen Gewebe ein Gesamtmuster<br />

ergeben, sind wir überrascht. ‚Steckt dahinter<br />

ein Plan oder eine bestimmte Absicht‘, so<br />

fragen wir uns.<br />

Es ist uns natürlich schier unmöglich, auf<br />

diese Weise unsere Welt mit allen ihren Vernetzungen<br />

zu erfassen, aber dennoch kann<br />

es gelingen, einen größeren Ausschnitt zu<br />

betrachten, um eine Ahnung zu bekommen,<br />

wie die Fäden verlaufen und wie das Muster<br />

entsteht.<br />

Begeben wir uns einmal als unbeteiligter<br />

Betrachter auf eine Ebene, die es uns ermöglicht,<br />

rein zufällig einige Personen in ihrem<br />

Lebensraum aufzuspüren und ihr Beziehungsgeflecht<br />

zu entdecken:<br />

Wir blicken in eine Wohnung, die in einer<br />

engen Gasse einer Kleinstadt liegt, und sehen<br />

Katrin, eine allein erziehende junge Frau. Sie<br />

hat ihrem siebenjährigen Töchterchen Sabrina<br />

gerade eine Gutenachtgeschichte vorgelesen,<br />

obwohl die Kleine erstaunlicherweise<br />

recht gut lesen kann aber noch immer darauf<br />

besteht, dass sie durch die beruhigende<br />

Stimme der Mutter in den Schlummer findet.<br />

Katrin erfüllt ihr die Bitte natürlich gern, da<br />

sie es liebt, ihrem Kind beim Einschlafen zuzuschauen,<br />

wenn der unerschütterliche Friede<br />

in das Kinderherz einzieht und die entspannten<br />

Gesichtszüge davon künden, dass<br />

die Pforte zur Traumwelt weit offen steht.<br />

Ein bisschen beneidet sie Sabrina um den<br />

leichten Zugang zum erholsamen Schlaf. Sie<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 22<br />

selbst tut sich zurzeit recht schwer damit und<br />

hängt zu lange dem erlebten Tagesgeschehen<br />

nach. Die planenden Gedanken in ihr<br />

wollen gar nicht schweigen, und so sitzt sie<br />

oft abends noch spät in dem weichen Sessel,<br />

wenn der Fernseher läuft, dessen Bilder und<br />

Töne sie kaum bewusst wahrnimmt. Dann<br />

fragt sie sich zum wievielten Male, warum<br />

ihre Ehe so schnell zerbrochen ist.<br />

Heute scheint wieder so ein Abend gekommen<br />

zu sein, der die bevorstehende<br />

Nachtruhe gefährden will. Die Gedanken<br />

geben keine Ruhe, und so bleibt sie in ihrem<br />

bequemen Sessel sitzen und nimmt ab und<br />

an einen Schluck Rotwein zu sich, der sie beruhigen<br />

und müde machen soll.<br />

Auf dem niedrigen Tischchen in der gegenüber<br />

liegenden Zimmerecke brennt eine kleine<br />

Kerze in einem geschnitzten Holzleuchter<br />

herunter, neben dem eine angefangene<br />

Strickarbeit liegt, aus der ein langer Faden<br />

hängt und zum Wollknäuel führt, welches<br />

unten auf dem Fußboden liegt. Neben dem<br />

Knäuel liegt Katrins hübsche, grauweiß getigerte<br />

Katze und döst scheinbar vor sich hin.<br />

Doch ihre Ohren spielen in verschiedene<br />

Richtungen und verraten ihre Wachsamkeit.<br />

Katrin hat das Zimmerfenster offen gelassen,<br />

so dass ein leichter Luftzug, der durch<br />

das ebenfalls geöffnete Küchenfenster entsteht,<br />

den Raum durchweht. Die Wanduhr<br />

zeigt eine Stunde nach Mitternacht an. Katrin<br />

ist eingenickt. Die Zugluft beginnt, stärker<br />

zu werden; sie bewegt die Tür und lässt sie<br />

ins Schloss fallen. Der locker sitzende Schlüssel<br />

rutscht aus seinem Loch und fällt klirrend<br />

auf den unbedeckten Parkettfußboden.<br />

Katrin schläft nun so fest, dass sie dieses Geräusch<br />

nicht hört. Wahrscheinlich hat der<br />

Rotwein sein bestes dafür getan.<br />

Vom Klirren des Schlüssels erschreckt, läuft<br />

das schon seit längerem mitbewohnende<br />

Mäuschen, das sich unvorsichtig aus seinem<br />

Loch hinter der großen Bücherwand hervor


gewagt hat, quer durch das Zimmer. Darauf<br />

hat die Katze nun schon seit geraumer Zeit<br />

gewartet und macht einen Satz in Richtung<br />

der Beute, streift das Wollknäuel, das nun<br />

seinerseits in Bewegung gerät, aber dabei den<br />

Faden zur Strickarbeit auf dem Tisch strammzieht<br />

und den daneben stehenden Leuchter<br />

aus leichtem Holz etwas bewegt, wobei die<br />

nicht ganz festsitzende brennende Kerze aus<br />

der Halterung kippt. Die Kerze rollt von dem<br />

niedrigen Tisch - immer noch brennend - und<br />

fällt auf den kleinen Wollteppich davor. Die<br />

Flamme beginnt, diesen zu versengen, bis ein<br />

leichter Brand entsteht, der sich langsam ausbreitet<br />

und die Zimmergardine erfasst, kleine<br />

Rauchschwaden entwickeln sich, ziehen<br />

hoch und dringen durch die angelehnte Tür,<br />

die ins Kinderzimmer führt.<br />

Sabrina hat einen bösen Traum gehabt und<br />

ist aufgewacht. Sie bemerkt den Brandgeruch<br />

und steigt aus ihrem Bettchen, um ins Wohnzimmer<br />

zur Mutter zu gehen. Sie will wissen,<br />

was los ist und ruft, noch in ihrem Zimmer:<br />

„Mami, was riecht hier so?“<br />

Katrin erwacht jetzt und erlebt einige<br />

Schrecksekunden, bis ihre Wahrnehmung<br />

einsetzt.<br />

Noch etwas schlaftrunken tappt Sabrina zu<br />

ihrer Zimmertür, durch deren Spalt der Feuerschein<br />

dringt, und stößt sie vollends auf.<br />

Als sie ihre Mutter erblickt, die mit schreckgeweiteten<br />

Augen regungslos dasteht, rennt<br />

sie auf Katrin zu, die nun alles voll erfasst.<br />

Sie zieht die Wolldecke von der Couch und<br />

schlägt auf das Feuer ein. Es wird unerträglich<br />

heiß im Raum. Katrin springt zum<br />

geöffneten Fenster, schließt es hastig, reißt<br />

dann ihre Tochter in den Arm und rennt mit<br />

ihr aus dem Zimmer, die Tür hinter sich zuschlagend.<br />

Die Katze huscht verängstigt mit<br />

hinaus.<br />

Jetzt befinden sich Mutter und Tochter im<br />

Flur, wo das Telefon steht. Katrin wählt mit<br />

zitterndem Zeigefinger die Notrufnummer<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 23<br />

und schildert der sich meldenden Stimme<br />

in hastigen Sätzen die Situation. Im Haus<br />

hört man Rufe. Dann klopft es an Katrins<br />

Eingangstür, die sie auch sofort öffnet. Draußen<br />

steht der Hausmeister: „Frau Brandtner,<br />

sind Sie verletzt? Haben Sie schon die Feuerwehr<br />

alarmiert?“ keucht er, denn er ist die<br />

fünf Treppen heraufgerannt.<br />

„Ja natürlich, den Notruf habe ich verständigt.“<br />

„Wann? „<br />

„Gerade eben.“<br />

„Aber ich habe von der Straße her den Feuerschein<br />

in ihrem Fenster schon vor ein paar<br />

Minuten beobachtet.“<br />

„Ich war im Sessel eingeschlafen.“<br />

Katrin beginnt zu schluchzen und Sabrina<br />

klammert sich ängstlich an ihre Mutter.<br />

Es kommen auch ein paar Nachbarn mit<br />

besorgten Gesichtern die Treppe herauf, und<br />

in der Ferne hört man das Horn der Feuerwehr.<br />

Nun beginnen wir zu fragen, wer oder<br />

was der Auslöser dieses Notfalls gewesen<br />

sei: Der Luftzug, der die Tür bewegt hatte?<br />

Der Schlüssel, der das entscheidende Geräusch<br />

für die Maus verursachte?<br />

Die Katze, die durch den Wollfaden die Kerze<br />

umfallen ließ? Die Kerze, dessen Flamme<br />

den Teppich in Brand setzte?<br />

Mit solcher Spitzfindigkeit kommen wir<br />

aber nicht weiter, denn es geht darum herauszufinden,<br />

welche Personen und Gegenstände<br />

zueinander gefunden haben, um miteinander<br />

ein Geschehen in Gang zu setzen.<br />

Aus welchen Bereichen kommen sie, und<br />

in welche Verflechtung haben sie sich begeben?<br />

Da ist zum Beispiel das Wollknäuel und<br />

die halbfertige Strickarbeit. Die verwendete<br />

Wolle stammt von einem Merino-Schaf, das<br />

in Australien auf einer kleinen Farm unter<br />

50 Artgenossen lebt und dort der erklärte<br />

Liebling der siebenjährigen Farmerstochter<br />

Sally ist. Das Tier war der Familie aus einer<br />

fremden Herde zugelaufen, die durch einen


Buschbrand zersprengt worden war. Sally<br />

hatte ihren Liebling mit einem hellgrünen<br />

Farbfleck gekennzeichnet. Die gleiche Farbe<br />

hat übrigens auch die Wolle, die Katrin gerade<br />

verarbeitet und von ihrer Freundin Viktoria<br />

geschenkt bekommen hat. Übrigens, im<br />

australischen Bundesstaat Victoria lebt Sally<br />

mit ihrer Familie.<br />

Katrins Freundin hat vor zwei Monaten<br />

ihren Arbeitsplatz in dem Unternehmen verloren,<br />

das sich unter anderem auch mit dem<br />

Import von australischer Wolle befasst hatte<br />

und in den Konkurs gehen musste.<br />

Viktoria ist vor einem Monat verreist, und<br />

hat Katrin zum Abschied eine reich verzierte<br />

Kerze gegeben, die nun den kleinen afghanischen<br />

Vorleger in Brand gesteckt hat. Dieser<br />

Teppich spielt noch eine besondere Rolle für<br />

die kleine Sabrina, wie wir sehen werden.<br />

Vorerst müssen wir noch den Rotwein, von<br />

dem Katrin während des Abends getrunken<br />

hat, unter die Lupe nehmen. Er wurde vor<br />

vier Jahren in der im Nachbarort gelegenen<br />

Weinkellerei „Verikas“ auf die Flasche gezogen,<br />

in jener Kellerei, in deren tiefen und weit<br />

verzweigten Gewölben eine Mäuse jagende<br />

Katze haust, die eine Schwester von Katrins<br />

Schmusetier ist.<br />

Der dortige Kellermeister Wery wiederum ist<br />

im vergangenen Jahr in Israel gewesen und<br />

hat von seiner Reise einen Kerzenständer aus<br />

altem Olivenholz mitgebracht.<br />

Dieses Mitbringsel wollte daheim niemand<br />

haben, weshalb er den Leuchter kurzerhand<br />

seiner Schwägerin, nämlich Katrins Freundin<br />

Viktoria, als Geburtstagsgeschenk übergab,<br />

die ihrerseits keine Verwendung dafür fand<br />

und diesen ungeliebten Gegenstand letzthin<br />

Katrin mitbrachte, die ihn auch annahm.<br />

So fand der kleine Gast aus Israel doch noch<br />

eine Heimstatt, in der er aber nur leicht angekohlt<br />

worden ist, denn Olivenholz ist widerstandsfähig.<br />

Nachdem der Zimmerbrand gelöscht werden<br />

kann, landet er nun zusammen mit der<br />

Rotweinflasche in der Mülltonne auf dem<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 24<br />

Abfallberg am Rande der Stadt, wo der Obdachlose<br />

Hannes Petri das versengte Stück<br />

findet und die noch gut erkennbare Schnitzarbeit<br />

bewundert. Als gelernter Schreiner<br />

kennt er sich in Holzarten aus und sieht, dass<br />

es sich um altes Olivenholz handeln muss.<br />

Und wo stehen die ältesten Olivenbäume?<br />

Natürlich in Israel, am See Genezareth, wo<br />

der Apostel Petrus Fischer war. Dich nehme<br />

ich mit, du stammst sicher aus jener Ecke,<br />

wo die Menschenfischer um Jesus ihre Netze<br />

ausgeworfen hatten. Und zu meinem Namen<br />

passt du auch sehr gut, denkt der alte Petri,<br />

denn wenn du wirklich so alt bist, hast du<br />

den Apostel Petrus sicherlich gesehen.<br />

Damit wickelt er den Gegenstand in sein<br />

Taschentuch und steckt ihn in die Hosentasche.<br />

Langsam wird das Geflecht, um das es hier<br />

geht, erkennbar. Doch noch fehlt der Strang,<br />

der nach Afghanistan führen soll. Der Vorleger,<br />

der die Kerzenflamme aufnahm, übt eine<br />

starke Anziehungskraft auf uns als Beobachter<br />

aus.<br />

Wir sehen in ein kleines Dorf, unweit von<br />

Kabul. In der Hütte von Ali Tsengutan hockt<br />

sein Kind, ein Mädchen, vor einem hölzernen<br />

Knüpfrahmen und ist vor Übermüdung über<br />

seiner Arbeit eingeschlafen. Dieses Mädchen<br />

hat vor ungefähr drei Jahren den kleinen<br />

Teppich geknüpft, der in Katrins Wohnstube<br />

gelegen hat und über einen geldgierigen<br />

Händler nach Europa gelangte. Verschiedene<br />

Personen und Unternehmen haben an<br />

diesem Produkt ihr Geld verdient; nur die<br />

kleine Assaya hat daran keinen Anteil gehabt.<br />

Selbst ihr Vater ist nur ein bescheidener<br />

Nutznießer der Arbeiten seiner Tochter, die<br />

er notgedrungen zwingen muss, ihren Anteil<br />

zum Familieneinkommen beizutragen.<br />

Nun schläft die Kleine ermattet, hat die<br />

schmerzenden Finger vergessen. Der Vater<br />

trägt sie vorsichtig auf ihre bescheidene Bettstatt.<br />

Im Traum reist sie in das ferne Land,<br />

das man Europa nennt und wo ihre kleinen<br />

Arbeiten fremde Räume zieren, so wie der


Vater es ihr erklärt hat.<br />

Gibt es eine Verbindung zwischen der kleinen<br />

Knüpferin und Sabrina?<br />

In Afghanistan ist es nun morgens vier<br />

Uhr und in Deutschland gerade Mitternacht.<br />

Beide Kinder schlafen tief. Assayas Erschöpfung<br />

von der schweren Arbeit am Rahmen<br />

lässt das Mädchen in dieser Morgenstunde<br />

noch nicht merken, dass ihre Eltern schon<br />

aufgestanden sind, und so darf der kleine,<br />

geschwächte Körper noch ein, zwei Stunden<br />

ruhen.<br />

Sabrina träumt gerade, sie ginge durch<br />

einen dichten Wald und entdeckt einen kleinen<br />

See, der sie magisch anzieht. Sie kniet an<br />

seinem Ufer nieder und erschaut zunächst<br />

ihr Spiegelbild auf der Wasseroberfläche.<br />

Plötzlich erscheint daneben ein zweites Gesicht:<br />

Ein Mädchenkopf ist es, umrahmt von<br />

schwarzen Locken und große, dunkle, mandelförmige<br />

Augen strahlen Sabrina an, die<br />

sich erschrocken umdreht. Da steht Assaya<br />

vor ihr und lächelt sie an.<br />

Obwohl doch keines von den beiden<br />

Kindern die Sprache des anderen verstehen<br />

könnte, ermöglicht die Traumebene aber das<br />

Zwiegespräch:<br />

Assaya beginnt:<br />

„Ich weiß, dass du einen Teppich hast, den<br />

ich gemacht habe. Gefällt er dir?“<br />

„Oh, es tut mir so leid, er ist verbrannt. Wir<br />

hatten einen Unfall zuhause. Es brach Feuer<br />

aus und dabei blieb nur Asche von dem Teppich<br />

übrig. Bist du sehr traurig deswegen?“<br />

„Ach nein, du kannst ja nichts dafür. Ich<br />

knüpfe dir einen viel schöneren, wenn du<br />

willst. Meine Mami hat mir ein neues Muster<br />

gezeigt und das will ich morgen probieren.<br />

Wenn die Arbeit fertig ist, sage ich dir<br />

Bescheid; wir treffen uns am besten hier wieder,<br />

an diesem See.“<br />

„Fein, ich freue mich schon jetzt darauf.“<br />

„Du musst meinen Namen aber wissen. Ich<br />

heiße Assaya, und du?“<br />

„Ich bin Sabrina.“<br />

prosa<br />

„Bis bald, Sabrina.“<br />

„Oh ja, bis bald, Assaya.“<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 25<br />

Beide Mädchen haben tatsächlich gemeinsam<br />

diesen Traum.<br />

Einige Monate später - Katrin ist mit ihrer<br />

Tochter in eine andere Wohnung gezogen<br />

- sieht Sabrina, als sie von der Schule nach<br />

Hause kommt, vor dem kleinen Tisch, auf<br />

dem der Fernseher steht, einen neuen, quadratischen<br />

Teppich liegen, der ein bezauberndes<br />

Muster in den Farben zeigt, die Sabrina<br />

besonders gern hat.<br />

„Mami, woher hast du den neuen Teppich?“<br />

„Ach, ich war heute Morgen auf dem Wochenmarkt,<br />

wo ein ausländischer Händler,<br />

der ganz seltsam gekleidet war, ihn mir anbot,<br />

wirklich zu einem Spottpreis. Da konnte<br />

ich nicht widerstehen und habe ihn mitgenommen.<br />

Er soll wieder aus Afghanistan<br />

sein, wie unser alter, der ja leider verbrannt<br />

ist. Dieser ist doch fast noch schöner, oder?“<br />

„Tausendmal schöner!“ ruft Sabrina begeistert.<br />

Von ihrem Traum erzählt sie ihrer Mutter<br />

nichts, doch nun weiß sie, dass Assaya<br />

diesen Weg gewählt hat, um ihr den neuen<br />

Vorleger zu bringen.<br />

Am nächsten Tag sehen Mutter und Tochter<br />

in einer aktuellen Sendung im Fernsehen<br />

einen Bericht über Afghanistan. Bei einem<br />

Kameraschwenk erfasst die Linse eine Menschengruppe<br />

in einem Dorf, und ein Kindergesicht<br />

leuchtet auf.<br />

„Das ist ja Assaya!“ ruft Sabrina aufgeregt,<br />

denn sie hat ihre kleine Traumfreundin erkannt.<br />

Katrin versteht diese Reaktion nicht<br />

und sieht ihr Töchterchen fragend an. Da<br />

beginnt Sabrina denn doch, ihrer Mutter den<br />

Traum zu erzählen. Katrin hört verwundert<br />

aber aufmerksam zu.<br />

„Weißt du, Mami, ist es nicht merkwürdig,<br />

wie viele Sachen immer zusammenpassen?<br />

Ich glaube, wenn wir richtig nachsehen, hängen<br />

noch viel mehr Dinge zusammen, so wie


ein Teppich mit vielen, vielen Knoten. Meinst<br />

du nicht auch?“<br />

Ihre Kinderseele hat mehr erfasst, als ihre<br />

Mutter ahnt und wir hoffen für Sabrina, dass<br />

sie nie in ihrem Leben vergessen möge, ihre<br />

Wahrnehmungen auf diese Weise zu schärfen<br />

und zu entwickeln.<br />

Karin Alette<br />

es ist ja g a r n i c h t so s c h l i m m<br />

Lange, blank schimmernde Gänge, nummerierte<br />

Türen rechts und links. Es riecht<br />

nach Krankenhaus. Weiß gekleidete Schwestern<br />

und Ärzte gehen an mir vorbei, jeder auf<br />

eine Weise anonym. Ich suche nach einem<br />

Zimmer auf der linken Seite. Dabei kommt<br />

mir in den Sinn, dass ich Vater in meinem<br />

Leben bisher nur ein einziges Mal als Patient<br />

in einem Krankenhaus erlebt habe. Damals<br />

hatte er Gicht, sein Zeh schmerzte immer<br />

mehr und er musste stationär aufgenommen<br />

werden. Ein- oder zweimal hatte ich ihn dort<br />

besucht, dann konnte er wieder nach Hause.<br />

Eine harmlose Sache – und jetzt?<br />

Beklommenheit und Unsicherheit vermischen<br />

meine Gefühle. Ich wusste nicht allzu<br />

viel, er hätte Schwierigkeiten beim Essen und<br />

Trinken. Eine Gesichtshälfte hing herunter –<br />

und er hätte sie nicht mehr unter Kontrolle.<br />

Ich stelle mir vor, wenn ich die Kontrolle über<br />

mein Gesicht verlöre, mein Gesicht würde<br />

nicht auf mich hören, so als würde eine Seite<br />

nicht mehr zu mir gehören. Das Kinn hinge<br />

herunter und meine Gesichtsmuskeln könnten<br />

es nicht mehr anheben. Ich könnte nicht<br />

sprechen, nicht schlucken. Ich denke an hilflos<br />

ausgeliefert sein – an Gesicht verlieren –<br />

an stummes Leiden.<br />

Meine Augen streifen ein Bild auf dem Flur.<br />

Eine ruhige weite Landschaft und am Horizont<br />

Sonnenuntergang. Der Fotograf hat ein<br />

Stück dieser Schönheit einfangen können,<br />

denke ich, Schönheit, Glanz, überflutetes<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 26<br />

Licht, feurige Energie – vor dem Untergang.<br />

Trost liegt in der Betrachtung. Die Natur<br />

ist wunderschön – auch noch wenn sie sich<br />

verabschiedet. Es ist, als schiene etwas von<br />

der anderen Welt herüber, in der die Sonne<br />

gerade eintaucht, etwas das uns noch verborgen<br />

bleibt, ein erhabener Glanz, so dass<br />

andächtiges Staunen in mir zurückbleibt.<br />

Ich gehe weiter – endlich, die letzte Türe<br />

auf dem Gang, dahinter liegt Vater! Wieder<br />

Zögern, Beklommenheit und Unsicherheit,<br />

da gebe ich mir einen Ruck, klopfe lauter als<br />

beabsichtigt an, so als ob ich mir mit diesem<br />

Klopfen selbst Mut mache, öffne die Türe<br />

und trete ein.<br />

Ein freundliches Krankenzimmer, drei<br />

Betten, ein großes Fenster, viel Licht und im<br />

mittleren Bett sehe ich Vater sitzen. Ich beruhige<br />

mich – es ist ja gar nicht so schlimm.<br />

Unsere Fantasie macht doch immer alles<br />

schlimmer, bauscht auf, macht Angst. Doch<br />

wenn man den Mut hat genau hinzuschauen,<br />

dann tröstet sie uns.<br />

Ich begrüße ihn, er hängt am Tropf und<br />

einen Schlauch hat man ihm durch die Nase<br />

gezogen. Ich bedaure ihn und ich bewundere<br />

ihn gleichzeitig. Mir wollte ein Arzt auch<br />

einmal einen Schlauch durch die Nase befördern.<br />

Trotz Zureden, vielen ernsthaften<br />

Versuchen, ich konnte es nicht, alles in mir<br />

wehrte sich gegen diesen dicken Schlauch.<br />

Ich konnte ihn einfach nicht schlucken. Und<br />

Vater, der sonst nicht einmal eine kleine Tablette<br />

schlucken konnte, er hat es fertiggebracht,<br />

diesen Schlauch anzunehmen. Hat er<br />

damit sein Schicksal angenommen? Ich sage<br />

ihm, dass ich weiß, was es für ihn bedeutet<br />

haben muss, diesen Schlauch zu schlucken,<br />

frage, wie er das fertiggebracht hätte. In seiner<br />

Bescheidenheit sagte er nur: „Nun ja, das<br />

war auch nicht einfach“. Vater ist ganz wach,<br />

er sitzt aufrecht in seinem Bett, er nimmt alles<br />

um sich herum auf, ich bin froh, denke „Es<br />

ist ja nicht so schlimm“. Ich freue mich, sage


ihm: „bestimmt kannst du bald wieder nach<br />

Hause“ darauf eine lange, fast vorwurfsvolle<br />

aber auch zweifelhafte Antwort: „Hoffentlich!?“<br />

Irgendwie bin ich jetzt verwirrt über<br />

seine Antwort, habe sie nicht erwartet. Was<br />

denkt er, was geht in ihm vor? Sicher, er ist<br />

fast achtzig Jahre, aber bis jetzt topfit geblieben,<br />

er erschien mir immer jünger als er war.<br />

Ich unterbreche meine Gedanken, sehe seine<br />

Augen, was ist da anders geworden, überlege<br />

ich, sie erscheinen mir irgendwie nebelhaft<br />

und grau, es kommt mir vor, als sähe<br />

Vater in eine Weite, die ich nicht sehen kann.<br />

Ist er jetzt hier im Krankenzimmer oder ist<br />

ein Teil von ihm woanders, weit fort?<br />

Ich hätte ihn fragen sollen, schon als er<br />

„hoffentlich“ sagte, hätte ich ihn fragen sollen.<br />

Doch ich war irgendwie sprachlos und<br />

unvorbereitet. Außerdem, ich dachte, ich<br />

habe ja noch viel Zeit, bald geht es ihm besser,<br />

bald kann er wieder nach Hause. Morgen<br />

werde ich zuerst einmal mit dem Arzt<br />

sprechen, heute ist Sonntag, da ist niemand<br />

da, doch morgen sofort in der Frühe fahre<br />

ich in die Klinik, nehme ich mir vor.<br />

Es kommen mehr Besucher, es wird unruhiger<br />

im Krankenzimmer, er wird es auch. Ich<br />

merke, es ist ihm zu viel. Ein Pfleger kommt<br />

herein, er will sein Bett machen.<br />

Wir warten draußen. Wir warten lange, zu<br />

lange!<br />

Als wir wieder hineingehen, ist alles anders.<br />

Er ist verwirrt, wir sagen ihm, wir gehen<br />

nach Hause, wir kämen morgen wieder.<br />

Er nickt nur, dann nach einer Pause, als wir<br />

uns verabschieden wollen, sagt er: „Und ich<br />

bleibe hier.“ Seine letzten Worte, es waren<br />

seine letzten Worte, hätte ich das gewusst.<br />

Ich habe das unbestimmte Gefühl, er wusste<br />

es irgendwie – er war uns allen weit vorausgegangen<br />

– er konnte weiter sehen mit seinen<br />

inneren Augen.<br />

Er hat es uns allen gesagt – ich bleibe hier<br />

doch schonend und verschlüsselt hat er es<br />

gesagt – er wollte uns nicht beunruhigen.<br />

So wie er lebte, ruhig und bescheiden, ist er<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 27<br />

am nächsten Morgen für immer eingeschlafen.<br />

Ohne Aufsehen, nicht einmal seine Bettnachbarn<br />

haben etwas gemerkt.<br />

Er wollte uns keine schlaflosen Nächte bereiten,<br />

er wollte so einfach davongehen. Wir<br />

wissen nur, er ist ruhig und ohne Kampf eingeschlafen.<br />

Mit seinem Tod ließ er uns zwar<br />

Schmerz und Schock aber nicht zuletzt auch<br />

Trost zurück. Sein Abschied war leicht für<br />

uns, als ginge er nur kurz fort, als wüsste er,<br />

es ist nur ein vorübergehender Abschied.<br />

Georg Walz<br />

Be w e g U n g im li c h t<br />

Lyrische Erzählung<br />

Laut drängt das metallene Kreischen in<br />

seine morgendlichen Gedanken. Räder,<br />

eingefangen und geführt in parallelen eisernen<br />

Schienen. Eisenräder, die in jeder Kurve<br />

versuchen auszubrechen. Bereit, die eng begrenzende<br />

Leitlinie zu verlassen und eigene<br />

Wege zu gehen.<br />

Verschlafen hebt er den Blick. Blickt dem vorauseilenden<br />

Geräusch entgegen.<br />

Er liebt es zu sehen. Die großen Fensterscheiben<br />

und die oberirdische Fahrt erlauben<br />

an der Umwelt teilzuhaben. Gestatten ihm<br />

seine Umgebung zu erleben. Ein Teil davon<br />

zu sein. Die Fassaden der Häuser fliegen in<br />

gebührendem Abstand vorbei. Fenster, Türen,<br />

Auslagen von Geschäften schieben sich<br />

von vorne in sein Blickfeld, gleiten seitlich<br />

entlang und ehe er sie exakt erfassen kann<br />

und sich ihrer Bedeutung bewusst wird, verlassen<br />

sie erneut seinen Blickwinkel. Nur,<br />

wenn sein Kopf im Einzelfall mitschwingt,<br />

bleiben ihm Bruchteile von Sekunden, um<br />

detaillierter zu erkennen, was an seinem<br />

Leben vorüberzieht. Vereinzelt dazwischen<br />

große Plakattafeln, die ihre einzige Aufgabe,<br />

die Menschen zu verführen, sehr ernst nehmen.<br />

Groß, mächtig ausladend sind die lächelnden<br />

Gesichter in der bunten Einheit der<br />

Werbevielfalt nicht zu übersehen.


Obwohl er sie noch nicht sehen kann, weiß<br />

er, dass sie nun kommt. Seine Linie 16. Pünktlich,<br />

wie immer. Selbst zu dieser frühen Stunde.<br />

Er kann sich auf ihre Pünktlichkeit verlassen.<br />

Seit vielen Jahren begleitet sie ihn auf<br />

seinem Weg zur Arbeit. Jeden Morgen durch<br />

alle Jahreszeiten hindurch.<br />

Nebenan führen gepflasterte Trampelpfade<br />

entlang. Sie ertragen geduldig die Hast und<br />

Eile der Menschen, deren Schritte keine Spuren<br />

im harten Stein hinterlassen. Menschen<br />

ohne Ruhe. Nur die unsichtbare Hand an<br />

den Kreuzungen der Wege, die bei Rot aus<br />

ihrem Versteck kommt, stoppt den Vorwärtsdrang<br />

einen Farbklecks lange. Ausgeatmete<br />

Unruhe kann verordnete Zwangspause<br />

nicht akzeptieren. Sie überträgt sich auf den<br />

Pulsschlag der Wartenden. Lässt diesen höher<br />

schlagen. Verführt einige zum Ausbruch.<br />

Ihr Ego erlaubt es nicht, zwangsgeführt unterbrochen<br />

zu werden. Sie möchten kostbare<br />

Zeit nicht nutzlos mit Warten vergeuden.<br />

Warten auf ein Grün, das ihnen Fortführung<br />

der Hast signalisiert. Das schwingende Pendel<br />

der Uhr beherrscht ihren Tagesrhythmus.<br />

Sie ignorieren den verordneten Halt, sofern<br />

es der querlaufende Strom der nach Abgas<br />

stinkenden Blechlawine erlaubt und sie eine<br />

scheinbare Lücke zu erspähen glauben. Wie<br />

gehetztes Wild springen sie in die Lichtung<br />

vor die Flinten der Jäger. Als hätten sie nicht<br />

verstanden, dass sie riskieren, ihren Atem für<br />

immer vor eines der drängelnden Fahrzeuge<br />

zu werfen.<br />

Gelb – Grün. Die Hast geht weiter.<br />

Fauchend biegt sie in seine Straße ein. Wie<br />

schon oft im Halbdunkel beschleicht ihn das<br />

Gefühl, dass zwischen den Häuserschluchten<br />

ein fauchender Drache mit glühenden<br />

Augen auf ihn zuläuft. Gebändigt von einem<br />

Drachenführer mit Erfahrung im Haar, der<br />

dafür sorgt, dass das Ungetüm aus Metall<br />

und Glas, keinen Schaden anrichten kann.<br />

Die Bremsen der eisernen Räder bringen<br />

die Gedanken zum Stillstand. Zentimetergenau<br />

kommt sie an der dafür vorgesehenen<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 28<br />

Stelle zum Stehen. Es bleibt Zeit nachzudenken<br />

und den Blick auf dem scheinbaren Stillstand<br />

der Umgebung ruhen zu lassen. Das<br />

Erkennen wird um ein Vielfaches leichter.<br />

Die spiegelnden Schaufenster der Geschäfte<br />

legen ihre Masken ab. Gesichter, die sich dahinter<br />

verborgen haben, werden in der Ruhe<br />

erkennbar,<br />

- Zeit, tiefe Furchen zu betrachten, die das<br />

Leben in die Gesichter der älteren Herren<br />

gezogen hat, die ihre Hunde an der langen<br />

Leine Gassi führen und mit ihnen die Hoffnung<br />

zu teilen, noch einmal das Leben in<br />

vollen Zügen genießen zu dürfen,<br />

- Muße, die vielen Tage zu zählen, die er in<br />

harten Holzstühlen verbracht hat. Sein Arsch<br />

hat deshalb keine Schwielen bekommen. Die<br />

Härte hat dafür gesorgt, dass er nie länger<br />

als nötig sitzenblieb, sich immer wieder erhob<br />

und seinen Weg weiterging. Sein Ziel<br />

nie aus den Augen verlor.<br />

Er musste sich nie in der Dunkelheit der<br />

Wege verstecken. Die Gesichter der Fahrgäste,<br />

die ihn begleiten, haben die gewohnte<br />

angenehme Farbe. Nicht die Blässe, die vom<br />

Neonlicht in den unterirdischen Schächten<br />

auf die Haut aufgetragen wird.<br />

An der Haltestelle steht sie ganz still. So,<br />

als müsse sie Luft holen. Nur bei einem Halt<br />

gibt sie die Türen frei und lässt die Menschen<br />

ein- und aussteigen.<br />

Gestärkt fährt sie mit einem harten Ruck<br />

wieder an und setzt brausend, schnaubend<br />

und schnarrend ihre Fahrt fort. Das bläuliche<br />

Licht, das der Stromabnehmer aus dem<br />

Schwarz des Himmels reißt, fällt zwischen<br />

die Schritte dahin hastender Gestalten und<br />

erhellt für Momente dunkle Gesichter.<br />

Der scheinbaren Unordnung, die Chaos<br />

nahelegt, liegt sinnvolles Handeln zu<br />

Grunde. Die endlose Schlange der eilenden<br />

Beine wird von den Abgängen der U-Bahn<br />

verschluckt. Sie verschwinden in der Dunkelheit<br />

der Fahrt, um an anderer Stelle der<br />

Stadt erneut an die Oberfläche gespuckt zu<br />

werden.


Unverständnis ruht in der Farbe seiner Augen.<br />

Er kann sie nicht verstehen. Die Dunkelfahrer.<br />

Die Gäste der Schächte der Nacht.<br />

Die nicht sehen wollen. Die sich nicht die<br />

Zeit nehmen am oberirdischen Geschehen<br />

teilzuhaben und die Fahrt zu erleben. Deren<br />

einziges Bestreben es ist, schnellstens von<br />

der Geburt zum Ziel zu gelangen.<br />

In der Enge der Sitze und der nicht vor-<br />

handenen Beinfreiheit ruht eine Atmosphäre<br />

akzeptierter Nähe. Kommen sich Füße zu<br />

nahe, so bleibt den Kontrahenten nur, sich in<br />

der Drehung mit dem vorhandenen Platz zu<br />

arrangieren und weitest mögliche Freiheit<br />

zu suchen.<br />

Er liebt das Spiel der Beschleunigung. Den<br />

hellen, lauter werdenden Pfeifton, der nur<br />

im Stillstand in die Ruhe übergeht.<br />

Sie lässt vieles hinter sich. Menschen in Einzelkabinen<br />

umgeben von Blech und Glas.<br />

Privatsphäre wird suggeriert. Rundum ungeschützt<br />

vor den Blicken all derer, die ebenso<br />

wie sie selbst Zeit im Stau vertrödeln. Versonnen<br />

lauscht er dem Klang des ledernen<br />

Balges, der die Waggonteile zu beiden Seiten<br />

verbindet und das immerwährende Lied der<br />

Kurven spielt.<br />

Hin und wieder verläuft die Fahrt in Bereichen,<br />

die Nähe ausschließt. Hier läuft der<br />

Vorwärtsdrang zur Höchstform auf. Die Geschwindigkeit<br />

nutzt die freie Strecke.<br />

Bereits nach kurzer Zeit fährt sie in das Leben<br />

zurück und nimmt von Neuem Einfluss.<br />

Der schrille Glockenton weist Unvorsichtige<br />

in die Schranken und sorgt wie eine<br />

unsichtbare Feuerlanze dafür, dass die unterschiedlichen<br />

Charaktere, im Bauche des<br />

stromfressenden Ungetüms, ungehindert<br />

den vorgegeben Weg fortsetzen können. So<br />

manches Mal beschleicht ihn das Gefühl,<br />

dass der Dompteur die Glocke, nicht um zu<br />

warnen einsetzt, sondern seine persönliche<br />

Wichtigkeit hervorhebt.<br />

Die Tram begleitet sein Leben. Es hat es<br />

ohne sie versucht. Vor Jahren. Als die neue<br />

Linie unter Tage fertiggestellt war, trug auch<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 29<br />

er sein Gefühl viele Treppenstufen hinab.<br />

Nach wenigen Fahrten stellte er sich, wie<br />

gewohnt, an seine Haltestelle über Tage. Als<br />

die Linie seines Lebens sich näherte, schrillte<br />

der helle Ton der Glocke ungewöhnlich lange.<br />

Der Fahrzeugführer hob die Hand und<br />

grüßte mit lachendem Gesicht. Dies hatte er<br />

noch nie getan.<br />

Ingrid Benada<br />

mi n U t e n d e r er i n n e r U n g<br />

Eine Liebesgeschichte<br />

Liebe Waltraud,<br />

das Leben besteht aus Zufällen und ein solcher<br />

Zufall geschah heute Abend. Als ich<br />

nach einer Schallplatte suchte, um mich zu<br />

entspannen, fiel mir das „Konzert für Klavier<br />

und Orchester Nr. 4 in G-Dur” von<br />

Beethoven in die Hände und wieder grübelte<br />

ich darüber nach, ob Fred mir diese Platte<br />

vor achtundzwanzig Jahren nach Suhl geschickt<br />

hat oder nicht.<br />

Es spricht so viel dafür, aber sie könnte auch<br />

von jemand anderem sein. Nur von wem?<br />

Sie kam mit der Post in der Vorweihnachtszeit<br />

ohne Absender, gut geschützt in acht<br />

anderen Plattenhüllen. Auf dem Schutzumschlag<br />

steht in Druckschrift. „Eine frohe<br />

und glückliche Vorweihnachtszeit!” Nichts<br />

weiter und keine Unterschrift. Freds Schrift<br />

könnte in Druckschrift so ausgesehen haben.<br />

Könnte! Ich kenne nur seine Schreibschrift.<br />

Die Sendung war in Leipzig aufgegeben<br />

worden. Ich habe damals niemanden<br />

aus Leipzig gekannt. Er aber war beruflich<br />

häufig in den Großstädten des Landes unterwegs.<br />

Das spricht für ihn, auch die sorgfältige<br />

Verpackung.<br />

Und er liebte Beethoven, am meisten seine<br />

Egmont-Ouvertüre. Aber die hatte ich damals<br />

noch vor meiner Hochzeit mit meinem<br />

ersten Mann von ihm mit Absender<br />

erhalten.<br />

Kennst du dieses G-Dur-Konzert – das<br />

vierte? Es ist so unsagbar lyrisch, aber auch


elegisch und dramatisch. Und beim Hören<br />

fühlt man, dass nichts schwieriger ist, als<br />

Glück zu gestalten. Wir konnten es nicht.<br />

Beethoven hat in diesem Konzert alles Glück<br />

in Frage gestellt, ja er klagt über dessen Verlust.<br />

Aber klingt es am Schluss des Konzertes<br />

nicht doch wie Erfüllung? Ihm und mir war<br />

es nicht vergönnt.<br />

Liebe Waltraud, du wirst nicht ahnen, welchen<br />

Sturm damals Fred mit seiner Gabe entfacht<br />

hat. Mein erster Mann war grenzenlos<br />

eifersüchtig. Es dauerte einige Tage, bis er mit<br />

diesem Ereignis leben konnte. Ich musste die<br />

Platte retten, denn er wollte sie vernichten.<br />

Das Anonyme war es, das ihn zu den wildesten<br />

und unsinnigsten Spekulationen anregte.<br />

Hätte Fred seinen Absender angegeben,<br />

hätte ich meinem Manne erklären können,<br />

dass ich ihn vor unserer Zeit gekannt habe.<br />

So aber glaubte er, die Platte wäre von einem<br />

gegenwärtigen Verehrer. Seitdem schaute er<br />

alle Männer misstrauisch an, die in meine<br />

Nähe kamen.<br />

Drei Jahre später, wir waren schon in Berlin,<br />

habe ich nochmals seine krankhafte Eifersucht<br />

erlebt. Sein Cousin hatte mir zum<br />

Geburtstag dreißig langstielige rote Rosen<br />

geschenkt. Von ihm war das sicher unüberlegt.<br />

Als mein Mann nach Hause kam, fragte<br />

er als erstes, von wem die Rosen seien, ging<br />

dann in die Küche, holte Mückenspray und<br />

besprühte sie damit. Nach wenigen Sekunden<br />

ließen sie die Köpfe hängen. Ich war<br />

traurig über seine Eifersucht und wegen der<br />

schönen Rosen. Aber da er diesmal den Absender<br />

kannte, war er leichter zu beruhigen.<br />

Fred liebte auch herben Rotwein. Ich habe<br />

jahrelang keinen anderen getrunken, eigentlich<br />

auch noch während meiner ersten Ehe.<br />

Und er mochte den Regen. Wie sehr hatte<br />

es an dem Tage in Erfurt geregnet, an dem<br />

wir uns das erste Mal sahen. Im Wartehäuschen<br />

einer Straßenbahnhaltestelle hatten wir<br />

durchnässt Unterschlupf gesucht. Wir sahen<br />

uns lachend an. Es war Liebe auf den ersten<br />

Blick. Wir sind dann den ganzen Tag zusammengeblieben<br />

und die nächsten Tage auch.<br />

Seine Lieblingslektüre waren die Erzählungen<br />

von Paul Heyse. Während unserer gan-<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 30<br />

zen Beziehung hat er mir immer die Bücher<br />

geschickt, die ihm gerade besonders gefielen.<br />

Ich habe noch alle. In einem der Bücher<br />

(„Menschen im Frühling”, Nordische Liebesgeschichten)<br />

habe ich von ihm kürzlich<br />

einen handgeschriebenen Zettel gefunden<br />

mit den Abfahrtszeiten von Heiligenstadt<br />

nach Chemnitz und zurück. Er hatte mehrere<br />

Möglichkeiten herausgesucht. Diesen Zettel<br />

habe ich sicher als Lesezeichen benutzt,<br />

und so ist er meiner Vernichtungswut entgangen.<br />

Ich habe seit damals nicht mehr in<br />

dieses Buch hineingeschaut.<br />

Es hat, wie alle anderen von ihm, vier Umzüge<br />

überstanden. Seine Schallplatten und<br />

Bücher habe ich behalten, aber die Briefe<br />

und Fotos noch in Heiligenstadt vernichtet.<br />

Vorher habe ich sie noch einmal betrachtet,<br />

gelesen und dann in die Flammen geworfen<br />

und zugesehen, wie sie sich aufbäumten<br />

und verbrannten. Blatt für Blatt fraß das<br />

Feuer, nur Asche blieb auf dem Rost und in<br />

mir zurück. Es hat mehrere Stunden gedauert,<br />

denn er hatte viele und lange Briefe geschrieben,<br />

sechs bis sechzehn Seiten, alle mit<br />

kleiner Schrift. Heute tut es mir leid, dass ich<br />

sie nicht mehr habe. Aber ich wollte damals<br />

mit ihm und mit einem Abschnitt meines<br />

Lebens abschließen. Ich habe es so oder ähnlich<br />

mehrmals im Leben getan. Aber nie ist<br />

es mir so schwer gefallen und niemals war<br />

ich so unglücklich und verzweifelt, niemals<br />

hatte ich so geliebt.<br />

Ein paar Tage später kam der letzte Brief von<br />

ihm. Er wollte sich mit mir in Erfurt treffen.<br />

Alles klang wie ein Neuanfang oder eine<br />

Fortsetzung. Da habe ich ihm noch einmal<br />

geschrieben. Es war kein Liebesbrief, kein<br />

Abschiedsbrief, nur noch ein Verlangen nach<br />

Ruhe und Alltäglichkeit. Ich hatte Angst vor<br />

dem ständigen Wechselbad der Gefühle,<br />

hatte keine Kraft mehr. Nur noch Traurigkeit<br />

und Resignation waren in mir.<br />

Liebe Waltraud, über diese Liebe und die<br />

Hintergründe des Endes, die du ja kennst,<br />

wollte ich eine Erzählung schreiben, habe<br />

sie auch angefangen, aber bald wieder damit<br />

aufgehört, weil die Geschichte so ungewöhnlich<br />

ist. Alle würden denken, dass ich eine


kitschige Phantasie hätte. Aber manches im<br />

Leben kann man sich gar nicht ausdenken.<br />

Du weißt, dass er sich gern über Kunst unterhielt.<br />

Einmal hat er mir eine lange Abhandlung<br />

darüber geschrieben, warum er<br />

den Freiheitschor aus „Fidelio” von Beethoven<br />

dem aus „Nabucco” von Verdi vorziehen<br />

würde. Es war ein vernichtendes Urteil<br />

über Verdi, das ich übertrieben fand. Aber so<br />

war er oft. Für ihn gab es nur schwarz oder<br />

weiß, alles oder nichts. Bloß das Leben ist anders<br />

und ich war es auch. Es gibt immer viele<br />

Zwischentöne, viele Grautöne. Er hat sie<br />

nicht sehen wollen. Dieses Absolute hat unsere<br />

Beziehung nicht ertragen. Ich glaube, er<br />

hat selbst unter seinen Ansprüchen am meisten<br />

gelitten, ohne sie ändern zu können.<br />

Er war im Zeichen der Jungfrau geboren, ich<br />

im Krebs. Jungfrauen hassen auch nichts so<br />

sehr als das Gefühl, dass von ihnen Besitz ergriffen<br />

wird. Krebse haben oft Probleme, sich<br />

so zu verhalten, dass der andere sich nicht<br />

eingeengt fühlt. Überlässt man die Jungfrau<br />

sich dann selbst, las ich kürzlich, kehrt sie<br />

zurück. Und so war es auch bei uns. Aber ich<br />

wollte nicht mehr.<br />

Wenn der Krebs sagt „ich fühle,” spricht die<br />

Jungfrau „ich analysiere”. Und Fred analysierte.<br />

Er suchte stets Vollkommenheit und<br />

Klarheit, die seine Analysen nicht zeigen<br />

konnten, denn nichts im Leben ist wirklich<br />

vollkommen. Ist es nicht gerade das Unvollkommene,<br />

das uns anzieht, auch in der<br />

Liebe? Seine Intelligenz und sein Aussehen<br />

haben mich zu ihm hingezogen. Aber geliebt<br />

habe ich seine kleinen Schwächen und Fehler.<br />

Liebe Waltraud, wie oft war ich schon ungehalten<br />

darüber, dass ich im Sternzeichen des<br />

Krebses geboren bin. Ich habe immer Probleme<br />

gehabt, den Augenblick wirklich zu genießen.<br />

Intuition und Vorahnung machen einen<br />

Teil meines Lebens aus. So habe ich stets<br />

im Voraus gewusst, wie das Ende einer Beziehung<br />

sein wird, auch in dieser Liebe. Das<br />

war und ist belastend. Das Ende schon am<br />

Anfang zu wissen, mindert die Freude am<br />

Augenblick. Man müsste das ändern, aber es<br />

geht nicht, weil man nicht aus seiner Haut<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 31<br />

heraus kann. Um wie viel besser ist es, wenn<br />

man dem Jetzt und der Illusion leben kann.<br />

Hoffentlich hast du nicht solche Probleme.<br />

Aber vielleicht ist das alles Unsinn mit den<br />

Sternenzeichen. Zufall. Mein jetziger Mann<br />

ist Widder. Widder und Krebs sollen nicht zusammenpassen.<br />

Aber nie hatte ich das Gefühl,<br />

dass diese Verbindung nicht funktionieren<br />

könnte. Natürlich haben Krebs und Widder<br />

andere Ziele und Motivationen. Auch sind<br />

seine Hörner genau so widerstandsfähig wie<br />

meine Krebsschalen. Aber ich habe ihm die<br />

Führung überlassen und ziehe mich gegebenenfalls<br />

in meinen Panzer zurück. So geht es.<br />

Einmal wollte Fred unbedingt wissen, wie<br />

man Herzensbildung so kurz wie möglich definieren<br />

könnte. Ich habe lange überlegt und<br />

dann fielen mir die Verszeilen von Theodor<br />

Fontane ein:<br />

„O lerne denken mit dem Herzen<br />

Und lerne fühlen mit dem Geist.”<br />

Er war begeistert. Ich weiß nicht mehr, wozu<br />

er es wissen wollte.<br />

Auch erinnere ich mich, dass wir uns in Halle<br />

getroffen haben. Wir hatten kein Geld für Hotelzimmer<br />

und haben am Ufer der Saale die<br />

Nacht verbracht.<br />

Mein Leben lang habe ich versucht, die Schattenseiten<br />

dieser Liebe zu vergessen und immer<br />

nur an die Schönheit und das Gute gedacht,<br />

das mir heute noch wie ein fernes und<br />

unerreichbares Ideal erscheint. Es ist nie zu<br />

erreichen. Doch ich habe eine Ahnung davon,<br />

und das ist etwas Kostbares.<br />

Erinnerst du dich an die Rilke-Worte:<br />

„Du machst mich allein. Dich einzig kann ich<br />

vertauschen.<br />

Eine Weile bist du’s, dann wieder ist es das<br />

Rauschen,<br />

oder ist es ein Duft ohne Rest.<br />

Ach, in den Armen habe ich sie alle verloren,<br />

du nur, du wirst immer geboren:<br />

weil ich niemals dich anhielt, halt ich dich<br />

fest.”<br />

Hoffentlich habe ich dich nicht zu sehr mit<br />

meinen Erinnerungen gelangweilt.<br />

Über die Gegenwart erzähle ich dir das nächste<br />

Mal.<br />

Mit herzlichen Grüßen Gudrun


Willy Hänscheid<br />

da s ha n d y<br />

Christine schenkte mir zu meinem Geburtstag<br />

ein Handy.<br />

„Immer mobil und jeder Zeit zu erreichen“,<br />

sagte sie und lächelte.<br />

Ich hatte allerdings eher den Verdacht, dass<br />

sie mich auf dieser Art wesentlich besser<br />

kontrollieren wollte.<br />

Zwei Wochen später verließ ich nach einem<br />

recht arbeitsreichen Tag sehr spät mein Büro<br />

und erwischte noch gerade die S-Bahn. Die<br />

Wagen waren wieder einmal mehr als gut<br />

besetzt. Nach wenigen Minuten ertönte ein<br />

Signal aus der Innenseite meiner Jacke. Ich<br />

fischte mein Handy umständlich aus der Tasche<br />

und meldete mich:<br />

„Hallo?“<br />

„Wo bist du?“<br />

„In der S-Bahn.“<br />

„Ich habe auf dich gewartet.“<br />

Es war Christine. Ihre Stimme klang sehr gereizt.<br />

„Christine“, sagte ich und schaute mich vorsichtig<br />

um, „ich bin in der Bahn. Die Wagen<br />

sind alle so besetzt, dass viele stehen müssen.“<br />

„Das interessiert mich überhaupt nicht“,<br />

sagte Christine.<br />

„Ich...“<br />

Mein Nebenmann grinste breit. Die anderen<br />

schauten mich interessiert an.<br />

„Ich kann nicht reden“, flüsterte ich.<br />

„Sprich lauter!“ verlangte Christine.<br />

Mein Nebenmann nickte, als ob er Christine<br />

auch verstanden hätte.<br />

„Warum bist du eigentlich nicht gekommen?<br />

Musstest du wieder bei ihr bleiben?“<br />

„Bei wem?“<br />

„Bei deiner Frau natürlich“, sagte Christine<br />

böse.<br />

„Bei meiner Frau?“<br />

„Ich kenne dich“, fuhr Christine fort. „Du<br />

hast ihr wieder nichts gesagt.“<br />

„Meine Frau...“<br />

Ich hielt plötzlich inne und schaute erschrocken<br />

in die Runde. Spätestens zu diesem<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 32<br />

Zeitpunkt ahnten die meisten Fahrgäste im<br />

Wagen, dass ich neben meiner Frau auch<br />

noch eine Geliebte hatte.<br />

„Christine, es tut mir leid, aber...“<br />

„Kaufe Blumen“, flüsterte mein Nachbar.<br />

„Wem?“<br />

„Der Christine natürlich“, sagte mein Nachbar.<br />

Einige umstehende Männer nickten zustimmend.<br />

„Unerhört!“ sagte eine Frau von ihrem Sitzplatz<br />

aus.<br />

„Ruhe!“ zischte mein Nachbar.<br />

„Christine“, sagte ich, „die Bahn ist brechend<br />

voll. Ich kann nicht reden.“<br />

„Das ist mir egal“, sagte Christine.<br />

„Warum nicht?“ fragte mein Nachbar. „Sag<br />

ihr doch, dass du Blumen kaufen wirst.<br />

Und...“<br />

„Und dann verbringst du einen schönen<br />

Abend mit der Christine“, sagte jemand aus<br />

der vorderen Ecke.<br />

„Viel besser noch eine schöne Nacht“, schlug<br />

einer hinter mir vor.<br />

Ich drehte mich zu ihm um, und er grinste<br />

mich unverschämt an.<br />

„Männer sind Schweine“, sagte die Frau.<br />

„Du bist nicht gefragt“, sagte ihr Ehemann.<br />

„Und außerdem geht es dich überhaupt<br />

nichts an.“<br />

Die Frau saß auf dem Schoß ihres Mannes<br />

und schwieg nun beleidigt.<br />

„Was ist los?“ fragte Christine.<br />

„Ich werde dich später anrufen“, schlug ich<br />

vor.<br />

„Was soll das?“ erwiderte Christine. „Du redest<br />

doch mit mir. Also können wir das auch<br />

sofort klären.“<br />

„Aber...“<br />

„Nichts aber!“ sagte mein Nachbar. „Sage<br />

ihr, dass du Blumen kaufen wirst!“<br />

„Christine?“ begann ich wieder und nahm<br />

das Handy vom Ohr.<br />

„Was ist?“ fragte mein Nachbar und stieß<br />

mich an.<br />

„Vielleicht braucht ihn aber heute seine<br />

Frau“, gab einer aus der letzten Reihe zu bedenken.


„Stimmt das?“ wollte mein Nachbar wissen.<br />

Ich nickte schuldbewusst.<br />

„Alle Männer sind Schweine“, sagte die Frau.<br />

Diesmal schwieg ihr Mann betreten.<br />

„Sage der Christine, dass du gleich mit Blumen<br />

erscheinen wirst“, forderte mein Nachbar.<br />

„Und deine Frau rufen wir an und sagen ihr,<br />

dass du leider länger arbeiten musst“, meinte<br />

ein weiterer Mann hinter mir und lachte<br />

anzüglich.<br />

Ich nahm das Handy wieder ans Ohr.<br />

„Christine, bist du noch da?“<br />

„Ich warte auf eine Erklärung“, sagte Christine.<br />

„Was machst du eigentlich?“<br />

„Ich werde dich besuchen“, murmelte ich.<br />

„Wann?“<br />

„Jetzt gleich.“<br />

„Vergiss die Blumen nicht!“ sagte mein Nachbar.<br />

„Mit wem redest du andauernd?“ fragte<br />

Christine.<br />

„Mit keinem. Aber die Bahn ist voll.“<br />

„Und was soll das?“ antwortete Christine<br />

ungehalten.<br />

„Denk bloß an die Blumen!“ sagte mein<br />

Nachbar.<br />

„Christine, ich werde Blumen kaufen und sofort<br />

bei dir erscheinen. Dann können wir in<br />

aller Ruhe darüber reden.“<br />

„Die Blumen gehören in den Müll“, sagte die<br />

Frau entrüstet.<br />

„Ich will keine Blumen“, sagte Christine. „Ich<br />

will, dass du endlich mit deiner Frau über<br />

unser Verhältnis redest.“<br />

„Was ist?“ fragte mein Nachbar.<br />

„Sie will keine Blumen“, sagte ich.<br />

„Das meint die nicht so“, zweifelte einer hinter<br />

mir.<br />

„Wenn du nicht mit deiner Frau redest“, sagte<br />

Christine, „dann werde ich das machen.“<br />

„Nein!“ schrie ich entsetzt. „Mach das bitte<br />

nicht!“<br />

„Was soll sie nicht machen?“ wollte mein<br />

Nachbar wissen.<br />

„Mit meiner Frau reden“, sagte ich kleinlaut.<br />

„Diese Weiber!“ warf jemand verächtlich aus<br />

der hinteren Reihe ein.<br />

„Geschieht ihm ganz recht“, triumphierte<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 33<br />

die Frau auf dem Schoß ihres Mannes. „Alle<br />

Männer...“<br />

„Ja, ja. Männer sind Ferkel“, unterbrach sie<br />

ihr Mann. „Wir wissen es nun alle. Du hast<br />

es oft genug gesagt.“<br />

„Du musst natürlich sofort zu ihr“, sagte<br />

mein Nachbar.<br />

Ich nickte ergeben.<br />

„Sage ihr, dass du kommen wirst!“<br />

„Und seine Frau?“ warf einer aus der letzten<br />

Reihe ein.<br />

„Ach ja!“ sagte mein Nachbar. „Was machen<br />

wir mit seiner Frau?“<br />

„Ruf sie an“, schlug einer hinter mir vor.<br />

Ich schüttelte den Kopf.<br />

„Christine, bist du noch in der Leitung?“<br />

Endlich ihre Stimme:<br />

„Was ist eigentlich los?“<br />

„Ich sagte doch, dass ich in einem vollbesetzten<br />

Zug stehe und...“<br />

„Du willst mir sagen, dass alle im Zug unser<br />

Gespräch hören können?“<br />

„Ich weiß es wirklich nicht.“<br />

„Spinnst du!?“ sagte Christine und warf den<br />

Hörer auf die Gabel.<br />

Ich nahm das Handy wieder vom Ohr.<br />

„Was ist nun schon wieder los?“ wollte mein<br />

Nachbar wissen.<br />

„Eingehängt“, sagte ich.<br />

„Na endlich“, sagte die Frau.<br />

„Dumm gelaufen“, kommentierte der Mann<br />

in der letzten Reihe.<br />

„Wer wird denn gleich aufgeben“, brummte<br />

mein Nachbar.<br />

Ich schwieg.<br />

„Ruf deine Frau an und sage ihr, dass du<br />

später kommen wirst!“<br />

„Ich weiß nicht...“<br />

„Wie heißt deine Frau?“<br />

„Eva.“<br />

„Also gut, rufen wir deine Eva an.“<br />

„Siehst du? Männer sind Schweine“, wiederholte<br />

die Frau wieder. „Schweine und ausgekochte<br />

Schufte.“<br />

Endlich hielt der Zug.<br />

„Was ist?“ sagte mein Nachbar und tippte<br />

auf mein Handy.<br />

„Ich muss aussteigen“, sagte ich erleichtert<br />

und drängte zur Tür.


„Ruf die Eva an und kaufe Blumen für die<br />

Christine! Das zieht immer“, riet mir mein<br />

Nachbar zum Abschied.<br />

Ich nickte beiläufig, trat auf den Bahnsteig und<br />

schaute lange mit gemischten Gefühlen der abfahrenden<br />

S-Bahn nach.<br />

Wieder dieses verdammte und eindringliche<br />

Signal. Ich fischte mein Handy aus der Hosentasche.<br />

„Hallo?“ sagte ich.<br />

Es war Eva.<br />

„Wo bleibst du?“ fragte sie verärgert.<br />

Ich schaute mich verstohlen um. Einige Reisende,<br />

die auf dem Bahnsteig standen, horchten<br />

neugierig auf und sahen mich erwartungsvoll<br />

an.<br />

„Ich bin gerade auf dem Bahnsteig“, sagte ich.<br />

„Und wieder sehr spät“, stellte Eva fest.<br />

„Ich musste länger arbeiten.“<br />

„Wer es glaubt.“<br />

„Was soll das heißen?“<br />

„Vielleicht bis du ja gar nicht auf dem Bahnsteig.“<br />

„Aber Eva!“<br />

„Vielleicht hast du eine Geliebte.“<br />

„Ich habe keine Geliebte.“<br />

Ein junger Mann in Arbeitskleidung trat näher.<br />

„Kann ich helfen?“ fragte er. „Nein!“ sagte ich<br />

genervt. „Lass mir meine Ruhe!“<br />

„Das könnte dir gefallen“, sagte Eva böse.<br />

„Eva, bitte...“<br />

„Du musst Blumen kaufen!“ schlug der junge<br />

Mann vor.<br />

„Wem?“<br />

„Na, der Eva natürlich.“<br />

Ich drehte mich um.<br />

„Kauf ihr rote Rosen!“<br />

„Was?“<br />

„Das wirkt immer.“<br />

Ich wandte mich ab.<br />

„Eva? Bist du noch da?“<br />

„Und ob.“<br />

„Ich rufe dich zurück.“<br />

„Schade“, meinte der junge Mann enttäuscht.<br />

Ich verließ den Bahnsteig. Eine ältere Frau saß<br />

auf ihrem Koffer und blickte mich strafend an.<br />

„Pfui!“ sagte sie leise.<br />

Endlich in der Bahnhofshalle. Wieder dieses<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 34<br />

scheußliche Signal.<br />

„Oh nein!“ stöhnte ich.<br />

Es war Christine.<br />

„Du erbärmlicher Schuft!“<br />

„Christine...“<br />

„Wo treibst du dich noch herum?“ wollte sie<br />

wissen.<br />

„Im Bahnhof.“<br />

Ich blickte verstohlen die umstehenden Reisenden<br />

an. Alle schienen wieder einmal die<br />

Ohren aufzustellen.<br />

„Das glaube ich nicht“, meinte Christine ärgerlich.<br />

Ich verließ die Halle.<br />

„Christine?“ sagte ich auf dem Vorplatz.<br />

„Christine, bist du noch da?“<br />

Keine Antwort. Sie hatte offensichtlich wieder<br />

aufgelegt.<br />

Ich ließ das Handy in meine Aktentasche<br />

gleiten und ging zur Bushaltestelle hinüber.<br />

Nach kurzer Zeit war da wieder dieses<br />

widerliche Zirpen. Der Bus tauchte auf. Ich<br />

nahm das Handy aus der Tasche, warf es in<br />

den Abfallkorb und bestieg den Bus. Durch<br />

das Fenster sah ich, wie jemand das Handy<br />

aus dem Abfall fischte.<br />

Der Bus fuhr los. Es war mir scheißegal.<br />

Ich habe Blumen gekauft und bin nach Hause<br />

gegangen. Eva hat mir wieder einmal alles<br />

verziehen.<br />

Gestern fuhr ich mit der S-Bahn in die Stadt.<br />

Der Zug war brechend voll. Neben mir stand<br />

ein Typ, der mir bekannt vorkam. Er hatte ein<br />

Handy in der Tasche. Es zirpte geräuschvoll<br />

und unangenehm.<br />

„Hallo?“ sagte er.<br />

Im Wagen schauten alle interessiert hoch.<br />

„Nein, Christine!“ sagte er.<br />

Ich spitzte die Ohren. Eine seltsame Ahnung<br />

tauchte auf.<br />

„Das stimmt nicht“, sagte er. „Ich war nicht<br />

bei der Inge.“<br />

Er lauschte mit gerunzelter Stirn.<br />

„Wirklich nicht“, beteuerte er.<br />

„Wer ist Christine?“ fragte mein Nebenmann,<br />

offensichtlich ein Bekannter von ihm.<br />

Er verdeckte das Handy mit der Hand.<br />

„Meine neue Freundin.<br />

„Du hast eine neue Freundin?“


Er nickte begeistert:<br />

„Eine verrückte Geschichte.“<br />

„Wieso?“<br />

„Ich habe dieses Handy gefunden, als Christine<br />

gerade darauf anrief.“<br />

„Wo?“<br />

„An der Bushaltestelle vor dem Bahnhof.“<br />

„Unglaublich.“<br />

„Ist aber so.“<br />

„Und wer ist Inge?“<br />

„Meine Verlobte.“<br />

„Männer sind Verbrecher“, flüsterte eine<br />

junge Frau ihrer Freundin zu.<br />

Ich stieß den Mann mit dem Handy an.<br />

„Du musst Blumen kaufen!“ schlug ich vor.<br />

„Wem?“<br />

„Der Christine natürlich.“<br />

„Richtig“, sagte der Bekannte.<br />

„Christine, hörst du mich?“<br />

Er lauschte einige Zeit und verzog das Gesicht.<br />

„Ich komme“, sagte er.<br />

„Denk an die Blumen!“ sagte ich.<br />

„Sehr gut“, sagte der Bekannte. „Und die<br />

Inge rufen wir an und sagen ihr, dass du<br />

heute Überstunden machen musst.“<br />

„Männer sind Schweine“, stellte die junge<br />

Frau bekümmert fest.<br />

„Vergiss die Blumen nicht!“ sagte ich.<br />

Der Zug hielt. Ich stieg aus. Auf dem Bahnsteig<br />

schaute ich noch einmal in den Wagen.<br />

Der Mann nahm gerade das Handy vom<br />

Ohr und sah seinen Bekannten unsicher und<br />

fragend an.<br />

Ich hätte schwören können, dass es der Typ<br />

war, der damals mein Handy aus dem Abfallkorb<br />

gefischt hatte.<br />

Ich ging in den Bahnhof und grinste schadenfroh.<br />

Geschah ihm ganz recht, diesem<br />

hirnlosen Vollidioten!<br />

prosa<br />

Klaus Mühlen<br />

na c h t s c h at t e n<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 35<br />

Er drehte sich um.<br />

„Pitsch – Patsch“.<br />

Ununterbrochen. Und dazu, Regen, Wasser<br />

in Unmengen fielen herab, es regnete und<br />

regnete. Er schaute auf die Uhr, als ob sie<br />

mit dem Regen etwas zu tun hätte. Nur eines<br />

war ihm in diesem Moment klar: Die Uhr,<br />

wasserdicht, hatte in diesem Moment nichts<br />

gemeinsam mit seinen Schuhen. In diesen<br />

suchte sich das Wasser von vorne nach hinten<br />

unaufhaltsam einen Weg. Gummistiefel<br />

wären besser gewesen. Auch seine Kleider<br />

wurden vom Regen nicht verschont. Einen<br />

Schirm! Aber erst einmal einen haben. Und<br />

außerdem war ihm so ein Ding viel zu umständlich:<br />

Mit sich herum tragen, dann darauf<br />

achten, ja nicht liegen lassen. Viele hatte<br />

er schon liegen lassen.<br />

Und wieder dieses Pitsch – Patsch. Als ob jemand<br />

nur in den überall vorhandenen Pfützen,<br />

ausgerechnet darin, springen würde. Im<br />

Licht der Straßenlaternen spiegelten sie sich<br />

wie silbernes Lackpapier.<br />

Immer nur für kurz schimmerte das Mondlicht<br />

zwischen den dunklen Wolken des<br />

Nachthimmels hervor. Sicherlich hatte auch<br />

er dieses Pitsch – Patsch gehört, und verkroch<br />

sich darauf hin hinter einer vorbeiziehenden<br />

Wolke. Dann wieder dieses Pitsch – Patsch.<br />

Unheimlich.<br />

Dann hatte es sich der Mond doch überlegt.<br />

Und er schob die schwarze Wolke wieder zur<br />

Seite.<br />

„Pitsch – Patsch“. Es erschreckte ihn immer<br />

mehr.<br />

Und im Licht des Mondes stand nun ein großer<br />

Schatten von der Straße reichend an der<br />

Hauswand hinauf. Größer als ein Pferd es<br />

sein konnte. Der Schatten blieb stehen, zitterte<br />

und wackelte nicht. Wie an die Wand gemalt,<br />

unbeweglich verankert.<br />

Verschwunden war auf einmal dieses Pitsch<br />

– Patsch. Eiskalt wurde ihm vom Hals bis zu<br />

den Füßen. So ein Kribbeln. Dabei bemerk


te er schon gar nicht mehr, dass es vielleicht<br />

auch nur die durchnässten Kleider sein<br />

konnten, die ihn frösteln ließen.<br />

Er machte einen Schritt rückwärts. Stolperte<br />

und setzte sich, ausgerechnet in einer der<br />

großen Pfützen. Als hätte der Schatten an<br />

der Hauswand darauf gewartet. Er bewegte<br />

sich, kroch lautlos heran. Direkt auf ihn<br />

zu, umklammerte ihn, deckte ihn zu. Ihm<br />

wurde noch kälter. Mitten in dem Schatten<br />

lag er nun. Wenn nur nicht die Füße so<br />

schwer wären, dachte er und schloss die<br />

Augen. Nur nicht hinsehen wollte er. Dann<br />

spürte er Wärme, ein Hauch davon, der sein<br />

Gesicht schon fast streichelte. Ein Atem,<br />

der schnell ein- und ausgeatmet wurde.<br />

Als mutig galt unser Mann nicht. In diesem<br />

Zustand erst recht nicht.<br />

Der Kopf brummte, der Magen knurrte, fast<br />

übel war ihm. Und jetzt die Augen öffnen?<br />

Nein, dachte er. Noch nicht, erst überlegen,<br />

langsam denken. Erst einmal abwarten, was<br />

noch kommt.<br />

Und dann wieder dieses Pitsch – Patsch.<br />

Um ihn herum. Neugier war es dann doch<br />

schon. Er öffnete erst das linke Auge und<br />

langsam das rechte.<br />

Zwei im Laternenlicht leuchtende Augen<br />

blickten ihn an. Eine Nase beschnupperte<br />

ihn. Und dann spürte er wieder diese Wärme,<br />

aber anders als vorher. Zutraulich! Oder<br />

war es Mitleid mit ihm? Auch er war nass<br />

bis auf die Haut. Und wenn er nicht gewusst<br />

hätte, dass er nicht lachen kann, hatte<br />

er doch das Gefühl, auch er lache. Er über<br />

ihn und der Vierbeiner über ihn. Zwei in<br />

der Nacht im Regen und pitsch patsch nass.<br />

Lange gingen sie danach nebeneinander<br />

her. Der Hund, als gehöre er zu ihm. Der<br />

Regen hörte nicht auf, es regnete und regnete<br />

unvermindert weiter.<br />

Er aber fühlte sich nicht mehr alleine in dieser<br />

Nacht. Pitsch – Patsch begleitete ihn.<br />

prosa<br />

Helga Thomas<br />

die gl o c k e n B l U m e<br />

o d e r m e i n e r s t e s ge B e t<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 36<br />

Als meine Großmutter fragte – es war eigentlich<br />

nur der Form nach eine Frage<br />

– „Na, du betest sicher nicht?“, spürte ich all<br />

die ablehnenden Gefühle in ihrer Stimme,<br />

die sie gegen meine Mutter hatte. Ich drückte<br />

mich ganz fest ins Bett und sagte mutig<br />

zu ihrem Gesicht, das über mir war, jeden<br />

Moment bereit, sich hrabzusenken und mir<br />

den unvermeidlichen Gutenachtkuss zu geben:<br />

„Natürlich bete ich“. Auch wenn sie es<br />

sich nicht anmerken ließ, sie war überrascht.<br />

Aber nun wollte sie mit mir beten und wollte<br />

wissen, welches denn mein Gebet sei.<br />

In meinem angstvollen Erschrecken kam<br />

mir aber eine Erinnerung zu Hilfe. Damals<br />

vor Jahren, als ich noch klein gewesen war<br />

und mit anderen Kindern im Krankenhaus<br />

weit weg von zu Hause gelegen hatte, hatten<br />

mich, d. h. uns, die beiden großen Mädchen<br />

nach unseren Gebeten gefragt. Sie hatten<br />

schon die Abende zuvor, wenn die Krankenschwester<br />

gute Nacht gesagt, das Licht<br />

gelöscht und die Notrufklingel über das Bett<br />

der Großen aufgehängt hatte, den Tag beendet<br />

mit: „Jetzt beten wir“. Ich hatte bis dahin<br />

nicht gewusst, was beten ist, aber ich hatte<br />

Bilder von schönen Frauen gesehen, die<br />

ihre Hände aneinander legten und ein Dach<br />

formten (wie bei dem hässlichen Fingerspiel<br />

„Petze, Petze ging in‘ Laden …“), das tat ich<br />

dann auch und ließ die Erinnerungsbilder<br />

des Tages an mir vorbeiziehen. Aber dazu<br />

brauchte es die Handhaltung nicht und ich<br />

wurde wieder wach. Beten musste noch etwas<br />

anderes sein. Die schönen Frauen lächelten,<br />

als ob sie jemand zuhörten und schauten<br />

dabei auf ihre Hände. Ich verfolgte nun den<br />

Tagesablauf vom Ende her, im Rhythmus<br />

des sanften Schaukelns, und lauschte, ob der<br />

Engel neben meinem Bett mir etwas zuflüsterte.<br />

Das war so anstrengend, dass ich müde<br />

wurde und einschlief, bevor ich beim Mor


gen angelangt war. Reihum, in der Reihenfolge<br />

der Betten, sagten wir unsere Gebete auf.<br />

Die Kleinste, noch im Gitterbettchen, die bald<br />

ein Engelchen sein würde, sagte ihres lustig,<br />

noch ganz in kindlicher Sprache:<br />

Ich bin klein, mein Herz ist rein,<br />

soll niemand drin wohnen<br />

als Mama und Papa allein.<br />

Das Gebet gefiel mir nicht, ich konnte mir<br />

nicht mein Herz als Puppenstube vorstellen<br />

und warum Mama und Papa allein, warum<br />

nicht die Großmütter und Großväter? Das<br />

Mädchen, das wohl so alt war wie ich und<br />

rechts neben meinem Bett lag, sagte etwas von<br />

wachenden Engeln und zum Schluss sprach<br />

es von seinem Vater, der in der Fremde beschützt<br />

werden sollte und dessen Heimkehr<br />

es erwünschte.<br />

Dann war ich an der Reihe. Was sollte ich sagen?<br />

Ich wusste nicht, dass zum Beten nicht<br />

nur Bilder gehören, sondern auch Worte! Ich<br />

hatte an diesem Tag beim Spaziergang (ich<br />

durfte zum ersten Mal auch raus in den Wald<br />

und die Berge) Glockenblumen gesehen und<br />

sie hatten eine Flut von wunderbaren Gefühlen<br />

in mir ausgelöst. Sie sahen aus wie die betenden<br />

Frauen, ganz still lauschten sie auf ihren Glockenklang:<br />

Die Glockenblumen läuten<br />

und das Gebet beginnt.<br />

Die Mädchen fanden es wunderschön, aber<br />

wollten wissen, wie es weitergeht. Ich meinte,<br />

das wisse ich nicht, es doch immer anders,<br />

je nachdem wie der Tag gewesen sei. Was beteten<br />

die beiden Großen? Das gleiche Gebet:<br />

Breit aus die Flügel beide …<br />

Es gefiel mir und ich verstand, dass sie sich<br />

zuflüsterten, ihr Gebet sei das Schönste.<br />

Das erlebte ich alles auf einen Blick, als dasGesicht<br />

meiner Großmutter wartend über mir<br />

schwebte. „Breit aus der Flügel beide“. Sie<br />

freute sich, aber wartete und sagte dann weiter,<br />

als ob sie mir vorsage: „und nimm Dein<br />

Küchlein ein“… So ging es Zeile für Zeile.<br />

Ich hörte später, nachdem sie mich lieb geküsst<br />

hatte, wie sie meinte: „War das Kind<br />

aufgeregt, es hatte vor Aufregung alles vergessen“.<br />

Ich schlief schlecht diese Nacht nach meinem<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 37<br />

neuen Gebet, denn ich versuchte, es nicht<br />

mehr zu vergessen, denn morgen könnte ich<br />

doch nicht schon wieder aufgeregt sein.<br />

aus „Geschichten (m)einer Kindheit“<br />

<strong>Denis</strong> <strong>Gustavus</strong><br />

Als ich noch klein war<br />

Als ich noch klein war, da war mein<br />

Berlin auch noch sehr klein und die<br />

großen Menschen schimpften oft, weil in<br />

den Geschäften so wenig Auswahl in den<br />

Regalen rum lag und das Meiste ja sowieso<br />

nie da war. Es gab auch nicht so viele unterschiedliche<br />

Kaufhallen mit so bunten Reklamelichtern<br />

und lauter Werbeplakaten überall.<br />

Aber wenn meine Tante und mein Onkel<br />

mit ihrem lustig knatternden, orang’en VW-<br />

Käfer kamen, dann hatten sie immer ganz<br />

viel abenteuerliches Obst, merkwürdigen<br />

Käse und lauter bunte Kaugummis dabei.<br />

Kugelrunde bubblegums, die aussahen wie<br />

Spielmurmeln, ganz platte, mit Leiterstufen<br />

dran und auch rechteckige und alle in<br />

ganz vielen Geschmäckern. Und dann gab<br />

es auch immer jede Menge Schokolade in<br />

ganz anderen Farben als nur in Braun. Und<br />

Ahoibrausepulver. Das war komisch, weil<br />

das tanzte immer auf der Zunge herum und<br />

knallte so laut im Mund, dass ich mich jedes<br />

Mal erschrocken habe.<br />

Tante Moni und Onkel Hansi waren aber<br />

nicht die Einzigen mit so was, der Weihnachtsmann<br />

hatte auch ganz viel solche<br />

tollen Leckereien.<br />

Als ich noch klein war, da gab es Zeitabstände,<br />

die bis Weihnachten Äonen vergehen lassen<br />

wollten und noch viel länger waren da<br />

immer noch die duftenden Tannennadeln<br />

zu finden, die sich zwischen den quietschenden<br />

und knarrenden Dielen versteckt hatten.<br />

Einmal hab ich im Kinderzimmer mein bunt


emaltes Indianerzelt aufgebaut und dazu<br />

Papas Nägel in die Dielen geschlagen. Dabei<br />

sind die Nadeln dann in die Luft gehüpft.<br />

Papa auch.<br />

Als ich noch klein war, ächzte und spuckte<br />

der Wasserhahn immer erst braunes Wasser<br />

aus, bevor sich ein klarer Wasserstrom bildete.<br />

Und wenn Papa wieder zulange geduscht<br />

hatte, gab es für Stunden kein warmes Wasser<br />

und der Boiler rumpelte dann andauernd<br />

ganz laut. Ich fand das unheimlich. Aber dafür<br />

hatten wir eine eigene Toilette und brauchten<br />

nicht extra auf die halbe Treppe oder auf den<br />

Hof zu laufen. Mama war trotzdem oft ganz<br />

verzweifelt im Winter, denn es gab zu wenig<br />

Kohlen und nur der Ofen im Wohnzimmer<br />

wärmte wirklich gut. Einmal, als meine Eltern<br />

meinen Bruder und mich ausgehschick<br />

angezogen hatten, da ging sich Mama noch<br />

im Bad schminken. Sie war dann immer so in<br />

Eile, also dachte ich mir mit meinem Bruder<br />

aus, wie wir ihr helfen konnten. Wir haben<br />

uns gegenseitig reichhaltig mit Florena eingecremt<br />

und dann das Rußpuder aus dem<br />

Ofen geholt. Das war ein Spaß, überall waren<br />

unsere Fußtapsen zu sehen, aber wir nicht,<br />

wegen der riesigen Aschewolke im Zimmer.<br />

Mein Onkel Berni hat als erstes laut losgebrüllt<br />

vor Lachen. Mama und Papa brauchten<br />

erst eine Stotterpause, aber am Ende hatten<br />

wir alle Bauchweh vom Gejauchze.<br />

Als ich noch klein war, da waren die Fenster<br />

auf der einen Seite in unserem Haus zugemauert<br />

und eine große, graue Mauer ging<br />

mitten durch unser Haus über die Elsenstraße<br />

in das nächste Wohnhaus hinein. Aber<br />

auf die andere Mauerseite, da durfte man<br />

nicht hin. Außer wenn man Oma und Opa<br />

war. Vom Dachboden aus konnte ich dahin<br />

gucken, jedoch machte mir das immer so ein<br />

komisches beklemmendes Gefühl im Bauch<br />

und irgendwie wurde ich traurig davon. Da<br />

liefen Menschen rum, die genauso aussahen<br />

wie alle anderen auch, gar nicht weit, doch<br />

ich konnte ihnen nie Guten Tag sagen oder<br />

mit den Kindern spielen. Dabei hatten wir<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 38<br />

doch blinde kleine Kätzchen auf dem Hof,<br />

die hätte ich ihnen so gerne gezeigt.<br />

Als ich noch klein war, habe ich gerne auf dem<br />

Hof gespielt und mit meinem Bruder zusammen<br />

mit dicken Stöcken in dunkle Schlammpfützen<br />

geschlagen. Einmal haben mir große<br />

Kinder vom Hof das Blaulicht von meinem<br />

geliebten Feuerwehrauto abgebrochen. Weinend<br />

bin ich zu meinem Bruder hineingelaufen<br />

und hab ihm mein kaputtes Lieblingsauto<br />

hingehalten. Da ist er dann rausgeeilt und<br />

noch bevor mein Papa eingreifen konnte, hatte<br />

er alle Jungs auf dem Hof verkloppt, weil<br />

er wusste ja nicht, wer es gewesen ist und da<br />

hat er eben alle verkloppt.<br />

Als ich noch klein war, konnte ich immer auf<br />

der Straße Fußball spielen, weil Autos gab<br />

es ja nicht viele und bei uns war ja sowieso<br />

überall Sackgasse. Wenn dann aber doch mal<br />

ein Auto vorbei kam, dann hielt das einfach<br />

an. Und dann bin ich also kurz zur Seite gegangen<br />

und da konnte ich dann immer noch<br />

ganz lange die süße Luft vom Auspuff riechen.<br />

Papa hatte mal einen kugelrunden, schwarzen<br />

Wolga ausgeliehen bekommen, mit blauer<br />

Scheibe über dem Tacho. Da glitzerte die<br />

Sonne drin. In den Wolga konnte ich aber<br />

nicht alleine einsteigen, weil die Stufe einfach<br />

viel zu hoch war. Aber die übergroße<br />

Sitzbank war superweich, ganz rutschig und<br />

roch nach Lakritze. Meine Füße baumelten<br />

da immer an der Sitzkante und ich konnte<br />

die Häuserdächer, die Baumspitzen und die<br />

Wolken am Himmel sehen.<br />

Als ich noch klein war, hatten die Briefkästen<br />

nur einen Schlitz und wenn die Straßenbahn<br />

um die Ecke kam, dann kreischte die jedes<br />

Mal ganz schrecklich laut. Die Bänke darin<br />

waren aus lackiertem Holz und die Fahrkarte<br />

konnte ich ohne zu bezahlen, einfach so vom<br />

Rollenautomat abziehen, aber ich hab mich<br />

nicht getraut. An der Tür zu stehen, mochte<br />

ich nicht besonders, denn die ging manchmal<br />

während der Fahrt einfach auf, und das war<br />

mir dann nicht so ganz geheuer.


Als ich noch klein war, hatte ich andauernd<br />

Angst, groß zu werden, denn mein Papa<br />

hatte mir erzählt, die großen Menschen<br />

sterben irgendwann. Meist wenn sie Oma<br />

und Opa sind und Oma starb ja dann auch<br />

irgendwann. Da hab ich dann beschlossen,<br />

einfach nicht mehr zu wachsen und viel<br />

gewachsen bin ich ja dann auch wirklich<br />

nicht.<br />

Als ich noch klein war, mochte ich die großen<br />

Menschen nicht besonders, weil manche<br />

waren sehr zornig und haben mich am Ohr<br />

gezogen oder mit mir geschimpft, wenn<br />

ich wieder zu laut war. Und die grimmigen<br />

Polizisten in unserer Gegend konnten sich<br />

einfach nicht merken, dass wir da wohnten<br />

und stellten Mama und Papa immer wieder<br />

die gleichen Fragen. Die waren auch so eine<br />

Art Eltern, weil die wollten auch immer<br />

wissen, wo wir hin wollen und warum und<br />

ob Mama und Papa auch alle Papiere dabei<br />

hatten und so. Ich hab ihnen dann auch<br />

Papiere bemalt, die wollten die aber nicht,<br />

obwohl meine viel schöner waren. Polizist<br />

wollte ich nicht werden. Erst ja, aber die<br />

waren ja immer so unfreundlich.<br />

Als ich noch klein war, war oft Stromausfall<br />

und dann haben Mama und Papa manchmal<br />

gekichert und ich musste ins Bett.<br />

Als ich noch klein war, hatten wir zu<br />

Hause einen Schwarzweißfernseher mit<br />

dunkelbraunem Holz drum herum und da<br />

hab ich dann immer Trickfilme geguckt. Am<br />

liebsten Grisu, der kleine Drachen, der doch<br />

so gerne Feuerwehrmann werden wollte,<br />

obwohl er so anders war als alle anderen<br />

und sein Papa ihm immer sagte, dass das<br />

nicht geht, weil er ist doch ein Drachen und<br />

da muss er Feuer spucken und deshalb kann<br />

er doch kein Feuerwehrdrachen werden.<br />

Grisu wurde trotzdem Feuerwehrmann und<br />

hatte sich an diesem Tag riesig gefreut. Er<br />

bekam einen Helm und eine Uniform und<br />

er musste versprechen, von nun an allen<br />

Menschen und Tieren immer noch mehr zu<br />

helfen. Und da wollte ich dann doch groß<br />

werden.<br />

Ich wollte Feuerwehrmann werden.<br />

Berlin, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche<br />

prosa<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 39


Walter Ehrismann<br />

mise e n Pl a c e<br />

oder Mayas Bankett und die Ehre des Kellners<br />

er Fürst war zu welterfahren, um an<br />

D einem Ort im Landesinnern sizilianischen<br />

Gästen mit einem Essen aufzuwarten,<br />

das mit einer potage begann, und er verstieß<br />

umso leichter gegen die Regeln der haute cuisine,<br />

als diese Sitte auch ihm nicht zusagte.<br />

Doch die Kunde dieses barbarischen ausländischen<br />

Brauchs, eine fade Brühe als ersten<br />

Gang aufzutragen, war allzu hartnäckig bis<br />

zu Donnafugatas Prominenz vorgedrungen,<br />

so dass zu Beginn dieser feierlichen Essen<br />

sich in jedem seiner Gäste ein Rest Bangigkeit<br />

regte. Als nun drei Diener in Grün, Gold<br />

und gepuderter Perücke hereinkamen, jeder<br />

eine riesige Silberplatte mit einer ragenden<br />

Makkaroni-Timbale tragend, enthielten sich<br />

nur vier von zwanzig Personen entzückter<br />

Überraschungsbekundungen: der Fürst und<br />

die Fürstin, weil sie Bescheid wussten, Angelica<br />

aus Geziertheit und Concetta aus Mangel<br />

an Appetit.»<br />

Der Gattopardo, Giuseppe Tomasi di Lampedusa<br />

Dieser kurze Textausschnitt spiegelt die<br />

festgefügte Ordnung einer längst vergangenen<br />

Zeit - das Fürstenpaar als Gastgeber, die<br />

Familienangehörigen, die Gästeschar und die<br />

Diener. Auch das Küchenpersonal ist durch<br />

die Beschreibung der aufgetragenen Speisen<br />

anwesend, unsichtbar und stumm. Jeder ist<br />

da, wo ihn das Leben hingestellt hat. Das Ergreifendste<br />

daran ist die Unbedingtheit, mit<br />

der alles seinen klar geregelten Lauf nimmt<br />

und seine Richtigkeit hat. Die Dinge sind an<br />

ihrem Platz, die Menschen verstehen sich als<br />

Teil des großen Welttheaters, wo die Rollen<br />

von Anfang an verteilt sind und von niemandem<br />

in Frage gestellt werden. Nur ganz leise<br />

klopft der Fürst, dank seines abgeklärten<br />

Wissens um die Brüchigkeit alles Gefügten,<br />

an die verborgenen Tapetentüren.<br />

Zwischen Küche und Tischgesellschaft<br />

nimmt der Diener, oder eben der Kellner,<br />

essay<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 40<br />

die Rolle des «go between» ein - er ist die<br />

Person des Abends, von der vieles abhängt:<br />

Seine Art, gleichzeitig anwesend zu sein und<br />

doch in den Augen der Gäste unwichtig zu<br />

erscheinen - auch das Wesen des in seinem<br />

Kern rituellen Vorgangs - beides veredelt<br />

den Genuss des Essens und Trinkens. Durch<br />

striktes Einhalten einer durch Tradition vorgegebenen<br />

Zeremonie hebt der Diener den<br />

Gast in den Rang des Fürsten: «Der Gast ist<br />

König!» Das Hereintragen und Vorzeigen<br />

der pièce de résistance gehört bereits zur kultischen<br />

Handlung und ist heute wieder in<br />

Mode. Nicht umsonst spricht man von «Esstempeln».<br />

Auch kein amuse bouche, kein<br />

entrée, das nicht von der beschwörenden<br />

Stimme des Kellners begleitet wird, der uns<br />

ins Geheimnis dieses plat einweiht und uns<br />

zu wissenden Komplizen macht, indem er<br />

uns scheinbar teilnehmen lässt an der création<br />

der Köstlichkeiten. Voilà le ragoût du Roi<br />

- Kellner, Diener sein! Ohne Gold-Livree und<br />

Perücke, aber in schwarzer Hose und weißer<br />

Jacke, vor dem Krieg noch im Cutaway, dem<br />

weißen Hemd mit gestärktem Kragen und<br />

der Fliege. So spielt der Kellner, versteckt, auf<br />

jene Zeit an, da der Fürst zu Tische lud. Lange<br />

Zeit war es deshalb in guten «Häusern»<br />

verpönt, dem Gast eine Bedienerin zuzumuten,<br />

denn das hatte immer den Beigeschmack<br />

des établissement, des demi-monde. Wenn<br />

ich aber, als Gast, nebenbei erwähnen kann:<br />

Wissen Sie, das ist mein Kellner, erhöht es<br />

meine Reputation und die Begleitung staunt,<br />

wenn ich beim Eintreten mit meinem Namen<br />

angesprochen werde. Es ist eine der Schönheiten<br />

dieses Berufs, so wie der Diener die<br />

Erhabenheit des Gastgebers verkörpert, des<br />

Fürstenhauses, des Fünfsternehotels, wenn<br />

der Kellner in seinem traditionellen habit<br />

dem Anwesenden, dem Eingeladenen, das<br />

Gefühl gibt, am dîner als an etwas Majestätischem<br />

teilzunehmen, was ungeübte Gäste in<br />

große Ängste stürzen kann und Befürchtungen<br />

auslöst, nicht richtig gekleidet zu sein,<br />

sich unangebracht zu benehmen oder gar das<br />

falsche Besteck zu ergreifen.<br />

Sein Kellner sein! Die Launen des Gastes<br />

glätten, als verschwiegener Mitwisser kleiner


Nöte den Abend mitzugestalten, als Katalysator<br />

der Freude zu wirken und den Gast<br />

darauf in die Nacht hinaus zu verabschieden,<br />

wohl versehen nicht gerade mit den<br />

heiligen Sterbesakramenten, dafür mit den<br />

Tröstungen eines gelungenen Essens, das<br />

in Magen und Geist jene Wärme ausbreitet,<br />

die Eros für jeden Empfänglichen bereit hält.<br />

Später im Office mit den andern der Brigade<br />

den Verlauf des Gastmahls kommentieren,<br />

einen Schluck nehmen, wenn Mitternacht<br />

längst vorbei ist. Abrechnen, das heißt, den<br />

tronc, das Trinkgeld teilen. Den nächsten Tag<br />

besprechen: morgen, wie immer zuerst die<br />

Mise en Place.<br />

Für das petit déjeuner sind andere zuständig,<br />

Frauen eben. Es ist unter unserer Würde.<br />

Wir sind ausgebildet, Hotelfachschule, in<br />

der Welt herum gekommen. Kennen Sie das<br />

Kulm? Nein? Das Savoy auch nicht und das<br />

Dorchester? Im Dorchester spielen Tommy<br />

Dorsey und Nat Gonella live, im Savoy Benny<br />

Goodman. Das allerdings war vor dem<br />

Krieg. Und Teddy Stauffer im Kulm - hier<br />

Kellner sein - Jahrzehnte vorbei! Was darauf<br />

folgte, war der lange Weg des Abstiegs eines<br />

Berufsstandes, «McDonaldisierung», durch<br />

Infrarot aufgewärmte Speisen, Steamer in der<br />

Küche, eine ganz andere Gastrophilosophie.<br />

Bei uns hat es mit Pragers Möven begonnen:<br />

Austern, Krevettencocktails, Champagnercüpli<br />

zu jeder Tageszeit und für jedermann.<br />

Diese zu kurz bemessenen Mahlzeiten! Auf<br />

den Tischchen waren anfangs vier Brötchen<br />

und die Ketchupflasche bereitgestellt, als Beigabe<br />

zum Lunch gedacht. Dann kamen ungeplant<br />

nachmittags die Alten und taten sich<br />

gütlich daran, stundenlang vor einer Tasse<br />

Kaffee oder Minztee sitzend. Und dieses Gerede<br />

an den schmalen Tischen! Den Gehstock<br />

auf den Boden gelegt, den Mantel über der<br />

Stuhllehne. Soll ich Ihnen beim Aufstehen<br />

helfen? Diese Rechnung konnte für niemanden<br />

mehr aufgehen, es war eine Entfremdung<br />

zwischen Gastgeber und ungeliebten, neuen<br />

Gästen. Dann wurde konsequenterweise das<br />

Trinkgeld abgeschafft und damit die Kultur<br />

des Dienens. Von jetzt an waren wir Lohnarbeiter<br />

und unser Beruf ein Job.<br />

essay<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 41<br />

Bereits mein Vater arbeitete im Service.<br />

Er begann seine Lehre zu einer Zeit, als der<br />

Beruf des Kellners noch Garantie war, die<br />

Welt zu sehen. Er mochte keine Jahresstelle.<br />

Mit Nachmittagstee, Stammtisch und Bierfröhlichkeit<br />

am Abend hatte er nichts zu<br />

schaffen. Das Gebaren der jungen Gäste, die<br />

heute die auf «cooles Design« getrimmten<br />

Gaststätten füllen, war ihm fremd. Er blieb<br />

eine Saison lang an einem Ort, dann ging er<br />

wieder. Überallhin. Sich immer wieder neu<br />

einfügend in das Ewiggleiche. Nach der Familiengründung<br />

wurde es allerdings schwieriger,<br />

sein Berufsethos zu halten. Enttäuscht<br />

brachte er die kupferne Flambierpfanne, die<br />

ihm gehörte, nach Hause. Sie wurde nicht<br />

mehr benötigt und endete im Keller. Einmal<br />

hatte er sie nochmals hervor genommen, für<br />

Crêpes Suzette zum Hochzeitstag, worauf<br />

der Küchenvorhang beim Flambieren Feuer<br />

fing. Früher, da hatte er sogar ein eigenes<br />

Gästebuch geführt. Alle großen Stationen<br />

seines Arbeitslebens waren darin verzeichnet.<br />

Es war die Welt! Und immer wieder Unterschriften,<br />

Widmungen berühmter Gäste:<br />

Könige, Filmstars, Minister, Bundesräte, der<br />

General. Die täglichen Begebenheiten seiner<br />

jungen Familie aber erfuhr er bald nur<br />

noch aus zweiter Hand. Am Morgen war der<br />

Nachwuchs in der Schule, nachmittags, während<br />

seiner Zimmerstunde, ebenfalls, und in<br />

der Nacht, wenn er heimkam, schlief alles. Es<br />

konnte drei Wochen dauern, bis ich meinen<br />

Vater kurz erblickte. Für mehr als ein paar<br />

Worte und Blicke reichte es dann nicht.<br />

Für ihn schien das Leben leicht. Was er<br />

verdiente, wussten wir nicht, vielleicht nicht<br />

einmal er selbst. Er lebte damals vom Tronc,<br />

das heißt, die Trinkgelder wurden nach einem<br />

vertraglich festgelegten Schlüssel an die<br />

Servicebrigade verteilt. Das war eine Rangordnung<br />

wie bei der Armee: Commis, Commis<br />

de Rang, Chef de Rang, Chef de Service,<br />

Chef de Restaurant, Maître d‘Hôtel - ich habe<br />

später als Quereinsteiger angefangen, mir<br />

eine Schürze umgebunden, den Chasseur<br />

gemacht mit der Voiture, den Gästen offeriert,<br />

was der Feinschmeckerwagen zu bieten<br />

hatte. An den Nachmittagen Sandwiches,


Pâtisserie und Tortenstücke, Papierservietten<br />

und Besteck in den Schublädchen, oben die<br />

Süßigkeiten unter der Cloche. Die voiture,<br />

das war mittags und abends. Friedrich Dürrenmatt<br />

erwähnt diesen kulinarischen Höhepunkt<br />

der Kronenhalle in einem seiner Kriminalromane.<br />

Zum ersten Mal sah ich Maya Riklis «Bankett»<br />

1999 in Zofingen, im Obergeschoss des<br />

alten Schützenhauses. Ein klassizistischer<br />

Fest- und Ballraum, spiegelndes Parkett. Der<br />

Raum beherbergte das verlassene Gelage, als<br />

Kunstereignis dargestellt. An zwei langen Tischen,<br />

unter drei erhabenen Kronleuchtern<br />

hatten, an weißem Linnen, imaginär, sechzig<br />

Leute gesessen, in angeregte Gespräche vertieft.<br />

Was sie dachten, sagten, gesagt hätten<br />

oder hätten sagen mögen, war in kleine und<br />

große Flaschen und Karaffen aus hellem reinem<br />

Glas eingraviert. Die Position der verschwundenen<br />

Gäste markierten Weingläser<br />

mit ihren Namen. Die damastenen Mundtücher,<br />

achtlos hingeworfen, betonten die<br />

Trostlosigkeit eines verlassenen Festes, wie<br />

es Luchino Visconti in seinen Filmwerken oft<br />

darstellte, u.a. in «Der Tod in Venedig».<br />

Man fühlte sich beim Betrachten aber eher<br />

an den alten Schwarz-Weiß-Film «Das letzte<br />

Ufer» erinnert: Nach einem vernichtenden<br />

Atomschlag gegen die USA erhält ein davongekommener<br />

U-Boot-Kapitän, von Gregory<br />

Peck gespielt, den finalen Auftrag, von<br />

Australien aus an die Küste Kaliforniens auszulaufen,<br />

wo geheimnisvolle Laute Überlebender<br />

registriert wurden, von irgendeinem<br />

Lauschprogramm aufgezeichnet. Freiwillige<br />

gehen in Schutzanzügen an Land, suchen<br />

und finden den Zeugen der untergegangenen<br />

Gesellschaft, einen Fensterflügel, sinnlos<br />

im Winde hin- und her schlagend und über<br />

einen intakten Morse-Apparat den fernen<br />

Lauschern suggerierend, es sei noch Leben<br />

vorhanden. Die Suchenden sind mit der Leere<br />

konfrontiert, die das Leben hinterlässt,<br />

wenn es abhanden gekommen ist. So nimmt<br />

der Kapitän wieder Kurs aufs offene Meer. Er<br />

und seine Mannschaft, desillusioniert, lassen<br />

auf hoher See das Boot bei geöffneten Schot-<br />

essay<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 42<br />

ten versinken.<br />

Beim Eintritt in den Saal ist die mise en<br />

place, die Tischordnung, noch erkenntlich,<br />

obwohl das Galadiner eigentlich vorbei ist<br />

und die Menschen gegangen sind. Deren Gedankenfragmente<br />

und Pseudodialoge schweben<br />

noch im Raum, über den Bankett-tischen.<br />

Die gebrauchten Servietten liegen achtlos,<br />

von der Künstlerin aber bewusst arrangiert,<br />

an den Plätzen. Essspuren, Lippenstiftreste<br />

und Speichelflecken sind durch silberne<br />

Kreuzstiche eingefasst und so verewigt worden.<br />

Die Einladungskarte zum Bankett wies<br />

ein Zitat aus «Der Gattopardo» Giuseppe Tomasi<br />

di Lampedusas auf, wobei der Text in<br />

der Schwebe ließ, ob mit der Einladung die<br />

Teilnahme an einem herrschaftlichen Bankett<br />

oder nur an der Zurschaustellung dieses<br />

Banketts gedacht war. Und die Besucher, die<br />

meisten von ihnen wohl wissend, dass sie als<br />

Mayas Freunde und Bekannte mit Serviette<br />

und eingeritzten Gesprächsfetzen dargestellt<br />

worden waren, strömten neugierig in den<br />

Saal, suchten, von Geisterhand getrieben, «ihren»<br />

Platz auf und erkannten, plötzlich doch<br />

überrascht, den eingravierten Namen im<br />

Glas und die Spuren auf den Mundtüchern,<br />

die sie vor Monaten hinterlassen hatten und<br />

die die Künstlerin in der Zwischenzeit durch<br />

ihre Bearbeitung veredelt hatte. Man schaute,<br />

wer neben einem gesessen hätte - man wollte<br />

ja wissen, mit wem man den imaginären<br />

Abend verbracht hätte, von der Künstlerin<br />

zu dieser Nachbarschaft genötigt. «Mit diesen<br />

zynischen Kommentaren kann ich gar<br />

nichts anfangen! Manchmal als Theoretiker,<br />

manchmal als Künstler..... Ja, auch Lyrik!<br />

Wieso unsichtbar?» Ich habe mich ebenfalls<br />

gefunden.<br />

«Tancredi bemühte sich, Galanterie und<br />

Gaumenfreude miteinander zu verbinden,<br />

und versuchte, entrückt, in der Würze der<br />

wohlschmeckenden Gabelvoll Makkaroni<br />

den Duft von Angelicas Küssen zu erahnen,<br />

doch er stellte enttäuscht fest, dass das Experiment<br />

unzulänglich war, und ließ es sein,<br />

behielt sich aber diese Träume für den Nachtisch<br />

vor; Don Fabrizio, obschon hingerissen


vom Anblick der ihm gegenüber sitzenden<br />

Angelica, stellte als einziger am Tisch fest,<br />

dass die demi-glace zu üppig war und nahm<br />

sich vor, morgen den Koch darauf hinzuweisen;<br />

die anderen aßen, gedankenverloren,<br />

und wussten nicht, dass das Essen ihnen so<br />

köstlich schmeckte, weil sich eine sinnliche<br />

Aura ins Haus eingeschlichen hatte.»<br />

Eros und Thanatos auch hier.... Ich bin hingerissen.<br />

Wie von einem Traum eingefangen.<br />

Gleichzeitig tauchen verborgen gebliebene<br />

Bilder auf. Bilder aus meiner Jugend. Da<br />

fehlt noch jemand! Genau: der Kellner. Ohne<br />

ihn, den Diener, lebt keine Gesellschaft. Auf<br />

dem blankpolierten Parkett ergäbe sich das<br />

Spurenbild all seiner Schritte und Pirouetten,<br />

Arbeitswege und Warteräume, wenn er auf<br />

den Tisch zu trat, die Karte reichte, die Bestellung<br />

aufnahm, eine Bewegung, fest und<br />

für sich allein. Die Kraft, alles genau zu tun.<br />

Die Zerlegung der Speisen auf dem guéridon,<br />

dem Anrichtetisch. Sein Ernst und sein<br />

Schweigen machten daraus etwas Würdevolles.<br />

Er schritt schneller, hüpfte und schwebte<br />

fast, seine Drehungen hatten etwas rhythmisch<br />

Anmutiges, er wandte sich um, nahm<br />

aus dem Unsichtbaren ein Ding, stellte es an<br />

seinen richtigen Platz, rückte hier an einem<br />

Besteck, gab Feuer, reichte den Wein, tischte<br />

auf, tischte ab ohne die Bewegung zu unterbrechen,<br />

als ob sie sich verselbständigt hätte,<br />

er schob den Stuhl zur Seite, half dem Gast<br />

sich zu erheben, brachte Hut und Mantel. Er<br />

blickte auf den Tisch, sah das gebrauchte Geschirr,<br />

das verschobene Besteck, das umgestürzte<br />

Glas, die beschmutzte Serviette. Das<br />

liegen gelassene Leben. Nicht dass er sich<br />

jetzt hingesetzt hätte, sich auszuruhen! Das<br />

Bankett war vorüber. Er war nicht geladen<br />

gewesen. Stattdessen würde er sich ans Abräumen<br />

machen, den Tisch wieder vorbereiten.<br />

Doch niemals hätte sich mein Vater, der<br />

Kellner, die Frage gestellt, ob er lebe um zu<br />

arbeiten, oder ob er arbeite um zu leben. Solche<br />

Sinnfragen standen ihm ferne, waren in<br />

seinen Augen philosophische Spitzfindigkeiten.<br />

Er nahm das Leben hin. «Jeder an seinem<br />

Ort!» pflegte er zu sagen. Mise en Place.<br />

essay<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 43<br />

Mit diesem Beitrag konnte Walter Ehrismann den 2. Preis (257<br />

Einsendungen europaweit) im Wettbewerb des Literaturhauses<br />

Basel zum Thema ‚Arbeiten wir, um zu leben - oder leben wir, um<br />

zu arbeiten‘ erreichen. Wir gratulieren!<br />

Hermann Wischnat<br />

ein k o m i s c h e s ge d i c h t?<br />

Was ist das Komische am komischen Gedicht?<br />

Ist es etwa das Humorvolle, das<br />

Satirische? Aber Vorsicht, wir sind im Begriff,<br />

der Frage mit weiteren Fragen zu begegnen.<br />

Komik ist, Lexiken folgend, der Wortbedeutung<br />

nach vom griechischen Komos, Festzug,<br />

abgeleitet. Sie hat heute die Bedeutungsbreite<br />

von erheiternd, kauzig über unbeholfen,<br />

lächerlich bis sonderbar, befremdend. Sie erzielt<br />

diese Wirkung durch Abweichung vom<br />

Normalen, vom Gewohnten. Komik kann<br />

gewollt erzeugt werden, sich aber auch ungewollt<br />

ergeben.<br />

Das Gewohnte läuft in Regeln ab. Das Ungewohnte<br />

überrascht und irritiert die Regelerwartungen.<br />

Der Komikrezipient erwartet<br />

solche Überraschungen und Erwartungstäuschungen,<br />

um seinen Spaß oder seine Freude<br />

daran zu haben. Und der Komiker ist der<br />

Darsteller der Überraschungen und Erwartungstäuschungen.<br />

In welchem Verhältnis zueinander stehen<br />

nun Komik und Gedicht? Zur Veranschaulichung<br />

wage ich einen praktischen Versuch:<br />

modern learning<br />

oder Die Sprache als Schule<br />

Unsere Schule<br />

ist eine coole,<br />

die, wie du weißt,<br />

stetig Anglizismen machen tut.<br />

Da ist sie gut.<br />

Das bringt uns Wellness<br />

mit größter Schnellness<br />

in unsre Schule.<br />

Solch eine Kuhle! 10


Signalisiert wird modernes Lernen in einer<br />

Schule. Bei genauerem Hinsehen ist als Schule<br />

die Sprache gemeint, die zur gespielten<br />

allgemeinen Zufriedenheit sehr zügig und<br />

nüchtern Anglizismen zeugt und vermittelt.<br />

Formal zeigt sich der Text als zweistrophiges<br />

Gedicht in Paarreimen, die Verse regelmäßig<br />

in daktylischem Auftakt (-vv-). Allerdings<br />

ist zwischen die beiden Strophen ein Einzelvers<br />

geschaltet, choriambisch (-vv-): „Da ist<br />

sie gut“. Und diese auffällige Zeile reimt sich<br />

mit dem vierten Vers („stetig Anglizismen<br />

machen tut“), der aus der Reimerwartung<br />

(auf „weißt“) herausfällt und als einziger<br />

metrisch als fünfhebiger Trochäus gefasst ist.<br />

Der dritte Vers, der Wissen signalisiert, steht<br />

unvermutet reimlos (und orientierungslos?)<br />

da. Und die beiden formalen Ausnahmeverse<br />

reimen sich unversehens auf „tut“ und<br />

„gut“.<br />

Zum Schluss schert der letzte Vers als einziger<br />

aus der Linksbündigkeit in Richtung<br />

Rechtsbündigkeit aus. Warum? - Er schließt<br />

als Lautgestalt den Rahmen zu den beiden<br />

Eingangsversen und vermittelt als Schlussaussage<br />

Nüchternheit und Souveränität, wie<br />

man das heutzutage von dem Anglizismus<br />

„cool“ erwartet. Jedoch über das Auge wahrgenommen,<br />

lenkt der Vers die Vorstellung in<br />

eine andere Richtung („Kuhle“). Oder nur<br />

ein Rechtschreibfehler? Das Schweben und<br />

die Mehrdeutigkeit zeigen sich überdies darin,<br />

dass die letzte Strophe alternativ auch in<br />

Jamben (v - v - v) gelesen werden kann.<br />

Wenn der Text ein komisches Gedicht sein<br />

will, stellen sich auf diesen Anspruch bezogene<br />

Fragen:<br />

Bringen Inhalt und Form Abweichungen<br />

vom Gewohnten? Ist die Spannung für heutiges<br />

Komikverständnis stark genug? Überraschen<br />

Gedankenlauf und Ergebnis hinreichend?<br />

Lacht beim Anglizismenthema heute<br />

überhaupt noch jemand? Weist das Komische<br />

hier in Richtung des Humors, der sich<br />

als ein heiteres Verstehen der Unvollkommenheiten<br />

unseres Lebens zeigt? Oder eher<br />

in Richtung Satire, die kritisch und verfremdend<br />

an ein Zeitthema herangeht, um es ge-<br />

essay<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 44<br />

zielt zum Besseren zu ändern? Oder weist<br />

hier die Komik gar in Richtung Groteske, die<br />

den aktualisierten Gegenstand als ausweglos<br />

verfahren und verloren ansieht?<br />

Je nach „Komiksozialisation“ 1 und Gedichtverständnis<br />

der Leserinnen und Leser dürfen<br />

unterschiedliche Reaktionen auf diesen Text<br />

und unterschiedliche Antworten auf diese<br />

Fragen erwartet werden.<br />

Wie breit die Komik als Humor und Satire<br />

heute verstanden wird, belegt beispielsweise<br />

Friedhelm Hamann an Beiträgen zum<br />

Wilhelm-Busch-Preis. Sie sind „grotesk, abgründig,<br />

makaber, anstößig, bissig und dann<br />

wieder ulkig, brav, bestätigend, sympathisch,<br />

leichtsinnig, verspielt. ... Was einem als hintergründiger<br />

Humor erscheint, hält der andere<br />

für eine Banalität.“ 2<br />

Nicht zu übergehen sind als allgemeine Aussagen<br />

Robert Gernhardts zehn Thesen zum<br />

komischen Gedicht. 3 Einige Stichworte seien<br />

genannt:<br />

Das komische Gedicht „zielt auf das Lachen<br />

ab“, erschöpft sich aber nicht darin. Es<br />

„braucht die Regel“ und „bedarf der Inspiration“.<br />

Es ist einerseits „zeitverfallen“, andererseits<br />

„haltbar“ und „ist der Königsweg<br />

zum Lachen“.<br />

Wenden wir uns einem zweiten Text zu.<br />

Zukunft 2<br />

Ein junger Hund ist leichter zu händeln<br />

als ein Kind.<br />

Er wächst schneller heran und gehorcht<br />

besser.<br />

Er muss zudem nicht aufs Gymnasium.<br />

Allerdings gibt es bis jetzt immer noch<br />

kein Welpengeld.<br />

Auch sollte man dem Tier zuliebe<br />

(Tierliebe)<br />

die Hundesteuer regelmäßig zahlen.<br />

Die Frage - Hund oder Kind - will also<br />

überlegt sein.<br />

Aber unter dem Strich kommt man<br />

mit einem xxnd - doch, doch -<br />

besser zurecht. 10


Die Aktualität des Themas kann niemand bestreiten<br />

(oder doch?).Ist es zeitgemäß gestaltet?<br />

Überzeugen formal die drei je fünfzeiligen<br />

freiversigen Strophen? Der Leserhythmus<br />

wird von Zeilenbrüchen bestimmt, sofern<br />

der Leser sich auf sie einlässt. Inhaltlich wird<br />

zunächst bei der Frage „Hund oder Kind“<br />

der Hund favorisiert. Fallen die Argumente<br />

aus dem Erwartungsrahmen? Nur scheinbar?<br />

Birgt die Entscheidung „xxnd - doch,<br />

doch -“ ein für Komik hinreichendes Überraschungsmoment?<br />

Ist der Text insgesamt<br />

verständlich? 4 Was soll in diesem Gedichttitel<br />

die „2“? Ist der Textinhalt überhaupt zum<br />

Lachen?<br />

Wirken der Ton, die Atmosphäre zu hart oder<br />

zu weich? Allgemein erwartet man heutzutage<br />

angeblich eine raue Gangart. Der Humor<br />

sollte „grotesk sein oder böse - am besten beides“,<br />

und das gerade bei der jungen Generation,<br />

bzw. für die junge Generation. 5 . (Strasser<br />

... ) Oder sollte Komik auch - oder gerade<br />

besonders - Freiraum für Freude schaffen,<br />

die über den spaßigen Augenblick hinausweist?<br />

6<br />

Ein drittes und letztes Beispiel:<br />

Abfälle<br />

Elläf ba<br />

Elläf ba<br />

Elläf ba<br />

ba! ba! ba!<br />

Elläf ba10<br />

Das Gedicht besteht aus einem Wort, mit<br />

dem lautlich durch die Umkehrung der Leserichtung,<br />

durch die Verselbständigung der<br />

Silbe „ab/ba“ und durch die Setzung dreier<br />

Rufzeichen gespielt wird. Ein Kindergedicht<br />

(?) und im übrigen methodisch nicht neu.<br />

Aber ergibt „Un-Sinniges“ hier nicht doch<br />

„Gegen-Sinniges“? 7 Stellen Sie sich vor, irgendwo<br />

(Familie, Büro?) heißt es bei Unaufgeräumtheiten<br />

augenzwinkernd: „Elläf ba“.<br />

Und es wird ohne Aufhebens(?) gehandelt.<br />

essay<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 45<br />

Bei aller Vielfalt des Erscheinungsbilds der<br />

Komik fußt sie im Grunde auf wenigen -<br />

freilich geschickt zu variierenden - Grundelementen,<br />

als da z. B. sind: „Das Spiel mit<br />

dem Tabuierten und dem Unbewussten, die<br />

überraschende Zusammenführung kontrastierender<br />

Ebenen, die Nichterfüllung einer<br />

zuvor gezielt aufgebauten Lesererwartung,<br />

die planvolle Einrichtung erzählerischer Lücken<br />

...“. 8 Zu beachten ist der thematisch unterschiedlich<br />

schnelle Wechsel von Komikmoden<br />

im Verbund mit Gewohnheiten und<br />

Erfahrungen. Denn nur aus gleichem Verstehen<br />

heraus können Menschen über das<br />

Gleiche lachen. - Das ist aber gleichmachend<br />

nicht einforderbar, glücklicherweise. Also:<br />

„Das Komische schlechthin gibt es gar nicht.<br />

Was der eine komisch findet, kommt dem<br />

anderen vielleicht gar nicht komisch vor ...“ 9<br />

Ja, wenn das so ist, sollte jeder von uns nun<br />

aber gerade mit eigenen Gedichten Komik<br />

probieren. Viel Erfolg und Freude!<br />

-------<br />

1) Gernhardt, Robert / Zehrer, Klaus Cäsar (Hg.): „Hell<br />

und schnell. 555 komische Gedichte aus 5 Jahrhunderten“,<br />

621 S., S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 4/2005<br />

(Erstaufl. 2004), hier: Zehrer, Klaus Cäsar, S.505<br />

2) Hamann, Friedhelm in Anthologie: Wilhelm-Busch-<br />

Preis für satirische und humoristische Versdichtung 2003,<br />

Geleitwort, S.3 (ISBN 3-00-011856-x)<br />

3) Gernhardt, Robert: Vgl. Anm. 1, S.11-14 und Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung: „Zur Heiterkeit bereit. Zehn<br />

Thesen zum komischen Gedicht“, Ausgabe v. 12.02.2004<br />

4) Wiesler, Andre: „Komisches Schreiben“, in „Federwelt,<br />

Zeitschrift für Autorinnen und Autoren“, Nr. 50, Febr./<br />

März 2005, S.21-25 - Wiesler bringt sieben Beispiele des<br />

Komischen unter den Vorzeichen „Komik muss verstanden<br />

werden“ und „Komik ist unerwartet“.<br />

5) Strasser, Hermann, Graf, Achim: „Schmidteinander ins<br />

21. Jahrhundert. Auf dem Weg in die Spaß- und Spottgesellschaft?“<br />

in: Beil. B 12/2000 zur Wochenztg. „Das<br />

Parlament“ S.11, Spalte 2<br />

6) Stecher, Reinhold: Das Geschenk der Weihnacht. Freiburg<br />

1991, S.53 - Stecher geht pointiert auf den Unterschied<br />

zwischen Spaß und Freude ein.<br />

7) Berdel, Dieter: „Scherzdichtung, Nonsenspoesie & Co.<br />

Kleine Auswahl humorvoller Lyrik“. In: „Lachen gefährdet<br />

die Gesundheit. Humoriges für Lesende und Schreibende“,<br />

Edition Doppelpunkt, Wien 2000, S.68 (Vgl.<br />

Anm. 9!)<br />

8) Zehrer, Klaus: Vgl. Anm. 1, hier S.506<br />

9) Topka, Rosina: „Wer lachen kann, hat mehr vom Leben


und der Literatur“. In: Lachen gefährdet die Gesundheit.<br />

Humoriges für Lesende und Schreibende, S.7-60, Edition<br />

Doppelpunkt, Wien 2000, S.20. (Vgl. Anm. 7!)<br />

10) Wischnat, Hermann: „modern learning“; „Zukunft 2“;<br />

„Abfälle“<br />

BÜCHERTISCH<br />

Theo Schmich, ‚lyrische ruhrgebietsbilder‘<br />

Gedichte und 7 Holzschnitte von Carmen<br />

Weber, Universitätsverlag DI.N. Brockmeyer,<br />

Bochum, 2008; ISBN 978-3-8196-0709-7,<br />

kart. 88 S., € 9,90<br />

Thomas Rackwitz, ‚in halle schläft der hund<br />

beim pinkeln ein‘, Gedichte FIXPOETRY Lesehefte<br />

Nr. 4, 2009, Verlag im Proberaum 3,<br />

Klingenberg, ISBN 978-3-94 1296-03-9;<br />

€ 6,90<br />

KLEINES FEUILLETON<br />

Claudio Magris erhält den Friedenspreis<br />

des deutschen Buchhandels<br />

Anlässlich der Buchmesse 2009 in Frankfurt<br />

wird der Friedenspreis des deutschen Buchhandels<br />

an den Italiener Claudio Magris verliehen.<br />

In der Begründung des Stiftungsrates<br />

heißt es, er hat sich „wie kaum ein anderer<br />

mit dem Problem des Zusammenlebens und<br />

Zusammenwirkens verschiedener Kulturen<br />

beschäftigt. In zahlreichen Werken erzählt er<br />

von der Vielfalt der Systeme und Sprachen<br />

Mitteleuropas, von Eigentümlichkeiten und<br />

Gegensätzen.“<br />

Claudio Magris wurde 1939 in Triest geboren,<br />

studierte Germanistik und Philosophie<br />

und arbeitet als Schriftsteller, Literaturwissenschaftler,<br />

Essayist und Kolumnist. Er<br />

wuchs in einem Grenzgebiet auf. So verwundert<br />

nicht sein späteres Sich Einsetzen für<br />

die Blickwinkel und Problemverflechtungen<br />

unterschiedlicher Kulturen. Bekannt wurde<br />

er mit dem Werk ‚Danubio’. Es handelt von<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 46<br />

einer literarischen Reise entlang der Donau,<br />

in deren Vordergrund die multikulturelle<br />

Vergangenheit dieses geschichtsträchtigen<br />

Umfeldes steht. Seine dort entworfene Vision<br />

eines von Stacheldraht und Mauer ungeteilten<br />

Mitteleuropas wurde schon wenige<br />

Jahre nach der Veröffentlichung Realität.<br />

Die Reaktionen auf die angekündigte Verleihung<br />

waren unterschiedlich. Während die<br />

‚Zeit’ schreibt, er ist ein ‚würdiger Preisträger’,<br />

äußert sich die FAZ etwas verhaltener.<br />

Magris selbst bleibt bescheiden. In seinem<br />

ersten Interview mit Holger Heimann (Börsenblatt)<br />

sagt er: ‚..vor allem gibt es eine große<br />

Dankbarkeit, und so ist es möglich, einen<br />

solchen Preis guten Gewissens anzunehmen<br />

– mit der Überzeugung, dass man ihn eigentlich<br />

mit vielen anderen teilen sollte’.<br />

Urheberrecht und Google<br />

Dass wir ein starkes Urheberrecht brauchen,<br />

haben die Erfahrungen mit den Internetmöglichkeiten<br />

gelehrt. Bereits seit dem 30. 8. 2006<br />

werden von Google digitalisierte Bücher ins<br />

Netz gestellt und können von jedermann<br />

eingesehen bzw. ausgedruckt werden. Zunächst<br />

handelte es sich nur um Bücher, deren<br />

Urheberrecht abgelaufen ist – das älteste<br />

Buch stammte von 1560. Mittlerweile geht es<br />

jedoch um eine ganz erhebliche Anzahl von<br />

Büchern, deren Urheberrecht noch besteht.<br />

Die Autoren erfuhren die Digitalisierung<br />

eher zufällig und wurden nicht verständigt.<br />

Die Zeit schreibt im April 2009 dazu: ‚Google<br />

digitalisiert das Wissen der Welt. Wer dagegen<br />

protestiert, gilt als Spielverderber.’<br />

Ministerin Zypries äußerte sich aufgebracht<br />

dazu im Mai in Berlin: ‚Der Schutz des geistigen<br />

Eigentums ist gerade für Deutschland<br />

so wichtig, weil kluge Ideen, Kreativität und<br />

Innovationen unsere wichtigste Ressource<br />

sind.’<br />

Auch wenn der Einspruchstermin, seine<br />

Bücher von Google digitalisieren zu lassen,<br />

vom Mai d. J. einstweilen auf den 4. September<br />

2009 verlegt wurde, ist nach wie vor<br />

erforderlich, dass AutorInnen Widerspruch


einlegen, andernfalls sind sie von einem Prozessvergleich<br />

mit Google betroffen, falls er<br />

im Oktober vom Bundesrichter in New York<br />

für wirksam erklärt wird. Demnach sollen<br />

Autoren, deren Bücher bereits digitalisiert<br />

wurden, mit etwa 60 Dollar pro Werk entschädigt<br />

werden.<br />

Die Mitgliederversammlung der VG Wort<br />

hat am 23. Mai 2009 beschlossen, ‚dass die<br />

VG Wort bestimmte Rechte aus dem Google-<br />

Settlement für Autoren und Verlage gemeinsam<br />

wahrnimmt. Der Beschluss ... sieht vor,<br />

dass die VG Wort die Vergütungsansprüche<br />

für die bis zum 5. Mai 2009 von Google digitalisierten<br />

Werke einzieht, gleichzeitig aber<br />

die in Deutschland erschienenen Werke aus<br />

dem Digitalisierungsprogramm von Google<br />

zurückzieht. Dies wiederum wurde mit der<br />

Möglichkeit verbunden, dass die VG Wort in<br />

Zukunft digitale Nutzungen von vergriffenen<br />

Werken – im Unterschied zu lieferbaren<br />

Werken lizenzieren kann, wenn die Rechteinhaber<br />

damit einverstanden sind.’<br />

Aktuelles dazu kann jeweils auf der Homepage<br />

von VG Wort nachgesehen werden.<br />

Autoren und Autorinnen werden gebeten,<br />

auf die aktuellen Nachrichten zum Urheberrecht<br />

betr. Google zu achten.<br />

Richard von Weizsäcker als ‚Förderer<br />

des Buches” geehrt<br />

In Anerkennung und Würdigung seiner herausragenden<br />

Verdienste für das Buch ehrte<br />

der Börsenverein des Deutschen Buchhandels<br />

Bundespräsident a. D. Dr. Richard von<br />

Weizsäcker durch die Verleihung der Auszeichnung<br />

‚Dem Förderer des Buches’.<br />

Aus der Urkunde: ‚In außergewöhnlicher<br />

Weise hat Richard von Weizsäcker die Entwicklung<br />

des Buches, des Börsenvereins,<br />

seiner Verleger und Buchhändler über Jahrzehnte<br />

hinweg begleitet. Den Friedenspreis<br />

des Deutschen Buchhandels hat er öffentlich<br />

gestärkt, in dem er als Laudator Octavio Paz<br />

und Friedrich Schorlemmer geehrt hat. Als<br />

Bundespräsident hat er die Schirmherrschaft<br />

für den Vorlesewettbewerb übernommen,<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 47<br />

der es Kindern möglich macht, durch Lesen<br />

einen leichteren Zugang zur Bildung zu finden.<br />

Wer sich wie er für das Buch einsetzt<br />

– ein Gut, das auf elementare Bedürfnisse<br />

des Menschen antwortet und das unter den<br />

Medien der gewaltloseste Vermittler ist und<br />

bleibt, dem ist der Wert des Wortes und des<br />

geistigen Eigentums wichtig.’<br />

Frankfurter Buchmesse<br />

Die traditionsreiche Buchmesse soll um weitere<br />

13 Jahre bis 2022 in Frankfurt stattfinden.<br />

Ihre Geschichte reicht bis ins 15. Jahrhundert<br />

zurück. 1949 lebte die neuzeitliche Tradition<br />

der Buchmesse in Frankfurt wieder auf,<br />

1951 zog sie aus dem Römer und der Paulskirche<br />

auf das Messegelände. Mit mehr als<br />

7.000 Ausstellern aus 100 Ländern und über<br />

299.000 internationalen Besuchern ist die<br />

Frankfurter Buchmesse die größte Buch-<br />

und Medienmesse der Welt. Ungezählte<br />

Veranstaltungen, Lesungen, Präsentationen<br />

etc. finden jährlich hier statt. In diesem Jahr<br />

ist die Buchmesse vom 14. bis 18. Oktober<br />

geöffnet. Ehrengast ist China.<br />

Hörbuchmarkt<br />

Anlässlich der ersten Jahrestagung der AK<br />

Hörbuchverlage am 17. Juni d. J. erfuhren<br />

wir von Argon-Geschäftsführer Henning<br />

Stumpp, dass der Hörbuchmarkt noch lange<br />

nicht satt ist.<br />

Mit dem passenden ‚Angebotsmix’ könne<br />

sich die Anzahl der Hörbuch-Nutzer bis 2015<br />

von 4 auf sicherlich 10 Millionen erhöhen.<br />

Der Hörbuchmarkt ist bis 2007 in einem rasanten<br />

Tempo angestiegen. Es werden immer<br />

mehr Audiobooks gekauft; der Umsatz<br />

ist laut dem Marktforschungsunternehmen<br />

GfK von 72 Millionen Euro im Jahr 2001 auf<br />

167,8 Millionen Euro im Jahr 2007 gestiegen.


GLOBArt Award 2009<br />

*Ernesto Cardenal wird mit dem „GLOBArt<br />

Award 2009“ ausgezeichnet.*<br />

Der nicaraguanische Priester-Dichter<br />

Ernesto Cardenal (84) wurde mit dem „GLO-<br />

BArt Award 2009 in Wien ausgezeichnet. Er<br />

erhielt diese Ehrung für sein engagiertes politisches<br />

Eintreten als ‚Befreiungstheologe’.<br />

Bis heute setzt er sich für die Armen und Unterdrückten<br />

in Nicaragua ein. Er gilt als einer<br />

der bedeutendsten Schriftsteller Lateinamerikas.<br />

Ernesto Cardenal wurde am 20. Januar 1925<br />

in Granada, Nicaragua, geboren und war unter<br />

der sandinistischen Regierung zwischen<br />

1979 und 1987 Kulturminister.<br />

Sein politisches Engagement brachte ihn immer<br />

wieder in Konflikt mit der Amtskirche.<br />

1980 erhielt er den Friedenspreis des deutschen<br />

Buchhandels - 1985 wurde er hingegen<br />

vom Vatikan wegen seiner politischen<br />

Tätigkeit von seinem Amt als katholischer<br />

Priester suspendiert. Er bemühte sich nie um<br />

eine Rückgängigmachung dieser kirchlichen<br />

Sanktionen. Sein dichterisches Werk war<br />

schon öfter für den Nobelpreis im Gespräch.<br />

GLOBArt zeichnet seit 1997 Persönlichkeiten<br />

für ihr zivilgesellschaftliches Engagement<br />

mit dem GLOBArt Award aus.<br />

Zu den Preisträgern zählen Yehudi Menuhin,<br />

Bischof Erwin Kräutler, Vaclav Havel und<br />

zuletzt 2007 Riccardo Muti.<br />

NEUE MITGLIEDER<br />

Irmentraud ter Veer, Den-Haag<br />

Theo Schmich, Essen<br />

<strong>Denis</strong> <strong>Gustavus</strong>, Berlin<br />

Irmentraud ter Veer<br />

Aus einem Bündel<br />

fällt das Gewicht<br />

sie werden leichter<br />

die Kleider<br />

AZ<br />

IGda<br />

Umrisse<br />

verlieren sich<br />

Raum gewinne ich<br />

Raum<br />

bis ich nur mehr<br />

Gebärde<br />

bin<br />

theo Schmich<br />

Das Rad<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 48<br />

An einem Punkt<br />

der Ewigkeit, wir, geflochten<br />

auf das Rad<br />

der Zeit,<br />

durch die wir rasen und mit ihr durch<br />

Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit –<br />

Rad der Zeit.<br />

Das Ziel?<br />

Durch Nebel, Sternendunst,<br />

in Universums Ferne.<br />

Irgendwo, Irgendwas.<br />

Oder nichts.<br />

Für nichts dies Rasen unter Sternenhimmeln,<br />

vorbei an Sonnen, Monden, Welten,<br />

geflochten auf das Rad?<br />

Kein Lohn, der winkt für die Tortur,<br />

nichts als Vergessen,<br />

kein Überleben,<br />

irgendwie?<br />

Gewiss ist eines:<br />

Wir sind<br />

Ein Teil der Ewigkeit –<br />

Wenn auch geflochten auf das Rad.<br />

(aus ‚Rasende, ruhende Zeit‘, Anthologie,<br />

Etaina-Verlag, 2008<br />

<strong>Denis</strong> <strong>Gustavus</strong><br />

ist im prosa-Teil vertreten.


BÜCHERSCHAU<br />

Eckhard Erxleben: sommergeflüster am<br />

herbstrand, Wiesenburg Verlag 2009, € 12.-<br />

Eckhard Erxleben legt mit seinem neuen Lyrikband<br />

eine weitere Nuance seines Schaffens<br />

vor. Leichtgefühlte Romantik, spielerische<br />

Sinnlichkeit, Naturnähe, auch bisweilen<br />

zärtliche Schwermut sind in fast allen dieser<br />

Gedichte zu spüren.<br />

Die Kapitelüberschriften der fünf Buchabschnitte<br />

nennen sich ‚sommergeflüster’, ‚lust<br />

ist jetzt’, ‚du möchtest doch auch’, am herbstrand’<br />

und ‚traubenblaue schwermut’.<br />

Der Stil der Texte hingegen erscheint ein wenig<br />

unterschiedlich.<br />

Da geht es einerseits um mögliche, stets anrührende<br />

Doppelbödigkeit - ‚reife rispen’<br />

z.B., ‚familienmuseum’ oder ein ‚wissendes<br />

lied’; poetisch verführen auch Zeilen wie<br />

‚die maserung speichert vergangene wetter’<br />

oder ‚nadelnd hab’ ich abgeworfen, was<br />

mich stört’.<br />

Anderes hingegen kommt klar und fast prosaisch<br />

daher, etwa ‚heiße haut, darauf klebt<br />

gras’ oder ‚bis auch der berg in flammen<br />

stand’.<br />

So berühren manche Zeilen scheinbar etwas<br />

alltagseinfach – sie lassen sich durch die spielerische<br />

Stimmung trotzdem meist gut lesen.<br />

Bilder wie ‚liebeszittern’ oder ‚knospenbrüste’<br />

scheinen jedoch ein wenig altgebraucht,<br />

ebenso etwas sonderlich die Zeile:‚kraftvoll<br />

ihre hüften spürt...’.<br />

Doch unversehens kann Erxleben nach kleinen<br />

Merkwürdigkeiten in dichte, poetische<br />

Bilder wechseln. Zauber verraten magisch<br />

anmutendere Zeilen wie ‚in baumfarben<br />

schimmern die federn unter den flügeln’<br />

oder ‚wie ein fell aus märchen wächst moos<br />

über uns’.<br />

Es erfreut der gelegentliche Blick zum Märchenhaften,<br />

‚neulich im waldhaus’ z.B. .<br />

Der Liebende übernachtet bei einer Hexe.<br />

Sie bückt sich, sammelt Kraut, ‚doch dann<br />

sah sie mich durch ihre beine, spuckte das<br />

kraut aus und ...strich ganz langsam zu mir<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 49<br />

kommend ihre sieben röcke glatt’. Oder: ‚der<br />

schatten des schwarzen vogels schon, und<br />

keiner weiß, ob erlösung wartet.’<br />

Insgesamt ein hübsches Gedichtbändchen,<br />

liebevoll dem Buchtitel gemäss gestaltet in<br />

Naturgrünes und Gelb – innen ergänzt mit<br />

impressionistisch-zarten Graphiken von<br />

Maxi Springsguth.<br />

SERVICE<br />

WETTBEWERBE<br />

1 Lyrikpreis Meran<br />

AZ<br />

Der Kreis Südtiroler Autorinnen und Autoren<br />

und die Kurverwaltung Meran schreiben<br />

zum zehnten Mal den ‚Lyrikpreis<br />

Meran’ aus. Preise: Lyrikpreis Meran: 8.000<br />

Euro, Südtiroler Landesregierung. Preis der<br />

Stiftung Sparkasse: 3.500 Euro. Medienpreis:<br />

2.500 Euro - RAI-Sender, Bozen. Teilnahmeberechtigt<br />

sind alle deutschsprachigen AutorInnen,<br />

die einen eigenständigen Lyrik-<br />

oder Prosaband (kein Sachbuch, Drehbuch,<br />

keine Veröffentlichung im Web) in einem<br />

Verlag (kein Selbst- oder Eigenverlag!) veröffentlicht<br />

haben. Das Sekretariat nimmt die<br />

Beiträge - 10 unveröffentlichte Gedichte in<br />

fünffacher Ausführung - entgegen. Die Gedichte<br />

gelten als veröffentlicht, wenn sie in<br />

Buchform oder in einem anderen Printmedium<br />

abgedruckt sind. Die eingereichten Texte<br />

müssen anonym bzw. mit Kennwort versehen<br />

sein. Name und Adresse, ergänzt um<br />

eine Vita, sollen separat in einem Umschlag<br />

mitgeschickt werden. Einsendungen sind<br />

nur per Post (nicht per Email) zu senden an:<br />

Kurverwaltung Meran/Lyrikpreis Meran,<br />

Freiheitsstraße 35, I-39012 Meran.<br />

Eine Vorjury wählt neun AutorInnen aus.<br />

Diese werden nach Meran eingeladen. Dort<br />

werden die drei PreisträgerInnen ermittelt.<br />

Allen Eingeladenen werden die Fahrtkosten


vergütet und ein freier Aufenthalt von drei<br />

Tagen mit Halbpension in Meran gewährt.<br />

Die Lesungen werden für den Hörfunk RAI<br />

Sender Bozen aufgezeichnet. Für die Ausstrahlung<br />

wird ein Honorar ausbezahlt. Die<br />

Preisverteilung erfolgt am 8. 5. 2010.<br />

Jury: Hans-Jürgen Balmes, S. Fischer-Verlag,<br />

Christoph Buchwald, Ulla Hahn, Ilma Rakusa<br />

und Wolfgang Wiesmüller. Die Texte der<br />

eingeladenen AutorInnen werden in einer<br />

Broschüre veröffentlicht. Die Rechte bleiben<br />

erhalten.<br />

Info: Tel.: 0039-0473-272000 , Mail: info@meraninfo.eu<br />

oder per Webseite - http://www.<br />

kuenstlerbund.org/de/lyrikpreis bzw. auch<br />

Tel.: 0039-0471-977037 .<br />

Einsendeschluss: 20.10.2009<br />

2 Dresdner Lyrikpreis 2010<br />

Der Dresdner Lyrikpreis wird 2010 zum 7.<br />

Mal verliehen und ist mit 5.000 Euro dotiert.<br />

Bewerber aus dem deutschsprachigen Raum<br />

und der Tschechischen Republik können von<br />

Verlagen, Literaturzeitschriften, Autorenverbänden<br />

und literarischen Vereinigungen vorgeschlagen<br />

werden. Eigenbewerbungen sind<br />

erwünscht. Eingereicht werden sollen mindestens<br />

6, höchstens 10 Gedichte eines Autors<br />

in fünffacher Ausfertigung. Auf den Texten<br />

soll anstelle des eigenen Namens ein Kennwort<br />

erscheinen. Persönliche Daten und Vita<br />

sind in einem verschlossenen Umschlag beizulegen,<br />

der ebenfalls das Kennwort enthält.<br />

Eine tschechische und eine deutsche Vorjury<br />

nominieren jeweils bis zu 5 Kandidaten, die<br />

zur Endausscheidung eingeladen werden.<br />

Vor Hauptjury und Publikum präsentieren<br />

die AutorInnen einen ca. zehnminütigen<br />

Ausschnitt der Wettbewerbsbeiträge.<br />

Sämtliche eingesandten Texte aller nominierten<br />

Bewerber werden im Vorfeld von<br />

Übersetzern in die jeweils andere Sprache<br />

übertragen und der Hauptjury zur Verfügung<br />

gestellt. Bewerber müssen grundsätzlich<br />

bereit sein, am Tag der Preisverleihung<br />

in Dresden zu lesen. Manuskripte sind auf<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 50<br />

dem Postweg – nicht per Email! - einzureichen<br />

an das:<br />

Dresdner Literaturbüro, Antonstraße 1, 01097<br />

Dresden. Ab 01.02.10 werden die Kennworte<br />

der Nominierten auf der Homepage vom<br />

Dresdner Literaturbüro veröffentlicht. Infos:<br />

T./F: 0351-804 50 87 oder http://www.dresdner-literaturbuero.de.<br />

Einsendeschluss: 30. September 2009.<br />

3 Agatha-Christie-Krimipreis 2010<br />

Deutschlands beste Krimiautoren werden<br />

gesucht für den Agatha-Christie-Krimipreis<br />

2010. Er wird vergeben vom S. Fischer Taschenbuch<br />

Verlag, der Buchhandlung Hugendubel,<br />

FOCUS Online und dem Krimifestival<br />

München: Eine hochkarätige Jury sucht<br />

die beste Krimigeschichte zum Thema: ‚Wo<br />

das Verbrechen zu Hause ist’.<br />

‚Ob in der vertrauten Nachbarschaft oder der<br />

exotischen Ferne, im eleganten Landhaus,<br />

bei treuen Freunden oder auf gefährlichen<br />

Reisen - Ihre Story sollte maximal 10 Manuskriptseiten<br />

(je 30 Zeilen à 60 Anschläge)<br />

umfassen und darf noch nicht veröffentlicht<br />

sein.’ Zwei Exemplare des fertigen Manuskripts<br />

sind einzusenden. Auf dem Text darf<br />

nur der Titel der Story, nicht der Autorenname<br />

stehen. Eine Kurzbiographie mit Namen,<br />

Anschrift, Email-Adresse und ggf. Publikationsliste<br />

ist beizulegen, auf der der Titel<br />

der Kurzgeschichte nochmals vermerkt sein<br />

muss. Die drei besten Geschichten erhalten<br />

wertvolle Preise und werden beim Krimifestival<br />

München im März 2010 ausgezeichnet.<br />

Zudem erscheinen die 25 besten Storys im<br />

März 2010 in einer Anthologie im Fischer Taschenbuch<br />

Verlag!<br />

Einsendungen an: S. Fischer Verlage, „Agatha-Christie-Krimipreis<br />

2010“,<br />

Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt.<br />

Infos: 0049-69/60620 und http://www.fischerverlage.de/page/Agatha-Christie-Krimipreis.<br />

Einsendeschluss ist der 31. August 2009


4 Literaturförderpreis der Landeshauptstadt<br />

Mainz<br />

Herzlich eingeladen zur Teilnahme am Literaturförderpreis<br />

der Landeshauptstadt<br />

Mainz sind junge AutorInnen, die nicht älter<br />

als 34 Jahre sind, einen deutlichen Bezug zur<br />

Stadt Mainz haben, bisher nur wenige Veröffentlichungen<br />

vorweisen können und deren<br />

Texte eine sprachliche und/oder inhaltliche<br />

Innovation darstellen. Die einzureichenden<br />

Arbeiten – 30 Zeilen á 60 Anschläge - sind an<br />

keine bestimmte literarische Gattung, auch<br />

an kein Thema gebunden.<br />

Eine Vorjury wählt drei KandidatInnen aus.<br />

Während der öffentlichen Lesung am 26.<br />

November 2009 im Ratssaal des Mainzer<br />

Ratshauses tragen diese ihre Arbeiten der<br />

Hauptjury vor. Diese besteht aus einem/er<br />

Literaturkritiker/in, einem/er Vertreter/in der<br />

Vorjury, dem Kulturdezernenten der Stadt<br />

Mainz und dem anwesenden Publikum. Bei<br />

Stimmengleichheit gibt das Mehrheitsvotum<br />

des Publikums den Ausschlag. Der Förderpreis<br />

ist mit 2.600 € dotiert.<br />

Die Texte in dreifacher Ausfertigung sollen<br />

unter einem Kennwort eingesandt werden.<br />

Die persönlichen Daten sind in einem gesonderten<br />

Umschlag (Zettel mit Name, Adresse,<br />

Kurzbiographie und den ersten drei Worten<br />

der einzelnen Texte) beizufügen.<br />

Manuskripte an: Literaturbüro Mainz für<br />

Rheinland-Pfalz, Neutorstraße 1, 55116<br />

Mainz. Infos: Tel. 06131-22 02, Mail info@literaturbuero-rlp.de<br />

oder<br />

http://www.literaturbuero-rlp.de/ .<br />

Einsendeschluss: 4. September 2009<br />

5 DeLiA Literaturpreis 2010<br />

Der Verein zur Förderung deutscher Liebesromanliteratur<br />

e. V. schreibt den mit 1000<br />

Euro dotierten Literaturpreis für das Jahr<br />

2010 aus.<br />

Teilnahmeberechtigt sind: deutschsprachige<br />

Liebesromane (Original- und Erstausgaben)<br />

ohne Subgenre-Beschränkung, erstveröffent-<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 51<br />

licht im Jahr 2009, keine Neuauflagen und<br />

Wiederauflagen, keine Übersetzungen aus<br />

anderen Sprachen, keine Veröffentlichungen<br />

mit Kostenbeteiligung des Autors und/oder<br />

Book on Demand, keine E-Books oder Hörbücher.<br />

Manuskripte und Exposés werden<br />

nicht angenommen. Daneben gibt es weitere<br />

Ausschlussgründe in Bezug auf Format, Beziehbarkeit<br />

und Inhalte.<br />

Autoren, Autorinnen und Verlage, die sich<br />

beteiligen möchten, nehmen bitte vorher zur<br />

Erläuterung der genauen Vorgehensweise<br />

Kontakt mit der Juryvorsitzenden auf: Brigitta<br />

D’Orazio. Mail: brkanitz@tin.it.<br />

Infos über die Geschäftsstelle: Delia, Rebecca<br />

Michéle, Fasanenweg 33 , 73230 Kirchheim/<br />

Teck , Tel.: 0049-7021/ 73 69 64 oder unter:<br />

http://www.delia-online.de.<br />

Einsendeschluss : 31.12.2009<br />

6 Traurige Hurras und freche Verse/<br />

Ruhrgebietstexte für das Jahr 2010<br />

Das Literaturbüro Ruhr e. V. und die Westdeutsche<br />

Allgemeine Zeitung schreiben einen<br />

Wettbewerb aus:‚Traurige Hurras und<br />

freche Verse’ – ein Wettbewerb zu Gedichten<br />

aus dem Ruhrgebiet. Es handelt sich um ein<br />

Projekt des Literaturbüros, gefördert vom<br />

Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen<br />

und der Kunststiftung NRW in Kooperation<br />

mit der Westdeutschen Allgemeinen<br />

Zeitung.<br />

Zwei bedeutsame Impulse gingen einst von<br />

der Ruhr aus, die (Wieder-)Entdeckung der<br />

Arbeitswelt als Thema literarischen Schreibens<br />

und die Förderung der so genannten<br />

Regional-Kriminalliteratur (local crimes). Mit<br />

dem Ruhrgebiet verbindet man heute mehr<br />

Schriftsteller denn je. Max von der Grün, Nicolas<br />

Born, Jürgen Lodemann, Fritz Eckenga,<br />

Inge Meyer-Dietrich und eine erhebliche Reihe<br />

weiterer angesehener Autoren stammen<br />

aus dieser Gegend und sind über Deutschland<br />

hinaus bekannt geworden. Hinzu kommen<br />

häufiger Theaterautoren, auch aus der<br />

Sparte des Kabarett. In der Lyrik gibt es be-


kannte Namen wie Ernst Meister, Ralf Thenior<br />

oder Liselotte Rauner, auch junge Poetry-<br />

Slammer.<br />

Um im Jahre 2010 Neuentdeckungen der Lyrik<br />

in der Metropole Ruhr vorzustellen, ist<br />

dieser Wettbewerb ausgeschrieben. Einen<br />

Preis wird es im Rahmen des Wettbewerbes<br />

„Traurige Hurras“ nicht geben. Jeder Teilnehmer<br />

stimmt jedoch einer möglichen Veröffentlichung<br />

eines oder zweier seiner Gedichte in<br />

einer Anthologie zu. Im Gegenzug erhält er<br />

vier Belegexemplare. Die Anthologie soll um<br />

die kommende Jahreswende als Lektüre für<br />

52 Wochen des Jahres 2010 im Rahmen einer<br />

Abschlusslesung vorgestellt werden.<br />

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung<br />

(WAZ) möchte 2010 regelmäßig Gedichte aus<br />

der Anthologie abdrucken. Im Buch werden<br />

nicht nur die besten Wettbewerbstexte abgedruckt,<br />

sondern auch ausgewählte Gedichte<br />

namhafter Autoren, zu welchen Schriftstellerkollegen<br />

eine Interpretation schreiben<br />

werden.<br />

Teilnahme: Max. drei (!) Gedichte in deutscher<br />

Sprache ohne Absendernennung. Im<br />

gesonderten Umschlag müssen Angaben zu<br />

Namen, Adresse und Geburtsdatum beigefügt<br />

werden. Manuskripte an: Literaturbüro<br />

Ruhr e. V., Friedrich-Ebert-Str. 8, 45964 Gladbeck.<br />

Infos: Tel. 02043-992 644, Mail: info@literaturbuero-ruhr.de,<br />

Webseite: http://www.<br />

literaturbuero-ruhr.de.<br />

Einsendungen (nur per Post, keine Mail!)<br />

bis 11.9.2009.<br />

7 Putlitzer Preis 2010<br />

Das Thema des diesjährigen Wettbewerbs lautet:<br />

„Essen“. Die eingesandten Texte <strong>deutschsprachiger</strong><br />

Autoren, unveröffentlicht bis zum<br />

Tag der Preisverleihung am 5. 6. 2010, können<br />

mit max. 1.000 Wörtern (incl. Überschrift)<br />

eingesandt werden. (Im Internet eingestellte<br />

Texte gelten als veröffentlicht). Gedichte,<br />

Theaterstücke, Songtexte usw. werden nicht<br />

akzeptiert. Es werden ausschließlich Kurzgeschichten<br />

bewertet. Es gelten die üblichen<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 52<br />

Standards für die Formatierung: (30 Zeilen à<br />

60 Zeichen pro Seite). Statt des Namens sind<br />

die vier Ausfertigungen mit Codewort zu<br />

versehen. Ein Blatt mit Adresse und Kurzvita<br />

des Autors ist in einem verschlossenen Umschlag,<br />

auf dem das Codewort wiederholt<br />

wird, beizulegen. Die Jury bilden Autoren,<br />

Verlagslektoren oder Literaturagenten sowie<br />

Vertreter des 42erAutoren e. V.<br />

Die Preisvergabe erfolgt am 5. Juni 2010 in<br />

Putlitz/Brandenburg. Der Sieger erhält den<br />

„Putlitzer Preis 2010“ und ein Preisgeld von<br />

150 Euro. Der zweite Preisträger erhält ein<br />

Preisgeld von 100 Euro, der dritte 75 Euro.<br />

Weitere Plätze von vier bis sechs sind dotiert<br />

mit je 50 Euro. Die Gewinner der ersten drei<br />

Plätze erhalten außerdem freie Übernachtung<br />

für zwei Personen in Putlitz. Die Siegertexte<br />

der Plätze 1 bis 3 werden voraussichtlich im<br />

„Autorenkalender 2011“ des 42erAutoren e.<br />

V. veröffentlicht. Die Autoren erklären sich<br />

mit einer vereinsinternen Lektorierung ihres<br />

Textes einverstanden. (Halten wir bei einem<br />

Wettbewerb für sehr fraglich, A.Z.).<br />

Manuskripte in 4-facher Ausfertigung<br />

an: 42erAutoren e. V., z. Hd. Karen<br />

Lark, Kirchhofallee 80, 24114 Kiel. Infos:<br />

vorstand@42erAutoren.de und http://www.<br />

putlitzerpreis.de/. Eine Telefonnummer ist<br />

im Impressum nicht angegeben.<br />

Einsendeschluss: 15.10. 2009.<br />

8 Erich Kästnergesellschaft e. V.<br />

Die Erich Kästner Gesellschaft e. V. vergibt<br />

jährlich den „Erich Kästner Förderpreis“<br />

für Kinder und Jugendliche. 2008 gewann<br />

die Erich-Kästner-Grundschule Gera den 1.<br />

Preis.<br />

Für 2009 werden wieder Einzel- und Gemeinschaftsarbeiten<br />

gesucht – d.h. auch Projekte<br />

einer ganzen Schule, die sich ‚mit der<br />

Persönlichkeit, dem Werk, den literarischen,<br />

gesellschaftlichen und pädagogischen Intentionen<br />

und der Nachwirkung von Erich Kästner<br />

auseinandersetzen‘.<br />

Genre: Lyrik, Prosa, Dramatik, mediale Ar-


eiten (z. B. Reportage, Foto, Film, Vertonung),<br />

Sprach-Bild-Texte (z. B. Comic, Collage),<br />

Sachtexte (z. B. Erörterung), Facharbeiten.<br />

Denkbar ist auch für Erich-Kästner-Schulen<br />

eine Dokumentation / Darstellung der ständigen<br />

Präsentation ihres Namensgebers im<br />

Schulalltag und/oder zu besonderen Anlässen.<br />

Entscheidend ist der Bezug zur Person, zu<br />

Werk und Ideen Erich Kästners.<br />

Für Nachfragen stehen zur Verfügung:<br />

Matthias Nicolai, Im Haselbusch 7, 53343<br />

Wachtberg, Tel. 0228-3240463, Mail: matthias.nicolai@t-online.de<br />

und Horst Wiechers,<br />

Nordstrasse 13, 48149 Münster, Tel. 0251-<br />

1627115, Mail: horst.wiechers@gmx.de.<br />

Die Preissumme beträgt 500,- € (auch Staffelung<br />

möglich). Beiträge sind einzureichen<br />

beim 1.Vorsitzenden der Erich Kästner Gesellschaft:<br />

Prof. Dr. Bernhard Meier, Universität<br />

Leipzig, Institut für Germanistik, Beethovenstraße<br />

15, 04107 Leipzig. Infos: www.<br />

erichkaestnergesellschaft.de .<br />

Einsendeschluss: 31.10.2009.<br />

9 Literareon –<br />

Kurzgeschichtenwettbewerb<br />

Der Herbert Utz Verlag veranstaltet im Rahmen<br />

der Reihe Literareon einen Kurzgeschichten-Wettbewerb<br />

mit dem Motto ‚Rückenwind’.<br />

Die Teilnahme steht allen offen.<br />

Pro Autorin/Autor darf nur ein Beitrag eingereicht<br />

werden. Er soll 1.500 Wörter (ca. 3<br />

Seiten) nicht überschreiten und muss unveröffentlicht<br />

sein. Der Titel kann das Motto<br />

enthalten, darf aber auf keinen Fall nur ‚Rückenwind’<br />

lauten (Unterscheidbarkeit der<br />

Beiträge).<br />

Der Text ist, ohne Namensnennung, einzureichen,<br />

wie folgt: a) als ausgedrucktes Exemplar<br />

auf DIN-A4 Papier und b) die entsprechende<br />

Datei auf zwei PC-Disketten<br />

oder CD-ROM (zwei, da diese oft durch den<br />

Postversand beschädigt werden). Dem Text<br />

voranzustellen sind der Titel und die Angabe<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 53<br />

der Wortanzahl. Er darf keine Text- und Formatzeichnungen<br />

enthalten (wie z.B. kursiv,<br />

fett, unterstrichen).<br />

Eine Teilnahmeschutzgebühr ist in Form von<br />

Briefmarken oder Internationalen Postantwortscheinen<br />

beizulegen: Akzeptiert werden<br />

deutsche Briefmarken (5 Marken à 55 Cent),<br />

österreichische Briefmarken (5 Marken à 55<br />

Cent) und Schweizerische Briefmarken ( 5<br />

Marken à 85 Rappen). Aus dem übrigen Ausland<br />

werden zwei Internationale Antwortscheine<br />

erbeten.<br />

Dem Text ist ein Anschreiben beizufügen mit<br />

der Adresse des Verfassers/der Verfasserin,<br />

der Titel des Beitrags, eine Kurzvita von 3-5<br />

Zeilen und das Geburtsdatum.<br />

Die Preise für den Literareon-Kurzgeschichten-Wettbewerb<br />

2009/2010 sind:<br />

1. Preis: 500 Euro, 2. Preis: Buchpaket im<br />

Wert von 150 Euro, 3. Preis: Buchpaket im<br />

Wert von 100 Euro, 4.-10. Preis: Buchpakete<br />

im Wert von je 50 Euro.<br />

Die besten Kurzgeschichten werden in der<br />

Anthologienreihe /kladde.auf/die.reihe veröffentlicht.<br />

Die Teilnehmer verpflichten sich,<br />

ihre eingesandten Werke bis zum Tag der<br />

Preisverleihung in keiner Form zu veröffentlichen.<br />

Einsendungen an Literareon, Herbert Utz<br />

Verlag GmbH, Adalbertstraße 57, 80799 München.<br />

Infos: Tel. 089-30779693, Mail: info@literareon.de<br />

und http://www.literareon.de.<br />

Einsendeschluss: 30.11.2009.<br />

10 Erostepost –<br />

Geschichtswettbewerb<br />

1989 wurde der Name „erostepost“ in seine<br />

Bestandteile zerlegt. Jährlich gab es einen Literaturpreis<br />

zu den Themen eros, rost, step,<br />

epos, post, euro, stop und pest. Nach einer<br />

mehrjährigen Pause wird der erostepost-Literaturpreis<br />

erneut ins Leben gerufen. Seit<br />

2002 werden jedoch keine Themen, sondern<br />

Genres ausgeschrieben. Nach<br />

e – wie emil und die detektive, Kriminalge<br />

schichten (erostepost Nr. 28)


– wie raumschiff enterprise, science-fictionstories<br />

(erostepost Nr. 30)<br />

o – wie ode an die freude, Lyrik (erostepost<br />

Nr. 33)<br />

s – wie sindbad und die seefahrer, Märchen<br />

(erostepost Nr. 35)<br />

t – wie tanz der vampire, Horrorgeschichten<br />

(erostepost Nr. 37) und<br />

e – wie emmanuelle, erotische Geschichten<br />

(erostepost Nr. 39) folgt nun<br />

p – wie pippi langstrumpf, Geschichten für<br />

Kinder.<br />

Es werden literarisch anspruchsvolle Texte<br />

gesucht, welche Kindern ‘Mut machen, stark<br />

zu sein und mit Optimismus durchs Leben<br />

zu gehen’.<br />

Beiträge - Prosa und Lyrik - für Kinder von<br />

etwa 6 bis 12 Jahren sollen eingereicht werden,<br />

die jedoch Erwachsene ebenfalls ansprechen.<br />

Der Gesamtumfang der Beiträge sollte<br />

20.000 Zeichen nicht überschreiten. Mindestens<br />

sollten sie für ein Bilderbuch reichen; für<br />

einen illustrierten Kindergedichtband sollen<br />

sie etwa 10.000 Zeichen umfassen.<br />

Das Preisgeld beträgt 1.500 Euro. Einreichungen<br />

sind erbeten in dreifacher Ausfertigung<br />

und anonym/mit Kennwort (persönliche Daten<br />

im geschlossenen Kuvert mit gleichem<br />

Kennwort) an: erostepost im Literaturhaus,<br />

Strubergase 23, A-5020 Salzburg<br />

Infos: Tel. 0043 662-439 589, Mail: erostepost@literaturhaus-salzburg.at<br />

oder http://<br />

www.erostepost.at/.<br />

Einsendeschluss: 31.12. 2009.<br />

11 GD Bildung und Kultur -<br />

Programm für lebenslanges Lernen<br />

Von unserem Mitglied Karin Manke, hautberuflich<br />

im Heimatmuseum Treptow/Tagebuch-<br />

und Erinnerungsarchiv erhalten wir<br />

folgende<br />

SCHREIB – AUFRUFE 2009<br />

In Vorbereitung auf das Jahr 2010 – dem<br />

20. Jahr der Deutschen Einheit – werden im<br />

engen Zusammenwirken der Einrichtun-<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 54<br />

gen des Tagebuch- und Erinnerungsarchivs<br />

beim Heimatmuseum Berlin/Treptow und<br />

des sozial.label e. V. folgende Schreibaufrufe<br />

ausgerufen. Diese sind Bestandteil des gemeinsamen<br />

Europa-Projektes EUROPEAN<br />

MEMORIES.<br />

1.<br />

Wie sehen sie aus, die sozialen Veränderungen,<br />

die alle Generationen betroffen haben –<br />

und dies nicht nur in Deutschland sondern<br />

länderübergreifend in ganz Europa?<br />

Erzählen und berichten Sie von einem (oder<br />

mehreren) entscheidenden Ereignissen Ihres<br />

Lebens, aus den vergangenen 20 Jahren.<br />

Eine neue Generation ist herangewachsen,<br />

die nie ein geteiltes Deutschland erlebt hat,<br />

die nicht mehr im „Osten“ bzw. im „Westen“<br />

aufgewachsen ist.<br />

Wir wünschen uns doch ganz besonders die<br />

Meinung der jungen Generation. Ist Ost und<br />

West für sie überhaupt noch ein Thema?<br />

Aber es geht auch um Fragen wie: Sind wir<br />

„ein Volk“ geworden? Was hat sich beruflich,<br />

privat in Ihrem Leben verändert? Erinnern<br />

Sie sich noch an Ihren ersten „West“ bzw.<br />

„Ost“-Begriff, den Sie hinzulernten? Haben<br />

sich Umgangsformen verändert? Findet ein<br />

Miteinander statt, nicht nur im ganz persönlichen<br />

Leben – in Freundschaften und Partnerschaftsbeziehungen<br />

– sondern auf allen<br />

gesellschaftlichen Ebenen? Wie unterschiedlich<br />

entwickelte sich das neue Deutschland<br />

in den jeweiligen Bundesländern? Und von<br />

welchen Erfahrungen haben Berliner zu berichten,<br />

die sich im „Schmelztiegel“ von Ost<br />

und West befinden?<br />

Welche Schwerpunkte im Rahmen des Europa-Projektes<br />

sind für den Schreibaufruf:<br />

2.<br />

Hinterfragen und Beleuchten kultureller Traditionen<br />

und Sitten in Europa, im Vergleich<br />

zum Heimatland.<br />

3.<br />

Worin zeigt und stellt sich uns ein Europa


dar, das nicht nur im Kopf sondern auch im<br />

Herzen präsent ist?<br />

Alle eingereichten Beiträge gehen in den<br />

Bestand des Tagebuch - und Erinnerungsarchivs<br />

über und stehen später Nutzern für<br />

Forschungszwecke zur Verfügung.<br />

Das Tagebuch - und Erinnerungsarchiv wird<br />

aus dem Fundus der Textzusendungen eine<br />

eigene Publikation erstellen. Die Auswahl<br />

dafür trifft ein Beratungsgremium .<br />

Durch eine zentrale Jury werden zwei Beiträge<br />

ausgewählt und finden Eingang in eine<br />

europäische Publikation.<br />

Alle Texte finden sich auf der Internetseite<br />

wieder.<br />

Die 1. Etappe endete am 20. Juni 2009, die 2.<br />

Etappe endet am 30. Oktober 2009.<br />

4.<br />

TAGEBUCH - Alltägliche Erfahrungen bewahren<br />

Das Schreiben geht weiter! 2007 hat es begonnen<br />

– zum 7.7.07 haben sich über 40 Autoren<br />

reflektierend diesem Tag besonders gewidmet.<br />

Mit großem Erfolg wurde auch dem<br />

8.8.08 seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt.<br />

Nun liegt der 9.9.2009 vor uns – nicht nur als<br />

eine magische Zahl, sondern als Anlass wieder<br />

das ganz persönliche Tagesgeschehen<br />

festzuhalten und das Leben, rückwirkend,<br />

zu betrachten.<br />

Uns interessiert der Alltag der Menschen.<br />

Womit sind sie beschäftigt? Welche Probleme<br />

und Krisen haben Sie bewältigt? Worin besteht<br />

Ihre geistige Nahrung? Was macht Sie<br />

besonders glücklich? Welche Erfahrungen<br />

und Erkenntnisse möchten Sie gern anderen<br />

Menschen weiter vermitteln?<br />

Diese Tagebuch-Form soll bis 12.12.2012 weiter<br />

geführt werden. Damit schaffen wir im<br />

Tagebuch – und Erinnerungsarchiv ein authentisches<br />

Dokument über einen längeren<br />

Zeitraum hinweg.<br />

Einsendeschluss: 23. Oktober 2009<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 55<br />

Bitte alle Textzusendungen mit jeweils einem<br />

Papierausdruck und einer digitalen Speicherung!<br />

Für weitere Fragen zu den Schreibaufrufen<br />

und zum Europa-Projekt steht Ihnen<br />

Karin Manke Tel. (030) 5346673 oder (030)<br />

902975653 gerne zur Verfügung.<br />

Für Einsendungen, die aus dem Bundesland<br />

Sachsen und Sachsen-Anhalt kommen,<br />

können Sie auch Frau Ines Branstner<br />

(0351/4692552) kontaktieren.<br />

Postanschrift für alle Einsendungen:<br />

Bezirksamt Treptow/Köpenick/Heimatmuseum<br />

Treptow<br />

Tagebuch und Erinnerungsarchiv<br />

PSF 910240, 12414 Berlin<br />

ta_er_ar@yahoo.de<br />

Stipendien<br />

1 Stuttgarter Schriftstellerhaus<br />

Der Verein Stuttgarter Schriftstellerhaus e. V.<br />

vergibt auch für das Jahr 2010 dreimonatige<br />

Wohn- und Arbeitsstipendien. Bewerben<br />

kann sich jeder deutschsprachige Schriftsteller/Schriftstellerin<br />

oder Übersetzer/Übersetzerin.<br />

Das Schriftstellerhaus vergibt in der<br />

Regel ein Stipendium für einen oder eine<br />

Übersetzer(in), ein Stipendium für eine(n)<br />

Kinder- und Jugendbuchautor(in) sowie zwei<br />

weitere Stipendien (Lyrik, Prosa, Drama).<br />

Das Stipendium ist mit einer Präsenzpflicht<br />

im Stuttgarter Schriftstellerhaus verbunden.<br />

Nach Abschluss des Stipendiums ist ein<br />

kleiner schriftlicher Arbeitsbericht in frei gewählter<br />

Form zu schreiben. Autoren, die kein<br />

Stipendium erhalten, haben die Möglichkeit,<br />

mit dem mit 1000 Euro dotierten Förderpreis<br />

des Vereins Stuttgarter Schriftstellerhaus ausgezeichnet<br />

zu werden. Einzureichen sind in<br />

fünffacher Ausführung eine Biographie, eine<br />

Bibliographie sowie eine kurze Werkprobe.<br />

Keine Büchersendungen! Eine Rücksendung<br />

der Unterlagen ist nicht möglich. Außerdem<br />

sind nach Möglichkeit zwei Persönlichkeiten


aus dem literarischen Leben zu nennen, die<br />

für Werk und Person einstehen.<br />

Bewerbungsstelle: Stuttgarter Schriftstellerhaus<br />

e. V., Kanalstraße 4, D-70182 Stuttgart.<br />

Infos: Tel. 0049-(0)711-233554, Mail astrid.<br />

braun@stuttgarter-schriftstellerhaus.de oder:<br />

http://www.stuttgarter-schriftstellerhaus.de/<br />

.<br />

Einsendeschluss: 15. August 2009.<br />

2 Literaturstipendium Inselschreiber<br />

Sylt/Johannesburg<br />

Dichten und Arbeiten an der Waterkant . Die<br />

Stiftung kunst:raum sylt quelle schreibt das<br />

‚Sylt-Quelle Literaturstipendium Inselschreiber’<br />

für deutschsprachige AutorInnen aus. Es<br />

bietet zehn Wochen Aufenthalt auf der Insel<br />

Sylt und in Johannesburg/ Südafrika. 6 bis 8<br />

Wochen verbringt der Stipendiat auf der Insel<br />

Sylt, mindestens 2 Wochen in Südafrikas<br />

Boomtown Johannesburg. Neben kostenfreiem<br />

Wohnen in einem 2-Zimmer-Appartment<br />

auf dem reizvollen Gelände der Sylt-Quelle<br />

in Rantum/Sylt und in einem modernen Studio<br />

in Johannesburg umfasst das Stipendium<br />

eine einmalige Zahlung von 5.000 Euro sowie<br />

die einmaligen Reisekosten von Deutschland<br />

nach Südafrika. Während des Stipendiums<br />

besteht Präsenzpflicht. Zwei Lesungen, eine<br />

im Literaturhaus Hamburg und eine in Johannesburg,<br />

gehören ebenfalls zu den Pflichten.<br />

Bewerben können sich deutschsprachige<br />

Autoren/innen unabhängig von Alter, Wohnsitz<br />

oder Staatsangehörigkeit. Der Bewerbung<br />

hinzuzufügen sind ein Lebenslauf und<br />

ein noch unveröffentlichter Essay oder eine<br />

noch unveröffentlichte Erzählung von ca. 4<br />

DIN A4 Seiten Länge.<br />

Thema des Essays/der Erzählung 2010: Der<br />

Weg hinaus.<br />

Über die Vergabe des Sylt-Quelle Literaturstipendiums<br />

entscheidet eine unabhängige<br />

Jury in einem zweistufigen Auswahlverfahren.<br />

Einsendungen nur per Email an folgende<br />

Adresse:<br />

Stiftung kunst:raum sylt quelle, Stichwort:<br />

Inselschreiber, Hafenstraße 1, D-25980 Ran-<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 56<br />

tum/Sylt, Mail: bewerbung@inselschreiber.<br />

de. Infos: Tel: 0049-4651-92031 oder. http://<br />

www.kr-sq.de/de/inselschreiber/index.php<br />

Bewerbungsschluss 15. Oktober 2009.<br />

Pfingsttreffen im Mai 2009 in Berlin<br />

AZ<br />

Im Ortsteil Johannisthal des Stadtbezirkes<br />

Berlin-Treptow kamen vom 28.-31. Mai der<br />

Vorstand, Mitglieder und Freunde der IGdA<br />

zusammen, um sich über Lyrik, Prosa, über<br />

Europa-Projekte und die Zukunft der <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

auszutauschen.<br />

Es war ein erster Versuch, Mitglieder und<br />

evtl. zukünftige Mitglieder miteinander in<br />

Verbindung zu bringen, um dem Ziel und<br />

Anspruch: „Verjüngung der IGdA“ gerecht<br />

zu werden.<br />

Gastgeber war das Tagebuch- und Erinnerungsarchiv<br />

beim Heimatmuseum Treptow,<br />

vertreten durch die Leiterin der Einrichtung.<br />

Räume für Gespräche, Lesungen sowie gastronomische<br />

Betreuung standen den Teilnehmern<br />

und Gästen zur Verfügung. Die<br />

Nachmittage und Abende gehörten touristischen<br />

Erkundungen im altehrwürdigen Köpenick<br />

und Treptow.<br />

Rainer Hengsbach-Parcham referierte über<br />

Lyrik. Die Frage stand im Raum, ob sich der<br />

Dichter für den Reim oder freie Rhythmen<br />

entscheidet und wann kann man dann von<br />

einem Gedicht sprechen, wann von lyrischer<br />

Prosa? An Hand von Beispielen, die Mitglieder<br />

und Gäste selbst vortrugen, wurde dies<br />

durch Worte des Redners bestätigt bzw. auch<br />

in Frage gestellt. Eine lebendige Diskussion<br />

entstand, in der klar und deutlich zum Ausdruck<br />

kam: Inhalt und Form bilden auch im<br />

Gedicht eine Einheit, verwoben mit einem<br />

meist starken Gefühl, einer Botschaft und das<br />

alles in möglichst originellen Metaphern verpackt.<br />

Purer Naturalismus, pure Wiedergabe<br />

von Erscheinungen sollten wohl besser in der<br />

Prosa zum Ausdruck gebracht werden. Und,


darin waren sich alle einig, ein Gedicht muss<br />

schwingen und fließen, Worte gleich einer<br />

Melodie zum Klingen bringen.<br />

Vier Berliner Autorinnen und Autoren stellten<br />

sich dann, an einem Nachmittag, mit ihren<br />

Texten vor.<br />

Claudia Altmann las Kurzprosa und Lyrik.<br />

Renate Loewenbergs Prosa-Geschichten, die<br />

sich sozialen Alltagsproblemen zuwandten,<br />

bewegten tief, aber ließen auch herzlich und<br />

befreiend alle Gäste zum Lachen bringen.<br />

Fanni Fam beeindruckte durch ihre ehrliche<br />

Reflektion auf ein Stück durchlittenes Leben.<br />

Besonders begeistert aber hat der junge<br />

Dennis <strong>Gustavus</strong>, der es verstand, mit seinen<br />

Episodengeschichten ein Stück DDR-Alltag<br />

auf ganz individuelle Weise wieder lebendig<br />

erden zu lassen.<br />

Die Leiterin des Tagebuch- und Erinnerungsarchives<br />

führte die von weit her angereisten<br />

Gäste durch die Dauerausstellung des Heimatmuseums<br />

Treptow und vermochte so einen<br />

Einblick in Treptower und Berliner Geschichte<br />

zu vermitteln.<br />

Vielleicht wird es wieder ein Pfingsttreffen<br />

im kommenden Jahr geben. Heimatmuseum,<br />

Tagebucharchiv und die Berliner Autorinnen<br />

und Autoren (die nicht der IGdA angehören)<br />

stehen auch dann wieder gerne als Gastgeber<br />

zur Verfügung.<br />

Auch die zu Beginn des Jahres begonnenen<br />

Regionaltreffen der IGdA-Mitglieder werden<br />

ab September 2009 weiterhin angeboten und<br />

hoffentlich von den Teilnehmern genutzt.<br />

Karin Manke<br />

2 Texte zum Workshop von Frau Manke<br />

Am stimmungsvollen Frühjahrstreffen der<br />

IGdA in Berlin – 28. – 31.5. 2009 - führte Karin<br />

Manke mit uns einen sehr anregenden Workshop<br />

durch. Wir hatten die Aufgabe, eine<br />

Jahreszahl zu ziehen und in ca. 30 Minuten<br />

eine Lebenssituation dazu zu erinnern. Hier<br />

zwei Beispieltexte dazu:<br />

IGda<br />

1980<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 57<br />

Nach acht Jahren Schweigepause wagte ich<br />

mich wieder daran, das Schreiben von einem<br />

Gedicht auszuprobieren. Die Gedanken<br />

dazu sperrte ich in meinen Kopf. Ich erzählte<br />

niemand etwas davon, lief auf meinen<br />

Schuhsohlen unsicher in den größeren Buchhandlungen<br />

umher, starrte die Seiten sog.<br />

‚moderner Lyrik’ an und wusste, ich würde<br />

dem Trend, abgebrochene Zeilen zu üben,<br />

mich anpassen müssen.<br />

Allzu gut erinnerte ich mich daran, warum<br />

ich vor diesen acht Pausenjahren in eine<br />

schriftstellerische Stille verfiel. Ich hatte eine<br />

umfangreichere Herzensblüte mit abendlicher<br />

Gefühlsseligkeit und überfrachteten<br />

Altreimen an die ’Horen’, eine der wichtigsten<br />

zeitgenössischen Literaturzeitungen geschickt.<br />

Die Antwort der Redaktion hatte meine künftigen<br />

Produktionen einstweilen in ein finsteres<br />

Aus geschoben.<br />

‚Schön, sehr schön’, hatten sie klar geantwortet.<br />

Aber – es wäre ‚vor hundert Jahren so<br />

schön’ gewesen. Nicht heutzutage. Und - sie<br />

hatten Recht.<br />

Zuhause suchte ich mir ein besonderes Papier<br />

aus einer hinteren Schublade heraus<br />

und dachte eine Ansammlung von Grübelminuten<br />

nach, an welchem Objekt ich diese<br />

modisch abgebrochenen Zeilen üben oder<br />

versuchen sollte.<br />

Mein Großvater zog mir durch den Sinn. Er<br />

hatte sich erst vor vier Wochen aus dem Leben<br />

verabschiedet. Ich hatte ihn mehr als geliebt,<br />

bewundert und – ich hatte noch nicht<br />

sehr viel Erfahrung mit dem Tod von Menschen<br />

gehabt.<br />

Ich schrieb und schrieb, es strömte ein sich<br />

von selbst dehnendes Wortmeer aus meiner<br />

Erinnerung - wie er es fertig gebracht hatte,<br />

in dem gesamten 1000-jährigen Reich standzuhalten<br />

und kein Mitglied der NSDAP zu<br />

werden. Dabei war dies für den geschäftsführenden<br />

Direktor einer Kleinfabrik gar<br />

nicht so einfach gewesen.<br />

‚Ich werde es mir überlegen,’ hatte er refrainmäßig<br />

den sich wiederholenden Politanfra-


gen geantwortet – und blieb bis zum Schluss:<br />

Nichtmitglied.<br />

Ich sandte meinen Worterguss kurzerhand<br />

an eine dieser Literaturzeitungen, eine Zeilengeschwulst,<br />

zu der ich schon lang‘ nicht<br />

mehr stehen würde.<br />

Der Großvater jedoch muss einen Eindruck<br />

hinterlassen haben, auch wenn ich mein Gedicht<br />

bald vergessen hatte.<br />

Ein Jahr später zog ich die Nachricht aus meinem<br />

klappernden Briefkasten. Mein erstes<br />

Gedicht würde abgedruckt.<br />

Ich fand mich in der Zeitung neben Hans Jürgen<br />

Heise und Karl Krolow wieder, die ich<br />

damals noch gar nicht kannte.<br />

2001<br />

Angelika Zöllner<br />

Kulturelle, vor allem aber literarische Vereinigungen<br />

geraten in Gefahr, sich kaum weiter<br />

zu entwickeln. Es ist ja gut, wie es ist, alle sind<br />

zufrieden … Sind sie das? Sind sie es, weil<br />

sie es nicht anders kennen, weil sie vielleicht<br />

Angst vor Veränderungen, vor Neuerungen<br />

haben? In einer jener Vereinigungen, in der<br />

man rechnerisch feststellen konnte, wann<br />

wer Gewinner des jährlich ausgeschriebenen<br />

Preises werden würde, war ich seit einigen<br />

Jahren Mitglied. Zufrieden, aber doch nicht<br />

ganz. Irgendetwas sollte anders werden, sollte<br />

Entwicklung zulassen.<br />

Es war 2001. In diesem Jahr startete der Versuch,<br />

junge Autoren aus Europa zu finden,<br />

die sich der Lyrik verschrieben hatten, wie<br />

viele andere und ich.<br />

Warum? Aus Interesse, Neugier und anderen<br />

Gründen, auch deshalb, um junge Menschen<br />

zu finden, die Mitglieder werden sollten und<br />

das möglichst für eine lange Zeit.<br />

Eigentlich – so fängt man keinen Satz an, aber<br />

ich brauche dieses Wort – hatte ich wenig<br />

Hoffnung, von jungen Menschen Beiträge<br />

zu einem Schreibwettbewerb zu bekommen.<br />

Der ausgeschriebene Preis war nicht hoch,<br />

mein Name gänzlich unbekannt. Es sollte ein<br />

Versuch sein.<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 58<br />

Unerwartet erhielt ich nach kurzer Zeit viele,<br />

nein, zahlreiche Zusendungen per Post – Sie<br />

wissen, das ist das, was der Briefträger bringt<br />

– und mein virtuelles Postfach quoll über. In<br />

diesem Jahr kamen fast 600 Gedichte, darunter<br />

waren viele, erstaunlich gute. Die Einsender<br />

lebten in Deutschland, der Schweiz,<br />

Österreich, der Türkei, Italien, Spanien, Bulgarien<br />

und in Russland. Darunter waren<br />

eine Tscherkessin, in der Türkei geboren, in<br />

Deutschland lebend, Autoren mit Migrantenhintergrund,<br />

usw. Sogar aus den USA<br />

kamen Gedichte. Der Wettbewerb existiert<br />

noch. Im letzten Jahr waren 960 Gedichte zu<br />

bewerten.<br />

Das Jahr 2001 hatte sehr viele Kontakte gebracht,<br />

einige davon halten bis heute. Aus<br />

den beigefügten Briefen und Mails konnte<br />

ich einiges über Leben, Sorgen und Freuden<br />

und Schicksale der jungen Menschen erfahren.<br />

Das war eine für mich sehr wertvolle Erfahrung.<br />

Es ist gelungen, einen Schweizer Lehrer,<br />

der eine Verpflichtung an die Lomonossow-<br />

Universität in Moskau hatte, jedoch kaum<br />

Russisch sprechen noch schreiben konnte,<br />

mit einer Jungautorin aus Moskau, die hervorragende<br />

Deutschkenntnisse besitzt, zusammen<br />

zu bringen. Beide sind heute noch<br />

in Kontakt. Aus dem Aufenthalt des Schweizer<br />

Lehrers ist ein Gedichtband über Moskau<br />

entstanden.<br />

2001 war auch der Beginn für zahlreiche andere<br />

Aktivitäten für junge Menschen, mit<br />

jungen Menschen, ein europäischer Gedanke,<br />

wie es sich erst mit den Jahren zeigte.<br />

Gaby G. Blattl


AUS DEM VORSTAND<br />

IGdA-Mitgliedsbeitrag<br />

Auf ein Wort! Sagt sich so schön. Es werden<br />

schon ein paar Absätze sein müssen.<br />

Ich hoffe, alle Mitglieder erhalten Ihr Gehalt,<br />

Ihre Rente, Ihre Pension oder Ihre Bezüge regelmäßig<br />

und fristgerecht. Dann gehören Sie<br />

zu dem Anteil, der auf diese Regelmäßigkeit<br />

baut. Sie sind damit in die Lage versetzt, jedenfalls<br />

für den monatlich überschaubaren<br />

Zeitrahmen, über Ihre finanzielle Verfügungsmasse<br />

disponieren zu können. Je enger<br />

die Spielräume, desto mehr sind sie auf regelmäßige<br />

Zahlungseingänge angewiesen.<br />

Auch ein Verein muss mit seiner Verfügungsmasse<br />

rechnen, allerdings auf ein Kalenderjahr<br />

bezogen. Er muss mit den eintreffenden<br />

Mitteln auskommen, denn er kann sein Konto<br />

nicht überziehen. Schulden machen, wie<br />

beim Staatshaushalt, entfällt. Denn wer gibt<br />

ihm Bürgschaften?<br />

Nun fallen die Ausgaben nicht alle im ersten<br />

Monat eines Kalenderjahres an, sondern<br />

verteilen sich übers Jahr, wie etwa die die<br />

Kosten für die Zeitschrift „aktuell“ oder sie<br />

fallen zu einem späteren Zeitpunkt an, wie<br />

etwa im Rahmen der Jahrestagung Descher-<br />

Feder u.a.. Deshalb müssen zum Jahresbeginn<br />

nicht alle Mitgliedsbeiträge vorliegen,<br />

aber doch die Mehrzahl.<br />

Als Schatzmeister arbeite ich ehrenamtlich<br />

und möchte den Arbeitsaufwand verständlicherweise<br />

möglichst gering halten. Sie wissen<br />

ja, Zeit ist kostbar. Ein guter Handwerker<br />

lässt sich entsprechend bezahlen, von Bankvorständen<br />

ganz zu schweigen. Auch würde<br />

ich gerne meine Zeit für das Feilen an einem<br />

Gedicht nutzen oder mit den Enkelkindern<br />

verbringen. Besonders dankbar bin ich daher<br />

all jenen Mitgliedern, die sich am Lasteneinzugsverfahren<br />

beteiligen. Sie ersparen mir<br />

eine Menge Arbeit. Denn wenn es erst einmal<br />

eingerichtet ist, dann läuft es automatisch, so<br />

lange keine Kontoänderung oder Beitragsänderung<br />

kommt. In gleicher Weise danke<br />

ich all jenen Mitgliedern, die selbst überwei-<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 59<br />

sen und dies unaufgefordert im ersten Jahresquartal<br />

tun. Glücklicherweise trifft dies<br />

für rund 80% der Mitglieds-beiträge beider<br />

Gruppen zu.<br />

Wer seine Zahlungen selbst verantwortlich<br />

leistet, den möchte ich herzlich bitten, dies<br />

stets im ersten Quartal eines Jahres zu tun.<br />

Wer es nicht getan, bitte möglichst umgehend,<br />

bevor ich leider Mahnungen verschicken<br />

muss. Dabei bemühe ich mich, dies<br />

möglichst per Mail zu machen, um Kosten<br />

für den Verein zu sparen. Und bitte, bei<br />

Überweisungen auch eindeutigen Namen<br />

und Zweck angeben. So lassen sich beim Zuordnen<br />

einer Beitragszahlung zeitaufwändige<br />

Nachforschungen vermeiden.<br />

Für rund 20% der Mitglieder bin ich im Zugzwang,<br />

die Mitgliedsbeiträge zu erbitten.<br />

Dies verteilt sich auf verschiedene Gruppen:<br />

Es bleiben noch genug Zeitaufwendungen<br />

für bestimmte Fälle übrig:<br />

1. Bei begrüßenswerten neuen Mitgliedschaften.<br />

Da das Lastschriftverfahren bei der<br />

Postbank etwa umständlich ist und erst im<br />

nächsten Jahr wirksam wird, bitte ich Neumitglieder<br />

ihren Mitgliedsbeitrag für das<br />

laufende Jahr plus 5 € Veraltungsgebühr direkt<br />

zu überweisen (nach dem 30. Juni eines<br />

Jahres wird nur die Hälfte fällig), auch wenn<br />

sie eine Einzugsberechtigung ausgestellt haben.<br />

2. Bei Mitgliedschaft in Nicht-EU-Ländern<br />

(z.B. Schweiz, USA). Hier müssen gegebenenfalls<br />

Sonderlösungen gefunden werden,<br />

da die Bankgebühren erheblich sind.<br />

Manche Banken kassieren ihren Anteil einfach<br />

ab und so kommt nicht der volle Mitgliedsbeitrag<br />

auf dem IGdA-Konto an und<br />

dem Schatzmeister fällt die leidige Aufgabe<br />

zu, Nachforderungen zu stellen. In EU-Ländern<br />

ist die Überweisung seit Einführung<br />

von IBAN und BIC seit einiger Zeit ohne Gebühren<br />

und reibungslos möglich.<br />

3. Mitglieder deren Kontonummer aus<br />

irgendeinem Grund nicht stimmen. Hier gibt<br />

es Bedarf für Klärung.<br />

4. Bei reduziertem Mitgliedsbeitrag.<br />

Grundsätzlich ist der volle Mitgliedsbeitrag<br />

von 50 € zu entrichten. Ausgenommen wer-


den Mitglieder in besonderer persönlicher<br />

und finanzieller Situation. Hierzu ist unaufgefordert<br />

jährlich ein Nachweis zu erbringen.<br />

In all zu vielen Fällen fehlt er. Ersparen sie es<br />

mir, nachzuhaken.<br />

5. Abgetauchte Mitglieder bzw. schwer<br />

erkrankte bzw. verstorbene Mitglieder.<br />

Es gibt einige Fälle, wo weder ein Mitgliedsbeitrag<br />

geleistet, noch auf eine Anfrage geantwortet<br />

wird. Solange nicht satzungsgemäß<br />

gekündigt wurde, besteht Beitragspflicht.<br />

Eine Kündigung muss mit einer Frist von<br />

drei Monaten zum Jahresende schriftlich bei<br />

der Geschäftsstelle vorliegen, andernfalls ist<br />

der Beitrag für ein weiteres Jahr fällig. Sollte<br />

wiederholt kein Mitgliedsbeitrag geleistet<br />

werden, beschließt der Vorstand den Ausschluss,<br />

nachdem das Mitglied mehrmals gemahnt<br />

worden ist.<br />

Trifft ein Mitglied ein schwerer Schicksalsschlag,<br />

der eine Mitgliedschaft für die<br />

Zukunft ausschließt, sollte dies, soweit es<br />

jemand bekannt wird, dem Vorstand mitgeteilt<br />

werden, um unsinnige Mahnungen zu<br />

vermeiden.<br />

Bitte haben Sie auch Verständnis, wenn es<br />

vorkommt, dass ich Sie anschreibe und um<br />

Mithilfe bei der Klärung ihrer Zahlung(en)<br />

bitte. Unstimmigkeiten können leider nur mit<br />

Ihrer Mithilfe ausgeräumt werden. Ich bitte<br />

Sie, mir nachzusehen, dass ich mich nicht jeden<br />

Tag und jede Woche, um die Mitgliedsbeiträge<br />

kümmere. So kann es vorkommen,<br />

dass nach einiger Zeit ich neu in die Listen<br />

einsteige und mir dabei schon mal ein Fehler<br />

unterlaufen kann. Dies ist keine Absicht.<br />

Aber die Unklarheiten liegen nicht nur auf<br />

meiner Seite. Bisher haben sich die Unklarheiten<br />

aufklären lassen.<br />

Mein ganz besonderer Dank gilt den Mitgliedern,<br />

die pünktlich zahlen. Glücklicherweise<br />

ist das die Mehrzahl. Hervorheben<br />

möchte ich, dass einige Mitglieder über den<br />

Mitgliedsbeitrag hinaus, der IGdA Spenden<br />

zukommen lassen. Dafür ist die IGdA sehr<br />

dankbar. Leider reichen die Einsparungen<br />

bei der Zeitschrift und der Verzicht auf eine<br />

Vorstandsitzung nicht aus, den Engpass bei<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 60<br />

den Finanzen zu beseitigen. Spenden sind<br />

herzlich willkommen. Dinge, wie ein Almanach<br />

oder Messestand auf der Buchmesse<br />

sind bei der jetzigen Finanzlage nicht möglich.<br />

Eine pünktliche Beitragszahlung würde<br />

wenigstens das Zeitschriftprojekt, die Homepage<br />

und die Preisvergaben in diesem Jahr<br />

sichern. Und dies sollte auf jeden Fall im<br />

Interesse des Vereins als Minimum möglich<br />

sein.<br />

Volker Wille<br />

Schatzmeister<br />

MITGLIEDER BERICHTEN<br />

Vergangenen Juni stellte Walter Ehrismann<br />

(CH) zum zweiten Male in der Galerie am<br />

Platz in Eglisau (CH) aus. Die Galerie existiert<br />

seit über 40 Jahren und ist mitten im<br />

mittelalterlichen Städtchen am Oberrhein gelegen,<br />

umgeben von Weinbergen.<br />

„Am Weg zur Farbe“ titelte die Ausstellung,<br />

und das aus nahe liegenden Gründen, denn<br />

Ehrismann war mit einem Textbeitrag 2007<br />

zum Thema „Farben“ im Podium vertreten,<br />

einer Kunstanthologie, die in Wien heraus<br />

gegeben wird. Und es waren die Farben,<br />

die die Besucher begeisterten: die neuesten<br />

Werkgruppen, große Leinwände, von Gelb<br />

zu Rosa, zu Weiß, Hellblau und Hellgrün<br />

pulsierend, von der Fotografie herkommend,<br />

mit Oeltempera übermalte Ink Jets, Bilder,<br />

die in ihrer subtilen Farbigkeit weit über alles<br />

hinaus gehen, was der Künstler bis her<br />

zu seinem Thema gemacht hat: Ein Fest der<br />

Farben!


IGdA in Wien<br />

Der erste Abend in diesem Jahr, Donnerstag,<br />

26. März 2009, 19 Uhr in Goldschmied’s<br />

Galerie Heinrich, Wien, war als literarischer<br />

Abend gedacht, Das neue Buch von Othmar<br />

Seidner, Widersprüche II, sollte präsentiert,<br />

einige Auszüge aus dem Schaffen der Mitglieder<br />

vorgetragen werden. Dazu war eine<br />

kurze Präsentation der IGdA geplant. Manche<br />

Abende entwickeln Eigendynamik, so<br />

auch hier. Nach einer kurzen Lesung der<br />

Gedichte von Othmar Seidner, einer ebenso<br />

kurzen Vorstellung der IGdA, wurde eine<br />

Fragestunde eingeleitet. Das Publikum interessierte<br />

sich in erster Linie für die Zeitung<br />

‚IGdA-aktuell‘, für die Aktivitäten der IGdA,<br />

Möglichkeiten, fragte nach Beitrittsmöglichkeiten.<br />

Othmar Seidner und ich gaben Auskunft,<br />

sprachen von den beiden Treffen in<br />

diesem Jahr, die auch von Gästen besucht<br />

werden könnten.<br />

Es war nicht nur für das Publikum interessant,<br />

Neues zu erfahren, auch für uns war es<br />

eine neue Erfahrung, Rede und Antwort zu<br />

stehen.<br />

Der zweite Abend fand Donnerstag, 7. Mai<br />

2009, um 19 Uhr statt. Anna Maria Sauseng<br />

konnte nach langer Zeit wieder nach Wien<br />

kommen, um hier aus ihrem Werk vorzutragen;<br />

dazu stand Helmfried Knoll auf dem<br />

Programm. Eines unserer neuen Mitglieder,<br />

Irmentraud ter Veer, war in Wien. So konnte<br />

ich sie einladen, in einer kurzen Lesung<br />

n diesem Abend teilzunehmen. Musikalisch<br />

untermalt wurde von Prof. Alfred Hertel,<br />

Oboe, Maria Szepesi, Sopran und dem Wiener<br />

Komponisten Norbert Herzog, der einige<br />

Gedichte von Anna Maria Sauseng vertont<br />

hatte. Othmar Seidner trug mit Anna Maria<br />

Sauseng aus deren Werk vor, Helmfried<br />

Knoll erzählte in seinem Beitrag über die österreichische<br />

Bundeshymne.<br />

Sowohl die Beiträge der beiden Autoren als<br />

auch die Zwischenmusik, vor allem sieben<br />

Lieder nach Texten der Autorin, gesungen<br />

von Maria Szepesi – eine österreichische Ur-<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 61<br />

aufführung – wurde von einem begeisterten<br />

Publikum sehr gut aufgenommen.<br />

Der nächste Abend findet am 29. Oktober<br />

2009 statt.<br />

Jahreshauptversammlung 2008<br />

(Nachtrag)<br />

Gaby G. Blattl<br />

Wie bereites im Editorial erwähnt, wurde<br />

versäumt, das Protokoll der Jahreshaupt-<br />

versammlung 2008 in Geiselwind abzudrucken.<br />

Ich hoffe, Sie können das Versäumnis<br />

verzeihen.<br />

<strong>Interessengemeinschaft</strong> <strong>deutschsprachiger</strong><br />

Autoren e. V. - VR 1829<br />

Protokoll der Jahreshauptversammlung vom<br />

26. September 2008 im Hotel Strohofer,<br />

Geiselwind<br />

Die Versammlung beginnt um 16 Uhr. Die zu<br />

diesem Zeitpunkt anwesenden elf Mitglieder<br />

wählen Herrn Dr. Volker Wille zum Versammlungsleiter.<br />

Herr Dr. Wille erklärt, dass<br />

die Mitgliederversammlung nicht beschlussfähig<br />

ist. Auf seinen Vorschlag entscheiden<br />

die anwesenden Mitglieder, die Versammlung<br />

um eine halbe Stunde zu vertagen.<br />

TOP 1<br />

Um 16.35 Uhr begrüßt der Versammlungsleiter<br />

Herr Dr. Volker Wille die elf anwesenden<br />

Mitglieder und erklärt, dass sich folgende<br />

Damen und Herren entschuldigt haben:<br />

Jutta Miller-Waldner wegen Krankheit,<br />

Rainer Hengsbach-Pacham wegen Krankheit,<br />

Prof. Dr. Horst Dinter hat abgesagt,<br />

Georg Walz aus familiären Gründen,<br />

Waltraud Weiß hat abgesagt, ebenso<br />

Peter Dreyling wegen beruflicher Verpflichtungen.<br />

Dann stellt der Versammlungsleiter fest, dass


sich die angereiste Frau Gesina M. Jaeckle in<br />

ihrem Hotelzimmer befindet, weil sie sich<br />

unwohl fühlt. Frau Jaeckle kommt nach 17<br />

Uhr und trägt sich als 12. Mitglied in die Anwesenheitsliste<br />

ein.<br />

TOP 2<br />

Der Versammlungsleiter vergewissert sich,<br />

dass die anwesenden Mitglieder satzungsgemäße<br />

Einladungen erhielten. Das Protokoll<br />

der Jahreshauptversammlung 2007, zu dem<br />

es keine Einwände gibt, wird einstimmig angenommen.<br />

TOP 3<br />

Der Versammlungsleiter erklärt, dass der Bericht<br />

der 1. Vorsitzenden wegen der Erkrankung<br />

von Frau Jutta Miller-Waldner entfällt.<br />

TOP 4<br />

Der Bericht der Geschäftsführerin entfällt,<br />

weil diese Position erst von Frau Gaby G.<br />

Blattl übernommen wurde.<br />

TOP 5<br />

Herr Dr. Volker Wille gibt als Schatzmeister<br />

seine Berichte für 2006 und 2007 ab.<br />

TOP 6<br />

Der Bericht der Kassenprüfer entfällt, weil<br />

der Rechnungsprüfer Herr Peter Dreyling<br />

wegen beruflicher Verpflichtungen entschuldigt<br />

ist. Die Rechnungsprüferin Frau Gesina<br />

M. Jaeckle erklärt später auf eine Frage des<br />

Versammlungsleiters, dass sie nur zusammen<br />

mit Herrn Peter Dreyling einen Bericht<br />

abgeben kann.<br />

TOP 7 und TOP 8<br />

Nach längerer Diskussion über die Entlastung<br />

des Vorstands für 2006 und 2007 wird<br />

folgendes einstimmig - bei Enthaltung der<br />

Betroffenen - beschlossen: Der Vorstand wird<br />

vorbehaltlich der ausstehenden Kassenprü-<br />

IGda<br />

fungsberichte entlastet.<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 62<br />

TOP 9<br />

Die Wahlleiterin Frau Gaby Hühn-Keller erklärt,<br />

dass 96 Wahlzettel aus den Wahlbriefen<br />

mit Poststempel bis einschl. 31.08.2008<br />

gezählt wurden. Fünf dieser Wahlzettel waren<br />

ungültig. Von den gültigen 91 Wahlzetteln<br />

entfielen folgende Stimmen auf die neun<br />

Kandidaten:<br />

Gaby G. Blattl 41<br />

Gabriela Franze 41<br />

Rainer Hengsbach-Parcham 50<br />

Jutta Miller-Waldner 69<br />

Othmar Seidner 49<br />

Georg Walz 45<br />

Waltraud Weiß 59<br />

Dr. Volker Wille 58<br />

Angelika Zöllner 53<br />

TOP 10<br />

Von den unter TOP 9 genannten Kandidaten<br />

sind nach Stimmenzahl und Satzung folgende<br />

sieben Personen gewählte Vorstandsmitglieder:<br />

RainerHengsbach-Parcham<br />

Jutta Miller-Waldner<br />

Othmar Seidner<br />

Georg Walz<br />

Waltraud Weiß<br />

Dr. Volker Wille<br />

Angelika Zöllner<br />

In der Vorstandssitzung vor der Jahreshauptversammlung<br />

wurden von den gewählten<br />

Vorstandsmitgliedern folgende Mitglieder<br />

als Kooptationsmitglieder in den Vorstand<br />

hinzugewählt:<br />

Gaby G. Blattl<br />

Gabriela Franze<br />

Prof. Dr. Horst Dinter (befristet)<br />

Die Vorstandschaft hat in der vorher stattgefundenen<br />

Vorstandssitzung satzungsgemäß<br />

per Abstimmung folgende Funktionen vergeben:<br />

1. Vorsitzender Othmar Seidner,<br />

Handelskai 224/5/9/59, A-1020 Wien


2. Vorsitzender Prof. Dr. Horst Dinter<br />

(befristet), Am Bahnhof 5,<br />

D-74670 Forchtenberg<br />

Schatzmeister Dr. Volker Wille,<br />

Platanenhof 23, D-30659 Hannover<br />

Schriftführerin Waltraud Weiß,<br />

Ingendorfer Weg 71, D-50829 Köln 30<br />

Geschäftsführerin Gaby G. Blattl,<br />

Anton-Baumgartner-Str.44/ C3/ 2503<br />

A-1230 Wien<br />

Beisitzer:<br />

• Rainer Hengsbach-Parcham,<br />

Stieglakeweg 21, D-13591 Berlin<br />

• Jutta Miller-Waldner, Müllerstr. 22 e,<br />

D-12207 Berlin<br />

• Angelika Zöllner,<br />

Imkerweg 11, D-42279 Wuppertal<br />

• Georg Walz,<br />

Wacholderstr. 2, D-82515 Wolfratshausen<br />

• Gabriela Franze,<br />

Rosenweg 8, D-09669 Frankenberg/Sa<br />

Die anwesenden Vorstandsmitglieder sind<br />

bereit, ihre Aufgaben zu übernehmen, von<br />

den übrigen wird die Zustimmung schriftlich<br />

eingeholt und dem Protokoll der Vorstandssitzung<br />

beigefügt.<br />

TOP 11<br />

Eine Neuwahl der Kassenprüfer erfolgt<br />

nicht, da Herr Dreyling nicht anwesend ist.<br />

Frau Jaeckle erklärt, dass sie das Amt abgeben<br />

will. Eine Wahl der Kassenprüfer soll im<br />

Rahmen der nächsten Mitgliederversammlung<br />

erfolgen, die dann das Jahr 2008 überprüfen<br />

wird. Die Überprüfung für 2006 und<br />

2007 soll jedoch bis Jahresende gemeinsam<br />

mit Herrn Dreyling durchgeführt werden.<br />

TOP 12<br />

Die Rudolf-Descher-Feder 2008 erhält Frau<br />

Luitgard Kasper-Merbach am 27.09.2008.<br />

IGda<br />

TOP 13<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 63<br />

Die Jahreshauptversammlung 2009 soll im<br />

September 2009 in Frankenberg/Sachsen<br />

stattfinden. (Genauer Termin wird noch festgelegt.)<br />

TOP 14<br />

Verschiedenes<br />

Unter dem Tagesordnungspunkt 14 wurden<br />

keine Beschlüsse gefasst.<br />

Gegen 18.10 Uhr erklärt der Versammlungsleiter<br />

die Jahreshauptversammlung 2008 für<br />

beendet.<br />

Schonungen, den 14. Oktober 2008<br />

(Konrad Wirner)<br />

Protokollführer<br />

LESERBRIEFE<br />

Hallo wertes Team,<br />

ich wollte euch nur mal ein Dankeschön senden,<br />

für die viele Arbeit, die Ihr Euch mit eurer<br />

Homepage macht.<br />

Sie enthält eine Fülle von Informationen und<br />

Links, wie man sie selten auf einer Webseite<br />

findet. Vielen Dank dafür.<br />

Mit freundlichem Gruß Bernhard Ka<br />

Auch ein L e s e r b r i e f<br />

Einwand gegen KHS-Text in 1/09<br />

S. 22 ff<br />

Sublimationsprophylaxe: Welch ein Wortgeschwalle!<br />

Warum will KHS eine sprachliche Verfeinerung<br />

der Lyrik vermeiden, ihr vorbeugen?<br />

Ist es nicht gerade Aufgabe der Lyrik, oder<br />

soll nur noch in Umgangs- und Gossensprache<br />

geschrieben werden? Ist das dann Zwischenmenschlichkeit<br />

(„interaktive Lyrik“ –


wieder typische Sprechblasenrhetorik!).<br />

Der Textschreiber Karl-Heinz Schreiber ist<br />

immer bereit, in arrogant-überheblicher Art<br />

die Texte anderer abzuqualifizieren. Was aber<br />

bieten seine eigenen Texte? Nun also schafft<br />

er es, ein als „Essay“ verkleidetes Elaborat –<br />

er selbst pflegt ja möglichst oft, Fremdwörter<br />

zu verwenden – in die ‚aktuell 1/09 zu bringen.<br />

Sollte dies der an sich lobenswerte Versuch<br />

sein zu zeigen, dass er auch anderes kann,<br />

als nur andere Autoren zur Schnecke zu machen?<br />

Oder was will dieser Text? Ich lese lieber<br />

Gehaltvolles, wie bisher meistens, in der<br />

ZS.<br />

Dieser Artikel aber ist eine aufgeblähte<br />

Sprachblase, weitgehend ohne Inhalt oder<br />

Sinn. Das wird jedoch durch den ausufernden,<br />

arroganten Gebrauch von Fremdwörtern<br />

verschleiert Er vermeidet es, allgemein<br />

verständlich zu schreiben So wird wohl in<br />

KHS’s Diktion das gute deutsche Wort „denken“<br />

zum „autogen interaktiven mentalen<br />

Prozess“. Erträglich ist so etwas nur als Persiflage.<br />

Wagen es Leser zu obigem Text zu sagen:<br />

„Das ist doch bloß unverständliches Blabla,“<br />

so wird KHS diese sofort als geistig minderbemittelt<br />

abqualifizieren. Das ist seine Art! Es<br />

gehört schon eine gewisse Portion Mut dazu,<br />

diesen Text offen abzulehnen.<br />

Was sagt der Text? Nichts von allgemeiner<br />

Bedeutung!<br />

Was will er? Sich selbst darstellen.<br />

Fragt man sich nach der Lektüre, was wurde<br />

eigentlich festgestellt, was meint der Schreiber?<br />

Unklares Gerede, Phrasen ohne Inhalt,<br />

aufgeblasenes Fremdwörtergeschreibe – also<br />

Nichts! „Getretner Quark, wird breit, nicht<br />

stark.“ ist der Kommentar, der sich aufdrängt,;<br />

denn wer, außer dem Verfasser, hat<br />

denn etwas von diesem Text? Er ist unnötig<br />

und einfach ärgerlich! Schade um den verschenkten<br />

Platz in der ZS.<br />

Nun, höchstens als Abschreckung oder als<br />

Anregung für Leserbriefe dürfte er eine Daseinsberechtigung<br />

haben.<br />

Also: wer traut sich noch?<br />

Renate Weidauer<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 64<br />

Zeitgut Autoren/Innen – Welche Erfahrungen<br />

haben Sie mit dem ZEITGUT-Verlag<br />

gemacht?<br />

Kennen Sie den Aufruf: „Erinnerungen gesucht?“<br />

Wenn ja, dann kennen Sie vielleicht<br />

auch die Reihe „ZEITGUT“ aus dem Verlag<br />

gleichen Namens (ehemals JKL Publikationen<br />

GmbH, Berlin)? Herausgeber ist Jürgen<br />

Kleindienst. (Vgl. www.zeitgut.com). Dabei<br />

handelt es sich um Publikationen, die Spuren<br />

der Vergangenheit sichern. Sie basieren<br />

auf Zeitzeugenberichte. Das Projekt hielt ich<br />

für beteiligungswert und auch interessant.<br />

Nur, und da liegt für mich ein großes Fragezeichen:<br />

Der Weg und Umgang mit mir als<br />

Autor ist zumindest ungehörig. Immerhin<br />

bin ich drei Werken vertreten ( in „Lebertran<br />

und Chewing Gum“ Bd. 14, 2000, „Halbstark<br />

und tüchtig“, Bd. 17 2002 und „Unvergessene<br />

Schulzeit 1945-1962“, 2005, TB Bd.2)<br />

Es begann vor etwa zwei Jahrzehnten mit<br />

Aufrufen zu Zeitzeugenberichten für bestimmte<br />

Themen und Zeitabschnitte. Ich beteiligte<br />

mich daran. Einige Beiträge wurden<br />

wie vereinbart gedruckt. Die Basis hierfür ist<br />

ein Vertrag, der auf Druckkostenzuschuss<br />

hinaus läuft. Da aber eine bescheidene Beteiligung<br />

am Verkauf vertraglich angeboten<br />

wurde, schien mir dieser Weg einigermaßen<br />

akzeptabel. Schließlich mussten die eingereichten<br />

Beiträge geprüft und wenn eine Veröffentlichung<br />

in Aussicht gestellt war, auch<br />

lektoriert werden. Der Druckkostenzuschuss<br />

pro Seite war umgehend vom Autor zu zahlen.<br />

Als Gegenleistung wurde eine bescheidene<br />

Ausschüttung nach Veröffentlichung<br />

von den verkauften Bänden entsprechend<br />

der belegten Seiten vertraglich garantiert.<br />

Meine Verträge wurden auf der oben genannten<br />

Basis abgeschlossen, die dann verändert<br />

wurden. Die Ausschüttung wurde<br />

von 10 % auf 8 % (im Jahr 2000) reduziert.<br />

Heute erhalten Autoren keine Ausschüttung<br />

mehr, dafür drei Belegexemplare und das<br />

Recht Bücher mit 35% Preisnachlass zu erwerben.<br />

Für diese Änderung mag es Gründe<br />

gegeben haben.


Für ein unangemessenes „Geschäftsgebaren“<br />

halte ich es jedoch, Beiträge vertraglich<br />

zur Veröffentlichung anzunehmen und sie<br />

nach rund einem Jahrzehnt nicht zu publizieren,<br />

geschweige mitzuteilen, dass sich das<br />

Konzept möglicherweise erweitert oder verändert<br />

hat und eine Einlösung der Verträge<br />

offensichtlich nicht mehr opportun ist. Eine<br />

Steigerung erfährt dieses Verhalten, dass ich<br />

auf mein Schreiben vom März dieses Jahres<br />

keine Antwort erhalten habe, geschweige<br />

denn, die erbetene Rückzahlung meiner geleisteten<br />

Seitenzahlungen erfolgt ist. Selbst<br />

die Ausschüttung für die veröffentlichten<br />

Beiträge ist nur unvollständig erfolgt.<br />

Da ich nicht weiß, ob es sich bei mir um einen<br />

Einzelfall handelt, oder ob diese Art sich<br />

zinsloses Kapital zu besorgen, oft erfolgt ist<br />

- es handelt sich vermutlich auch um ältere<br />

Menschen, die aus der Erinnerung schöpfen -<br />

wende ich mich an die Öffentlichkeit und bitte<br />

darum, dass sich weitere Autoren/Innen,<br />

die ähnliches Erfahrungen mit dem ZEIT-<br />

GUT-Verlag machen, sich melden. Sollte sich<br />

herausstellen, dass hier ein „systematisches“<br />

Vorgehen vorliegt, wäre dies ein Grund<br />

rechtliche Schritte zu prüfen. Sofern Sie auch<br />

betroffen sind und eine Rückzahlung ihrer<br />

im Rahmen von ZEITGUT-Autorenverträgen<br />

geleisteten Zahlungen erwägen, nehmen Sie<br />

bitte mit mir Kontakt auf über Internet:<br />

ADL.wille@t-online.de bzw. Telefon oder<br />

Postadresse.<br />

Mit bestem Dank<br />

Willi Volka<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 65<br />

Einladung<br />

zur Jahreshauptversammlung<br />

Sehr geehrtes Mitglied,<br />

hiermit lade ist Sie herzlich zur diesjährigen<br />

Jahreshauptversammlung ein.<br />

Sie findet am Freitag, dem 11. September<br />

2009 um 16 h im AKZENT-Landhotel Frankenberg,<br />

Dammplatz 3, 09669 Frankenberg,<br />

Tel. 037206/773, www.landhotel-frankenberg.de<br />

statt.<br />

Tagesordnung<br />

1. Begrüssung durch den 1. Vorsitzenden<br />

2. Feststellung der satzungsgemäßen Einla-<br />

dung und Beschlussfähigkeit<br />

3. Bericht des 1. Vorsitzenden<br />

4. Bericht der Geschäftsführerin<br />

5. Bericht des Schatzmeisters<br />

6. Bericht der Kassenprüfer<br />

7. Aussprache über die Berichte<br />

8. Entlastung des Vorstands für 2008<br />

9. Änderung im Vorstand: nach Rück- und<br />

Austritt von Prof. Horst Dinter wird Gabriela<br />

Franze als 2. Vorsitzende vorgeschlagen<br />

10. Wahl der Kassenprüfer<br />

11. Verleihung der Rudolf-Descher-Feder<br />

12. Tagungsort der Jahreshauptversammlung<br />

2010<br />

13. Herausgabe des Archives von Jutta Miller-Waldner<br />

14. Verschiedenes<br />

Ich würde mich freuen, wenn ich Sie möglichst<br />

zahlreich in Frankenberg begrüßen<br />

könnte.<br />

Herzliche Grüße<br />

Gez. Othmar Seidner,<br />

1. Vorsitzender der IGdA


Anfahrt nach Frankenberg<br />

IGda<br />

Mit dem Auto: BAB A4 Abfahrt Frankenberg – Richtung Zentrum (B169)<br />

mit dem Zug:<br />

bis Chemnitz Hauptbahnhof<br />

Ab Chemnitz-Hauptbahnhof weiter mit dem Zug: Chemnitz-Hauptbahnhof Niederwiesa<br />

Frankenberg-Bhf.<br />

mit dem Bus: Chemnitz-Hauptbahnhof Ausgang „Busbahnhof“ – ca. 6 Gehminuten bis Busbahnhof<br />

Abfahrt in der Regel stündlich um xx:17 Uhr und xx:30 Uhr ab Steig 6<br />

Taxi: Chemnitz-Hauptbahnhof Hauptausgang<br />

Taxikosten bis Landhotel Frankenberg ca. 20 Euro<br />

Ab Frankenberg-Bhf. bis Landhotel<br />

Fußweg ca. 20 min.: Winklerstraße – Überquerung der Schloßstraße – geradeaus weiter<br />

(Dammgasse) – nach links auf „Am Damm“ bis Dammplatz (HOTEL)<br />

oder<br />

Fahrdienst michalowski (037206/4243) Taxikosten von Frankenberg-Bhf. bis Landhotel ca. 5<br />

Euro<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 66


Jahreshauptversammlung 2009<br />

Unterbringung und Veranstaltungen im AKZENT-Landhotel Frankenberg, Dammplatz 3,<br />

09669 Frankenberg (Tel. 037206-773); Zimmerpreis f. EZ/P/N 40,00 EUR incl. Frühstück; Mittagessen<br />

individuell; Abendessen wird gegen Zuzahlung vom Landhotel angeboten. Bei hoher<br />

Teilnehmerzahl ermäßigt sich der Zimmerpreis auf 38,00 EUR. Der Tagungsraum „Striegistal“<br />

steht permanent zur Verfügung.<br />

Programm:<br />

Donnerstag, 10.09.2009<br />

bis 17:00 Uhr Einchecken im Hotel<br />

17:00 Uhr Begrüssung der Teilnehmer durch den 1. Vorsitzenden der IGdA,<br />

Othmar Seidner im Tagungsraum Striegistal<br />

18:00 Uhr Empfang im Ratssaal der Stadt Frankenberg mit Informationen über die Stadt<br />

20:00 Uhr Abendessen und gemütliches Beisammensein mit Lesungen aus eigenen<br />

Werken im Tagungsraum Striegistal<br />

Freitag, 11.09.2009<br />

09:30 Uhr Lesungen in Schulen<br />

10:45 Uhr Lyrik-Workshop unter Leitung von Hermann Wischnat<br />

12:00 Uhr Mittagessen<br />

13.30 Uhr Vorstandssitzung<br />

15:00 Uhr Jahreshauptversammlung im Tagungsraum Striegistal unter der Leitung des<br />

1. Vorsitzenden, Othmar Seidner<br />

18:00 Uhr öffentliche Lesung/en (je nach Anmeldungen – siehe Anmeldecoupon)<br />

Samstag, 12.09.2009<br />

IGda<br />

09:00 Uhr Prosa-Workshop unter Leitung von Karin Manke. Thema: Spannungsaufbau<br />

10:30 Uhr Ausflug nach Dresden (Unkostenbeitrag € 15,- zzgl. Mittagessen<br />

ca. € 15,- /3 Gänge)<br />

auf der Busfahrt erzählt Gabriella Hühn-Keller Unterhaltsames<br />

und Wissenswertes über zum Dresdner Autor Erich Kästner,<br />

12:00 Uhr Mittagessen im schwimmenden Elbrestaurant „Theaterkahn“ mit Gelegenheit<br />

zur Lesung aus eigenen Werken der Teilnehmer; anschließend Besichtigung<br />

der Dresdner Innenstadt (Zwingerhof, Hofkirche, Stadtschloss, Fürstenzug<br />

und Besichtigung der Frauenkirche);<br />

Heimfahrt gegen 16:00 Uhr/Ankunft im Hotel gg. 17:00 Uhr<br />

19:00 Uhr Abendessen im Hotel<br />

20:00 Uhr öffentlicher Festakt der IGdA zur Verleihung der Descher-Feder,<br />

des Nachwuchspreises und der Bekanntgabe der Sieger des internen<br />

Lyrikwettbewerbs sowie Lesungen der Preisträger;<br />

Umrahmung durch festliche Musik (Großer Saal des Hotels)<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 67


�<br />

Sonntag, 13.09.2009<br />

IGda<br />

Nach dem Frühstück zum Ausklang gemeinsames Beisammensein im Tagungsraum Striegistal,<br />

evtl. Nachbereitung des Jahrestreffens 2009 anschließend individuelle Abreise der Teilnehmer<br />

Ausrichter des Treffens: Gabriela Franze<br />

(Änderungen vorbehalten, Gäste sind herzlich willkommen)<br />

Texte für den Workshop von Hermann Wischnat bis zum 31. August 2009 an die Geschäftsstelle,<br />

Gaby G. Blattl, A-1230 Wien, Anton-Baumgartner-Str. 44/C3/2503, email: gabyblattl@<br />

chello.at<br />

Bitte Anmeldecoupon ausschneiden und bis spätestens 24. August 2009<br />

an Gabriela Franze, Aachener Str. 71, 50674 Köln, Tel. 0221-30249204 senden:<br />

Ich nehme am Treffen in Frankenberg mit _________ Person/en teil.<br />

Ich nehme teil an:<br />

� einer Lesung in der Grundschule Astrid Lindgren am 11.9., 9.30<br />

� einer Lesung im Gymnasium Martin Luther am 11.9., 9.30<br />

� einer öffentlichen 18-Uhr-Lesung am 11.9.<br />

� der Lesung zum öffentlichen Festakt der IGdA am 12.9., 20 Uhr<br />

Ich benötige vom Frankenberger Bahnhof bis zum Hotel den Fahrdienst Michalowski (ca 5 Euro)<br />

Datum Name,Vorname Unterschrift<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 68


GEDICHTE ZUM<br />

INTERNEN BEWERB:<br />

Neu in diesem Jahr: alle Mitglieder können<br />

abstimmen und so das Siegergedicht auswählen.<br />

Bitte vergeben Sie Punkte auf einer Skala von<br />

1 – 5. Das bedeutet: 5 ist die höchste Bewertung.<br />

Jede Bewertung ist wichtig!<br />

Stimmen sind bis 31.8.2009 an die Geschäftsstelle<br />

zu senden.<br />

1. Waldsterben<br />

Einst suchten die Menschen<br />

das saftige Grün<br />

in den Wipfel der Bäume<br />

und lauschten dem Lied<br />

der singenden Äste.<br />

Sie legten ihre Sehnsucht<br />

in diese heilige Stille<br />

und atmeten Hoffnung<br />

im Raunen des Waldes.<br />

Plötzlich verstummte<br />

das launische Säuseln,<br />

ein vernichtender Schatten<br />

lief über das Land,<br />

und hinterließ<br />

braun versengte Wipfel,<br />

brandenthäutete Äste,<br />

schmerzvoll röchelndes Holz<br />

ganz irr, im Todeskampf.<br />

Verdeckt nun all Orte<br />

unzähliger Träume,<br />

unter dem schweren Mantel<br />

vulkanischen Ruß.<br />

Schutzloser Wald<br />

alsbald verwandelt<br />

zu hartem Gestein.<br />

Fossilien Staub<br />

atmet nun folgend der Mensch.<br />

IGda<br />

2. Steinerner Wald.<br />

Du stummer Zeuge,<br />

redest nur<br />

kraft unsrer Fantasie.<br />

Gigantenwald,<br />

der noch fossil<br />

uns lehren will,<br />

was einst geschah.<br />

Verstand fasst nicht<br />

Millionenzeit,<br />

als du dich bautest.<br />

Kein Saurieraug’<br />

hat dich erblickt,<br />

warst schon gegangen,<br />

als Fleischkolosse<br />

den Boden stampften.<br />

Äonenfern, du Kalamit,<br />

dein Steinkleid reicht.<br />

Unendlich weit<br />

Verhallt dein Klang.<br />

So lauschen wir<br />

mit unsren Augen<br />

in deine Welt,<br />

die still verschwand<br />

ins Unbekannte.<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 69<br />

*<br />

3. Steinerner Wald<br />

Wie still du bist,<br />

du Zeuge einer Zeit,<br />

die mit gewaltiger Kraft<br />

das Antlitz des Planeten formte.<br />

Als du dann, Stamm um Stamm,<br />

auf Flächen zwischen den Vulkanen<br />

dein Reich ausdehntest<br />

und jeder Kontinent dich trug,<br />

als Feuerstürme um dich tobten<br />

da trotztest du den wilden Elementen<br />

dennoch dein Leben ab.


Doch zehrten heiße Perioden<br />

beharrlich deine Borke aus.<br />

In Risse, die du dulden musstest,<br />

sank Sediment um Sediment<br />

in Räume, die du hohl gelassen,<br />

nicht ahnend, dass dereinst<br />

fossile Formen künden würden,<br />

von deinem Sein.<br />

So stehen wir vor deinem Erbe,<br />

das, nun zu festem Stein geworden,<br />

in Ehrfurcht uns erstaunen lässt.<br />

Hab Dank, Gigant, für deine Kunde.<br />

*<br />

4. Säulen aus Stein<br />

Denkmäler die Säulen,<br />

ragen herüber aus der Vergangenheit,<br />

Stein gewordene Bäume,<br />

wiegten sich einst im Wind.<br />

In Jahrmillionen<br />

nicht Asche geworden,<br />

doch lange in Asche geborgen,<br />

aus der Neugierde sie<br />

nicht wiedererweckte,<br />

nicht auferstehen ließ –<br />

ans Licht geholt<br />

hat Neugierde sie,<br />

Kunstwerk der Natur<br />

ohne Zweige,<br />

ohne Blätter,<br />

ohne Tanz von Schmetterlingen,<br />

ragt majestätisch, schnörkellos<br />

der Säulenwald<br />

wächst nicht mehr,<br />

braucht nicht mehr zu wachsen,<br />

hat für seinen Ruhm genug getan,<br />

Denkmal seiner selbst,<br />

steht scheinbar stumm;<br />

doch wer reglos lauscht<br />

hört ein fernes Rauschen<br />

äonenweit.<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 70<br />

Nichts stört der Vergangenheit Erinnern,<br />

das um die Säulen, Stämme webt –<br />

selbst der Neugier Blicke nicht,<br />

die bis ins Mark der Säulen dringen –<br />

bis ins Mark sind sie aus Stein.<br />

*<br />

5. Versteinerte Bäume<br />

Bäume –<br />

Zu Stein erstarrt,<br />

in kristallinene Härte<br />

unter dem Druck<br />

von Jahrmillionen<br />

eingepresst in<br />

Tiefe und Dunkelheit<br />

dieser Erde.<br />

Keiner hat jemals<br />

eure Kronen betrachtet,<br />

eure Schatten gesucht,<br />

eurem Rauschen gelauscht,<br />

und doch war<br />

Leben um euch,<br />

fraglos diente ihr ihm.<br />

Auch, wenn niemand<br />

seinen Namen je<br />

in einen eurer Stämme schnitt,<br />

Namenlose ihr,<br />

ohne Widerhall,<br />

ohne Vogelruf,<br />

doch der Sonne entgegen,<br />

immer,<br />

damals<br />

wie heute.<br />

*<br />

6. Versteinerte Bäume<br />

Sind gewachsen die Bäume einst hoch,<br />

zum Himmel gereckt,<br />

lebendiges Holz,<br />

grün-leuchtende Blätter,<br />

Behausung für Insekten,


Vogelnester,<br />

Orte von Licht und Schatten,<br />

hingegeben dem Regen,<br />

dem Wind.<br />

Doch die Wälder wurden<br />

in großen Flächen gerodet,<br />

Stein auf Stein geschichtet,<br />

Beton.<br />

Statt der Stämme wachsen jetzt<br />

Wände, zu Häusern geschlossen,<br />

bewohnter Turm neben Turm,<br />

empor gegen den Himmel,<br />

Wohnungen für Menschen<br />

statt für Getier.<br />

Ausgeschlossen<br />

der fruchtende Regen,<br />

die erhellenden Strahlen der Sonne,<br />

der Gesang des Windes<br />

und Waldgeruch.<br />

Balkons atmen die Luft<br />

über der Steinwüste.<br />

Abgeschattet das Sonnenlicht.<br />

Beton, Ziegel und Steine<br />

wachsen nicht mehr aus sich selbst.<br />

Doch wie krabbelndes Getier<br />

leben wir<br />

im versteinerten Wald,<br />

selbst immer härter werdend.<br />

Einige von uns<br />

sind auch schon versteinert.<br />

*<br />

7. Ihr steinernen Bäume<br />

kein Abschied war euer<br />

ihr Zeugen ersten Lebens<br />

kein Echo fing euch auf als<br />

die Sonne eure Schatten<br />

einsammelte ihr erstarrtet im<br />

Feuer weit vor der Zeit<br />

in der Finsternis wurdet ihr Stein<br />

Vor euch kommen sie nicht weit<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 71<br />

unsere Worte nicht und<br />

nicht unsere Bäume<br />

davongekommen im Aschenregen<br />

oder gepflanzt nach dem großen Krieg.<br />

Sie sprechen uns Mut zu im Sturm<br />

zittern wir um ihre Kronen<br />

Gewiss - kein Anfang ist euer<br />

ohne Jahreszahl eure Zeit<br />

unsere Vögel aber<br />

werden singen für euch<br />

*<br />

8. Bäume groß wie Riesen<br />

Bäume<br />

groß wie Riesen<br />

alt<br />

sehr alt<br />

ruhen<br />

ersteinert<br />

im Boden<br />

noch als Wald<br />

Bäume<br />

groß wie Riesen<br />

alt<br />

sehr alt<br />

versteinert<br />

gräbt man sie jetzt aus<br />

Sollten sie mahnen<br />

die noch lebenden Bäume<br />

der Welt zu bewahren?!<br />

Bäume<br />

groß wie Riesen<br />

alt<br />

sehr alt<br />

zu hundert<br />

zu tausend<br />

nicht versteinert<br />

misst man sie nur noch als Klafter<br />

fort<br />

der Wald.


9. An den Versteinerten Wald von<br />

Chemnitz<br />

Aus dem verborgenen<br />

Schoß der Zeiten<br />

trittst du heute ans Licht,<br />

zeigst versteinert<br />

deine Größe und Schönheit.<br />

Du versetzt uns in Staunen<br />

ob der Millionen von Jahren,<br />

uns, die für unser Leben<br />

nur in Dekaden rechnen können.<br />

Doch, wir haben dich entdeckt!<br />

Erkannten deine Stein gewordene<br />

chemische Formel.<br />

Es gilt umzudenken, was unsere<br />

eigene Wichtigkeit betrifft,<br />

besonders unsere Gier<br />

nach den Ressourcen der Erde.<br />

Wir sollten begreifen,<br />

wir könnten leicht letztes Glied<br />

einer langen Kette von Erdzeiten sein.<br />

*<br />

10. Dicht der Wald<br />

Frieden- und Erbauung spendend<br />

Blätter rauschen im Wind<br />

Wind lässt Blätter rauschen<br />

in ewigem Wechselspiel<br />

ein Wachsen und Werden<br />

uralter Pflanzen<br />

regenwaldähnliches Paradies<br />

plötzlich – die Zäsur<br />

ein Toben bricht aus<br />

Explosion<br />

Magmakammern entleert<br />

Glut und Asche überall<br />

Ergußstein<br />

drängt an die Oberfläche<br />

Alles tot<br />

der Wald – verlassen, tot<br />

Holz wird zu Stein<br />

Pflanzen auch<br />

IGda<br />

alles vergeht, versinkt<br />

bis nach und nach<br />

geheimnisbergend<br />

noch immer<br />

Spuren freigelegt<br />

von Menschenhand<br />

und Menschengeist<br />

Ahnung geben von dem<br />

was einmal war.<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 72<br />

*<br />

11. Der alte Schachtelhalm<br />

Ich, ein Schachtelhalm, riesig, stehe hier<br />

zweihundertneunzig Millionen Jahre.<br />

Inzwischen bin ich allerdings versteint.<br />

Woher ich das weiß? – Nun, täglich laufen<br />

Kreaturen hier vorbei; Menschen nennen die sich.<br />

Öfter zeigen sie mit dem Finger auf mich und<br />

reden miteinander anscheinend über mich.<br />

So allmählich kriege ich einiges mit.<br />

Ehrlich, ehe die mich freilegten, aus Vulkanasche,<br />

wusste ich über mich nichts.<br />

Das war eine Umstellung. Mein lieber Mann!<br />

Neuerdings höre ich, wir<br />

– ein paar Schachtelhalmkollegen und ich – sollen<br />

zum Kulturdenkmal erklärt werden.<br />

Was das wohl wieder ist? Störend,<br />

wirklich störend die Unruhe in den letzten Jahren!<br />

Ansonsten wirken diese Rumwimmler<br />

– also wie die sich fortbewegen?! –<br />

richtig putzig.<br />

*


12. Und und und …<br />

Entzweigen Stämmen<br />

Äste viel<br />

stürzen Blätter ungezählt<br />

bäumen in Jahreszeiten<br />

Ringe<br />

und …<br />

gefällt zum Holzscheid<br />

Wärmeglut zu verstrahlen<br />

oder zu Brettern<br />

einer Schranktür<br />

oder am Stück<br />

geschnitzt zur Stehfigur<br />

ein Kreuz am Grab<br />

hartholzige Vergänglichkeit<br />

und …<br />

Zeitzeugen<br />

steingesägter<br />

geschliffener Ewigkeiten<br />

wo Mitwelt<br />

Paläozoikum<br />

Vergangenheit konserviert<br />

in Gegenwart<br />

glatt geringt<br />

zum Scheibengral<br />

die Wände bunt verzieren<br />

*<br />

13. Stammbuch<br />

Selten<br />

ein Stamm so vergreist<br />

aufschlägt Zeit<br />

im konservierten Stein.<br />

Mitten in Vergänglichkeit<br />

wird getragen<br />

in den Museumsraum<br />

aufgebäumte Vergessenheit.<br />

Steinstämmigen Baum<br />

der Vergänglichkeit<br />

entwunden<br />

sein Stammbuch.<br />

*<br />

IGda<br />

14. angst<br />

im versteinerten wald<br />

die bäume tot und hart<br />

so glänzend rein und<br />

zeitlos kalt erstarrt<br />

ich suche dich<br />

wir schweigen zwischen<br />

so viel ewigkeit wächst<br />

angst um unsre seelen<br />

dann deine hand<br />

in meiner warm und<br />

so verletzlich zart<br />

entsteinert mir das herz<br />

dass es vergänglich<br />

bleibt und lieben kann<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 73<br />

*<br />

„Steinerner Wald“


IGda<br />

MIT SPITZER FEDER BETRACHTET ...<br />

Das zweite Bein<br />

Bereits beim Entfernen des schützenden Packpapiers<br />

ist auf den ersten Blick zu erkennen,<br />

dass ich ein künstlerisch gestaltetes Kleinod<br />

in meinen Händen halte. Der besondere Reiz<br />

und das Flair, die von diesem ausgehen, sind<br />

sichtbar und spürbar. Limitiert und handgemacht<br />

im Verlag Proberaum 3, hat sie sich<br />

längst zu einer Literatur- und Kunstgenusszeitschrift<br />

mit Liebhaberstatus entwickelt.<br />

Als Hauptanliegen der Lyrik der Gegenwart<br />

gewidmet, bietet sie eine Publikationsbühne<br />

für Poesie, würdevoll umrahmt von Gegenwartskunst.<br />

Die Kleinauflage macht es möglich,<br />

dass jedes Exemplar durchnumeriert ist<br />

und Originalgrafiken enthält.<br />

Handgemalte, signierte Unikatumschläge<br />

halten den literarischen Inhalt der Ausgabe,<br />

der die Leser in Form einer Lose- und Faltblattsammlung<br />

und einiger Kleinbroschüren<br />

überrascht, in einer Einheit zusammen. Eine<br />

Strohschnur, verknotet an den Enden und zu<br />

einer Schleife gebunden, gibt zusätzlichen<br />

Halt und Sicherheit.<br />

Daumen und Zeigefinger ziehen erwartungsvoll<br />

die Schleife auf. Der Umschlag öffnet sich<br />

und gibt seinen Inhalt preis. Erstaunt, fast ein<br />

wenig ehrfürchtig schweift mein Blick über<br />

die einzelnen Exponate, die mir beinahe entgegen<br />

gefallen wären und dadurch ein heilloses<br />

Durcheinander und Chaos verursacht<br />

hätten. Nur die schnelle Reaktion bewahrt<br />

mich vor dem Sortiervorgang.<br />

Hellgelb, durchsichtig, zart fast zerbrechlich<br />

wirkt das Blatt auf dem das Inhaltsverzeichnis<br />

in tiefschwarzen Lettern abgedruckt wurde.<br />

Nun offenbart sich ein Nachteil dieser Präsentation.<br />

Aufgefächert fällt es mir schwer<br />

mich zu entscheiden, womit ich meine literarische<br />

Exkursion beginnen soll. Ich entscheide<br />

mich zunächst alles optisch auf mich wirken<br />

zu lassen, ehe ich mich den Inhalten im<br />

Detail widme. Kunstgenuss vor dem Genuss<br />

der Worte.<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 74<br />

Zunächst fällt mir auf, dass ich nicht eine Literaturzeitschrift<br />

erhalten habe, sondern derer<br />

viele. Die einzelnen Booklets lassen diesen<br />

Schluss zu.<br />

HErbert Laschet Toussaint lebt in Berlin und<br />

schreibt und publiziert seit mehr als dreißig<br />

Jahren graue Literatur. Sein A6-Booklett liegt<br />

oben auf. Nun, Gedichte sind immer Geschmacksache.<br />

Ich kann nur rein subjektiv<br />

feststellen, dass mich der Inhalt nicht überzeugt<br />

hat. Hingegen sprechen mich Julietta<br />

Fix gefühlvolle Texte sehr an. Hier spüre<br />

ich eine innere Sehnsucht, mit der sie an ihre<br />

Leser herangeht. Deutlich ist im Spiegel ihrer<br />

Lyriken ein fröhlicher, aber auch trauriger<br />

Alltag erkennbar. Danach verlasse ich<br />

den Grauzyklus und wende mich dem grünen<br />

Cover zu, das eine Stadt im Linolschnitt<br />

zeigt. Hans Ehrenbaum, im ersten Weltkrieg<br />

gefallen, gehörte zu den frühen Dichtern des<br />

Expressionismus. Sein Zyklus „Die Stadt“<br />

ist vermutlich um das Jahr 1912 entstanden<br />

und hat auch heute, fast hundert Jahre später,<br />

seine Wirkung nicht verloren. Die Texte<br />

von Sabine Imhof deuten, mit einer enormen<br />

Detailverliebtheit und teilweise kitschig<br />

überladen, Gedanken an. Vermutlich gerade<br />

deshalb werde ich in ihren Bann gezogen,<br />

ohne dass ich mich dagegen wehren kann.<br />

Mit einer schonungslosen Offenheit nehmen<br />

Einzelheiten keinerlei Rücksicht auf das lyrische<br />

Ich und auf die Befindlichkeiten des<br />

Umfeldes.<br />

Tom Bresemannn gewährt mit seinen Gedichten<br />

interessante Einblicke in eine lyrische<br />

Welt, die nahe an die Metaphysische<br />

Ebene gerückt wird und gerade deshalb mittig<br />

im Leben steht. Martina Hefter gewann<br />

2008 den Meraner Lyrikpreis. Sie zielt mit<br />

ihren Gedichten auf menschliche Züge, die<br />

sich in der Assimilation von technischen Belangen<br />

wieder finden. Oder sind es lediglich<br />

die unverkennbar widerhallenden Laute der<br />

Technik, die sich in den Menschen abstoßen.<br />

Ein wenig enttäuscht bin ich von Antoine<br />

Emaz stummer Erinnerung. Dies lag möglicherweise<br />

an der eindeutig negativen Stim-


mung, die mich beim Lesen seiner Gedichte<br />

überkam. Mag jedoch sein, dass dies von<br />

ihm so gewollt ist. Sehr gut gefallen hat mir<br />

Frank Milautzckis lyrisches Ich, das mit seiner<br />

Trompete goldene Feen auf Blütenteppichen<br />

zaubert und diese tanzen lässt. Ebenso<br />

seine Originalgrafiken, darunter viele Linoldrucke,<br />

die sich mit den Inhalten wirkungsvoll<br />

ergänzen. Bleibt zu hoffen, dass diese<br />

den Weg in einen wirkungsvollen Rahmen<br />

an einen würdigen Platz mit vielen Betrachtern<br />

finden. Angenehm erotisierend beginnt<br />

Almut Aue seinen Streifzug. Stellt dann klar<br />

und pulsierend das Leben an das Ende, um<br />

in tänzelnden Worten den Leser an die Hand<br />

zu nehmen und diesem die Welt aus seiner<br />

Sicht zu erklären. Fast am Ende angekommen<br />

machen vier Rezensionen von Stefan<br />

Heuer Lust darauf mehr über die vorgestellten<br />

Bücher zu erfahren.<br />

Laut Statement des Herausgebers ist die Literaturzeitschrift<br />

eher eine persönliche Gabe<br />

an Freunde oder ein knapp bemessenes literarisches<br />

und künstlerisches Gut für einen<br />

offenen Freundeskreis zum Sammeln, als ein<br />

öffentlicher Rummelplatz für Literatur. Es ist<br />

daher nicht weiter verwunderlich, dass Autoren<br />

vom Herausgeber zur Mitwirkung an<br />

der jeweiligen Ausgabe eingeladen werden.<br />

Dies hat den Vorteil, dass eine Überflutung<br />

des Herausgebers mit mehr oder minder guten<br />

Texten nicht eintreten kann, jedoch entgeht<br />

ihm dabei sicherlich auch die eine oder<br />

andere literarische Neuentdeckung, da der<br />

Wirkungskreis durch diese Vorgehensweise<br />

sehr begrenzt erscheint.<br />

Ich persönlich begrüße es sehr, dass es in unserer<br />

allzu kurzlebigen Zeit noch Enthusiasten<br />

gibt, die ihr Wirken und Können in den<br />

Kreis von Literatur und Kunst stellen und es<br />

sich nicht nehmen lassen, von Zeit zu Zeit etwas<br />

sehr wertvolles zu schaffen und dieses<br />

mit anderen Interessierten zu teilen. Vor allem<br />

derjenige, der das Besondere lebt, der in der<br />

Kunst das Exquisite liebt, der in der Literatur<br />

das Außergewöhnliche und Anspruchsvolle<br />

sucht, wird bei der Literaturzeitschrift „Das<br />

zweite Bein“ fündig.<br />

IGda<br />

IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 75<br />

Kontaktadresse:<br />

Das zweite Bein<br />

website: siehe unter - www.smallpress.de/<br />

produktgruppe/mid/3/<br />

Redaktion: Verlag im Proberaum 3<br />

Trennfurterstr. 14, D - 63911 Klingenberg<br />

Hrsg: Frank Milautzcki<br />

E-Mail: wuestenschiff@t-online.de<br />

Preis: 25 Euro<br />

Gründung: 1995<br />

erscheint: sporadisch<br />

Auflage: 30 nummerierte und handgemachte<br />

Exemplare<br />

Format und Seitenzahl: Ausgabe in der<br />

Art einer Loseblatt- und Faltblattsammlung,<br />

ca. 100 S.; veröffentlicht: Literatur<br />

und Grafik für Anspruchsvolle<br />

Hinweise für Autoren: Autoren werden<br />

vom Hrsg. persönlich zur Mitwirkung<br />

eingeladen<br />

Georg Walz


<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

<strong>deutschsprachiger</strong> Autoren e.V.<br />

Das Forum für Ihre Texte<br />

www.igda.net www.igda.net/blog/*<br />

TREFFEN<br />

mit Autorenlesungen und<br />

LITERATURPREISEN<br />

rudolf-Descher-Feder und<br />

nachwuchspreis der IGda<br />

WERKSTATTGESPRäCHEN<br />

VERöFFENTLICHUNGEN<br />

in IGda-aktuell und IGda-almanach<br />

PRäSENTATION<br />

unserer mitglieder im Internet<br />

1967 gegründet<br />

Informationsmaterial erhalten Sie bei der Geschäftsstelle<br />

der <strong>Interessengemeinschaft</strong> <strong>deutschsprachiger</strong> Autoren (IGdA) e.V.<br />

Gaby G. Blattl<br />

Anton Baumgartner Str. 44/C3/2503 A-1230 Wien<br />

� +43 (1) 967 10 24<br />

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