Denis Gustavus - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...

emaltes Indianerzelt aufgebaut und dazu
Papas Nägel in die Dielen geschlagen. Dabei
sind die Nadeln dann in die Luft gehüpft.
Papa auch.
Als ich noch klein war, ächzte und spuckte
der Wasserhahn immer erst braunes Wasser
aus, bevor sich ein klarer Wasserstrom bildete.
Und wenn Papa wieder zulange geduscht
hatte, gab es für Stunden kein warmes Wasser
und der Boiler rumpelte dann andauernd
ganz laut. Ich fand das unheimlich. Aber dafür
hatten wir eine eigene Toilette und brauchten
nicht extra auf die halbe Treppe oder auf den
Hof zu laufen. Mama war trotzdem oft ganz
verzweifelt im Winter, denn es gab zu wenig
Kohlen und nur der Ofen im Wohnzimmer
wärmte wirklich gut. Einmal, als meine Eltern
meinen Bruder und mich ausgehschick
angezogen hatten, da ging sich Mama noch
im Bad schminken. Sie war dann immer so in
Eile, also dachte ich mir mit meinem Bruder
aus, wie wir ihr helfen konnten. Wir haben
uns gegenseitig reichhaltig mit Florena eingecremt
und dann das Rußpuder aus dem
Ofen geholt. Das war ein Spaß, überall waren
unsere Fußtapsen zu sehen, aber wir nicht,
wegen der riesigen Aschewolke im Zimmer.
Mein Onkel Berni hat als erstes laut losgebrüllt
vor Lachen. Mama und Papa brauchten
erst eine Stotterpause, aber am Ende hatten
wir alle Bauchweh vom Gejauchze.
Als ich noch klein war, da waren die Fenster
auf der einen Seite in unserem Haus zugemauert
und eine große, graue Mauer ging
mitten durch unser Haus über die Elsenstraße
in das nächste Wohnhaus hinein. Aber
auf die andere Mauerseite, da durfte man
nicht hin. Außer wenn man Oma und Opa
war. Vom Dachboden aus konnte ich dahin
gucken, jedoch machte mir das immer so ein
komisches beklemmendes Gefühl im Bauch
und irgendwie wurde ich traurig davon. Da
liefen Menschen rum, die genauso aussahen
wie alle anderen auch, gar nicht weit, doch
ich konnte ihnen nie Guten Tag sagen oder
mit den Kindern spielen. Dabei hatten wir
prosa
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 38
doch blinde kleine Kätzchen auf dem Hof,
die hätte ich ihnen so gerne gezeigt.
Als ich noch klein war, habe ich gerne auf dem
Hof gespielt und mit meinem Bruder zusammen
mit dicken Stöcken in dunkle Schlammpfützen
geschlagen. Einmal haben mir große
Kinder vom Hof das Blaulicht von meinem
geliebten Feuerwehrauto abgebrochen. Weinend
bin ich zu meinem Bruder hineingelaufen
und hab ihm mein kaputtes Lieblingsauto
hingehalten. Da ist er dann rausgeeilt und
noch bevor mein Papa eingreifen konnte, hatte
er alle Jungs auf dem Hof verkloppt, weil
er wusste ja nicht, wer es gewesen ist und da
hat er eben alle verkloppt.
Als ich noch klein war, konnte ich immer auf
der Straße Fußball spielen, weil Autos gab
es ja nicht viele und bei uns war ja sowieso
überall Sackgasse. Wenn dann aber doch mal
ein Auto vorbei kam, dann hielt das einfach
an. Und dann bin ich also kurz zur Seite gegangen
und da konnte ich dann immer noch
ganz lange die süße Luft vom Auspuff riechen.
Papa hatte mal einen kugelrunden, schwarzen
Wolga ausgeliehen bekommen, mit blauer
Scheibe über dem Tacho. Da glitzerte die
Sonne drin. In den Wolga konnte ich aber
nicht alleine einsteigen, weil die Stufe einfach
viel zu hoch war. Aber die übergroße
Sitzbank war superweich, ganz rutschig und
roch nach Lakritze. Meine Füße baumelten
da immer an der Sitzkante und ich konnte
die Häuserdächer, die Baumspitzen und die
Wolken am Himmel sehen.
Als ich noch klein war, hatten die Briefkästen
nur einen Schlitz und wenn die Straßenbahn
um die Ecke kam, dann kreischte die jedes
Mal ganz schrecklich laut. Die Bänke darin
waren aus lackiertem Holz und die Fahrkarte
konnte ich ohne zu bezahlen, einfach so vom
Rollenautomat abziehen, aber ich hab mich
nicht getraut. An der Tür zu stehen, mochte
ich nicht besonders, denn die ging manchmal
während der Fahrt einfach auf, und das war
mir dann nicht so ganz geheuer.