23.01.2014 Aufrufe

Heft 4 / 2008 - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

Heft 4 / 2008 - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

Heft 4 / 2008 - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Inhalt<br />

Impressum<br />

Editorial S. 3 O. Seidner<br />

Lyrik S. 4<br />

Prosa<br />

G.G. Battl, W.Walz,<br />

R. Hengsbach-Parcham,<br />

H. Wolff, H. Wischnat,<br />

R. Weidauer, W. de la Marre,<br />

K. Manke, M. Sassin,<br />

H. Fleiss, S. Green, B. Weiss,<br />

W. Volka, W. Weiss,<br />

G.-M. Lange, W.-J. Schmidt,<br />

A. Zöllner<br />

Blind Date G. Franze, S. 9<br />

Phantasie einer<br />

Regennacht G.G. Battl, S. 10<br />

Magersüchtig A. Zöllner, S. 15<br />

Schwimmen gehen C. Laurenz, S. 16<br />

Stummer Schrei G. Jaeckle, S. 18<br />

Gereift in der Tonne G. Walz, S. 18<br />

Freitag der 13. G. Franze, S. 20<br />

Essay<br />

Verse lesen W. Wischnat, S. 23<br />

Werden Schriftsteller<br />

immer ersetzbarer? R. Hengsbach-Parcham, S. 24<br />

IGdA<br />

Aus dem Vorstand S. 26<br />

Büchertisch S. 28<br />

Service S. 28<br />

Einladung<br />

S. 41 (Umschlag)<br />

Redaktion der IGdA-aktuell<br />

Rainer Hengsbach-Parcham (Leitung)<br />

Gaby G. Blattl, Angelika Zöllner<br />

Anschrift der Redaktion<br />

IGdA-aktuell,<br />

Rainer Hengsbach-Parcham<br />

Stieglakeweg 21, 13591 Berlin<br />

Tel. u. Fax: 030 / 36 72 95 74<br />

E-Mail: hengsbach-parcham@web.de<br />

Druck und Verarbeitung<br />

Druckerei Meyer, Scheinfeld<br />

IGdA-aktuell erscheint viermal pro<br />

Jahr; Bezug für IGdA-Mitglieder:<br />

1 Exemplar pro Ausgabe kostenlos;<br />

Einzelpreis 4,00 €<br />

Alle Rechte an den Beiträgen liegen<br />

bei den <strong>Autoren</strong>. Nachdruck nur mit<br />

ausdrücklicher Genehmigung der<br />

Redaktion. Namentlich gekennzeichnete<br />

Beiträge geben die Meinung der<br />

<strong>Autoren</strong>, nicht unbedingt die der<br />

Redaktion wieder.<br />

ISSN 0930-7079<br />

1. Vorsitzender:<br />

Othmar Seidner,<br />

Handelskai 224/5/9/59,<br />

A-1020 Wien<br />

Geschäftsstelle:<br />

Gaby G. Blattl,<br />

Anton Baumgartnerstr. 44/C3/2503<br />

A-1230 Wien<br />

E-Mail: gabyblattl@chello.at<br />

Schatzmeister:<br />

Dr. Volker Wille,<br />

Platanenhof 23,<br />

D-30659 Hannover<br />

Bücherschau und<br />

Leserbriefe S. 35<br />

B. Lorenz, M. Sassin,<br />

R. Hengsbach-Parcham<br />

Bankverbindung:<br />

Postbank Hannover,<br />

Kto.-Nr.: 102088-302, BLZ: 250 100 30<br />

Mit spitzer Feder<br />

betrachtet... S. 39<br />

G. Walz<br />

IGdA-aktuell wird auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt.


Editorial<br />

Liebe Mitglieder, liebe Leser,<br />

seit der letzten JHV sind viele Dinge geschehen,<br />

die für Sie nicht immer transparent waren.<br />

Aus verschiedenen Gründen wende ich als der<br />

1. Vorsitzende mich an Sie, ohne dabei das Recht<br />

der Redaktion zu beschneiden. Es ist nun diesmal<br />

wichtig, daß der 1. Vorsitzende die Dinge klärt um<br />

keine Ungereimtheiten entstehen zu lassen.<br />

Zunächst möchte ich mich im Namen des gesamten<br />

Vorstandes bei Jutta Miller-Waldner für<br />

ihre bisherige Tätigkeit in der IGdA bedanken.<br />

Sie hat als Geschäftsstellenleiterin von 2002–2005,<br />

als Chefredakteurin der „IGdA-aktuell“ und als<br />

1. Vorsitzende von 2005–<strong>2008</strong> großartige Arbeit<br />

geleistet. Sie hat das Arbeitsaufkommen in den<br />

letzten zwei Jahren nicht mehr bewältigen können,<br />

deshalb wurde erst der Sitz im Vorstand aufgegeben,<br />

danach auch die Arbeit am Blog und an<br />

der Zeitung beendet. Auch funktionierten in den<br />

letzten beiden Jahren so manche Dinge nicht mehr<br />

(Antworten auf Briefe, pünktliches Erscheinen der<br />

„IGdA-aktuell“ u.v. mehr).<br />

So wurde bei der JHV eine Entlastung von Jutta<br />

Miller-Waldner beschlossen und es gibt einen<br />

neuen Vorstand. Wobei wir Jutta nicht ausschlossen,<br />

im Vorstand tätig zu sein, sondern sie selbst<br />

die Wahl nicht annahm. Somit mußten wir auch<br />

eine neue Redaktion küren, die nun arbeitet und<br />

die „IGdA-aktuell“ erstellt. Es sind dies derzeit als<br />

Mitarbeiter:<br />

Rainer Hengsbach-Parcham, Gaby G. Blattl (die<br />

auch die Geschäftsstelle leitet) und Angelika Zöllner;<br />

zum verantwortlichen Redakteur wurde Herr<br />

Rainer Hengsbach-Parcham bestimmt. Ich wünsche<br />

ihm und den beiden anderen viel Erfolg zu<br />

seiner bzw. ihrer Arbeit mit der „IGdA-aktuell“.<br />

Die Zeitung bleibt in ihrer Konzeption erhalten,<br />

es wird allerdings in Zukunft einige Neuerungen<br />

geben. Wir garantieren für die Zukunft pünktliches<br />

Erscheinen. Diese Nummer, die sie nun erhalten,<br />

ist eigentlich die nichterschienene Nummer<br />

4/<strong>2008</strong>, die 1/2009 erscheint in kurzer Zeit.<br />

Neu ist eine Seite/Kolumne: „Aus dem Vorstand“,<br />

in der über die Arbeit der Vorstandsmitglieder<br />

kurz berichtet werden wird.<br />

Das Gesicht der „IGdA-aktuell“ wird sich<br />

kaum verändern, nach wie vor ist es eine Vereinszeitung<br />

mit Nachrichten, Ausschreibungen, Neuerscheinungen,<br />

Hinweisen und Rezensionen.<br />

Über kritische, aber auch lobende Leserbriefe<br />

würden wir uns sehr freuen. Eine Vereinszeitung<br />

lebt von den Mitgliedern und den Lesern. Es<br />

kann dadurch die Kommunikation zwischen den<br />

Mitgliedern belebt werden.<br />

Sie sehen, daß wir an einem „Miteinander“<br />

sehr interessiert sind. Ideen, Anregungen, Wünsche<br />

werden sicher ernst genommen, geprüft<br />

und, wenn möglich, umgesetzt !<br />

Wir hoffen auf das Potential unserer Mitglieder,<br />

beispielsweise Rezensionen zu verfassen,<br />

Beiträge für den Blog zu liefern, die Homepage<br />

zu betreuen. Wir sind sicher, daß es unter den<br />

Mitgliedern Menschen gibt, die Freude daran haben,<br />

aktiv zu werden, deren Lohn Genugtuung<br />

und Freude über die Fortschritte und das Wiedererstarken<br />

UNSERER „IGdA“ ist !<br />

Jede Zusendung wird beantwortet, denn nur<br />

im gegenseitigen Kontakt kann ein gedeihliches<br />

Vereinsleben ermöglicht werden.<br />

Um ökonomisch arbeiten zu können, bitten<br />

wir Sie, Beiträge nach Möglichkeit auf Datenträgern,<br />

wie Diskette oder CD-Rom zu übermitteln,<br />

zumindest aber maschinengeschrieben oder per<br />

E-mail zuzusenden. Als Anlaufstelle gilt die Geschäftsstelle.<br />

Nun verbleibt mir nur noch ein herzliches<br />

„Glück auf“ an unsere Redaktion !<br />

Herzlichst Ihr<br />

Othmar Seidner – 1. Vors. der IGdA<br />

Das nächste <strong>Heft</strong> - 1/2009 - wird voraussichtlich<br />

Mitte bis Ende April erscheinen. Da Jutta<br />

Miller-Waldner, die unsere Zeitschrift bisher<br />

betreut hatte, die Unterlagen zur Zeitschrift<br />

und zum IGdA-Archiv noch nicht übergeben<br />

hat, dürfte auch dieses <strong>Heft</strong> „aus dem Stand“<br />

erstellt werden müssen. Ich bitte deshalb um<br />

Manuskripte.<br />

Und noch etwas: Sollten hier und da doch<br />

noch kleine Fehler gesichtet werden: das vorliegende<br />

<strong>Heft</strong> war ein „Schnellschuß“, der unter<br />

großem Zeitdruck entstand. (Die Red.)<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 3


Lyrik<br />

Gaby G. Blattl<br />

Dichten<br />

Rainer Hengsbach-Parcham<br />

Gelebt<br />

Begegnung von Schweigen<br />

und Sprache<br />

tiefe innere Stimme<br />

die tiefe Signatur des Seins finden<br />

Wahrnehmen den Klang<br />

unseres Geistes<br />

Mysterium der Stille<br />

Einsamkeit<br />

Eintreten in die zeitliche Dimension<br />

der Ewigkeit<br />

Seele verklärt<br />

und erlöst alles<br />

göttlicher Raum<br />

Erinnerung, du Freundin<br />

der Einsamkeit<br />

Überwinden<br />

die innere Distanz<br />

Erreichen des Göttlichen<br />

Ewiger Ort in uns<br />

Wenn Starre einstmals deinen Körper streckt<br />

und deine Lieben weinend dich umrunden:<br />

Dann hast du Ruhe vor der Welt gefunden,<br />

die niederträchtig nur in Kämpfen steckt.<br />

Die Lücke, die du hinterläßt, scheint klein;<br />

die Sippe kann von dir sich nichts erhoffen.<br />

Sie war ob deines Lebens oft betroffen,<br />

du paßtest nicht in ihre Welt hinein.<br />

Du fragtest oftmals nach dem Sinn des Lebens;<br />

doch eine rechte Antwort fandst du nicht.<br />

Man munkelt, daß dein Dasein fast vergebens.<br />

Doch hattest du stets eine andre Sicht<br />

der Dinge, die durch Worte wachsen, leben;<br />

sie bringen einst den Gleichmut zum Erbeben.<br />

Hannelore Wolff<br />

Abweichende<br />

Georg Walz<br />

GrenzenLos<br />

Stumme Holzpfähle<br />

blicken auf den Hall der Schüsse<br />

die Schreie nach Freiheit ersticken<br />

Füße stoppen im schnellen Lauf<br />

bevor sie freien Boden spüren<br />

das helle Rot der Tränen<br />

fällt auf frisches Grün<br />

seitdem –<br />

suchen wir die Freiheit vergebens<br />

auf den Jahrmärkten<br />

Sie wichen von der Tonart ab<br />

In atonaler Weise,<br />

Erklangen Hymnen, frei von Zwang,<br />

Fermaten färbten ihren Klang.<br />

Sie fügten einen neuen Takt,<br />

Es sangen die Verstummten;<br />

Von Annektieren fremder Federn,<br />

Engel den Hymnus summten.<br />

Despotische Hände ergriffen das Blatt,<br />

Verwiesen auf den Ursprungstakt:<br />

Abweichende Tonlagen sind nicht bedacht –<br />

Es werde unisono gedacht!<br />

Crescendostark und polyphon,<br />

Doch herrsche nur der eine Ton.<br />

Regie führt, der vom Geist besiegt<br />

Und schwachbeseelt Register zieht.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 4


Lyrik<br />

Hermann Wischnat<br />

Frühling<br />

Wentila De la Marre<br />

Achte Dein Sein!<br />

Der Frühling kommt mit jungem Schritt,<br />

und unser Opa schreitet mit.<br />

Die Lauluft zieht ihn gartenwärts,<br />

die Knospe schwillt und auch sein Herz.<br />

Er gräbt und harkt, beschneidet, düngt,<br />

was ihn von Grund auf so verjüngt,<br />

daß er beherzt – die Sonne kitzelt –<br />

mit Nachbarsfrauen scherzt und witzelt.<br />

Der still verehrten Witwe Knaus<br />

schenkt er den ersten Knospenstrauß,<br />

die, überrascht, zart sanft errötet.<br />

Es sprießt und grünt, die Amsel flötet.<br />

Der Lenz bringt Opa neuen Schwung<br />

und weckt in ihm Erinnerung.<br />

Renate Weidauer<br />

Am Rande der Nacht<br />

Windatem Nacht:<br />

Stunden tropfen<br />

Ins Nirgends.<br />

Fern wohnen Träume,<br />

blind am Tag.<br />

Die Irrgärten schlagen<br />

Die Augen auf,<br />

säen blinzelnd Schlaf,<br />

aber die Saat verdorrt<br />

unter Tränentropfen<br />

im Gewölbe gefalteter Hände,<br />

ohne Gebet.<br />

Keimt Warten in den Ecken,<br />

schlangenverschlungene Wurzeln<br />

fesseln den Fortgang<br />

müde gewordenen Denkens.<br />

Zögernd lauert<br />

Fernes Dunkel.<br />

Sich fallen lassen?<br />

Sich hingeben der Nacht<br />

Achte Dein Sein, denn es blüht,<br />

wenn auch im Verborgenen.<br />

Aber es ist lange schon da,<br />

denn es rief Dich in Deinen Träumen<br />

und sang Dir sein Lied.<br />

Achte Dein Sein, denn es ist<br />

Lange schon Teil von so vielem!<br />

Karin Manke<br />

Gedankenschwer<br />

und federleicht<br />

Mach schwere Gedanken leicht.<br />

Lächle dabei,<br />

wenn du sie denkst und sprichst.<br />

Laß der Leichtigkeit<br />

seine Schwere der Bedeutung.<br />

Schwerelos ist die Feder,<br />

wie der Gedanke.<br />

Laß ihn los,<br />

dann fliegt er schwergewichtig<br />

in die Leichtigkeit.<br />

Maria Sassin<br />

Dein leises Lied<br />

Ganz still ganz leis<br />

wie ein Traum so leis<br />

verwehst du vergehst du<br />

so still ganz leis<br />

mit unhörbaren Schritten<br />

auf Katzensamtpfoten<br />

schleichst du<br />

ganz still ganz leis<br />

aus dem Leben<br />

doch nie<br />

aus meinem Herzen.<br />

Deine Spuren singen<br />

leis ganz leis<br />

unser Lied.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 5


Lyrik<br />

Voten für den Frieden –<br />

Friedensblog<br />

Im Internet ist eine neue <strong>Autoren</strong>initiative zu<br />

finden, die aus der Friedensbewegung hervorgegangen<br />

ist – unter Anleitung von Slov ant Gali.<br />

Deutsche Künstler, schreibt er, stellen Gedichte<br />

und Prosa zur Wahl, um jedem, der sich an der Abstimmung<br />

beteiligt, eine Stimme gegen deutsche<br />

Kriegsbeteiligungen zu geben. Täglich anklicken =<br />

täglich demonstrieren. Dabei wird jeweils der Titel<br />

„Friedenstext des Monats“ als Publikumspreis vergeben.<br />

Die Demo läuft jeden Tag bis zum 1.9.2009,<br />

dem 70. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs.’<br />

Näheres ist zu finden unter:<br />

http://friedensblog.over-blog.de.<br />

<strong>Autoren</strong> können ihre Texte dort mittlerweile<br />

selbst einstellen. Diejenigen, die kein Internet<br />

besitzen, können Bekannte beauftragen, über<br />

Herrn ant Gali ihren Text einfügen zu lassen:<br />

Emailadresse: friedensblog@slovantgali.de<br />

Die Qualität der Beiträge ist unterschiedlich,<br />

allerdings geht es in erster Linie um das menschliche<br />

Engagement. Die gesamte Zahl der abgegebenen<br />

Stimmen sowie eine große Anzahl von<br />

Texten sollen anschließend der Bundesregierung<br />

zugestellt werden. D.h., jede abgegebene Stimme<br />

zählt.<br />

Eine ganze Reihe von IGdA-Mitgliedern ist<br />

dort mittlerweile beteiligt (auch gut platziert).<br />

Einige ihrer Friedens-Texte möchten wir heute<br />

vorstellen. (Es wäre schön, wenn sich noch weitere<br />

Autor(Inn)en beteiligen, sei es mit eigenen<br />

Texten und/oder mit der täglich möglichen Abstimmung<br />

für ihre Kolleginnen und Kollegen):<br />

Hanna Fleiss<br />

Soldatenfriedhof<br />

Sandy Green<br />

Der letzte Tag<br />

Windgestromte Zeit.<br />

Hoch stand<br />

Der weiße Mond, als sie<br />

Die Mädchen küßten.<br />

Blutwellen.<br />

Sie zählten das Leben<br />

Nach Stunden, nicht Tagen,<br />

Nicht Jahren.<br />

Wehende Kreuze.<br />

Unter Steine Gefallene.<br />

Bebend hängt ein Lied<br />

In den Birken.<br />

Die zitternde Hand der Macht<br />

weist<br />

den im Gleichschritt<br />

schreienden Stiefeln<br />

den Weg in den Untergang<br />

Heimat zerbrochen<br />

im Schlamm blutroter Erde<br />

Vom Himmel<br />

sinken Tränen des Taus<br />

ins Schweigen<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 6


Lyrik<br />

Brigitta Weiss<br />

Vier Ecken<br />

Willi Volka<br />

Eiszeit<br />

Die Tagwelt meines Kindes hat vier Ecken,<br />

in denen kann es sich gekonnt verstecken,<br />

in denen müllt es sich behaglich ein.<br />

Hier kann es spielen, schmollen, heimlich naschen,<br />

Schätze vergraben aus den Hosentaschen,<br />

und manchmal schläft es dort im Sitzen ein.<br />

Und wenn dann kleine Freunde es besuchen,<br />

gibt es in einer Ecke Saft und Kuchen,<br />

in die drei anderen verreist man dann.<br />

Sie sind jetzt Meer, Gebirge oder Wüsten,<br />

wohin sie brummend mit dem Flugzeug düsten,<br />

und wo man sie nicht mehr erreichen kann.<br />

Vier Ecken braucht das Kind, sich wohlzufühlen,<br />

vier Ecken, um sich mollig einzuwühlen,<br />

benutzt sie bald als Höhle, bald als Nest.<br />

Ich wünsche ihm für zukünftige Zeiten,<br />

daß man ihm stets die vier Geborgenheiten<br />

In seinen eigenen vier Ecken lässt.<br />

(Preisträgerin der Friedenslesung 2007)<br />

Drei Zeiten<br />

bestimmen Leben:<br />

vor<br />

während und<br />

nach dem Krieg<br />

eine vierte<br />

mit September-Elfnulleins<br />

gekommen ist –<br />

Auf der Lebensreise<br />

legt ewiges Schlachten<br />

sich als Pendolino<br />

auf die Gleise<br />

sucht<br />

Maschinengewalt<br />

in Kurven zu halten –<br />

In die vierte Jahreszeit<br />

gesät<br />

Hass<br />

Krieg<br />

eh und je,<br />

harte Blütenzeit,<br />

rot gefärbt<br />

zum kalten Winterweiß<br />

wie wissen<br />

wie viel Wasser unter<br />

wie leben<br />

auf berstendem Eis?<br />

Waltraud Weiss<br />

Zum Gedicht ‚die Zeit vergeht’<br />

Das stimmt nicht<br />

Lehm und Geröll des Flusses veränderten<br />

Die Lage des Meeres<br />

Ruinen aus dem Krieg verändern<br />

Unsere Städte<br />

Mauern des Hasses verändern<br />

Den Menschen<br />

Nur Frieden verändert<br />

Positiv.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 7


Lyrik<br />

Gabriele-Maria Lange<br />

Lebensbilder<br />

Angelika Zöllner<br />

frieden<br />

Der Wind fegt über die alte Zeit<br />

wirft Lebensbilder<br />

in neue Farben<br />

sortiert Schicksal<br />

in neue Ordnung<br />

doch die Erde blutet<br />

unter unserem Schritt<br />

wir müssen dem Ruf folgen<br />

der den Tod überwindet<br />

das Heilwort finden<br />

für die Wunde<br />

aus gestern<br />

für die Wunde<br />

aus heute<br />

in dem Blick<br />

gerichtet<br />

genug geklagt<br />

noch fühl ich leben<br />

der sommer streut sein mildes licht<br />

und weht mir farbenträume zu<br />

lass mich noch diese tage schmecken<br />

und honig sammeln<br />

dir und mir<br />

im herbst bestell ich mir das land<br />

und scheuch die totenvögel weg<br />

ich setze hoffnung korn für korn<br />

und suche mir die atemsaat<br />

noch hängt die sonne<br />

ich will singen<br />

ehe der himmel fällt.<br />

(Friedenstext des Monats November <strong>2008</strong>)<br />

auf das Kreuz<br />

auf die Rose<br />

in Kreuzmitte.<br />

Wolf-Jakob Schmidt<br />

Menschenunwert<br />

Wer es in Kriegszeiten gewohnt ist<br />

daß Menschenleben<br />

ohne mit der Wimper zu zucken<br />

macht- und geldpolitischen Zielen<br />

untergeordnet werden<br />

dessen Wimper<br />

zuckt auch<br />

in Friedenszeiten nicht.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 8


prosa<br />

Gabriela Franze<br />

Blind Date<br />

Tunnelblick geradeaus. Seit Stunden frißt<br />

mein Kühler den Asphalt. Kilometer für<br />

Kilometer. Und wofür?<br />

„Single-ER/48/1,75/sucht unternehmungslustige,<br />

optimistische SIE/späteres Zusammenleben<br />

nicht ausgeschlossen.“ Außerdem stand da noch<br />

etwas von Abitur, von Reiselust, von süddeutschem<br />

Raum und von Gitarre spielen. Ein Inserat<br />

unter vielen. Keine Ahnung, wieso ich ausgerechnet<br />

auf dieses geantwortet habe.<br />

Ich bin seit Jahren allein. Zwangsweise. Scheidung<br />

nach den magischen zwanzig Ehejahren.<br />

Aber ich komme zurecht. Das Singledasein hat seine<br />

Vorzüge: Man kommt und geht, wann man will;<br />

man tut und läßt, was man will; die Wohnung ist<br />

seltsamerweise immer aufgeräumt; keiner fragt ...<br />

Keiner fragt.<br />

Ein lockeres Verhältnis, das könnte ideal sein.<br />

Man trifft sich von Zeit zu Zeit, zeigt sein Sonntagsgesicht,<br />

hat Spaß. Je größer die Entfernung,<br />

desto lockerer, desto sonntäglicher. Vielleicht hat<br />

mich das am Inserat angesprochen: Der süddeutsche<br />

Raum. Meilenweit von mir und meinem Alltag<br />

entfernt. Keine Verpflichtungen.<br />

„Ist das eigentlich ein ‚Blind Date‘?“ frage ich<br />

mich. Immer dieses neudeutsche Zeug. Möglich<br />

wär‘s schon. Ein Treffen mit einem Unbekannten.<br />

Wieso er sich ausgerechnet mit mir treffen will?<br />

Ich hatte ihm am Telefon gesagt, daß ich in Dresden<br />

lebe.<br />

Während der Fahrt kreisen meine Gedanken<br />

immer wieder um dasselbe Thema. Den roten<br />

Schal, unser Erkennungszeichen, trage ich um<br />

den Hals. Ich versuche mir auszumalen, wie das<br />

Treffen ablaufen könnte. Gott sei Dank konnte<br />

ich ihn zu einem roten Schal überreden statt der<br />

üblichen roten Rose. Draußen herrscht klirrender<br />

Frost. Der Winter hat in diesem Jahr zeitig Einzug<br />

gehalten. Wie der Typ wohl aussehen mag?<br />

Hoffentlich bekomme ich rechtzeitig einen Parkplatz.<br />

In München würde ich heute sicher nicht<br />

die Einzige sein, die einen ergattern will.<br />

Oh je, meine Abfahrt! Beinahe hätte ich sie<br />

verpaßt. Kurz entschlossen quere ich halsbrecherisch<br />

die drei Fahrspuren, ignoriere die Bremsgeräusche<br />

hinter mir und steuere in Richtung<br />

„Flughafen“. Erleichtert atme ich auf. Das wäre<br />

gerade noch einmal gut gegangen! Ein Omen?<br />

Habe ich eben ein Klopfen gehört? Es schien<br />

aus Richtung Motorhaube zu kommen. Seltsam.<br />

Sicher habe ich mich getäuscht. Ich werde nervöser<br />

und nervöser. Wenn ich an das bevorstehende<br />

Treffen denke, krampft sich mein Magen zusammen<br />

und mein Herz klopft bis zum Hals. Meine<br />

Sorge ist berechtigt: Ich bin nicht gerade der<br />

Small-Talk-Weltmeister. Worüber sollen wir bloß<br />

sprechen? Ich möchte nicht gleich alles über mich<br />

verraten, über den Fahrtverlauf nach München<br />

gab es nichts Besonderes zu berichten und wie<br />

das Wetter ist, sieht er schließlich selbst.<br />

Wieder eine Kreuzung. Die Ampel auf Rot.<br />

Wieder dieses Klopfen. Merkwürdig ... Grün.<br />

Die meisten fahren jetzt an. Ich nicht. Nicht, daß<br />

ich nicht anfahren wollte. Ich gebe mein Bestes.<br />

Wirklich! Der Gang ist drin, der Tank ist voll, der<br />

Fuß drückt auf das Gaspedal, die Handbremse<br />

ist gelöst, der Sicherheitsgurt sichert, der Scheinwerfer<br />

wirft den Schein, aber nichts tut sich. Das<br />

Klopfen allerdings – das Klopfen hat immerhin<br />

inzwischen aufgehört. Doch selbst ein technischer<br />

Embryo wie ich würde das nur dann als gutes<br />

Zeichen werten, wenn nicht gleichzeitig mit dem<br />

Klopfen auch das Motorengeräusch verklungen<br />

wäre. Das erneute Drehen des Zündschlüssels<br />

bringt gar nichts. Dieses Auto war wild entschlossen,<br />

nur dann noch ein Geräusch von sich<br />

zu geben, wenn ich ein brennendes Zündholz in<br />

den Tank werfen würde.<br />

Ich besitze nur ein Feuerzeug. Mein Handy<br />

liegt zu Hause auf dem Küchentisch. Meine telepathischen<br />

Fähigkeiten versagen. Weit und breit<br />

keine Telefonzelle.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 9


Prosa<br />

Um mich her nur drohende Fäuste und rollende<br />

Augenpaare. Ich bin der Hemmschuh der<br />

Menschheit, der Fluch der Eiligen, ein gehetztes<br />

Wild, ein Kaninchen in der Falle – ich bin eine<br />

Frau. Das einsetzende allgemeine Hupkonzert<br />

kostet mich meine letzten nervlichen Reserven.<br />

Ich weiß jetzt, wie ein Amokläufer sich fühlen<br />

muß, kurz bevor er zuschlägt.<br />

Lieber klinke ich mich erst einmal aus: Fahrersitz,<br />

bequeme Körperhaltung eingenommen,<br />

Blick in weite Fernen, Feuerzeug, Zigarette, Abschalten,<br />

Beruhigen ...<br />

„Ist Ihr Auto kaputt?“ unterbricht eine Männerstimme<br />

meine Zwangsmeditation.<br />

„Nein, ich bleibe immer wieder gerne mal Zur<br />

Rushhour an einer grünen Ampel stehen, um<br />

eine zu rauchen.“<br />

„Machen Sie Witze?“<br />

„Bingo!“<br />

„Sie können hier nicht stehen bleiben!“<br />

Jetzt reicht es mir. Wütend schleudere ich ihm<br />

ein „Was Sie nicht sagen!“ hin und sehe ihn zum<br />

ersten Mal an.<br />

Wie auf Befehl brechen wir beide in schallendes<br />

Gelächter aus.<br />

Er hilft mir, das Auto an die Seite zu bugsieren.<br />

Die Kolonne der Wartenden setzt sich langsam<br />

wieder in Gang. Die Ampel pulst die Blechlawine<br />

weiter.<br />

„Soll ich für Sie einen Abschleppdienst rufen?“<br />

„Ja, bitte, ich habe mein Handy nicht dabei.“<br />

Er wählt eine Nummer, gibt die Daten durch.<br />

Langsam entspanne ich mich.<br />

„Der Abschleppwagen ist in zwanzig Minuten<br />

hier.“<br />

Unsere Blicke kreuzen sich um eine Millisekunde<br />

zu lang.<br />

Ach ja ... Mein „Blind Date“ ...<br />

Gleichgültig, dafür war es jetzt eh zu spät ...<br />

Gaby G. Blattl<br />

Phantasie einer Regennacht<br />

Ein Märchen für Erwachsene<br />

Ich konnte nicht schlafen. Es war mir nicht<br />

möglich Schlaf zu finden, weil ich das Gefühl<br />

hatte, ganz alleine auf der Welt zu sein. Die<br />

Wände meines Zimmers hatten begonnen eine<br />

kalte, ja, tödliche Einsamkeit auszustrahlen. Es<br />

war nicht die klare, weiche Weite des Alleinseins<br />

und nicht die tiefe Trauer der Verlassenheit, es<br />

war eine uferlose, starre Einsamkeit ohne Trost<br />

und ohne Grenze in der alles unterzugehen<br />

schien und seine Farben, seinen Glanz verlor.<br />

Seit Stunden regnete es. Das eintönige Geriesel<br />

lähmte jede Widerstandskraft. Es war unmöglich,<br />

sich gegen das Unfaßbare und Ungeheuerliche,<br />

das mit mir in diesem Zimmer eingeschlossen<br />

war, zu wehren. Es war unmöglich, es zu<br />

ertragen.<br />

Ich stand daher wieder auf, um mich anzuziehen.<br />

In mir war ein seltsames Gefühl der Gespaltenheit,<br />

als läge ein Teil von mir noch immer im<br />

Bett und sähe mir verwundert und hoffnungslos<br />

zu bei meinem Bemühen dem zu entfliehen, wovon<br />

die Welt erfüllt war.<br />

Ich kann mich nicht erinnern, eine Türe geöffnet<br />

zu haben – oder geschlossen?! Plötzlich<br />

stand ich auf der Straße und sah in eine<br />

trübe, regnerische Nacht. Der Nebel kroch<br />

aus den kleinen Gassen und verschleierte das<br />

spärliche Licht der Laternen, das in matten Regenbogenfarben<br />

durch ihn hindurch schimmerte.<br />

Ich merkte, daß ich nicht naß wurde; ich fror<br />

auch nicht, denn ich war eingehüllt in einen langen<br />

Mantel mit Kapuze. Dabei konnte ich mich<br />

nicht erinnern, je einen solchen Mantel besessen<br />

zu haben.<br />

Mein Blick fiel in der matten Beleuchtung auf<br />

meine Hände, die den Mantel zusammenhielten.<br />

Sie schienen mir irgendwie verändert; nicht<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 10


prosa<br />

fremd, aber doch anders. Ich versuchte mich an<br />

Einzelheiten des vergangenen Tages zu erinnern.<br />

Es gelang mir kaum. Das Wenige, das mir einfiel,<br />

konnte ich in seinen Ursachen und Zusammenhängen<br />

nicht erklären.<br />

Plötzlich überfiel mich eine unerklärliche<br />

Angst, von jemandem gesehen zu werden – wie<br />

damals als Kind, wenn ich Dinge erlebte oder tat,<br />

die ich vor den Erwachsenen verbergen wollte,<br />

die nur mir gehörten. Und dann fiel mein Blick auf<br />

ein verschwimmendes Bild in einer Regenpfütze,<br />

die das Licht einer Straßenlaterne widerspiegelte.<br />

Da sah ich, daß ich wieder ein kleines Mädchen<br />

geworden war. Ich war weder bestürzt, noch erstaunt.<br />

Ich hatte – wenn auch sehr unklar – die<br />

Empfindung, daß mein wirkliches Alter für das,<br />

was jetzt kommen sollte, keine Rolle spielte.<br />

Mein tatsächliches Alter gehörte zu den Dingen,<br />

von denen ich in dieser Regennacht geflohen<br />

war.<br />

Der farbige Strahlenkranz, der die Laterne umgab,<br />

zu der ich aufsah, hatte etwas Anheimelndes<br />

und Tröstliches an sich. Mit seinem Schillern und<br />

Glänzen, seinem ständig wechselnden Farbenspiel<br />

schien er alleine in dieser toten Nacht zu<br />

leben.<br />

Plötzlich löste sich ein einzelner Lichtstrahl<br />

aus diesem Kranz los, gewann eine eigene, neue<br />

Form; ein eigenes Leben, glitt herab zur Erde<br />

und stand nun körperhaft vor mir – unendlich<br />

zart war dieses Geschöpf, in einen hauchdünnen<br />

Mantel gehüllt, durch den sein leuchtender Leib<br />

schimmerte. In seinem hellen Haar lagen wie eine<br />

Diamantenkrone hell glänzende Regentropfen.<br />

„Wohin gehst du“, fragte der Lichtstrahl.<br />

„Ich weiß es nicht“, sagte ich.<br />

„Man sollte doch immer wissen, wohin man<br />

geht, wenn man um diese Zeit noch unterwegs<br />

ist“, meinte der Lichtstrahl. Er sprach tadelnd,<br />

sah mich dabei aber freundlich und etwas neugierig<br />

an.<br />

„Ich glaube, ich habe das nie gewußt“, entgegnete<br />

ich, „auch damals nicht, als ich noch ein erwachsener<br />

Mensch war“.<br />

„Hat dich nie jemand geführt ?“ Er fragte erstaunt.<br />

„Ich hatte meist das Gefühl, daß etwas in mir<br />

ist, das mich führt“, erklärte ich ihm, „aber heute<br />

habe ich dieses Gefühl verloren. Vielleicht sollte<br />

ich es suchen gehen ?“<br />

„Wir könnten doch miteinander gehen“, sagte er<br />

und ergriff meinen langen Mantel an einem Zipfel.<br />

Von dieser Berührung ging eine wunderbare<br />

Wärme aus. Eine Wärme, wie sie nur Kinder fühlen<br />

oder Liebende, die meinen, den einzigen Kameraden<br />

gefunden zu haben, der die Spiele des<br />

Lebens spielt,<br />

Einen Augenblick lang tauchte vor meinem inneren<br />

Auge mein einsames Zimmer auf, verblaßte<br />

wieder und versank.<br />

„Wenn du willst, können wir auch fahren“, sagte<br />

mein kleiner Begleiter.<br />

Ich blickte mich um. In den Straßen war es vollkommen<br />

still. Es war weder ein Geräusch, noch<br />

ein Schritt oder ein Atemzug zu hören. Selbst die<br />

Regentropfen fielen lautlos.<br />

„Es fährt doch nichts mehr“, sagte ich leise.<br />

„Es würde mir aber auch nicht einfallen, mit so<br />

etwas Gewöhnlichem wie einer Strassenbahn oder<br />

einem Autobus zu fahren“, meinte er.<br />

Ich schwieg, konnte mir aber vorstellen, was<br />

mein Begleiter meinen konnte.<br />

Wir bogen in eine schmale Gasse ein. Sie war<br />

nicht beleuchtet, nur das zarte Licht meines kleinen<br />

Begleiters brach durch die Finsternis. Eine<br />

kleine, graue Nebelwolke wälzte sich uns entgegen.<br />

Je näher sie kam, desto genauer sah ich die<br />

Umrisse einer kleinen Gondel. Sie war grau, weich<br />

gepolstert und ich sah, daß man zu zweit darin sitzen<br />

konnte.<br />

Wir stiegen ein und ich versank in den weichen<br />

Sitzen wie in Daunenpolstern, während mein kleiner<br />

Begleiter ebenfalls Platz nahm.<br />

„Sollten wir noch jemand mitnehmen?“. Er<br />

fragte mich leise.<br />

„Ich will nur mit dir zusammen sein“, erwiderte<br />

ich heftig, heftiger als ich es wollte.<br />

„Es gibt niemand, den ich dabei haben möchte.“<br />

Der Lichtstrahl lächelte. Nie hatte ich etwas<br />

Schöneres gesehen, als sein von Licht und Lächeln<br />

erfülltes Gesicht.<br />

„Es sind die Menschen doch eigenartige Geschöpfe“,<br />

sagte er.<br />

„Sie bringen es zustande, mich ein halbes Leben<br />

nicht zu sehen. Aber wenn sie mich einmal<br />

entdeckt haben, wollen sie mich für sich alleine<br />

haben.“<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 11


Prosa<br />

„Wohin fahren wir“, fragte ich.<br />

Ich hatte bemerkt, daß wir uns fast unmerklich<br />

vom Erdboden abgehoben hatten und uns sanft,<br />

aber rasch weiterbewegten.<br />

„In eine Grottenbahn. Sie hat nicht viele Bilder,<br />

aber ich möchte sie dir doch gerne zeigen. Mach<br />

deine Augen zu und denke nach, ob du nicht<br />

doch jemand mitnehmen willst. Ob du nicht jemanden<br />

weißt, der das mit dir erleben sollte.“ Ich<br />

schloß meine Augen und fühlte, wie meine Lider<br />

schwer wurden. Ohne Anstrengung konnte ich<br />

sie nicht mehr öffnen. Alle Sehnsucht nach dem<br />

liebsten Menschen, den ich auf der Welt hatte,<br />

war gewichen. Ich war erfüllt von etwas Unbeschreiblichen,<br />

das nur ich – nur jetzt – nur so –<br />

erleben konnte.<br />

Vor mir lag das erste Bild:<br />

Zum Greifen nahe lag ein mit alten, schweren<br />

Möbeln eingerichtetes, schwach beleuchtetes Arbeitszimmer.<br />

An einem Schreibtisch saß ein alter<br />

Mann und schrieb. Sein gütiges Gesicht schien<br />

mir seltsam vertraut und erweckte eine Flut von<br />

Erinnerungen in mir, die jedoch keine feste Form<br />

annehmen konnten.<br />

„Du kannst aussteigen“, sagte der Lichtstrahl.<br />

Ich saß still und sah den alten Mann nur an. Der<br />

hatte mich jetzt erst bemerkt und sah mich an.<br />

Seine Augen schienen von einer warmen, heiteren<br />

Freude erfüllt.<br />

„Du hast mir gerade gefehlt“, sagte er.<br />

„Wahrscheinlich denkst du jetzt, daß ich mit<br />

meiner Arbeit aufhören werde, um mich mit dir<br />

zu unterhalten. Mit dir, einem kleinen Mädchen!<br />

„Laß mich nur bei dir sein“, sagte ich. Ich will<br />

auch ganz still sitzen.“ „Nun“, brummte der alte<br />

Mann.<br />

Da merkte ich, daß alles, was ich ihm erzählen<br />

wollte, mir plötzlich unwichtig und dumm vorkam.<br />

Es erschien mir klein, und ich hatte doch<br />

etwas recht Bedeutungsvolles erzählen wollen.<br />

Etwas, wofür er mich loben konnte und das<br />

ihn beeindruckte. Aber nur dieser Augenblick<br />

mit dem alten Mann schien bedeutungsvoll<br />

zu sein; diese Minute hier, in diesem Zimmer<br />

mit dem fremd-vertrauten Menschen. Ich genoss<br />

die ruhige, liebevolle Sicherheit seiner Gegenwart.<br />

„Du kannst mir schon etwas erzählen“, sagte<br />

er versöhnlich und fuhr fort, sich mit den eng beschriebenen<br />

Blättern auf seinem Schreibtisch zu<br />

beschäftigen. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck,<br />

daß er arbeitete.<br />

„Ich will nicht immer ein braves Kind sein“,<br />

sagte ich trotzig. „Ich möchte nicht immer so sein,<br />

wie es die anderen von mir erwarten und wie sie<br />

mich haben wollen. Ich möchte auch einmal so<br />

richtig böse sein und ungehorsam, gedankenlos,<br />

verspielt, ungeschickt. Ich möchte wissen, ob<br />

man mich dann auch noch lieb hat.“<br />

In dem alten Gesicht erschien ein breites Lächeln.<br />

„Es ist genug, wenn ein Mensch da war,<br />

der dich geliebt hat. Das verläßt dich nie wieder!“<br />

„Kannst du nicht mit mir kommen“, fragte<br />

ich zaghaft.<br />

Er schüttelte den Kopf und sah mir nach, als<br />

die Gondel sich wieder in Bewegung setzte. Ich<br />

hatte das Gefühl, als trüge man mich aus der<br />

nun erst gefundenen Geborgenheit hinaus in<br />

ein Meer der Unsicherheit und Gefahr.<br />

„Wir sind beim zweiten Bild“, sagte mein kleiner<br />

Freund in diesem Moment. Die Gondel hielt.<br />

Vor mir lag ein hell erleuchteter Raum, ganz anders<br />

als der erste. An den Wänden hingen Bilder.<br />

Jedes Einrichtungsstück schien mit großer Sorgfalt<br />

ausgewählt zu sein und auf dem Tisch, auf<br />

einer Kommode und einem Bücherregal standen<br />

zarte Vasen mit Blumen. Es war das Zimmer eines<br />

Künstlers. Vor dem Klavier saß ein Mann und<br />

sang ein Lied, das er selbst begleitete. Es war eine<br />

sehr einfache, aber schöne Melodie.<br />

Haltung und Bewegung des Mannes waren das<br />

gesenkte, ausdrucksvolle Gesicht eigentlich vermuten<br />

ließ. Die Lieder, die er jetzt spielte, waren<br />

abwechselnd heiter und dann wieder voll sanfter<br />

Wehmut. Wieder flüsterte mein kleiner Begleiter:<br />

„Du kannst aussteigen“.<br />

Wieder hatte ich das Gefühl, jede Bewegung<br />

dieses Mannes zu kennen, der Ton seiner Stimme<br />

schien mir vertraut. Und doch war er mir fremd.<br />

Mein Herz klopfte zum Zerspringen, als ich ihm<br />

langsam und etwas unsicher entgegenging. Er<br />

hatte sein Lied beendet und sah mich an und lächelte.<br />

„Ich dachte schon, du kommst heute gar nicht<br />

zur Stunde“, sagte er ein wenig vorwurfsvoll.<br />

„Ich wußte gar nicht, daß ich zur Klavierstunde<br />

kommen sollte“, entgegnete ich.<br />

Er schob mir einen Hocker an das Klavier, nahm<br />

mir meinen Mantel ab und strich mir mit großer<br />

Zärtlichkeit das Haar aus der Stirne.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 12


prosa<br />

„Hast du denn schon vergessen“, fragte er,<br />

„wir wollten doch zusammen musizieren, wenn<br />

die Welt garstig zu dir ist und du sie nicht mehr<br />

magst.“ Es klang etwas vorwurfsvoll, aber doch<br />

gütig und liebevoll.<br />

„Ich kann aber doch gar nicht am Klavier spielen“,<br />

entgegnete ich, und mit einem kurzen Blick<br />

auf die Geige im offenen Kasten fügte ich hinzu<br />

„ich kann doch auch nicht Geige spielen!“<br />

Er lächelte noch immer und es war ein so strahlendes<br />

Lächeln, daß die ganze Welt um mich versank.<br />

„Natürlich kannst du es – wenn wir nur wollen<br />

und wenn wir beisammen sind“.<br />

Staunend sah ich ihn an.<br />

„Versuche es nur“, ermunterte er mich.<br />

„Lege deine Hände auf die meinen und du wirst<br />

sehen, es geht. Es ist, wie wenn man schreiben<br />

lernt.“ Er beugte sich zu meinem Ohr und sagte<br />

ganz leise, aber eindringlich:<br />

„Haben wir nicht immer gesucht, was es nicht<br />

gibt ? Haben wir uns nicht immer danach gesehnt ?“<br />

Nichts schien mir mehr unmöglich, nichts<br />

unerreichbar. Seine Hände lagen warm auf den<br />

meinen und wir spielten eine wundersame Melodie.<br />

Sie war zart und sehr bewegt und eine<br />

große Innigkeit lag in ihr. Es war das Lied des<br />

Windes in den Blättern eines Birkenwaldes an<br />

einem Aprilmorgen. Als wir geendet hatten,<br />

fragte ich ihn, was es denn gewesen wäre, was<br />

wir spielten.<br />

„Es war das Lied der Begegnung“, sagte er.<br />

„Wollen wir weiter spielen ?“<br />

Die zweite Melodie war stürmischer als die<br />

erste; lauter, fordernder, leidenschaftlicher, ungeduldiger,<br />

dann wieder tief und klar, ruhig und<br />

leidenschaftlich. Es war das Spiel zweier Wellen,<br />

die einander begegnen, verfolgen, ineinander<br />

fließen, einander fliehen, suchen, gegeneinander<br />

schlagen und wieder verebben.<br />

„Was haben wir jetzt gespielt“, fragte ich verwirrt.<br />

„Es war das Lied vom gemeinsamen Erleben!“<br />

Er lächelte wieder. „Die Musik ist eine Freundin.<br />

Sie verrät uns nie. Worte können uns verraten.“<br />

„Was spielen wir jetzt“, wollte ich wissen. Er<br />

sah mich ernst an und sagte: „Das letzte Stück“.<br />

Die Melodie war von unsagbarer Weichheit<br />

und Traurigkeit, durch die manchmal der Trost<br />

eines tiefen Friedens klang. Es war, als fiele das<br />

sanfte Licht des Mondes auf einen stillen Dorffriedhof,<br />

dessen Gräber der Sommer mit frischen<br />

Gartenblumen geschmückt hatte. Trotzdem<br />

spürte ich, wie sich meine Finger verkrampften<br />

und ich nicht mehr weiterspielen wollte und<br />

konnte. Ich schrie auf: „Was ist das, was wir jetzt<br />

spielen ?“<br />

„Es ist das Lied vom Vergehen, vom Abschied,<br />

von der Verlassenheit und der Seligkeit der Stille<br />

und von ...“<br />

Da begann ich wild zu schluchzen und schrie.<br />

„Ich kann nicht mehr !“<br />

„Vielleicht kann man das wirklich nicht“, sagte<br />

er und nach einer kurzen Pause sah er in mein tränennasses<br />

Gesicht und fügte hinzu „Aber es wäre<br />

das Schönste!“<br />

Er versuchte mich zu beruhigen. In mir war eine<br />

schmerzhafte Sehnsucht. Ich vergaß alles; wer ich<br />

war, woher ich kam, daß ich plötzlich wieder ein<br />

kleines Mädchen war, das sich auf die Zehenspitzen<br />

stellen mußte, um den Mann am Klavier zu<br />

umarmen. Ich tat es, drückte mein Gesicht an seine<br />

Schulter und sagte:<br />

„Komm doch mit mir! Komm doch bitte mit<br />

mir mit!“ Er machte sich sanft frei und sagte: „Das<br />

kann ich nicht. Aber unsere Lieder kann ich dir<br />

mitgeben.“<br />

Er führte mich zur Gondel, wir fuhren weiter.<br />

Mein kleiner Begleiter fragte mich, woran ich<br />

dachte.<br />

„Ich denke an das Lächeln der beiden. Noch niemals<br />

habe ich ein solches Lächeln gesehen!“<br />

„Es ist das Lächeln derer, die nicht mehr sind. Es<br />

ist kein eigentliches Lächeln. Es ist der Glanz ihres<br />

einmaligen, unwiederbringlichen Seins; das Licht<br />

dessen, was einmal in ihrem Herzen brannte; das,<br />

was unvergänglich ist.“ Darüber wollte ich nachdenken,<br />

war aber zu verwirrt und zu müde dazu.<br />

Nur fühlen wollte ich in diesem Moment.<br />

Wir kamen zum dritten Bild.<br />

Wieder stand ich vor einem erleuchteten Zimmer.<br />

In der Mitte stand ein kleines Bett, das meinen<br />

Blick fesselte. Es lag ein Kind darin, das erst<br />

wenige Monate alt war. Es sah uns mit großen, hellen<br />

Augen entgegen und spielte ernst mit seinem<br />

Daumen, als wäre er das Schönste und Wichtigste<br />

auf der Welt.<br />

„Ist das das Christkind“, frage ich.<br />

„Eigentlich nicht“, antwortete mein kleiner<br />

Freund. „Komm, wir wollen zu ihm gehen“.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 13


Prosa<br />

Diesmal stiegen wir beide aus. Das Kind sah uns<br />

freundlich an und schien sehr aufmerksam. Ich<br />

glaubte, noch niemals etwas so sehr geliebt zu haben,<br />

wie dieses Kind.<br />

„Wie gefällt es dir“, fragte mein Begleiter.<br />

„Es ist das schönste Kind, das ich je gesehen<br />

habe“, antwortete ich.<br />

„Das glaubt man in solchen Fällen immer!“ Er<br />

sagte es ruhig und bestimmt.<br />

„In welchen Fällen“, fragte ich.<br />

Antwort bekam ich keine. Mein kleiner Begleiter<br />

hatte nun einen Ausdruck im Gesicht, den ich nicht<br />

zu deuten vermochte. „Sieh doch, es lächelt; Noch<br />

nie habe ich ein solches Lächeln gesehen.“<br />

„Es ist das Lächeln der Ungeborenen. Es ist kein<br />

eigentliches Lächeln, sondern es ist deine eigene<br />

Sehnsucht, deine Hoffnung, dein Wunsch, deine<br />

Liebe – von aller Sehnsucht befreit – in ein anderes<br />

Leben einströmen zu lassen.“<br />

„Laß mich bitte dieses Kind mitnehmen.“ Ich<br />

stieß diese Worte fast flehend heraus. „Wenn ich es<br />

nicht mitnehmen kann, dann laß mich doch gleich<br />

hierbleiben.“ Trotzig wickelte ich mich in meinen<br />

Mantel und machte Anstalten, nicht weitergehen<br />

zu wollen.<br />

Der Lichtstrahl nahm wieder einen Zipfel meines<br />

Mantels und sagte sanft, aber eindringlich, wie<br />

zu einem ungebärdigen Kind: „Komm, du kannst<br />

es nicht mitnehmen. Es gehört dir nzicht. Es gehört<br />

niemandem.“<br />

Er führte mich aus dem Zimmer, brachte mich zur<br />

Gondel und das Bild mit dem Kind versank. Wir fuhren<br />

weiter. Ich sprach nicht mit ihm. Ich war böse.<br />

Nach einer Weile sagte er: „Wir sind jetzt beim<br />

vierten Bild. Es ist das letzte.“<br />

Er stieg aus und fragte mich, ob ich nicht auch<br />

aussteigen wollte, um zu sehen, was es hier gibt.<br />

Es war kein Wohnraum, sondern ein großer Lagerraum,<br />

angefüllt mit Spielwaren. Ich war noch<br />

immer böse und unglücklich, weil ich doch nicht<br />

behalten durfte, was er mir zeigte. „Du irrst, alles<br />

was hier ist, darfst du mitnehmen.“<br />

Es waren unzählige kleine Dinge, die wir betrachteten.<br />

Winzige Landschaften von wunderbarer<br />

Schönheit; Bäume, Blumen, Tiere und Bilder<br />

von Menschen. Vieles hatte ich noch nie gesehen<br />

und doch schien es mir seltsam vertraut. Es schien<br />

auch etwas von dem darin zu sein, was ich heute<br />

erlebt hatte. Etwas von dem Blick des alten Mannes<br />

am Schreibtisch, von den Liedern des Mannes am<br />

Klavier, von dem Lächeln des Kindes.<br />

„Sie gehören dir“, sagte der Lichtstrahl. „Sie<br />

haben immer dir gehört. Es sind deine Gedanken<br />

und Träume.“<br />

„Ich kann sie ja doch nicht mitnehmen“, sagte<br />

ich trotzig.<br />

„Doch, das ist ja gerade das Wunderbare. Alles<br />

davon kann – wenn du willst – so klein sein, daß<br />

du es kaum bemerkst. Es kann aber auch – wenn<br />

du willst – so groß sein, wie die ganze Welt. Du<br />

brauchst nur zu wollen. Komm, wir packen alles in<br />

eine kleine Schachtel.“<br />

Ich wollte! Und wie ich wollte. Die vielen kleinen<br />

Dinge schrumpften zusammen wie Perlen und<br />

ich trug sie nach Hause.<br />

Ich weiß nicht, wie ich wieder in mein Zimmer<br />

kam. Plötzlich war ich wieder in meinem Bett,<br />

müde mit halb geschlossenen Augen. Wie durch<br />

einen Schleier sah ich meinen kleinen Gefährten.<br />

„Ich möchte, daß du nie wieder von mir weggehst“,<br />

sagte ich leise.<br />

„Ich bin immer da! Man muß sich nur Mühe<br />

geben, mich zu sehen. Ich bin überall dort, wo es<br />

nicht vollkommen finster ist.“ Ich meinte zu sehen,<br />

wie seine kleine Gestalt in einer breiteren Lichtquelle<br />

zerfloß.<br />

Nun öffnete ich die Augen ganz und merkte, daß<br />

ich tatsächlich in meinem Bett lag und die Lampe<br />

auf meinen Nachttisch brannte. In meiner Hand<br />

hielt ich ein Buch, über dem ich eingeschlafen war.<br />

Es war ein Buch, das ich liebte. Es lag warm in<br />

meiner Hand, wie die Hand eines Freundes,<br />

und der Schein der Lampe hatte etwas von dem<br />

zauberhaften Lächeln auf der Fahrt durch die<br />

Regennacht.<br />

Und ich wußte, daß irgendwo in diesem Zimmer<br />

eine alte, verschlossene Spielzeugschachtel stand.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 14


prosa<br />

Angelika Zöllner<br />

Magersüchtig<br />

Die Sicht aus meinem Fenster ist verengt.<br />

Balkongitter unterbrechen die Eindrücke,<br />

Stimmengewirre, Wortfetzen und<br />

Autogeräusche, die aufbrausen, dröhnen, Sirenengeheul,<br />

das sich entfernt.<br />

Der Tropf steht neben mir, drohend und verläßlich<br />

mit mir verbunden. Pling, pling. Gleichmäßig<br />

fallen die Tropfen. Muß ich aushalten, bis die<br />

Flasche zu Ende geht, eine neue befestigt wird –<br />

ein Kreislauf. Pling, Pling höre ich die Flüssigkeit<br />

klopfen nein, – hören kann ich sie nicht, sagt die<br />

Schwester – fühle ich sie trotzdem unter meiner<br />

dünnen Haut den Takt schlagen.<br />

„Aushalten“, sagt der Doktor. Warum soll ich<br />

weitermachen? Die Zähne zeigen? Gleichgültigkeit<br />

breitet sich aus, eine wattige Decke. So angenehm,<br />

dieses Fallenlassen in Unbestimmbares,<br />

Weiches.<br />

Damit ist es zu Ende. Das möchte ich nicht mehr,<br />

etwas erwarten von mir, weil andere Forderungen<br />

an mich stellen. Vielmehr dahinträumen will<br />

ich, mich gleiten lassen – diese unbeschreibliche<br />

Leichte, wenn Nahrung wegfällt, Flügel strecken<br />

und Atem holen, wenn die Zeit sich dehnt – weit<br />

hinaus über Enge und fremde Wünsche hinausfliegen<br />

aus Tag und Nacht.<br />

Einhalten soll ich. Eingehalten habe ich genug,<br />

auf Gewissenskissen gelegen und mir den Kopf<br />

durchgezirkelt, wie ich es den Eltern recht machen<br />

kann und wodurch. Schuldgefühle vor mir<br />

hergetragen, wenn ich Maßstäbe nicht auseinanderhalten<br />

konnte, ihnen Genüge tun in meiner Suche,<br />

sie zu verstehen. Ich sank in wiederholende<br />

Tagfehler. Immer vergaß ich trotz allem, etwas zu<br />

erledigen, redete den Erwachsenen hinein, weil<br />

ich nicht aufsparen konnte und warten, mischte<br />

mich in das Hin‐ und Herwerfen der Wörter und<br />

Gesprächsbälle – das Pingpongspiel der Erwachsenen,<br />

in dem Kinder nicht mithalten können und<br />

durchweg im Wege stehen. Morgen für Morgen<br />

trug ich mich schwerer aus dem Bett, so mühsam<br />

das Aufwachen aus verklebten Lidern und das<br />

Angehen von Bergen vor mir, die, kaum abgetragen,<br />

aufs Neue über den Kopf wachsen.<br />

Der Doktor sitzt an meinem Bett, weiß und<br />

streng. Ich soll essen. „Nein, Herr Doktor“, mit<br />

mir ist nicht mehr zu rech nen. Ich habe zu lange<br />

gehorcht. Ich schweige, lasse seinen Wortschwall<br />

wie einen Fluß über mich gleiten. Ich werde nichts<br />

mehr erwidern. Diesen Erwachsenen verweigere<br />

ich mich fortan. Ich kenne mich selbst nicht. Wie<br />

hätte ich mich kennen lernen sollen? Ich hab nicht<br />

auf mich gehört. Ich bin nur euch nachgezogen,<br />

hab mich an eure Füße geheftet. Leben? Das ist<br />

mir so gleich geworden. Das hab ich genug gehört.<br />

Leben können die anderen. Ich bin eine Tote<br />

unter ihnen, eine Mumie unter den wandelnden<br />

Leibern. Ich bin lebendig begraben. Zwieback<br />

steht auf meinem Teller, ein Brot. Ich habe keine<br />

Gelüste. Selbst wenn ich aufstehen könnte, wenn<br />

mich dieser Tropf nicht wie ein Gefängniswärter<br />

vereinnahmen würde – ich wollte nichts in mich<br />

hineinnehmen. Hineinstopfen würden sie es am<br />

liebsten. Aber ich bin genug abgefüllt. Ich kündige<br />

den Gehorsam.<br />

„Wenn Sie etwas Besonderes wünschen ...“ Sie<br />

würden mir jederzeit etwas bringen. Wenn ich nur<br />

wüßte, was ihnen daran liegt, mich zu erhalten.<br />

Viele Tage liege ich hier, eine Woche oder länger.<br />

Die Zeit schiebt sich vor mir her. Ich bin allein<br />

gewesen, so wunderbar allein. Niemand haben sie<br />

zu mir gelassen. Nicht die Eltern, nicht die neugierigen<br />

Gesichter anderer Menschen. Ich hatte herrliche<br />

Stille und wohnte in mir allein. Der Doktor<br />

schweigt jetzt, sagt kein Wort mehr, wenn er bei<br />

mir am Bett sitzt. Aber zweimal am Tag kommt er,<br />

prüft den Tropf und heftet seine schweren Blicke<br />

auf mich. Ich bin froh, wenn er geht.<br />

Heute haben sie mir eine Frau ins Zimmer gestellt.<br />

Eine Alte, die brabbelt. Sie redet fortwährend<br />

Wörter in sich hinein. Sie purzeln über die<br />

Bettdecke, erreichen mich nicht. Einen Schlaganfall<br />

hat sie gehabt, soviel hab ich verstanden. Nun<br />

laufen die Schwestern aus und ein, setzen ihre<br />

Füße und Freundlichkeiten übereinander. Mit der<br />

Alten kann man noch sprechen, mit mir nicht, Sie<br />

antwortet. Sie wird munterer. Sie ist schon zwei<br />

Stunden da. Die Worte sind dumpf, die Laute<br />

gestoßen. Sie richtet sich auf, drängt sich zu mir<br />

hinüber. Mädchen, versteh ich. Mädchen. Sie will<br />

etwas, das ich nicht verstehe. Sie ist unartikuliert.<br />

Ich spüre, wie ihre Not mir den Rücken hinab-<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 15


Prosa<br />

läuft. Sie ist in Gefahr. Niemand versteht sie.<br />

Da. Ich sehe etwas. Ihr Fläschchen. Sie sucht ihr<br />

Fläschchen. Ein Asthmaspray. Es liegt auf dem<br />

Nachttisch. Ich schiebe mich hinüber. Es geht<br />

nicht. Ich komme nicht heran, ich kann nichts<br />

erreichen. Ich schaue den Tropf an. Vielleicht ist<br />

er mein Freund, er ernährt mich und schweigt.<br />

Er fordert nichts, denn er ist nicht von Fleisch<br />

und Blut. Ich werde aufstehen, werde sehen, ob<br />

er mir soviel Kraft verleiht, daß ich zu der Alten<br />

herüber rücken kann. Ich richte mich auf, schiebe<br />

die Decke zurück. Ich habe noch Kraft in den<br />

Fingern. Ich setze den Fuß herunter. Erst einen.<br />

Dann langsam den zweiten. Bravo, ich stehe, etwas<br />

leicht und nicht viel zu gebrauchen. Aber zu<br />

der Alten hinübergehen, das werd ich schaffen.<br />

Das werd ich erreichen, weil ich es will. Ich werde<br />

ihr das Fläschchen geben.<br />

Ich leg mich zurück. So, sie hat ihr Spray. Sie<br />

hat es vor sich liegen und kann mit der Nase<br />

schnuppern. Sie riecht wie ein Tier. Sie hat zögernde<br />

Finger. Sie ist schlechter dran als ich. Sie<br />

kann sich nicht wehren. Plötzlich merke ich es.<br />

Ich kann mich wehren. Ich muß mich nicht unterwerfen.<br />

Ich kann aufstehen und zu der Alten<br />

gehen. Ich fange an zu sprechen, ich singe ihr<br />

etwas vor. Sie freut sich. Ich kann es deutlich<br />

erkennen. Ein Lächeln überzieht ihre Züge. Ich<br />

singe immer lauter. Es fällt mir vieles ein. Die<br />

Alte stößt ein paar Töne hervor. Ich glaube, sie<br />

will mitsingen. Sie hat ein feines Gesicht. Weiße<br />

Haare umrahmen die welkzarte Haut. Sie hat<br />

eine schmale Nase und feingliedrige Hände. Sie<br />

muß eine stolze Dame gewesen sein. Sie hat keinen<br />

Besuch. Bis jetzt kommt keiner, sie zu betrachten.<br />

Die Schwestern verstehen sie nicht. Es<br />

gibt nicht mehr viele, die sie verstehen.<br />

Ich setze mich aufrecht. Ich habe mit Singen<br />

aufgehört. Die Alte lächelt und grunzt. Manchmal<br />

verstehe ich einen Laut. Die Schwestern sind<br />

hereingekommen und haben ihr das Fläschchen<br />

weggenommen. Ich habe es ihr wiedergebracht.<br />

Sie hat Angst. Sie weiß, daß sie allein nicht an das<br />

Fläschchen herankommt. Sie hat Asthma. Sie hat<br />

mit der Luft zu ringen und mit dem Tod. Warum<br />

nehmen sie ihr die Flasche fort? Ich lege sie wieder<br />

hin, verstecke sie, wenn ich Geräusche vernehme<br />

vor der Tür.<br />

Am anderen Morgen ist ihre Sprache klarer. Ich<br />

beuge mich vor, um sie zu verstehen. Ja, es geht<br />

besser, ein ganz klein wenig geht es bergauf. Sie<br />

wird in einen Stuhl gesetzt. Ich fahre sie zum Fenster.<br />

Es gelingt mir, den Tropf neben mir herzuschieben<br />

und gleichzeitig ihren Stuhl zu rücken.<br />

Ja, sie nickt und könnte meine Großmutter sein.<br />

Sie sieht die Vögel. Sie sieht wieder die Blumen.<br />

Auch ich spüre ihre Farben, habe ihr Leuchten vergessen.<br />

Ich höre das Vogellied für die Alte. Wenn<br />

der Tropf nicht wäre, dieser widerwärtige ... dieser<br />

– ich könnte auf den Balkon. Plötzlich erscheint er<br />

mir fremd. Ein neuer Sklave. Ein neuer Gehorsam.<br />

Eine neue Fessel. Die Klinik. Ich will bei der Alten<br />

sein. Aber nicht in der Klinik. Ich werde aufstehen<br />

und fortgehen. Irgendwohin. Es wird noch mehr<br />

alte Menschen geben, die ausgestoßen sind, eingesperrt<br />

sind in Lähmungen und Schmerzen. Es gibt<br />

viel mehr andere, als ich ahnte. Sie müssen Untersuchungen<br />

aushalten, Sonden schlucken, über<br />

Schläuche ernährt werden. Niemand nimmt ihnen<br />

etwas ab. Ich will aufstehen und hingehen. Hinaus<br />

aus dieser Anstalt und fort von dem Tropf.<br />

Die Alte spielt mit dem Fläschchen. Sie schaut<br />

zu mir hinüber und weiß, ich verstehe sie. Langsam,<br />

ganz langsam fange ich an zu essen.<br />

Conchita Laurenz<br />

Schwimmen gehen<br />

Kleine Füße tappen durch das Wasser.<br />

Kleine Füße, die sich auf unseren Tag<br />

gefreut haben. „Schwimmen gehen“,<br />

Papa hat gesagt, daß er das gerne mit uns machen<br />

möchte. Wir machen so selten etwas miteinander.<br />

Dorothea ist Feuer und Flamme, rennt in ihr<br />

Zimmer und kommt mit ihrem Winnie-Puuh-<br />

Zweiteiler zu uns zurück.<br />

Es kann dann also losgehen. Aufregung<br />

macht sich breit. Meine kleine Tochter möchte<br />

jetzt endlich „richtig schwimmen lernen“, nicht<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 16


prosa<br />

nur immer in der Badewanne schwimmähnliche<br />

Bewegungen machen.<br />

Flugs die kleinen Barbie-Schwimmflügel aufgeblasen<br />

und rein in den Bikini, die Fluten rufen<br />

nach uns.<br />

Kleine Füße tappen durch das Wasser. Sie bewegen<br />

sich zielstrebig in Richtung Babybecken<br />

mit Babyrutsche und Babywasserstand.<br />

Dorotheas Vater und ich schauen uns sprachlos<br />

an. Vom einen zum anderen und dann wieder<br />

zurück zu unserer kleinen Prinzessin.<br />

Irgendetwas müssen wir falsch verstanden<br />

haben.<br />

Ich erlaube mir den dezenten Hinweis darauf,<br />

daß das Nichtschwimmerbecken, also das Becken<br />

für alle Kinder, die noch nicht schwimmen<br />

können, es aber gerne lernen möchten, ein paar<br />

Meter weiter vorne ist.<br />

Dorothea schaufelt ungerührt weiter Wasser in<br />

einen Eimer, den sie sich von irgendwo her organisiert<br />

hat.<br />

Wo ist ihr Vorhaben geblieben, nun endlich<br />

„richtig schwimmen lernen“ zu wollen? Der<br />

Grund, wieso wir heute überhaupt „schwimmen<br />

gehen“?<br />

Erneut versuche ich, sie in das Becken nebenan<br />

zu bewegen, ohne Chance. Sie stemmt die kleinen<br />

Händchen in die Hüften und schaut mich<br />

vorwurfsvoll an, „Mama, das traue ich mich aber<br />

nicht, da hab ich Angst.“ Fragend schaut sie ihren<br />

Vater an. Ob sie dort wohl Unterstützung zu erwarten<br />

hat?<br />

Doch auch Papa schaut sehnsüchtig auf die anderen<br />

Becken. Nicht, daß es ihm peinlich wäre, daß<br />

seine Vierjährige sich mit wahrer Begeisterung im<br />

Babybecken aufhält, während ihre Altersgenossen<br />

nebenan kreischen und juchzen.<br />

Aber auch die freudenreichsten Töne können<br />

Dorothea noch nicht dazu bewegen, sich in diese<br />

Richtung zu wagen.<br />

In einem unbeobachteten Moment dreht sie sich<br />

um und tappst wieder ins Babybecken.<br />

Da ihr Vater eine Zigarette rauchen möchte und<br />

sich in der Nähe des Becken aufhält, darf er auch<br />

Dorothea aufpassen, während ich mich in die nassen<br />

Fluten des Schwimmerbereichs werfe.<br />

Doch was ist das??<br />

Die braunen Locken kenne ich doch! Die gehören<br />

ganz eindeutig zu meiner Kleinen. Und die<br />

befindet sich nicht etwa wie vermutet im Babybecken,<br />

sondern wandert im Schwimmbad umher.<br />

Und lacht. Breitet die Arme aus und läuft.<br />

Mir bleibt das Herz stehen.<br />

Schnell schwimme ich zum Rand und versuche<br />

aus dem Becken zu klettern. Panisch!<br />

Doch Moment. Dorothea läuft in Richtung des<br />

Nichtschwimmerbeckens, in welchem ihr Vater<br />

bereits auf sie wartet, ebenfalls mit ausgebreiteten<br />

Armen.<br />

Wie hat er das nur geschafft? Gerade eben sagte<br />

Dorothea doch noch, daß sie Angst hat. Und normalerweise<br />

läßt sie sich von dieser Angst so schnell<br />

nicht abbringen, von niemandem.<br />

Noch immer läuft mein kleiner Wirbelwind. Die<br />

kleinen Stufen herunter, da wo das Wasser immer<br />

tiefer wird. Die Barbie-Schwimmflügel wippen.<br />

Jetzt kippt sie sich nach vorne, ins Wasser und ihrem<br />

Vater in die Arme.<br />

Schnell ziehen sie ihre Kreise, Dorothea läßt sich<br />

hinterher ziehen, immer noch lachend. Auch ich<br />

muß mittlerweile grinsen, die Panik ist verflogen.<br />

Kein Unterschied besteht mehr zu den anderen<br />

Kindern, die im Wasser toben und glücklich erscheinen.<br />

Wie hat er das nur gemacht? Ich zweifle an meinen<br />

Qualitäten als Mutter, die es nicht geschafft hat,<br />

ihre Tochter zum schwimmen zu überreden und<br />

sich lieber in ihr eigenes Badevergnügen geflüchtet<br />

hat. Jetzt ist er der erste, der sie zum Schwimmen<br />

gebracht hat.<br />

Ich schaffe es jedoch, diesen Gedanken für die<br />

restliche Zeit unseres Schwimmbadbesuches zu<br />

verdrängen und den Tag einfach nur zu genießen.<br />

Genau wie Dorothea.<br />

Später im Auto überkommt mich jedoch erneut<br />

die Neugierde einer Mutter.<br />

Und wieder stemmt Dorothea ihre kleinen<br />

Hände in die Hüften…..„Da war so ein Baby und<br />

die hat gesagt…..zu ihrer Mama…die hat gesagt,<br />

daß sie noch nie so ein großes Baby gesehen hat.“<br />

„Mama, ich bin kein Baby. ICH KANN<br />

SCHWIMMEN“.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 17


Prosa<br />

Gesina Jaeckle<br />

Stummer Schrei<br />

Endlose Gänge. Sie bewegte sich langsam.<br />

Vorbei an vielen Türen. Verspürte den unbezwingbaren<br />

Wunsch eine zu öffnen.<br />

Der Raum war leer. Sie durchschritt ihn bis zur<br />

nächsten Tür. Sie ließ sich nicht öffnen. Sie taumelte<br />

zurück auf den Gang. Drückte auf eine andere<br />

Klinke. Betrat den nächsten Raum. Ebenfalls<br />

leer. Schien größer zu sein als der letzte. Keine<br />

Fenster. Nur ein schmaler Durchlaß in der Wand.<br />

Sie zwängte sich hindurch. Landete in einem neuen<br />

Raum. Genauso kalt und leer. Noch größer als<br />

der vorherige.<br />

Zwanghaft ging sie weiter. Wie von Geisterhand<br />

schob sich einen andere Tür auf. Sie durchquerte<br />

den nächsten Raum. Leer. Noch größer.<br />

Sie lief weiter. Eine Tür nach der anderen sprang<br />

auf. Schnell, immer schneller. Sie hatte große<br />

Mühe, das Tempo zu halten. Alle Räume waren<br />

kahl und frostig. Ihre Größe nahm von Mal zu<br />

Mal zu. Atemlos blieb sie im letzten stehen. Ein<br />

riesiger Saal, von dessen Wänden ein stummer<br />

Schrei widerhallte.<br />

Angst, unvorstellbare Angst nahm sie gefangen.<br />

Ein Engel erschien aus der oberen Ecke der<br />

linken Wand. Er besaß nur einen Flügel. Einen<br />

kleinen, gebrochenen Flügel. Nachtschwarz. Sein<br />

Antlitz war häßlich. Sein Gewand mit Blutspuren<br />

bedeckt. Eingetrockneten Blutspuren. Kleinen<br />

und großen. Der Engel blickte sie an. Vorwurfsvoll<br />

und traurig.<br />

Ihr Herz stolperte und drohte zu versagen.<br />

Der Engel streckte einen Arm nach ihr aus. Sie<br />

wich in Panik zurück. Der Arm wurde lang und<br />

länger. Berührte fast ihre Schulter.<br />

Sie begann zu schreien. Und je länger sie schrie,<br />

desto mehr wandelte sich das Antlitz des Engels.<br />

Seine Züge wurden gelöst und schön, überirdisch<br />

schön.<br />

Der Flügel begann zu wachsen und bekam einen<br />

goldenen Glanz. Der Engel verneigte sich vor<br />

ihr. Verschwand unerwartet von einer Sekunde<br />

zur anderen. Der Saal schrumpfte zusammen, bis<br />

nur ein winziger Spalt übrig blieb.<br />

Und nirgends eine Tür zum Entrinnen.<br />

Die Beerdigung fand in aller Stille statt.<br />

Georg Walz<br />

Gereift in der Tonne<br />

Erzählung<br />

Er dreht die Gedanken zur Seite und blinzelt<br />

verschlafen in das Licht der Sonne.<br />

Die Wärme in seiner hölzernen Behausung<br />

hat merklich zugenommen. Die Strahlen<br />

der Morgensonne stechen in den freiliegenden<br />

nackten Oberkörper, der nicht vom Schatten der<br />

Rundung geschützt ist. Leicht modriger Geruch,<br />

drängt aus der Tiefe nach vorne und kündet von<br />

der Reife der Füße, die dringend nach einem erfrischenden<br />

Bad in kühlem Wasser verlangen.<br />

Noch ehe er die Augen vollends öffnen kann,<br />

um die Nähe des neuen Tages zu schauen, hört<br />

er das schlurfende Geräusch von Schritten, die<br />

sich schnell nähern und das Durcheinander aufgeregter<br />

junger Stimmen.<br />

„Da, gleich da hinten muß er liegen. Ich habe<br />

ihn gesehen. Er schläft in einem großen Faß.“<br />

Die Geräusche verstummen. Kleine Körper<br />

drängen sich zwischen die wärmenden Strahlen<br />

der Sonne und dem Auftreffen auf seine Haut.<br />

Schatten fällt auf sein Gesicht. Die halb geöffneten<br />

Lider lassen ihn schemenhaft neugierige Gesichter<br />

erkennen, die sich über ihn beugen.<br />

„Er ist tot?“, stellt eine kindliche Stimme fest.<br />

„Nein, ich glaube nicht, daß er tot ist. Er hat die<br />

Augen ein bißchen geöffnet und schaut uns an.“,<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 18


prosa<br />

antwortet eine Mädchenstimme. „Tote schauen<br />

einen nicht an.“<br />

„Und er atmet“, weiß eine dritte zu berichten.<br />

„Was er hier wohl macht?“<br />

Die Neugierde bezwingt endgültig die Vorsicht.<br />

Ein kleiner Finger stupst zart, aber bestimmt<br />

an seine dicke Knollennase. „Was machst du da?“<br />

Er schlägt die Augenlider ganz auf. „Ich denke!“<br />

„Du hast nicht gedacht. Wenn man schläft,<br />

kann man nicht denken. Träumen kann man,<br />

wenn man schläft!“, erwidert altklug die Mädchenstimme.<br />

„Gedanken und Träume sind Geschwister“,<br />

antwortet er. Dann hebt er den Kopf in die Stütze<br />

seiner Hände, die auf den Ellbogen im Gras<br />

ruhen. „Geschwister können vieles gemeinsam<br />

tun, wenn sie dies möchten.“<br />

„An was hast du gedacht?“, will der kleine<br />

blonde Wuschelkopf mit der Farbe des Himmels<br />

in den Augen wissen.<br />

„Ich habe darüber nachgedacht, ob ich die<br />

Augen für den neuen Tag öffnen soll.“<br />

„Darüber kann man nicht nachdenken. Denn<br />

Augen öffnen sich von alleine, sobald man ausgeschlafen<br />

hat.“, platzt es aus dem Mund des<br />

rothaarigen Mädchens, das sich bisher im Hintergrund<br />

gehalten und noch nicht gesprochen<br />

hatte.<br />

„Nur bei Kindern öffnen sich die Augen von<br />

selbst, wenn sie ausgeschlafen sind. Erwachsene<br />

können darüber nachdenken und bestimmen,<br />

ob sie die Augen für den neuen Tag öffnen<br />

möchten.“<br />

„Ich – ich will nicht jeden Tag nachdenken<br />

müssen, ob sich meine Augen aufmachen sollen“,<br />

entrüstet sich Berti, der Kleinste von allen.<br />

Er betrachtet das große Holzfaß und die nähere<br />

Umgebung. „Warum wohnst du in einem Faß?“<br />

Noch ehe der Mann in der Tonne antworten<br />

kann, erklärt Susi mit ihrer altklugen Mädchenstimme:<br />

„Mein Opa hat mir von einem alten<br />

Griechen erzählt. Der wohnte in einem Faß. Der<br />

hat den lieben langen Tag nichts gearbeitet, sondern<br />

nur gedacht. Und alle mußten ihm aus der<br />

Sonne gehen, sonst wurde er furchtbar böse.“<br />

Die Rasselbande erschrickt. Sie erkennen,<br />

daß sie dem Mann die Sonnenstrahlen stehlen.<br />

Schnell schieben sie ihre schmalen Schatten zur<br />

Seite.<br />

„Ich kenne den alten Griechen, aber der wohnt<br />

bei uns im Haus und nicht in einem Faß im Garten.“,<br />

weiß Toni der Wuschelkopf zu berichten.<br />

Der Mann rutscht ein wenig mehr aus seiner<br />

Behausung nach außen, sieht Toni an und erklärt:<br />

„Der Opa des Mädchens erzählte von alten Griechen,<br />

die vor langer Zeit gelebt haben. Der Mann<br />

in der Tonne im alten Griechenland hieß Diogenes<br />

und war ein Philosoph.“<br />

„Bist du auch Philosoph von Beruf?“ will<br />

Moni wissen.<br />

„Wovon lebt denn ein Philosoph, wenn er<br />

nichts arbeitet? Wer kocht dir Essen?“, der immer<br />

hungrige Ludwig, der bis jetzt an seinem<br />

Butterbrot gekaut hat, macht sich echte Sorgen.<br />

„Machst du den ganzen Tag nichts anderes als<br />

schlafen und denken?“ Susi kann es nicht glauben.<br />

„Wo kommst du überhaupt her? “<br />

„Halt. Nicht so viele Fragen auf einmal“,<br />

bringt er erstmal Ordnung in das Fragenchaos.<br />

„Immer schön der Reihe nach. Eine Frage nach<br />

der anderen.“ Er nutzt eine kurze Pause und atmet<br />

tief ein und aus. „Natürlich bin ich ein Philosoph.<br />

Dies ist zwar kein Beruf, von dem man<br />

leben kann, aber Philosophieren macht sehr viel<br />

Spaß. Und zum Leben brauche ich nur ganz wenig.<br />

Freundliche und nette Menschen geben mir<br />

immer wieder eine Kleinigkeit zu essen.“<br />

Ludwig schaut auf das Brot in seiner linken<br />

Hand. „Hast du großen Hunger?“, erkundigt<br />

er sich. Ludwig wartet die Antwort nicht ab.<br />

Er reißt sein Brot in zwei Hälften und hält dem<br />

Mann im Faß eine Hälfte hin. „Schenk ich dir.“<br />

Der nimmt das Brot, beißt ein Stück ab und<br />

sagt genüßlich kauend: „Danke. Das ist sehr<br />

nett von dir.“ Dann fährt er fröhlich fort. „Wißt<br />

ihr, Kinder, ich reise in meinem Faß durch die<br />

Welt. Ich sehe mir die Leute an und spreche mit<br />

ihnen. Betrachte die Schönheiten der Erde. Und<br />

sehe leider auch immer wieder viel Dummheit<br />

und Ignoranz. Dabei habe ich viel Zeit, um über<br />

Wichtiges und Unwichtiges nachzudenken.<br />

Und den Menschen meine Gedanken und Erkenntnisse<br />

mitzuteilen.“<br />

Toni schüttelt ungläubig seinen Wuschelkopf.<br />

„Wie kannst du mit diesem Faß verreisen? Das<br />

Faß hat keine Räder. Du hast kein Auto. Noch<br />

nicht einmal ein Fahrrad mit einem Hänger.<br />

Und bestimmt auch kein Geld für eine Fahrkarte,<br />

um mit dem Bus oder dem Zug zu fahren.“<br />

„Du kannst mit deinem Faß nicht verreisen.“,<br />

stellt verärgert Susi fest.<br />

Moni ist empört. „Du willst uns nur veräppeln.“<br />

„Nein – Ehrenwort. Was ich erzähle, ist die<br />

Wahrheit. Ich komme mit diesem Faß aus dem<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 19


Prosa<br />

fernen Utopia und bin auf dem Weg nach Nirgendwo.<br />

Heute bin ich bei euch und morgen<br />

– wer weiß, wohin mein Faß mich rollt.“ Seine<br />

Stimme wird leiser.<br />

„Abends, wenn ich in meinem Faß einschlafe,<br />

dann fängt es an zu rollen und bringt mich an<br />

einen neuen Platz. Ich weiß vorher nie, wohin<br />

meine Reise mich führt. Einzig die Tonne bestimmt<br />

das Ziel.“<br />

Die Rasselbande hat ihm aufmerksam zugehört<br />

und steht staunend mit halboffenen Mündern<br />

da. Sie sind verunsichert.<br />

Dann nimmt er ihnen den Wind vollends aus<br />

den Segeln. „Ich mache euch einen Vorschlag.<br />

Ich nehme euch mit auf meine Reise. Ihr dürft in<br />

meiner Tonne heute Abend mitrollen.“<br />

Begeisterung und Neugierde haben die Zweifel<br />

endgültig besiegt. Moni, Susi, Toni und Berti<br />

strahlen. Mit ihren Gedanken sind sie bereits<br />

nach fremden Ländern und großen Abenteuern<br />

unterwegs.<br />

Nur Ludwig schaut traurig. „Ich kann nicht<br />

mitkommen. Ich muß abends zu Hause sein.<br />

Und meine Eltern lassen mich bestimmt nicht<br />

über Nacht weg. Außerdem, ich habe alle meine<br />

Brote aufgegessen. Und keine Schokolade<br />

dabei. Was sollen wir denn essen?“ Vorwurfsvoll<br />

schaut er auf den Mann im Faß. „Du hast<br />

ja nichts dabei!“ Der Moment stülpt auch den<br />

anderen die Realität wieder über.<br />

„Stimmt, wir können nicht einfach mit dir<br />

mitkommen. Wir müssen zuerst unsere Eltern<br />

fragen, ob wir mit dürfen.“, stellen übereinstimmend<br />

Toni und Berti fest.<br />

„Und ihr müßt was zu Essen von zu Hause<br />

mitnehmen.“, ergänzt der immer hungrige<br />

Ludwig.<br />

„Ach was. Laßt uns einfach einsteigen und<br />

losrollen“, beschließen die Mädchen.<br />

„Nein, nein. Ihr müßt euern Eltern Bescheid<br />

sagen und sie um Erlaubnis bitten. Ich kann<br />

nicht sagen, wann die Tonne hier wieder vorbeirollen<br />

wird, so daß ihr nach Hause gehen<br />

könnt. Es kann eine sehr lange Reise werden.<br />

Vielleicht sogar für immer?“<br />

So plötzlich, wie sich der Vogel der Begeisterung<br />

erwartungsvoll auf den Ast gesetzt hatte,<br />

so schnell breitet er nun seine Flügel aus und<br />

fliegt davon. Nun ist dieses Abenteuer für die<br />

Kinder zu groß geworden.<br />

Sie verabschieden sich von dem Mann im Faß<br />

und versprechen morgen wiederzukommen. Er<br />

bleibt den Rest des Tages ihr Geheimnis und<br />

Gesprächsthema. Auch in dieser Nacht haftet<br />

der Spuk des rollenden Fasses an ihren Träumen.<br />

Nach dem Frühstück macht sich die Gruppe<br />

der Kinder auf, um nach dem Mann im Faß zu<br />

schauen. Mit schnellen Schritten geht die Erwartung<br />

auf kurzen Füßen zielstrebig zu dem<br />

Ort, an dem gestern der Philosoph ruhte.<br />

Der Platz ist leer. Das Faß und der Mann sind<br />

verschwunden.<br />

Berti deutet auf eine Schleifspur im Sand. „Er<br />

ist mit seinem Faß nach Nirgendwo weitergerollt.“<br />

Gabriela Franze<br />

Freitag, der 13.<br />

Ich liebe Regen. Regenwetter birgt in sich eine<br />

ganz eigene Stimmung: angenehme Kühle,<br />

beruhigende Geräusche, weichgezeichnete<br />

Konturen, Wahnsinnsluft, Tropfen auf der Haut.<br />

Bin ich deswegen abartig? Möglicherweise.<br />

Möglicherweise aber auch nicht. Regen macht<br />

nämlich auch mich melancholisch. Für jemanden<br />

mit meiner Mentalität an sich nichts Ungewöhnliches.<br />

Ungarn haben, entgegen der gängigen,<br />

zum Gähnen ausgeleierten Touristenklischees,<br />

nicht Paprika im Südpol. Wer die alten Zigeunerweisen<br />

kennt, der ahnt: Ungarn sind eine<br />

Mischung aus Melancholie und Leidenschaft,<br />

Kraft und Hingabe, Leben bis zur Neige, stilles<br />

Wasser und Strudel. Die Palette reicht von himmelhoch<br />

jauchzend bis Selbstmord. Je nachdem.<br />

Das Leben kann voller überraschender Wendun-<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 20


prosa<br />

gen sein. Da sind Flexibilität und Kompetenz im<br />

jeweiligen emotionalen Ausdruck gefordert. Es<br />

gibt Tage, die gibt es gar nicht und auch solche,<br />

die zu schön sind, um wahr zu sein.<br />

Einer von beiden beginnt an diesem verheißungsvollen<br />

Morgen. Wohlausgeschlafen erwache<br />

ich, springe fröhlich aus meinem Bett, knicke<br />

auf der Stelle um und stoße mit meinem Kopf<br />

gegen das Marmorfensterbrett. Kopf und Knöchel<br />

schwellen sofort bis zur Unkenntlichkeit an<br />

und ich weiß in diesem Augenblick: Diesen Tag<br />

kannst du in den Skat drücken!<br />

Ich spiele nicht Skat. Mein Hirn verweigert sich<br />

diesem Spiel. Aber alle spielen gerne mit mir,<br />

weil sie dann mit ein Vermögen verloren, auf das<br />

Rockefeller und Onassis in brüderlicher Eintracht<br />

neidisch gewesen wären. Am Ende eines solchen<br />

Abends scheint mir Selbstmord immer eine überdenkenswerte<br />

Alternative zu sein. Nur die Gewißheit,<br />

viele liebe Menschen reich gemacht zu<br />

haben, hält mich davon ab.<br />

Mit Bowling ergeht es mir übrigens ganz ähnlich.<br />

Meine Kugel rollt, und das schaffen sonst<br />

nur ganz ausgebuffte Profis, nach Absolvieren<br />

mehrerer spiralförmiger Kreisbahnen zielgerade<br />

in die Rille und steuert haarscharf an diesen<br />

putzigen Püppchen vorbei. Der Wirt liebt mich.<br />

Dank meiner Bowling-Kultur hält seine Bahn<br />

trotz steigender Einnahmen ewig. Selbstmord?<br />

Nah dran! Sehr nah!! Gefährlich nah!!!<br />

Zurück zum Tag X.<br />

Mit geschwollenem Knöchel und hämmerndem<br />

Schädel begebe ich mich nach Einwurf einer<br />

Schmerztablette in Richtung Arbeitsstelle. Kurz<br />

vor dem Ziel muß ich umkehren. Vollsperrung<br />

der Bundesstraße wegen eines Unfalls. Unverdrossen<br />

pirsche ich mich auf Um- und Schleichwegen<br />

von hinten an das Objekt meiner Begierde.<br />

Zeitverlust eine Stunde. Dabei hatte ich gleich<br />

morgens einen schwierigen Termin! Gott sei<br />

Dank ergattere ich gerade noch einen Parkplatz.<br />

Es besteht noch Hoffnung für den Tag.<br />

Humpelnd betrete ich das Gebäude, das der<br />

Freistaat von einem westdeutschen Großmogul<br />

für horrende Summen angemietet hat. Ich<br />

spüre bereits beim bloßen Gedanken daran, wie<br />

das Messer in meiner Tasche aufklappt (Original<br />

schweizerisches Qualitätsfabrikat; mit Schere,<br />

Nagelfeile UND Flaschenöffner).<br />

Ausnahmsweise benutze ich den Fahrstuhl,<br />

will in die zweite Etage, drücke den zweiten<br />

Knopf, komme an und steige aus. Nachdem ich<br />

ein Weilchen herumgeirrt bin (ich arbeite dort<br />

noch nicht allzu lange), bemerke ich, daß ich<br />

erst in der ersten Etage bin. Verdammt, in welcher<br />

Richtung befindet sich jetzt der Fahrstuhl?<br />

Schließlich finde ich ihn, fahre eine Etage höher<br />

und erblicke dort aufatmend den Ort meines<br />

Wirkens. Der Termin wartet bereits vor der Tür.<br />

Der Waldschrat hat die Körpermaße zwei mal<br />

zwei Meter. Mit süffisantem Unterton in der<br />

Stimme begrüßt er mich: „Pünktlichkeit ist die<br />

Höflichkeit der Könige!“<br />

Ich hänge meine Mundwinkel hinter den Ohren<br />

ein, lächle tapfer und gebe ihm die Hand. Sie<br />

verschwindet bis ans Schultergelenk in seiner<br />

Pranke. Der Tag ist hin. Glücklicherweise verspüre<br />

ich jetzt jedoch endlich tief in meinem Innern<br />

einen gerechten Zorn gegen die Ungerechtigkeit<br />

der Welt aufsteigen. Gute Verhandlungsbasis!<br />

Nachdem er sich auf meinen beiden Besucherstühlen<br />

niedergelassen hat, die beide verzweifelt<br />

ihre Beinchen in den Teppichboden stemmen,<br />

meint er herablassend in meine Richtung: „Na,<br />

Mädel, da werden wir jetzt mal Tacheles reden.“<br />

Ich denke, ich höre nicht recht! Wie spricht<br />

der denn mit mir?! Nach zwanzig Jahren Dienst<br />

bin ich aber „Rampensau“ genug um zu wissen:<br />

Solche wie den da verspeise ich zum Frühstück,<br />

ganz locker, ungewürzt und roh. Im Stück! Mein<br />

Entschluß steht fest: Heute gebe ich den Giftzwerg.<br />

Irgendwie ist mir danach.<br />

Ich koche ihm also einen meiner legendären<br />

Kaffees, die nur mittels Stemmeisen aus der Tasse<br />

zu bekommen sind und serviere ihn sowohl<br />

mit einem abgrundtiefen Lächeln als auch ohne<br />

Rattengift. Noch glaubt er, er hätte mich im Sack.<br />

Das Schmalz der Selbstzufriedenheit troff ihm<br />

aus beiden Ohren. Während ich meinen Kaffee<br />

genieße, lausche ich, echtes Interesse imitierend,<br />

seinem weitschweifigen, nichtssagenden Gefasel.<br />

Ich lächle immer noch. Als ich beginne, mir Notizen<br />

zu machen, verliert er den letzten Rest Respekt<br />

vor mir, lockert seinen Kulturstrick, rutscht<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 21


Prosa<br />

auf meinen beiden bereits um Hilfe ächzenden<br />

Stühlen in die Körperhaltung „halb acht“ und<br />

fühlt sich als Sieger. Meine Notizen enthalten<br />

jedoch nicht die Bedingungen, die er mir bereits<br />

diktiert, sondern die Widersprüche, in die er sich<br />

in seinem selbstgefälligen Leichtsinn emsig verstrickt.<br />

Das ist regelmäßig der Moment, in denen<br />

mein Lächeln erstirbt. Jetzt lehne ICH mich entspannt<br />

zurück, sage ihm auf den Kopf zu, was<br />

ich von dem halte, was er mir aufzutischen versucht<br />

hat und erkläre mit aller mir zur Verfügung<br />

stehenden Vehemenz, daß seine Darstellung des<br />

Sachverhaltes durch die Präsenz eklatanter Widersprüche<br />

das akute Indiz eines vorsätzlichen<br />

Betruges impliziere und er gerade nicht nur keinen<br />

höheren Geldbetrag herausgehandelt habe<br />

sondern ich auch noch sämtliche bereits ausbezahlten<br />

Gelder von ihm zurückzufordern gedächte.<br />

Einschließlich Zinsen. Fünf Prozent über<br />

dem Basissatz. Über den gesamten Zeitraum.<br />

Tschakkaaaa!! Jetzt ist mein Lächeln echt. Der<br />

Koloß ist blaß. Übrigens sitzt er nun wieder senkrecht,<br />

genau wie sein Schlips. Na bitte, in zwanzig<br />

Minuten 1,5 Millionen für den Freistaat herausgeschunden!<br />

Wenn das keine Leistung für einen<br />

Vormittag ist! Die Miete der kommenden Monate<br />

für das Bürogebäude habe ich ganz allein erwirtschaftet!<br />

Innerlich tanze ich Bi-Ba-Butzemann<br />

und geh im Kreis herum, dideldum. Der Koloß<br />

sitzt mittlerweile wieder. Nicht auf Bürostühlen<br />

sondern für fünf Jahre. Mein Riecher war richtig...<br />

Nachdem nun Schädel und Knöchel gemeinsam<br />

hämmern, schickt mich mein Chef nach<br />

Hause. Zu Hause gedachte ich mir etwas Gutes<br />

zu tun. Sekt macht dick, Beluga ist zu teuer. Die<br />

Lösung: „Vollbad“! In Emangelung eines ansprechenden<br />

Badeelixiers schnell noch einen Abstecher<br />

in eine namhafte Drogerie gemacht. Die<br />

Duftnoten der angebotenen Marken „Rheumafeind“,<br />

„Venentrost“ und „Bandscheibenvorfall“<br />

sagen mir nicht direkt zu. Ersatzweise erwerbe<br />

ich zwei Duschgels. Beide für Männer gedacht,<br />

aber in Wahrheit für mich gemacht. Marke<br />

„Spax“ (der Duft, der Frauen perforiert).<br />

Zunächst fällt mein Blick auf diese leuchtend<br />

hellgrüne Flasche. Ich liebe Grün. Schnell eine<br />

Nase voll probiert. Hmmmm, Lemongrass. Name:<br />

„Anti Hangover“. Perfekt! Laut Beschreibung<br />

sollte man nach einer durchzechten Nacht davon<br />

im Handumdrehen wieder flott sein. Na bitte. Die<br />

hatten bei der Kreation dieses Spitzenproduktes<br />

der Körperhygiene genau mich vor Augen.<br />

Daneben steht noch ein dunkelgrünes, ähnlich<br />

ansprechendes, aber weitaus sinnlicher duftendes<br />

Duschgel mit dem Namen „Thai-Massage“.<br />

Das weckt mein besonderes Interesse. In meinem<br />

Kopf spielen sich nach einer Geruchsprobe<br />

wahnwitzige Fantasien nie geahnter exotischer<br />

Sexualpraktiken ab. Ich muß mich am Regal festhalten,<br />

so schwindlig wird mir. Dieses Duschgel<br />

mußte mit, so viel war klar. Leider lese ich erst<br />

zu Hause die Beschreibung. Hinten auf der Flasche<br />

steht, daß die Entspannungswirkung erst<br />

dann ekstatischer Natur sei, wenn man jemand<br />

anderen mit dem Auftragen des Gelfilms betrauen<br />

würde. Das ließ sich in meinem Fall nicht so<br />

schnell bewerkstelligen.<br />

Als Frau ist man ja immer für viel mehr Dinge<br />

zuständig als ein Mann. Aus diesem Grunde<br />

sollte Frau frühzeitig lernen zu delegieren. So<br />

unter anderem oder insbesondere die pikanten<br />

Dinge des Lebens. Aber heute bin ich nicht in<br />

der Stimmung, erst noch meinen Dauerlustknaben<br />

(DLK) herzubeordern. Ich brauche Entspannung<br />

schnell, pur, unmittelbar und gnadenlos.<br />

Die wichtigsten Hilfsmittel besitze ich ja jetzt ...<br />

Mein innerer, nach Verwöhnen und Wohltat lechzender<br />

Schweinehund rief mir zu: „Selbst ist die<br />

Frau!“<br />

Das Wasser ist heiß. Die Thai-Massage duftet<br />

zum Wahnsinnigwerden. Draussen regnet es so<br />

schön, die Kerzen wirken vor dieser Kulisse viel<br />

besser! Pfeif drauf, ich mache doch eine Flasche<br />

Sekt auf. Ein Kilo nach oben vertrage ich noch.<br />

Eine Flasche vom Besten: „Brut“. Eiskalt. Perlend.<br />

Jetzt noch meine Eric-Clapton-CD … Meine<br />

Sinne feiern Orgien. In meinem Kopf dreht sich<br />

alles (der Sekt …, nicht der Stoß).<br />

Raten Sie doch mal, wonach mir jetzt so ist: Leidenschaft<br />

oder Selbstmord?! Bin ich jetzt abartig?<br />

Möglicherweise. Soll ich Ihnen etwas beichten?<br />

Es ist mir scheißegal! Was immer Sie jetzt auch<br />

von mir denken mögen:<br />

Es ist auf jeden Fall ein fantastischer Tag!<br />

PROST!<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 22


Essay<br />

Hermann Wischnat<br />

Freie Verse lesen?<br />

Wie lesen Sie Gedichte, die in freien Versen geschrieben<br />

sind? Gemeint ist insbesondere auch<br />

das laute Lesen, also das Umsetzen des freiversigen<br />

Sprachgebildes in eine Lautgestalt.<br />

In der Lesepraxis wird dem Hörer, der den<br />

Text visuell verfolgen kann, in der Regel schnell<br />

deutlich, welche Funktion der Leser der Zeile,<br />

bzw. dem Vers zumißt. Anscheinend ist es entscheidend,<br />

ob im Lesevorgang das Zeilenende<br />

– verflüssigend oder (meist) stauend – als Zäsur<br />

berücksichtigt wird oder nicht. Wenn nicht, geht<br />

das Lesen in die vertraute syntaktisch gesteuerte<br />

Lautgestalt über, selbst wenn optische Signale<br />

eher dagegen sprechen. Das ist lesetechnisch bei<br />

„verschrobenen“ Freiversen oft gar nicht einfach.<br />

Ist demnach das Untergliedern eines Textes<br />

in freie Verse nur ein „äußeres, rein formales<br />

Merkmal“ (M. Andreotti) – also nur visuell zu<br />

orten –, und läuft das Lesen – ungeachtet der<br />

Untergliederungsvarianten – in der Satzmelodie<br />

eines Prosatextes ab, sobald das Auge die<br />

Verse sortiert und geordnet hat? Oder ergibt die<br />

graphische Gestaltung doch ein – oder gar das<br />

– „Ohrbild“ (Arno Holz) des Textes, das lesend<br />

„abzubilden“ ist?<br />

Vielleicht läßt sich die Frage an einem zunächst<br />

in Prosa abgedruckten Text veranschaulichen,<br />

den ich viermal in freie Zeilen umstelle, in freie<br />

Verse breche: „Früh legten sie ihm ein Korsett an<br />

und sagten, das sei sein Rückgrat.“<br />

1.<br />

Früh<br />

legten sie ihm<br />

ein Korsett an und sagten, das sei sein Rückgrat.<br />

2.<br />

Früh legten sie ihm<br />

Ein Korsett an und sagten,<br />

Das<br />

Sei sein Rückgrat.<br />

4.<br />

früh<br />

legten<br />

sie<br />

ihm<br />

ein<br />

korsett<br />

an<br />

und<br />

sagten<br />

das<br />

sei<br />

sein<br />

rückgrat<br />

3.<br />

Früh legten sie ihm ein<br />

Korsett<br />

an und sagten, das sei sein<br />

Rückgrat.<br />

Im Wechselverhältnis zwischen Inhalt und<br />

Form wird in diesen Beispielen durch die Änderung<br />

der Form der Inhalt je anders akzentuiert.<br />

1. In der ersten Fassung fallen die Worte „Früh“,<br />

„ihm“ und „Rückgrat“ auf. Wird „ihm“ also<br />

hier „früh“ das „Rückgrat“ gebrochen? Sind<br />

Zeilenbruch und Rückgratbruch als Assoziation<br />

vielleicht sogar übertrieben?<br />

2. In der zweiten Fassung läuft die Textgestaltung<br />

demonstrativ auf „Das“ zu. Die Großbuchstaben<br />

am Zeilenanfang betonen die<br />

Versfunktion der Zeilen. Die Verse beanspruchen<br />

demnach bei aller syntaktischen Vernetzung<br />

eine besondere Sinnfunktion. Angemerkt<br />

sei der heute häufige Einwand,<br />

Großbuchstaben am Zeilenanfang seien nur<br />

noch eine funktionslose Traditionalisme.<br />

3. Die dritte Fassung ist zentriert gestaltet. Sie<br />

signalisiert die „Mittelachse“ (Arno Holz), die<br />

zentral die Sinnworte – „sie“ / „Korsett“ / „sagten,<br />

das“ / „Rückgrat“ – trifft oder sammelt.<br />

4. Die vierte Fassung: – Macht sie ernst mit der<br />

Absicht, das einzelne Wort vom Satzzwang<br />

und vom (metrischen) Verszwang zugleich zu<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 23


essay<br />

befreien? Oder handelt es sich um eine modische<br />

Marotte, die lediglich für den „Augenblick“<br />

die Ungeübtheit des Auges, von oben<br />

nach unten zu lesen, nutzt? Bemerkbar in der<br />

Eintönigkeit des Untereinanderschreibens<br />

sind der Fettdruck („Korsett“), der verkleinerte<br />

Schriftgrad („Rückgrat“), die durchgehende<br />

Kleinschreibung und die fehlende<br />

Interpunktion.<br />

In allen Fassungen fallen die Zeilensprünge<br />

besonders auf, Zeilensprünge als Dissonanz, als<br />

Unpassung, als Spannung zwischen syntaktischer<br />

Einheit und Vers. Die syntaktische Einheit weist<br />

über das Versende hinaus und „springt“. Die Bezeichnung<br />

„Zeilensprung“ wird nicht einheitlich<br />

verwendet. Gleichwertig finden sich die Benennungen<br />

„Zeilenbruch“, „Verssprung“, „Enjambement“.<br />

Sicherlich kann der Vorgang von Fall zu<br />

Fall und von Person zu Person unterschiedlich als<br />

„Bruch“, als „Sprung“ oder als „Hinüberschreiten“<br />

gemeint sein und empfunden werden.<br />

Die Zeilensprünge im Verbund mit den weiteren<br />

hier angewandten Signalen (Lücke im Versfluß,<br />

Großschreibung am Versanfang, Kursivschrift,<br />

Fettdruck, Wechsel der Schriftgröße, Mittelachse,<br />

Kleinschreibung, Interpunktion) spielen mit der<br />

Möglichkeit unterschiedlicher inhaltlicher Akzentsetzungen.<br />

Das so inszenierte Spannungsverhältnis<br />

zwischen Vers- und Sinngliederung eröffnet<br />

stilistische Möglichkeiten. Und zu einer besonderen<br />

Herausforderung wird dabei die Lautgestalt<br />

des Lesens, wird der Leserhythmus mit seiner akzentuierenden<br />

und sinngestaltenden Kraft.<br />

Zusammenfassend zu unserem Veranschaulichungsbeispiel:<br />

Die vier freiversigen Varianten<br />

ein und desselben Textes (ohne Wortumstellung)<br />

setzen sich von der Prosasatzmelodie ab und unterscheiden<br />

sich darüber hinaus untereinander<br />

derart, daß sie je eigene Lautgestalten herausfordern.<br />

Demnach ergibt die graphische Textgestalt<br />

freier Verse doch eine Art „Ohrbild“. Und mit<br />

dem Probieren verschiedener Lautgestalten und<br />

somit verschiedener inhaltlicher Akzentsetzungen<br />

klopfe ich den Text zugleich auf die Frage ab:<br />

Ist er für mich hinreichend „sinnintensiv“ (Elke<br />

Austermühl)?<br />

Wie die Lautgestalten allerdings letztlich klingen<br />

sollten, ist nicht zu systematisieren. Darüber<br />

entscheidet ... ja, unsere Eingangsfrage lautete:<br />

Wie lesen Sie Gedichte, die in freien Versen geschrieben<br />

sind?<br />

Vielleicht spielen Sie diese Frage mit eigenen<br />

– bereits fertigen oder in der Entstehung begriffenen<br />

– Texten durch? – Das könnte spannend<br />

werden.<br />

Übrigens in seinem „Produktiven Umgang mit<br />

Lyrik“ sagt Günter Waldmann zum freien Vers:<br />

„Der freie Vers ist anerkanntermaßen mit seinen<br />

zahlreichen lautlichen, visuellen und sprachlichen<br />

Funktionen eine sprachgerechte, nicht<br />

künstlich beengte literarische Form, die nachhaltiges<br />

und aussagestarkes lyrisches Sprechen in<br />

vielerlei Gestalten erlaubt ...“ (Schneider Verlag<br />

Hohengehren, 8/2003, S. 20).<br />

Rainer Hengsbach-Parcham<br />

Werden Schriftsteller immer ersetzbarer?<br />

Dichter und Schriftsteller waren stets kreative<br />

Künstler, sowohl zu Zeiten Goethes und Schillers<br />

wie zu Zeiten Brechts und Benns. Und auch<br />

noch ein Günter Kunert oder Günter Grass haben<br />

Kreatives hinterlassen. Es ist heute kaum<br />

mehr vorstellbar, daß schöpferische Menschen<br />

die längste Zeit in der Geschichte ihre Werke<br />

mit der Feder zu Paper brachten und beim Verlag<br />

ablieferten. Erst spät gab es für Schriftsteller<br />

Hilfsmittel, und die Schreibmaschine Nietzsches<br />

mutet heute höchst vorsintflutlich an, auch wenn<br />

sie für den Autor seinerzeit ein großer Fortschritt<br />

war.<br />

Wie aber sieht es heute aus? Heute: das heißt<br />

bei den Schriftstellern und Dichtern, die derzeit<br />

– sagen wir 30 Jahre alt sind oder jünger; bei den<br />

Jahrgängen, die bereits in der Schulzeit mit dem<br />

PC und seinen Segnungen vertraut gemacht<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 24


Essay<br />

wurden – und die jedem etwas älteren von uns,<br />

und sei er nur 40 oder 50, elektronisch etwas<br />

vormachen? Können sie, die sich ihre Arbeit –<br />

das Schreiben also – ohne PC nicht mehr vorstellen<br />

können und ihre Texte gleich „eingeben“<br />

– können sie noch wirklich kreativ, schöpferisch<br />

im Sinne des Wortes sein? Oder verhindert das<br />

neue, elektronische Zeitalter des Computers<br />

subtil und indirekt das Schöpferische?<br />

Für alles gibt es da Programme: Für Wort-<br />

Trennungen, Rechtschreibung (je nach dem<br />

„alte“ oder „neue“); es gibt leicht aufzurufende<br />

Lexika, die dem Schreibenden seine Arbeit<br />

erleichtern sollen (so kann er, um Doppelnennungen<br />

zu vermeiden, ein Synonymie-Lexikon<br />

befragen). Da werden zum Beispiel Sätze, Absätze,<br />

ja ganze Abschnitte zertrennt und wieder zusammengefügt,<br />

es wird eingefügt, und alles geht<br />

per Mausklick schnell und sauber. Kurzum, der<br />

moderne Schriftsteller kann sich in mancherlei<br />

Hinsicht auf seinen elektronischen Helfer verlassen.<br />

Doch nicht selten leidet der Text darunter,<br />

und man kann mitunter bei einem schlechten<br />

(etwa bei dem eines Kollegen, für den „Zeit<br />

Geld ist“) erkennen, wo zwei Absätze oder Sätze<br />

unstimmig aneinander gefügt wurden, wo eine<br />

Kürzung den Zusammenhang oder zumindest<br />

den Fluß des Textes stört usw. Ich selbst kenne<br />

solche Texte.<br />

Birgt also nicht grade die Technisierung und<br />

Mechanisierung des Schreibens die Gefahr, vieles<br />

von dem, was einst – und noch unlängst – zum<br />

Geschäft des Schriftstellers gehörte, zu delegieren,<br />

das heißt aus der Hand zu geben, nicht mehr zu<br />

kontrollieren und irgendwann gar zu verlernen?<br />

Je mehr wir uns auf unsere elektronischen Helfer<br />

verlassen, umso mehr geben wir das Ruder des<br />

Schreibens aus der Hand. Verleitet die Arbeit mit<br />

dem Computer uns letztlich, Fauxpas wie die oben<br />

genannten zu übersehen. In der Wissenschaft, wo<br />

es um inhaltliche Mitteilung geht, mag das noch<br />

hingenommen werden können, in der Literatur ist<br />

es nicht nur ein Fauxpas, sondern verheerend und<br />

eine Unmöglichkeit!<br />

Nicht, daß es nicht auch unter den Jungen<br />

kreative Menschen und <strong>Autoren</strong> gäbe – keine Frage.<br />

Aber laufen wir nicht alle grundsätzlich Gefahr,<br />

im Rahmen jener gesellschaftlichen Veränderung<br />

„entkreativiert“ zu werden und damit durch<br />

eine wissenschaftlich gemeinten „Versachlichung“<br />

aller Phänomene unsere Kreativität und Originalität<br />

selbst zu untergraben? – allmählich, in einem<br />

langsamen, schleichenden, kaum merklichen Prozeß?<br />

Dichtung lebt vom Umgang mit Sprache als<br />

Mittel der Darstellung und Verdeutlichung der<br />

Phänomene. Inwieweit kann da Elektronik hilfreich<br />

sein?<br />

In der Lyrik kann zum Beispiel die Entmythologisierung<br />

oder besser: Entzauberung von Kunst<br />

gut beobachtet werden. Gemeint ist die durch<br />

Naturwissenschaften und Technik eingeleitete<br />

Versachlichung des Lebens: Es gibt nichts Wunderbares<br />

mehr, man versucht die Welt nüchtern<br />

zu sehen. Gemeint ist damit zugleich die „Entphilosophisierung“<br />

des Lebens: grundsätzliche Fragen,<br />

für die alle Naturwissenschaft – wenigstens<br />

bis heute – keine Erklärungen oder plausiblen<br />

Deutungen parat hat, werden wissenschaftlich<br />

versachlicht, gar nicht gestellt oder belächelnd gemieden.<br />

Dabei können auch unumstrittene Phänomene<br />

unter verschiedenen Aspekten betrachtet<br />

werden. Dieser Trend einer vermeintlichen Versachlichung<br />

aller Dinge des Lebens ist Fakt und<br />

seit geraumer Zeit beobachtbar.<br />

Eine solche „Entphilosophisierung“ von<br />

Grundfragen und -anliegen des Menschen geht<br />

aber einher mit der Entindividualisierung der Beteiligten.<br />

Denn Individualität – starke Individualität<br />

– wird in der Massengesellschaft zunehmend<br />

verdrängt und seltener, da sie einem reibungslosen<br />

Massenbetrieb stets im Wege steht; das liegt<br />

in der Natur der Sache. Gefragt sind zunehmend<br />

Menschen, die ohne Ecken und Kanten funktionieren<br />

– so wie es ihnen die technischen Entwicklungen<br />

und Errungenschaften suggerieren. Und<br />

die Massengesellschaft wird zunehmend zum<br />

Modell des Zusammenlebens der Menschen werden<br />

(solange diese sich nicht selbst umgebracht<br />

oder doch stark dezimiert haben), notgedrungen<br />

bedingt durch das stets übersehene, aber zunehmend<br />

virulente Problem der Überbevölkerung<br />

der Erde, das Rationaionalisierung und Rationalität<br />

fordert – und nicht Individualität oder tiefere<br />

Philosophie.<br />

Dichter sind – und waren schon immer – sensible<br />

Indikatoren für bevorstehende gesellschaftliche<br />

Veränderungen, Befindlichkeiten und Gefahren.<br />

Als solche aber sind sie zugleich Teil der in Aufbruch<br />

oder Wandel befindlichen Gesellschaft. Für<br />

die Lyrik bedeutet das konkret, daß sie auch deren<br />

Aus-der-Form-laufen sowie ihr Streben nach<br />

„Verwissenschaftlichung“ bzw. Versachlichung<br />

mitmacht. Dies aber bedeutet einen Abbau des<br />

Künstlerischen, den zunehmenden Verzicht auf<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 25


IGdA<br />

das Kreativ-Künstlerische, auf das geistig Schöpferische.<br />

Nun wird man einwenden, daß auch in<br />

den Naturwissenschaften – und die sind heute<br />

das Maß aller Dinge – schöpferische Menschen<br />

tätig sind. Das stimmt; aber es ist doch eine andere<br />

Qualität des Schöpferischen: Es ist ein Unterschied,<br />

ob man eine neue wissenschaftliche<br />

Theorie kreiert oder ein Kunstwerk.<br />

Die Folge dieser nicht zu leugnenden Entwicklung<br />

ist die fortschreitende Verflahung und zunehmende<br />

Anspruchslosigkeit des Kunstwerks<br />

wie des Künstlers. Die Pop-Art eines Andy Warhol<br />

beispielsweise oder der Anspruch eines guten<br />

Fotografen, Künstler zu sein, dürften zumindest<br />

umstritten sein: In beiden Fällen ist das wichtige<br />

Element der Abstraktion und das der Stilisierung,<br />

der Metapher usw. stark reduziert oder gar ausgeblendet.<br />

Und ein mittelmäßiger Aphorismus,<br />

der – entsprechend gesetzt und umgebrochen –<br />

als Gedicht verkauft wird, hebt nicht gerade Anspruch<br />

und Niveau der Lyrik. Entsprechend darf<br />

sich heute bereits jeder unwidersprochen Dichter<br />

nennen, der schlichte Verse macht; Begründung:<br />

in unseren sich auflösenden Gesellschaften ist<br />

derjenige Künstler, der sich so nennt – und entsprechend<br />

verkaufen kann. Und die Nachwelt?<br />

Sie wird wohl bei der aufgezeigten Entwicklung<br />

in der Beurteilung noch milder sein.–<br />

Aus dem Vorstand<br />

Allem voran steht der Dank an Jutta Miller-<br />

Waldner, die viele Jahre die Geschicke der IGdA<br />

entscheidend gestaltet bzw. mitgestaltet hatte.<br />

Überlastet schon seit längerer Zeit, kam vor dem<br />

Treffen in Geiselwind der Zusammenbruch. In der<br />

Folge der Austritt aus dem Vorstand, Aufgabe der<br />

Arbeiten am Blog und schließlich auch der redaktionellen<br />

Arbeiten.<br />

Es war nicht leicht, Othmar Seidner dazu zu<br />

bringen, den 1. Vorsitz zu übernehmen. Er stimmte<br />

mit der Einschränkung zu, diesen Vorsitz interimsweise<br />

einzunehmen.<br />

Horst Dinter, der nicht anwesend war, übernahm<br />

in einem Telefonat den 2. Vorsitz, allerdings<br />

im Hinblick auf sein Alter nur befristet. Gabriela<br />

Franze sollte ihm nachfolgen.<br />

Gabriela Franze ist die Organisatorin des Jahrestreffens<br />

2009 in Frankenberg/SA.<br />

Für das Amt der Geschäftsstelle war Gaby G.<br />

Blattl angetreten. Volker Wille bleibt Schatzmeister,<br />

Waltraud Weiß Schriftführerin. Angelika<br />

Zöllner, RainerHengsbach-Parcham, Georg<br />

Walz, Gabriela Franze fungieren als Beisitzer. Beisitzer<br />

zu sein, bedeutet Mitarbeit. So hat Angelika<br />

Zöllner den Serviceteil in Homepage und Zeitung<br />

übernommen und gehört mit Beisitzern dem Redaktionsteam<br />

an; Rainer Hengsbach-Parcham hat<br />

inzwischen die Redaktion übernommen.<br />

Der gesamte Vorstand ist einig im Bemühen, die<br />

IGdA sowohl nach innen und außen zu stärken. Es<br />

wird Aktivitäten geben, zunächst gibt es in Berlin<br />

Treffen, in Wien sind drei literarisch-musikalische<br />

Abende im März, Mai und Oktober 2009 geplant.<br />

Ein Almanach pro Jahr ist ebenso in Planung.<br />

Wir planen für Ende Mai (28.–31.5.2009) ein<br />

Frühjahrstreffen in Berlin und wollen damit eine<br />

Tradition wieder aufleben lassen. Unser Berliner<br />

Mitglied Karin Manke übernimmt die Organisation.<br />

Wer interessiert ist, möge sich bei der Geschäftsstelle<br />

melden:<br />

Gaby G. Blattl, Geschäftsstelle<br />

41. Jahrestreffen in Geiselwind<br />

25. – 28. September <strong>2008</strong><br />

Sehr kurzfristig vor Beginn des Treffens kam<br />

die Hiobsbotschaft – Jutta Miller-Waldner ist erkrankt.<br />

Obwohl sie alles vorbereitet, den Festabend<br />

zeitgerecht in ‚Wiener Hände’ gegeben<br />

hatte, stand dieses 41. Treffen durch weitere<br />

Absagen, Erkrankungen, einen Unfall am Wege<br />

dorthin vorerst unter keinem guten Stern. Aber:<br />

Herausforderungen wurden angenommen,<br />

scheinbare Probleme gelöst.<br />

In Geiselwind war für unsere Ankunft, unser<br />

Bleiben während der Tagungstage alles bestens<br />

organisiert. Hans Meyer hatte sich sehr viel<br />

Mühe gegeben, den Aufenthalt angenehm und<br />

schön, interessant und mit ‚Highlights’ versehen,<br />

zu gestalten.<br />

Vom Anreisetag an …<br />

Nach einer sehr herzlichen Begrüßung fuhren<br />

wir in das Zentrum von Geiselwind und konnten<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 26


IGdA<br />

dort bei einer sachkundigen Führung Wissenswertes<br />

über diese Region in Franken erfahren.<br />

Die Freude des Ortskundigen verdoppelte unsere<br />

Freude.<br />

Der Bürgermeister, Ernst Nickel, hatte zu schilderte<br />

Historisches ebenso, wie das tägliche Leben<br />

eines Bürgermeisters. Bei gutem Frankenwein war<br />

es eine äußerst interessante Stunde, die wir hier<br />

verbringen durften.<br />

Ein köstliches Abendessen und fröhliches Beisammensein<br />

ließen diesen erfreulichen Tag ausklingen.<br />

Lesungen – Sitzung – Natur – Besichtigung –<br />

Schullesungen – Jahreshauptversammlung<br />

Am Vormittag waren die von Hans Meyer organisierten<br />

Schullesungen am Programm und die<br />

Vorstandsitzung. Hier wurden die Wahlergebnisse<br />

bekannt gegeben, der Vorstand formiert.<br />

Dem labilen Gesundheitszustand der 1. Vorsitzenden,<br />

Jutta Miller-Waldner, die auch die<br />

Zeitung vorbildlich gestaltet, wurde insoferne<br />

Rechnung getragen, daß sie aus dem Vorstand<br />

zurücktritt. Damit ist sie keiner Doppelbelastung<br />

ausgesetzt. Nach kurzer Diskussion wurde zugestimmt.<br />

Es ist gelungen, als 2. Vorsitzenden (nicht<br />

als Kandidat zur Verfügung gestandenen) Horst<br />

Dinter zu gewinnen; allerdings im Hinblick auf<br />

sein Alter nur, um Gabriela Franze als nächste 2.<br />

Vorsitzende einzuführen. Othmar Seidner wurde<br />

zum 1. Vorsitzenden, Gaby G. Blattl übernahm<br />

die Geschäftsstelle.<br />

Schriftführung übernahm Waltraud Weiß, die<br />

Finanzen bleiben bei Volker Wille.<br />

Als Beisitzer stehen derzeit Gabriela Franze,<br />

Rainer Hengsbach-Parcham, Georg Walz, Angelika<br />

Zöllner zur Verfügung.<br />

Hans Meyer führte uns in die Natur, zur<br />

1000-jährigen Kaisereiche. Hier las er uns fränkische<br />

Gedichte vor. Den Abschluß seiner Lesung<br />

bildete ein heiterer Text von Hilde Peyr-Höwarth.<br />

Hans Meyer führte uns durch die sanft-hügelige<br />

Landschaft zum Kloster Schwarzenberg. Hier<br />

wurden wir sehr freundlich aufgenommen. Es<br />

fand eine kurze Besichtigung statt, nach erbaulichem,<br />

nachdenklichen Aufenthalt ging es in die<br />

Druckerei Meyer.Was ist die schönste Farbe für<br />

den Schreibenden? Druckerschwärze!<br />

Wir erhielten eine äußerst interessante Führung<br />

durch den Betrieb. Mit viel Liebe zu diesem Metier<br />

erfuhren wir über Druck in den letzten Jahrzehnten,<br />

die enormen Veränderungen in technischen<br />

und allgemeinen Belangen. Hans Meyer ist auch<br />

Buchbinder und konnte auch hier Wissenswertes<br />

sagen und zeigen.<br />

Die Jahreshauptversammlung wurde abgegehalten,<br />

die Tagungspunkte besprochen. (Der entsprechende<br />

Bericht folgt im nächsten <strong>Heft</strong>).<br />

Gabriela Franze hat sich bereit erklärt, das<br />

nächste Treffen im September 2009 zu organisieren,<br />

das in der Zeit 10.–13. September in Frankenberg/SA<br />

stattfinden wird.<br />

Nach einem ausgezeichneten Nachtmahl erzählte<br />

uns Toni Strohofer, Inhaber des Tagungshotels<br />

und zugehörigen Freizeitparks von seiner<br />

jahrzehntelangen Arbeit. Den Abschluß bildete<br />

ein Besuch in der ersten und einzigen Autobahnkirche<br />

Europas, die von ihm gebaut und von seiner<br />

Tochter ausgestaltet wurde.<br />

So ereignisreich der Tag gewesen war, so ruhig<br />

klang er aus.<br />

Highlight – wie nicht anders zu erwarten, das<br />

Werkstattgespräch unter der sachkundigen Leitung<br />

von Hermann Wischnat. Ein literarischer<br />

Genuß, Anregungen, Impulse, einfach großartig.<br />

Dann kam der Festabend. Im (leider) kleinen<br />

Rahmen kamen <strong>Autoren</strong> und Autorinnen zu<br />

Wort. Jeder Beitrag ein Genuß. Zur Überreichung<br />

der Rudolf-Descher-Feder hatte Helmfried Knoll<br />

die Laudatio für Luitgard Kasper-Merbach verfasst,<br />

die aus ihrem Werk vorgetragen hat. Bedauerlicherweise<br />

konnte der Träger des Nachwuchspreises,<br />

Benjamin Bläsi, nicht anreisen. Sein<br />

Beitrag wurde von Othmar Seidner stimmungsvoll<br />

vorgetragen. Abgerundet wurde ‚das Wort’<br />

vom Beitrag der jungen Band ‚V.I.M.’ (very important<br />

music).<br />

Den Abend hat Gaby G. Blattl geleitet, Hans<br />

Meyer sprach das Schlußwort. Es war eine berührende<br />

lyrische Stunde (mit wenigen Prosabeiträgen),<br />

eine würdige Preisverleihung, ein geglückter,<br />

beglückender Festabend.<br />

Der interne Wettbewerb wurde nach dem bekannten<br />

Procedere abgewickelt, die Sieger festgestellt.<br />

(siehe Beitrag ‚Interner Wettbewerb‘). Zu<br />

unserer Freude nahm der Bürgermeister, Ernst<br />

Nickel, an der Siegerehrung teil. Danach ein Zusammensein<br />

zwischen Mitgliedern und Vorstand,<br />

in dem Anregungen und Ideen besprochen wurden.<br />

In freundlichem Ton dann die Verabschiedung<br />

in Vorfreude auf ein Wiedersehen in Frankenberg<br />

2009.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 27


IGdA<br />

Büchertisch<br />

Peter Dreyling‚ ‚zyklus, lyrik am baum’, Gedichte, Verlag Hans Meyer, Scheinfeld 2009, 75 S.,<br />

ISBN 3890143059.<br />

Othmar Seidner‚ Widersprüche II’, edition Musagetes, Wien 2009, 92 S.,<br />

ISBN 978-3-9502626-0-5<br />

Angelika Zöllner, ‚der Widerschein des Todes – reverberation of light’ – Lyrik in deutsch und englisch,<br />

(eigene) Fotos, Kohlhase Verlag, <strong>2008</strong>, 100 S.,<br />

ISBN 978-3-905798012.<br />

Rainer Hengsbach-Parcham, ‚Flußgeschiebe II, Gesammelte Gedichte‘, Beggerow Buchverlag,<br />

Berlin <strong>2008</strong>, 311 S., ISBN 978-3-936103-18-2.<br />

Service<br />

Interner Wettbewerb<br />

September <strong>2008</strong><br />

1. Platz<br />

Renate Weidauer<br />

Sommertraum<br />

Traumgesättigt der Sand<br />

warme Nähe:<br />

nur meine Haut und ein Tuch<br />

zwischen ihm und mir.<br />

Wind und Wellen schmecken nach Weite.<br />

Auf der Leinwand geschlossener Augen<br />

laufen die Bilder<br />

angeschwemmt von weither,<br />

begleitet vom Geruch<br />

nach Salz und Tang.<br />

Sand rieselt<br />

zwischen Zehen und Fingern hinab.<br />

Leise schwingt die Windharfe<br />

in meinen Haaren,<br />

lockt Traumbilder hinter die Lider.<br />

1. Platz<br />

Gesina M. Jaeckle<br />

Zärtlichkeitsstunden<br />

eines schwülen Sommers<br />

die Hitze klebte<br />

am dünnen Kleid<br />

das Meer verführte<br />

zum Mondenscheinschwimmen<br />

du hast gesungen<br />

ich hab‘ gelacht<br />

das Ziel unsrer Sehnsucht<br />

die einsamen Klippen<br />

der Regen rauschte<br />

die ganze Nacht<br />

das Jahr zog weiter<br />

die Wege verzweigten<br />

hast mir gesagt<br />

was ich erhofft<br />

ich habe gedacht<br />

es reicht für ein Leben<br />

Erinnerung täuschte<br />

die Süße verdarb<br />

du schwandest in Wolken<br />

ein kaltes Erwachen<br />

wohin der Sommer –<br />

hab‘ ich geträumt<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 28


IGdA<br />

1. Platz<br />

Gesina M. Jaeckle<br />

Vor dem Bogen<br />

hinter den Hügeln<br />

liegt mein Traum<br />

von der Sommerzeit<br />

Blüten in Fülle<br />

singende Stille<br />

Sonnenschwärme<br />

verschwenderisch<br />

Trauer verschleiert<br />

Schmerzen erloschen<br />

alles scheint leicht<br />

bis zur Mitternacht<br />

dann wirst du kommen<br />

mich mitzunehmen<br />

ohne das Fragen<br />

wie lange noch<br />

unüberhörbar<br />

weckt mich die Turmuhr<br />

Kälte im Zimmer<br />

Winterzeit jetzt<br />

dröhnendes Hämmern<br />

efällt den Körper<br />

drohender Tag<br />

hebt seine Faust<br />

hadern mit Schmerzen<br />

immer aufs Neue<br />

bis zur Erschöpfung<br />

ich kann nicht mehr<br />

schließe die Augen<br />

die Flucht muß gelingen<br />

ich will zurück<br />

in meinen Traum<br />

2. Platz<br />

Renate Weidauer<br />

Sommerfreude<br />

Heuduft<br />

über den Wiesen<br />

Klatschmohn befeuert<br />

der Feldrain<br />

leuchtendes Lachen<br />

steigt empor<br />

lerchen-frei<br />

bunte Luftballons<br />

sonnenwärts<br />

in den blauen Himmel –<br />

nur Sehnsuchtsschnüre<br />

zwischen Erde und Wolken.<br />

3. Platz<br />

Angelika Zöllner<br />

Mohnblüten<br />

das duftige der mohnblüten<br />

unberührbar wie feuerröte<br />

eines erhitzten<br />

hochsommertags<br />

feldbunte tage –<br />

nur ackerwurzeln halten<br />

die blätterzärtlichkeit<br />

und blumenwiesenrot<br />

pflückst du das mohngeschenk<br />

verflieht die pracht im<br />

vasenwasser – leicht<br />

wie augenblicks-gedanken<br />

durchsichtigkeit wie flügelglas<br />

und nicht zu fassen<br />

für worte, pinselsprache oder<br />

dich und mich.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 29


IGdA<br />

Wir gratulieren<br />

Hanna Fleiss<br />

hat soeben den 1. Preis im Wettbewerb des Literaturpodiums ‚Zeilen und Zeiten‘ gewonnen. Unter<br />

den ca. 3000 Einsendungen befinden sich in der Auswahlliste der 69 besten Texte noch weitere<br />

AutorInnen der IGdA.<br />

Maria Sassin<br />

Wurde mit dem Preis für soziales Engagement augezeichnet. Es ist dies die Ehrengabe der Gemeinde<br />

Rommerskirchen.<br />

http://www.igda.net/blog/?p=3498<br />

Angelika Zöllner<br />

Gewann zweimal den ‚Friedenstext des Monats‘, sowohl im November als auch im Dezember <strong>2008</strong>,<br />

mit den Gedichten ‚frieden‘ und ‚ausländer‘. http://friedensblog.over<br />

Blog.de/pages/Die_Friedenstexte_des_<br />

Monats-680790.html<br />

Wettbewerbe<br />

1 Krefelder Kurzkrimi-Preis<br />

Gesucht werden Kurzkrimis vom Tatort Niederrhein,<br />

die in einem Dorf, an einer Mühle,<br />

in einem Museum, einer Parkanlage oder einem<br />

historischen Gebäude etc. spielen.<br />

Umfang 8 bis 12 Normseiten, 30 Zeilen à 60<br />

Anschläge /1800 Zeichen, Zeilenabstand 1,5. Zusendungen<br />

mit Adresse, Mailadresse und Telefon<br />

werden als Papierausdruck und als Datei im .doc<br />

oder .rtf Format auf CD einem Kurzkrimiband<br />

im Leporello-Verlag veröffentlicht. Alle Gewinner<br />

erhalten Buchpakete im Wert ab 50 €. Die ersten<br />

drei Preisträger erhalten zusätzlich Büchergutscheine<br />

im Wert von 500 €, 300 € und 200 €.<br />

Preisverleihung im Rahmen der Krefelder Krimitage<br />

am Freitag 30. Oktober 2009.<br />

Einsendungen erbeten an: Buch Habel, Stichwort<br />

„Krimi-Preis“, Hochstraße 68 – 80, 47798<br />

Krefeld. Die Jury besteht aus je zwei Redakteuren<br />

der Westdeutschen Zeitung und je zwei Mitarbeitern<br />

von Buch Habel und des Leporello-Verlages.<br />

Näheres unter: leporellobuch@aol.com oder<br />

www.leporello-verlag.de/krimipreis.html<br />

Einsendeschluß: 31. März 2009<br />

2 Rowohlt sucht den historischen Roman<br />

Rowohlt schreibt einen Romanwettbewerb<br />

aus. Eingereicht werden können bisher unveröffentlichte<br />

deutschsprachige Romane von<br />

mindestens 200 Seiten Umfang. Die Handlung<br />

muß vor 1900 angesiedelt sein. Eine Jury unter<br />

Leitung der Bestseller-Autorin Astrid Fritz<br />

wird den besten Roman ermitteln. Erster Preis<br />

ist ein Buchvertrag mit dem Rowohlt Taschenbuch<br />

Verlag. Weitere neun Einsendungen werden<br />

mit Prämien (Buchpaketen) ausgezeichnet.<br />

Bewerber können dem Verlag über diese Seite:<br />

(www.hierschreibenwir.de/next/rowohlt) einen<br />

Handlungsabriss/ Exposé von bis zu zwei Seiten<br />

und ein Probekapitel von maximal 50 Normseiten<br />

(1800 Zeichen pro Seite) zukommen lassen.<br />

Einsendungen per Post unter: Rowohlt Verlag<br />

GmbH, betr. Wettbewerb ‚historischer Roman’,<br />

Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek,<br />

Tel.: 040-72 72-0.<br />

Infos: www.hierschreibenwir.de/next/rowohlt<br />

Einsendeschluß: 31. März 2009 (verlängert!)<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 30


IGdA<br />

3 Gong und der Piper Verlag suchen<br />

Deutschlands besten Krimiautor.<br />

Nachfolger werden gesucht von Klüpfel &<br />

Kobr, I. Noll und A. M. Schenkel. Wo ist Deutschland<br />

am kriminellsten? Wie mörderisch sind<br />

das schicke Hamburg oder der beschauliche<br />

Schwarzwald? Düstere Fantasie und sprachlich<br />

neue Impulse im Genre werden gesucht. Die Krimilandschaft<br />

in Deutschland hat viele Gesichter.<br />

Im Rahmen verschiedener Aktionen rund um<br />

den 60. Geburtstag der Zeitschrift hat die Gong-<br />

Redaktion diesen Wettbewerb ins Leben gerufen,<br />

unterstützt von den Schwesterzeitschriften<br />

BILD+FUNK und SUPERTV. Dem Gewinner des<br />

Wettbewerbs winkt ein Buchvertrag mit dem Piper<br />

Verlag und ein Garantiehonorar von 10 000<br />

Euro. Teilnahme: Bewerben kann sich jede(r),<br />

der/ die bisher noch keinen Kriminalroman<br />

veröffentlicht hat (sonstige Publikationen möglich).<br />

Der Roman muß zumindest teilweise in<br />

Deutschland spielen. Regionale Stoffe sind erwünscht.<br />

Interessenten sollten ein Exposé, einen<br />

Lebenslauf und das fertige Manuskript (30 Zeilen<br />

à 60 Anschläge pro Seite mit anderthalbfachem<br />

Zeilenabstand) einreichen an: Gong Verlag, Redaktion<br />

Kino & Kultur, Stichwort „Gong-Krimi“,<br />

Münchener Straße 101/09, 85737 Ismaning.<br />

Infos: www.gong.de/krimi-autor.php<br />

Einsendeschluß: 31. März 2009<br />

zwei Gedicht-Vertonungen, die auch im Podcast<br />

„gesendet“ werden. Berliner Literaturkritik: Drei<br />

Jahres-Abos der Druckausgabe und ein Buchpaket;<br />

Hoerothek: Zehn Gedicht-Vertonungen (die<br />

Audio-Dateien können bei Jokers heruntergeladen<br />

werden). Außerdem zehn Hörbuchpakete;<br />

Uschtrin: Fünf Jahres-Abonnements der „Federwelt<br />

– Zeitschrift für Autorinnen und <strong>Autoren</strong>“.<br />

Infos: www.jokers.de/startseite/indextml?p=poem.<br />

lyrik<br />

Einsendeschluß: 31.3.2009<br />

5 Kurzgeschichtenwettbewerb: Ferien und andere<br />

Katastrophen<br />

Unveröffentlichte Kurzgeschichten von 8-12<br />

Normseiten werden zum oben genannten Thema<br />

gesucht. Jeder veröffentlichte Autor erhält ein<br />

Exemplar der Anthologie. Dotierungen: 1. Preis:<br />

150,- Euro, 2. Preis: 50,- Euro und ein Buch aus<br />

dem Verlags-Programm (freie Auswahl). 3. Preis:<br />

ein Buch aus dem Verlags-Programm (freie Auswahl).<br />

Manuskripte an: Greifenstein Verlag, Schreibwettbewerb,<br />

Postfach 1371, 37253 Eschwege.<br />

Näheres unter:<br />

www.greifenstein-verlag.de bzw.<br />

kontakt@greifenstein-verlag.com.<br />

Einsendeschluß 31.3.2009 (verlängert!)<br />

4 Joker-Wettbewerb 2009<br />

Der diesjährige JOKER-Wettbewerb findet im Internet<br />

wieder vom 1. bis 31. März 2009 statt und<br />

gehört zu den großen deutschsprachigen Poesiewettbewerben.<br />

Klassische Lyrikthemen wie Liebe,<br />

Sehnsucht, Hoffnung, Leidenschaft, Trauer, Melancholie,<br />

Humor sind erwünscht. Dotierungen: 1.<br />

Preis: 2000 €, 2. Preis, 1.500 €, 3. Preis 1000 €, Sonderpreis<br />

Humor 100 € und Jokers Waren-Gutscheine<br />

für weitere Sieger. Zusätzliche Texte werden in<br />

einer Anthologie veröffentlicht. Die Autor(inn)en<br />

erhalten ein kostenloses Beleg-Exemplar. Sonderpreise:<br />

<strong>Autoren</strong>haus, 10 Freiexemplare des Buches<br />

„Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll<br />

einsetzen“ von Lyrik-Preis-Jurorin Susann Konrad;<br />

Bod.de: eine komplette Buchveröffentlichung<br />

mit 20 Freiexemplaren. Das Gedicht: Zwei<br />

analysierende Gutachten der Redaktion DAS GE-<br />

DICHT für jeweils 10 Gedichte. Literaturcafé,<br />

6 Corona Kurzgeschichtenwettbewerb –<br />

Verschiedene<br />

Zum Kurzgeschichten-Wettbewerb des Corona<br />

Magazins werden <strong>Autoren</strong> eingeladen, ihre Geschichten<br />

zu den einzelnen Themenrunden zu<br />

senden. Mehrfachteilnahmen, auch innerhalb einer<br />

Runde, sind möglich. Ein Anspruch auf Veröffentlichung<br />

besteht nicht. Drei Sieger-Beiträge<br />

zu jeder Themenrunde werden im Corona Magazin<br />

veröffentlicht. Bei Veröffentlichung erfolgt<br />

keine Vergütung.<br />

Einsendeschluß für die nächsten Runden:<br />

• Thema ‚Metamorphose’ (Einsendeschluß<br />

1. April 2009)<br />

• Thema ‚Hinter dem Spiegel’ (Einsendeschluß<br />

1. Juni 2009)<br />

• Thema ‚Labyrinth’ (Einsendeschluß 1. Oktober<br />

2009)<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 31


IGdA<br />

• Thema ‚Exil’ (Einsendeschluß 1. Dezember 2009)<br />

Wer Interesse hat, sich mit einer Kurzgeschichte<br />

(Science-Fiction, Fantasy, Horror,<br />

Phantastik) zu beteiligen, die einen Umfang<br />

von 20.000 Zeichen nicht überschreitet, schickt<br />

seine Story rechtzeitig per E-Mail an die Kurzgeschichten-Redaktion<br />

unter kurzgeschichte@<br />

corona-magazine.de.<br />

Infos: www.corona-magazine.de/Storywettbewerb<br />

oder: Mike Hillenbrand, Leuthenstraße 19,<br />

45472 Mülheim an der Ruhr, Tel: 0208 / 78 27 90 29.<br />

7 Santa-Claus-Preis<br />

Initiator des Literaturwettbewerbes ist die<br />

“Dulzinea-Zeitschrift für Lyrik und Bild”, Thema:<br />

moderne/jetztzeitliche Weihnachtslyrik.<br />

Der Wettbewerb zum Thema Weihnachten soll<br />

in Zukunft in periodischen Abständen stattfinden.<br />

Die Teilnahme ist für alle <strong>Autoren</strong> offen. Die<br />

anspruchsvollsten Texte werden in einer Anthologie<br />

zum Santa Claus Preis veröffentlicht. Die<br />

Anthologie soll im September 2009 erscheinen.<br />

Die veröffentlichten <strong>Autoren</strong> erhalten ein kostenfreies<br />

Belegexemplar der Publikation.<br />

Preise: Santa-Claus-Preis, dotiert mit 6.000<br />

Euro und Sonderpreis, ‚It was the Night before<br />

Christmas’, dotiert mit einer Weihnachtsmünze<br />

(1 Unze Gold). Die Teilnahme ist für alle<br />

deutschsprechenden <strong>Autoren</strong> offen, keine Altersbeschränkung,<br />

keine Einschränkung hinsichtlich<br />

des Wohnlandes oder der Nationalität.<br />

WICHTIG: Bitte die vollständigen Teilnahmebedingungen<br />

und die weiteren Informationen zum<br />

Wettbewerb auf der Wettbewerbsseite zum Santa-<br />

Claus-Preis beachten: www.weihnachten.cx. Wettbewerbsbeiträge<br />

können als Emailanhang (Word-<br />

Datei / redaktion@dulzinea.de) oder auf dem<br />

Postweg (Dulzinea – Zeitschrift für Lyrik und<br />

Bild, Stichwort: Santa Claus Preis, Postfach 1927,<br />

36009 Fulda) eingereicht werden. Die Ausschreibungsergebnisse<br />

werden auf der Wettbewerbsseite<br />

aufbereitet.<br />

Kontakt: Dulzinea – Zeitschrift für Lyrik und<br />

Bild, Camo & Pfeiffer OHG, Franzensbader Straße<br />

9, 36039 Fulda, Telefon: 0661 / 60 26 12<br />

Infos: www.weihnachten.cx/teilnahme.php<br />

Einsendeschluß: 31. März 2009<br />

8 Lyrikwettbewerb ‚Neues von Kuttel’<br />

Begleitend zum Theaterprogramm „Kuttel<br />

Daddeldu“ mit Texten von Ringelnatz veranstaltet<br />

das Freie Theater Surenfeld diesen<br />

Wettbewerb. Kuttel Daddeldu ist Ringelnatz’<br />

berühmte Kunstfigur und der absolute Star vieler<br />

Gedichte. Sein ungezügeltes Leben mit viel<br />

Alkohol, Bordellbesuchen, ebenso vielen Kindern<br />

und furchtbar lauten Gesängen begeistert<br />

Leser und Kabarettbesucher seit den Zwanziger<br />

Jahren. Mit Humor berichtet Kuttel von den oft<br />

abstrusen Abenteuern seines Seemannslebens,<br />

die er nur dank seiner großen Freude am Leben<br />

bestehen und überleben konnte. Ringelnatz<br />

starb 1934, Kuttel Daddeldu aber lebt weiter.<br />

Mit diesem Wettbewerb möchte das Theater Surenfeld<br />

dazu aufrufen, Kuttels Geschichte ‚humorvoll,<br />

aber mit sinnigem Blick hinter die soziale<br />

Fassade der Ringelnatz-Gedichte’, fortzuschreiben.<br />

Gesucht werden lyrische Antworten auf Fragen<br />

wie: Was passiert Kuttel heute? Wie geht es Marie,<br />

seiner festen Braut? Auf welchen Schiffen hat<br />

Kuttel zuletzt angeheuert? Wer oder was ist sein<br />

bester Freund / schlimmster Feind? usw. Jede(r)<br />

deutschsprachige Autor(in) kann sich beteiligen,<br />

Schüler bis 19 Jahre starten in einer eigenen<br />

Kategorie. Drei Gedichte in Reimform, unveröffentlicht,<br />

können ausschließlich per E-Mail<br />

eingesandt werden. Die Endauswahl findet<br />

statt bei einer öffentlichen Lesung. Veröffentlichung<br />

ausgewählter Gedichte im Internet sowie<br />

als E-Book / Audio-Book sind vorgesehen. Eine<br />

Veröffentlichung als Taschenbuch ist möglich.<br />

Ferner entscheidet das Theater Surenfeld, ob die<br />

Texte zu einer eigenständigen Lesung zusammengefasst<br />

werden können, die dann ein festes<br />

und dauerhaftes Theaterangebot wird. Die Sieger<br />

in den Kategorien Schüler/Erwachsene erwartet<br />

Preisgeld in noch unbekannter Höhe. Es<br />

wird ein Startgeld von 10,- € (Jugendliche 0,- €)<br />

zur Deckung der Kosten und zur Herausgabe<br />

der Publikationen erhoben. Eventuell mögliche<br />

Überschüsse werden an eine gemeinnützige<br />

Organisation weitergeleitet.<br />

Einsendungen möglichst nur per Mail an surenfeld@live.de.<br />

Infos: www.kuttel.org/lyrikwettbewerbe.htm.<br />

Einsendeschluß: 31. März 2009 nur per Mail<br />

(Postadresse zwecks Rückfragen: Michael Felske,<br />

Vorderreihe 49, 23570 Lübeck).<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 32


IGdA<br />

9 Erika-Mitterer-Lyrikpreis 2009<br />

Zum Motto: ‚Wer empfindet, der weiß´‚ (Erika<br />

Mitterer) lädt der VKSÖ – VERBAND KATH.<br />

SCHRIFTSTELLER ÖSTERREICHS alle deutschsprachigen<br />

Autor(inn)en mit lyrischen oder Prosabeiträgen<br />

ein.<br />

‚Lyrik soll als ureigenste Findung, Erfindung aus<br />

E m p f i n d u n g angesehen werden, vergleichbar<br />

etwa einer musikalischen Komposition .... aus der<br />

Mitte des Herzens’, im Sinne auch des berühmten<br />

Wortes von Blaise PASCAL: „Das Herz hat seine<br />

Gründe, die der Verstand nicht kennt.“<br />

Teilnahme: Pro Autor/Autorin max. 2 Texte,<br />

bis zu 26 Zeilen Länge pro Text. Einsendung in<br />

fünffacher Ausfertigung, anonymisiert per Kennwort.<br />

Gesondert beifügen einen geschlossenen<br />

Umschlag mit Angaben zur Person (Name, Anschrift,<br />

Tel./E-Mail), außen mit gleichem Kennwort<br />

versehen. Die Preisverleihung ist für Montag,<br />

den 12. 10. 2009 vorgesehen. Dotierungen:<br />

1. Preis 500,- €, 2. Preis 300,-€, 3. Preis 150,- €,<br />

4. Preis: 50,- €. Die vier Preisträger sowie die auf<br />

die Ränge 5 bis 10 gekommenen Teilnehmer(inn)<br />

en erhalten kostenfreie MITGLIEDSCHAFT beim<br />

VKSÖ sowie bei der Erika-Mitterer-Gesellschaft<br />

für zwei Jahre, dazu sämtliche in diesem Zeitraum<br />

erscheinenden Druckwerke des VKSÖ sowie<br />

die dreimal jährlich erscheinende Zeitschrift<br />

der Erika-Mitterer-Gesellschaft „Der literarische<br />

Zaunkönig“. Manuskripte an: VERBAND<br />

KATH. SCHRIFTSTELLER ÖSTERREICHS,<br />

A-1010 WIEN, Spiegelgasse 3, Mezzanin links,<br />

Tel. & AB +43/01/515 52 3667 Fax: 515 52 3645.<br />

E-Mail:<br />

vksoe1@gmail.com. Infos unter: www.erika-mitterer.org/.<br />

Die Einsendungen müssen eingetroffen<br />

sein (!) bis zum 2.6.2009<br />

10 Reif für die Bühne – Dramatikerinnenpreis<br />

NRW 2009 für Seniorentheater<br />

Das Frauenkulturbüro NRW lobt 2009 in Zusammenarbeit<br />

mit dem Institut für Bildung und<br />

Kultur in Remscheid, dem Literaturbüro Ruhr in<br />

Gladbeck und dem Forum Freies Theater (FFT)<br />

in Düsseldorf einen Stücke-Wettbewerb für Dramatikerinnen<br />

aus. Das Besondere an diesem<br />

Wettbewerb ist die Ausrichtung: Seniorentheater.<br />

Dramatikerinnen sollen angeregt werden,<br />

Stücke für Seniorentheater zu schreiben. Die<br />

Spielfreudigkeit vieler Senioentheatergruppen<br />

wird häufig durch den Mangel an geeigneten literarischen<br />

Vorlagen gebremst. Die meisten Stücke<br />

beinhalten unüberbrückbare Schwierigkeiten<br />

für Amateurtheater, was die Länge der Stücke,<br />

die Dialoge oder auch die geringe Anzahl an<br />

(weiblichen) Rollen anbelangt.<br />

Die Ausschreibung wendet sich an professionelle<br />

Dramatikerinnen, die in Nordrhein-Westfalen<br />

geboren sind, dort arbeiten oder leben. Es<br />

gibt keine Altersbegrenzung. Das eingereichte<br />

Stück darf weder im deutschsprachigen Raum<br />

ur- oder erstaufgeführt worden noch zur Aufführung<br />

vergeben sein. Das prämierte Stück wird<br />

mit einem Preisgeld von 2.500,- € ausgezeichnet.<br />

Die Uraufführung des prämierten Stückes ist für<br />

2010 geplant. Begleitende Unterstützung für potentielle<br />

Wettbewerbsteilnehmerinnen bietet das<br />

Literaturbüro Ruhr mit einem Workshop im Europäischen<br />

Übersetzerkollegium Straelen. Vom<br />

24. bis 26. April 2009 können sich Dramatikerinnen<br />

unter der Leitung von Heidi von Plato in dem<br />

Seminar „Stücke fürs Seniorentheater – Grundlagen<br />

szenischen Schreibens“ auf die speziellen Anforderungen<br />

des Wettbewerbs vorbereiten. Siehe<br />

dazu www.literaturbuero-ruhr.de. Bewerbungsunterlagen<br />

und Teilnahmebedingungen sind<br />

im Download unter www.frauenkulturbueronrw.de<br />

erhältlich. Kontakt: Frauenkulturbüro<br />

NRW e.V., Kulturzentrum Fabrik Heeder, Virchowstr.<br />

130, 47805 Krefeld, Tel. 02151 – 39 30 25,<br />

Fax 02151 – 86 26 36.<br />

Einsendeschluß: 12.6.2009<br />

11 Limburg-Preis 2009<br />

Die Stadt Bad Dürkheim vergibt in diesem<br />

Jahr im Rahmen ihres Literatur-Wettbewerbes<br />

zum siebten Mal den „Limburg-Preis“. Ausgerichtet<br />

wird der Wettbewerb vom Kunstverein<br />

Bad Dürkheim. Das Preisgeld beträgt 4000 Euro.<br />

Teilnahmeberechtigt ist jeder, der Erzähungen in<br />

literarischen Zeitschriften bzw. Anthologien oder<br />

als Buch (kein Selbstverlag) bereits veröffentlicht<br />

hat. Jeder Autor/ jede Autorin kann nur eine unveröffentlichte<br />

Erzählung, deutschsprachig, einreichen.<br />

Keine thematische Vorgabe. Der Text,<br />

Schriftgröße 12, 1 1/2-zeilig bis max. 10 Seiten ist<br />

in 3-facher Ausfertigung ohne Absenderangabe,<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 33


IGdA<br />

mit einem Kennwort versehen, einzureichen. Ein<br />

beigefügter Briefumschlag mit gleichem Kennwort<br />

soll die Adresse des Absenders sowie einen<br />

Nachweis betr. Der Veröffentlichungen enthalten.<br />

Eingereichte Texte können nicht zurückgeschickt<br />

werden. Der „Limburg-Preis“ wird am Sonntag,<br />

dem 4. Oktober 2009 im Rathaus der Stadt Bad<br />

Dürkheim im Rahmen eines Festaktes überreicht.<br />

Infos unter: www.badduerkheim.de/html/Bil-<br />

dung_Kultur_und_Freizeit/Kultur/Literaturwett-<br />

bewerb_Limburg-Preis/Ansprechpartner Lucia<br />

Horstmann, In den Hammerwiesen 28, Tel./Fax:<br />

06322 981454 und: Kunstverein Bad Dürkheim,<br />

Vors. Ulrich Bell, Otto-Schmitt-Groß-Str. 32, 67098<br />

Bad Dürkheim.<br />

Einsendebeginn: 1. April 2009 – Einsendeschluß:<br />

1. Juni 2009 (Einsendungen außerhalb dieses<br />

Zeitraumes werden nicht akzeptiert werden).<br />

Anthologien<br />

Weihnachten-Wettbewerb – Christine Koch-<br />

Gesellschaft – Lyrik, Prosa, Essay<br />

Die Christine-Koch-Gesellschaft schreibt ihren<br />

Literaturwettbewerb 2009 unter dem Motto<br />

„Weihnachten” aus. Autorinnen und <strong>Autoren</strong><br />

sind aufgerufen, für den „Weihnachtsband<br />

2009″ (Arbeitstitel) eigene kurze Erzählungen,<br />

Aufsätze oder Gedichte einzureichen. Der<br />

Band erscheint vor der Weihnachtszeit 2009 und<br />

wird mit einer <strong>Autoren</strong>lesung vorgestellt.<br />

Teilnahmebedingungen: Nur unveröffentlichte<br />

Texte, 3 Kopien, max. 4 Seiten. Ein formloses<br />

Anschreiben ist beizufügen mit Adresse und<br />

Kurzvita (max. 10 Zeilen) sowie der Erklärung:<br />

‚Es handelt sich um eigene Texte, deren Urheberrecht<br />

in meinem Besitz ist und bleibt. Ich gestatte<br />

aber die Verwendung in der Weihnachtsanthologie<br />

2009 der Christine-Koch-Gesellschaft und<br />

zu deren Bekanntmachung in der Literaturzeitschrift<br />

„Der Edelrabe”.<br />

Infos: www.hans-clahsen.de/category/christinekoch-gesellschaft/.<br />

Einsendungen bis 30. April 2009 an: CKG,<br />

Tulpenstraße 19, 59909 Bestwig, Stichwort:<br />

Weihnachtswettbewerb<br />

Stipendien<br />

NEU: Reisestipendien des Landes Schleswig-<br />

Holstein<br />

Reisestipendien werden vergeben für die Sparten<br />

Bildende Kunst, Literatur, Musik und Theater.<br />

Sie können für Studienaufenthalte im In- und<br />

Ausland oder die Teilnahme an Ausstellungen,<br />

Messen, Symposien, Meisterkursen und ähnlichen<br />

Veranstaltungen vergeben werden. Das Reisestipendium<br />

soll vorrangig der künstlerischen Weiterentwicklung<br />

dienen.<br />

Stifter/Träger: Der Ministerpräsident des Landes<br />

Schleswig-Holstein<br />

Anschrift: Der Ministerpräsident des Landes<br />

Schleswig-Holstein, Abteilung für Kultur<br />

und Medien, Frau Andrea Kühnast, Düsternbrooker<br />

Weg 104, 24105 Kiel, Tel: 0431 988-5883,<br />

E-Mail: andrea.kuehnast@stk.landsh.de.<br />

Zielgruppe: insbesondere junge professionelle<br />

Künstlerinnen und Künstler, Vergabeturnus:<br />

jährlich. Die Reisestipendien werden mit<br />

max. 10.000 Euro pro Jahr gefördert (inklusive<br />

Reisekosten). Das Stipendium wird in monatlichen<br />

Raten ausgezahlt. Nach Abschluss des<br />

Projektes ist ein Erfahrungsbericht mit einem<br />

Kostennachweis vorzulegen. Die künstlerischen<br />

Ergebnisse der Stipendien werden alle zwei Jahre<br />

in geeigneter Form präsentiert.<br />

Voraussetzung: Wohnsitz/Arbeitsmittelpunkt in<br />

Schleswig-Holstein<br />

Vergabegremium: Über die Vergabe der Stipendien<br />

entscheidet der Ministerpräsident auf<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 34


IGdA<br />

Vorschlag der Kunstkommission des Landes. Die<br />

Mitglieder der Kunstkommission sind ehrenamtlich<br />

tätig.<br />

Eigenbewerbung: erforderlich<br />

Bewerbungsunterlagen: Bewerbungsbogen,<br />

Projektbeschreibung, Arbeitsproben, Kostenkalkulation,<br />

Einladung bzw. Veranstaltungsprogramm,<br />

Nachweis über bereits erfolgreiche<br />

Übersetzertätigkeit für ÜbersetzerInnen. Bewerbungsbogen<br />

zum Herunterladen:<br />

Bewerbung um ein Reisestipendium des Landes<br />

Schleswig-Holstein (FileTypepdf/13-KB) Infos:<br />

www.schleswig-holstein.de/Kultur/DE/Kulturfoerderung/PreiseStipendien/__dataStipendien/<br />

reisestipendienLandSH.html.<br />

Abgabetermin: jährlich 31. März<br />

Bücherschau<br />

Futsch und weg<br />

Lyrik, Prosa, Bilder – ISBN-13: 978-3981044744<br />

Herausgeberin: Waltraud Weiß, Köln<br />

Wort und Mensch Verlag <strong>2008</strong>, 240 S.<br />

Futsch und weg ist irgendwann fast alles im Leben,<br />

das Gedächtnis, eine Liebe, verlegte Gegenstände,<br />

am Ende das Leben ... Bleibt es für immer<br />

verloren? Hat sich manches nicht durch die Krise,<br />

erst recht im Tod, lediglich in einen anderen Zustand<br />

verwandelt?<br />

Waltraud Weiß hat, zusammen mit Ute Holzmann<br />

und Maria Sassin, eine Anthologie zu einem<br />

bemerkenswerten Thema herausgegeben. Heitere,<br />

persönliche, ergreifende und auch philosophisch<br />

anmutende Texte unterschiedlicher Autor(inn)en<br />

eröffnen, wie die einzelnen mit Vergeßlichkeit,<br />

dem Älterwerden, den kleinen und größeren Krisen<br />

zurecht kommen, es zumindest versuchen.<br />

‚Ich kann ... sämtliche Geburtstage meiner Familie<br />

aufsagen, von Januar bis Dezember sortiert ...’,<br />

schreibt Marita Bagdahn, um schließlich selbstironisch<br />

festzustellen, daß auch sie Wesentliches<br />

vergißt: ‚Die Kartoffeln sind doch nicht angebrannt?’<br />

Nachdenklich, fast gleichnishaft stimmt eine<br />

Zeile von Theo Bauer: ‚Futsch und weg ... .was bleibt,<br />

ist der Gedanke, ein Fünkchen ...ein leeres Plätzchen’.<br />

Wehmut spricht aus einer Geschichte von Ingrid<br />

Benda: ‚Wenn ich damals die Tagebücher (meines<br />

Großvaters) angenommen hätte… wären sie wenigstens<br />

später nicht unauffindbar gewesen.’<br />

Und doch scheint gerade dieser Verlust ihr den<br />

beeindruckenden Charakter ihres Großvaters besonders<br />

vor die Seele zu stellen.<br />

Es fesseln drei gut geschriebene Miniaturen von<br />

Peter Biqué, darunter schmerzhafte Erinnerungen<br />

an eine Jugendliebe in ‚das Ende vom Lied’: ‚Sie spielten<br />

immer noch ’Hold me’. Kiesi arbeitete wie ein Wilder<br />

hinter seinen Pötten. Als er einmal herüber sah, nickte<br />

er mir zu und grinste. Jugendromanzen, dachte ich mir<br />

sinngemäß, sind eine ... Verkettung von Pleiten, Pannen<br />

und Reinfällen. Aber irgendwie mußte man da durch… ’<br />

Über eine Frau mit zunehmender Demenz berichtet<br />

berührend Waltraud Weiß: Sie erzählte allen,<br />

daß sie sich noch selbst versorge, dabei hatten wir schon<br />

vor Jahren den Gashahn abgedreht ... erzählte gekonnt<br />

..., wie ein Braten oder Rouladen ... zubereitet worden<br />

sind’, auch wenn sich im Kühlschrank nur Tomaten<br />

und Käse anfanden.<br />

Für manche Fehler im Leben gibt es eine zweite<br />

Chance, so auch in dem Fast-Krimi von Sabine<br />

Marcek ‚Die Murmel und das Haus’. Hatte die Erzählerin<br />

als Kind versäumt, dem Hilferuf eines<br />

sterbenden Mädchens nachzugehen, so wiederholte<br />

sich die Situation nach 15 Jahren. Dank der<br />

Erinnerung an eine besondere Murmel konnte sie<br />

den gleichen Mann in einem verwilderten Haus<br />

entdecken und ein Mädchen vor der wiederum geplanten<br />

Ermordung bewahren.<br />

Jüngste Anthologie-Teilnehmerin ist mit sieben<br />

Jahren Sophia Borchardt. Unverändert auf Fehler<br />

hin wird eine reizende Geschichte von Bodo, dem<br />

im Bus verlorenen Kuscheltier erzählt und wie Sophia<br />

sich vorstellt, was Bodo nun erlebt: ‚Die freunde<br />

Sagen, Bodo Du Bist der Schef, Du Bist Schau und<br />

Stark ...’<br />

Elefanten vergessen nicht, darauf weist uns<br />

schon das malerische Titelbild von Rita von Styp<br />

hin. Die Herausgeberin, Waltraud Weiß, empfiehlt<br />

ein Rezept gegen Verluste, welcher Couleur<br />

auch immer, für das man keinen Arzt benötigt:<br />

‚Schreiben Sie! Halten Sie fest! Machen Sie ‚es’ lebendig<br />

...!’. In diesem Sinne lassen sich hier noch viele<br />

spannende Geschichten und Gedichte entdecken,<br />

auch wenn man manchmal eine kleine Traurigkeit<br />

mitnimmt, wie z.B. Ingeborg Brenne-Märk-<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 35


IGdA<br />

ners Erinnerung an ‚Omas Heilkräutchen’, die Kamille,<br />

mit der diese körperliche und seelische<br />

Verletzungen heilte bis zum 16. Lebensjahr der<br />

Autorin.<br />

Angelika Zöllner, Wuppertal<br />

Der Widerschein des Todes,<br />

reverberation of light<br />

Gedichte in Deutsch und Englisch, Farbfotos<br />

Kohlhase Verlag <strong>2008</strong> – ISBN-13: 978-3905798012<br />

Angelika Zöllner (Übersetzung: Trevor Salisbury<br />

und Angelika Zöllner).<br />

In ihrem neuen Buch ‚Der Widerschein des Todes‘<br />

beschäftigt sich Angelika Zöllner lyrisch mit<br />

den schwierigen Themen Tod, Sterben und Zurückbleiben.<br />

Dreißig Gedichte, ein jedes in deutscher<br />

und englischer Sprache, füllen an die hundert<br />

liebevoll gestaltete Seiten. Durch die Wahl<br />

einer großen Schrift ist das Werk angenehm zu<br />

lesen. Wunderschöne bunte Naturfotos fügen<br />

sich überaus harmonisch in die Thematik ein.<br />

Tod – unabdingbarer Bestandteil eines jeden<br />

Lebens – wird in unserer Kultur oft zum Tabuthema,<br />

wird zunehmend aus dem Leben ausgegrenzt.<br />

Es stirbt sich mehr und mehr steril und<br />

außerhalb des normalen Lebensumfeldes in Kliniken<br />

und Hospizen.<br />

Tod – eine offene Frage – keiner weiß wirklich,<br />

was danach kommt, und diese Ungewißheit<br />

macht Angst. Angst auch vor einer absoluten<br />

Gewißheit – der Sterbende wird bald körperlich<br />

nicht mehr anwesend sein, uns allein lassen, voller<br />

Fragen und in Trauer.<br />

Der Tod, so die Autorin, bringt alles auf einen<br />

Punkt. Aber – auf welchen? Für manchen macht<br />

dies das Sterben zu einer Schreckensvision.<br />

Angelika Zöllners Buch ist anders. Die vorliegenden<br />

Gedichte sind im Laufe von 21 Jahren<br />

entstanden, sind Eindrücke von selbst erlebten<br />

Todesfällen ganz unterschiedlicher Art: Alte und<br />

junge Menschen, Kranke und Opfer von Gewaltverbrechen<br />

ließen die Autorin das Zurückbleiben<br />

erfahren, die Notwendigkeit der Trauerbewältigung<br />

immer wieder am eigenen Leibe<br />

fühlen. Das macht die Gedichte authentisch und<br />

nachspürbar für Leser in verschiedensten Trauersituationen.<br />

Wenn man sich das Büchlein anschaut, verrät<br />

das Cover schon sehr viel über die in den Texten<br />

vorhandene Grundtendenz von Gedanken und<br />

Gefühlen:<br />

Ein Foto einer weiß gekalkten Mauer der griechischen<br />

Insel Patmos, die fast nahtlos in einen<br />

blassen, graublauen Himmel übergeht. Darüber<br />

ein Schwarm Vögel, die Weite und Freiheit erahnen<br />

lassen. Ein ruhiges, harmonisches, gewiß<br />

auch ein wenig trauriges Bild, das jedoch auch<br />

von Hoffnung und Leben spricht. Tod, wo ist<br />

dein Schrecken, möchte man getröstet fragen.<br />

Genau so spricht es aus dem Großteil der Texte.<br />

Ein Beispiel sei eingefügt:<br />

für dich<br />

wenn du von uns gehst<br />

irgendwann oder morgen<br />

sind deine spuren gesät<br />

verborgen noch<br />

im geflüster der knospen<br />

wiegen sie<br />

das geheimnis der frucht<br />

und wurzeln tiefer<br />

jahr um jahr.<br />

Tod, so wird dem Leser immer wieder vermittelt,<br />

ist Weggehen, ist berechtigte Trauer der Hinterbliebenen,<br />

aber er ist nicht endgültiges Ende –<br />

Spuren des Verstorbenen durchziehen die Welt,<br />

erinnern an ihn.<br />

Angelika Zöllners wunderbare, lyrische Sprache<br />

drückt viel Ehrfurcht vor dem Sterben aus,<br />

gemahnt mit ihren Wortschöpfungen und poetischen<br />

Bildern an Else Lasker-Schüler: weinekleid,<br />

zeitweh, entsiegeltes licht – ungewöhnliche<br />

Ausdrücke, die den Kern der Sache so genau<br />

treffen, daß sie dem Leser altvertraut scheinen.<br />

Die Autorin verliert nie aus dem Blick, daß ein<br />

jedes Sein einmal zu Ende geht und versteht es,<br />

auch für Grenzsituationen im Leben Mut zur Zukunft<br />

zu geben und zu verlangen:<br />

und wenn die erde schon brennt<br />

heb den kopf aus dem sand<br />

und gieß einen baum<br />

was weißt du wozu<br />

Angelika Zöllner schreibt offen über die<br />

schwierige Situation des Danebenstehens und<br />

Zurückbleibens, doch sind ihre Texte immer behutsam,<br />

nie aufdringlich und plakativ.<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 36


IGdA<br />

Sehr schön auch die Einleitung in Prosa, ganz<br />

bescheiden ‚Vor-Worte, ein Versuch‘ genannt, in<br />

dem die Autorin klar und einfühlsam über das<br />

Geschehen rund um Tod und Sterben spricht und<br />

wiederum authentische Erfahrungen zu berichten<br />

weiß, die ihre Worte mitspüren lassen.<br />

Treffend gewählt sind Karl Krolows beschreibende<br />

Adjektive im Klappentext: ‚notwendig und<br />

überzeugend!‘<br />

Ein wunderschönes Büchlein, in dem sich berechtigte<br />

Trauer, Darstellung von Verlustsituationen<br />

und Trost mischen; ein Buch, das nach vorne<br />

schauen und hoffen läßt.<br />

Maria Sassin, Rommerskirchen<br />

Elses Töchter und Enkelinnen –<br />

Else Lasker-Schüler<br />

Hrsg. Waltraud Weiß, Köln, Wort und Mensch<br />

Verlag <strong>2008</strong>, 140 S.<br />

Der Titel verblüfft zunächst ein wenig, hat<br />

Else Lasker-Schüler doch einen Sohn Paul und<br />

keine Töchter besessen. Beim Blättern in diesem<br />

hübsch auch in Kleinigkeiten gestalteten Buch<br />

wird deutlich, daß es sich um eine dichterische<br />

Wahlverwandtschaft handelt, um nachträgliche<br />

Beziehungen zu einer wunderbaren Schriftstellerin,<br />

die bis heute mit ihren poetischen Sprachbildern<br />

und als mutige Frau in einem schwierigen<br />

Leben beeindruckt. Zweimal geschieden,<br />

selten ausreichend Geld, früher Tod des einzigen<br />

Sohnes ... die Tatsache, Jüdin zu sein, im Exil<br />

leben zu müssen, hätte alleine genügt. Ihr Theaterstück<br />

Artur Aronymus, 1933 im Berliner Schillertheater<br />

kurz vor der Premiere, wird von den<br />

Nationalsozialisten vom Spielplan genommen.<br />

Mit ihm hat die hellsichtige Dichterin die Judenverfolgung<br />

vorweg genommen: ’Unsere Töchter<br />

wird man verbrennen auf Scheiterhaufen..’<br />

Manches ließ sich von Else sicher leichter ertragen,<br />

wenn sie sich zeitweilig in ein Märchenland<br />

zurückzog als ‚Prinz Jussuf und König von<br />

Theben zugleich’ oder auf ihren geliebten Tibetteppich.<br />

Eine weibliche Buch-Hommage – jede der Autorinnen<br />

gehört zur Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft<br />

in Elses Geburtsstadt Wuppertal, die meisten<br />

bilden das ‚Ensemble Else’. Mit seinem der<br />

Dichterin gewidmeten Programm in Wort und<br />

Musik trat es bereits in diversen Theatern auf,<br />

im Kölner ‚Senftöpfchen’, im ‚Rex’ in Wuppertal,<br />

in Frankfurt beim Verband dt. Künstler u.a<br />

... Margarete Wohlfahrts sogenannte ‚Gedankenbilder’<br />

– Rohrfeder, Sepiatusche – im Wechsel<br />

zwischen Realität und Abstraktion illustrieren<br />

in beeindruckend feiner und unaufdringlicher<br />

Weise die Texte.<br />

Wir erfahren in Gedichten und Prosastücken,<br />

was die einzelne Autorin der Dichterin gegenüber<br />

empfindet: Traute Bühler-Kistenberger:<br />

‚Ölbergangst / Dein leises Gebet am Ölberg/umrauscht<br />

von Raketen/dein geschundener Leib/in jedem<br />

Knaben leib Israels ...’<br />

Radka Donnell: ‚Ihre Direktheit, gepaart mit großer<br />

Sicherheit in der Wahl der Bilder, ihr Gespür für<br />

... Stofflichkeit… ihre Liebe zur extravaganten Kleidung,<br />

alles das hält sie mir nahe ...’<br />

Margit Farwig: ’Sie erfüllte sich ihre Sehnsüchte<br />

... das erfordert Mut zur Unabhängigkeit ...’, aber<br />

’warum schützt sie niemand? Alle weiden sich an<br />

den Gedichten, ihren Luftschlössern ...<br />

ich sehe, daß sie zwischen ihre Verse fällt’.<br />

Karin Goetz: ‚Eine mutige, sicher keine einfache<br />

Frau ...’<br />

Christa Ludwig: ‚Café Sichel… Kaum einer blickte<br />

auf ... die mich kennen, schlugen ihre Zeitungen<br />

zu, manche verbargen sie unter den Tischen, auch die<br />

hebräischen, die ich doch nicht lesen kann.’ Dieser im<br />

Sprachstil sehr ansprechenden Geschichte hätte<br />

man eine Jahreszahl gewünscht, auch wenn sich<br />

die Zeit in etwa erraten läßt.<br />

Maria Sassin orientiert sich, wie auch andere<br />

der Autorinnen, einfühlsam bis hin zum Sprachstil<br />

an ‚Else’, was bei einer Hommage erlaubt<br />

sei: ‚Luftverloren die Augen/ sehnen schon müd/<br />

deinwärts. Auf goldenen Schuhen erwartest du... Suchende/<br />

Gottes Überströmen’.<br />

Waltraud Weiß hebt abschließend das Friedensbewußtsein<br />

Elses, ihre stark soziale Empfindung<br />

hervor: ‚Sie (Else) kennt keinen Unterschied<br />

zwischen Gläubigen, nicht zwischen Farbigen...nicht<br />

zwischen Liebenden...ihre Bücher überleben...nicht<br />

nur in der Sadowastrasse’ (Elses Elternhaus).<br />

Für Else-Freundinnen ein vielfältig anregendes<br />

Buch, auch wenn einzelne Texte ein wenig<br />

gewollt auf die Dichterin bezogen wirken und<br />

der vorne angeführte Vergleich mit Marie von<br />

Nazareth vielleicht ein wenig zu hoch in den<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 37


IGdA<br />

Himmel gehoben ist. Man könnte ihn bei einer<br />

weiteren Auflage fortlassen, Else Lasker-Schüler<br />

bleibt ohnehin eine besondere Frau:<br />

,Sie saß da’, schreibt Barbara Lorenz, ‚auf dem<br />

Papier vor mir neben einem halb geöffneten<br />

Koffer und spielte mit bunten Knöpfen. Sie lächelte<br />

mich an...und als sie ihr Lied sang, kam<br />

ich heim’.<br />

Schöner kann man es vielleicht kaum sagen.<br />

Angelika Zöllner, Wuppertal<br />

Leserbriefe<br />

Zur IGdA-Aktuell, Ausgabe 3, 32. Jahrgang <strong>2008</strong>/Rezensionen<br />

Nach der Lektüre einiger der Buchbesprechungen<br />

in der IGdA-Aktuell, Ausgabe 3/JG. 32 war<br />

ich für einen aufgebrachten Moment fast geneigt,<br />

das <strong>Heft</strong> für ganz lange Zeit ins Eck zu legen; zusammen<br />

– womöglich – mit meinem Mitgliedsausweis.<br />

Aber, nachdem der erste ungläubige<br />

Schmauch aus meinem Kopf wieder verraucht<br />

war, habe ich mich entschlossen, der Diskussion,<br />

die sicher folgen wird – und, wie ich meine,<br />

auch muß! – meinen Senf hinzuzugeben. Die im<br />

Gedankenaustausch und Disput unter Kulturschaffenden<br />

auch immer notwendige Kritik sollte<br />

im besten Falle konstruktiv und nicht destruktiv<br />

sein, zumal in einem Verband wie dem unsren,<br />

der das Miteinander und das Vorankommen aller<br />

seiner Mitglieder im Sinn haben sollte. Ich möchte<br />

dem Rezenten, <strong>Autoren</strong>, „Mit-Poeten“ und Mitmenschen<br />

Karl Heinz Schreiber daherher zum<br />

Nachdenken und zur Besinnung mit auf den Weg<br />

geben – und hoffe, er hält die Kritik hier selber<br />

aus –, daß das Heruntermachen und das selbstgerechte,<br />

ungefilterte, von vorheriger Reflexion<br />

„bereinigte“ und intolerante Abkanzeln der Werke<br />

von Kolleginnen und Kollegen nicht geeignet<br />

sind, einen fruchtbaren Austausch untereinander<br />

zu fördern. Wenn man dann auch noch über die<br />

Maßen persönliche Animositäten ins Spiel bringt,<br />

die individuelle Weltsicht als einzig gültigen<br />

Maßstab anlegt und so wenig Einfühlungsvermögen<br />

für andere und anderes auf bringt, dann<br />

ist das für keinen zuträglich – auch nicht dem<br />

Ansehen der eigenen Person als ernstzunehender<br />

Diskussionspartner. Richtig garstig werden derlei<br />

Elaborate, wie die abgedruckten, wenn z.B. Menschen<br />

im Hospiz als „Gag“ einbaut werden. Wer<br />

sich anmaßt, als Richter über das Werk anderer<br />

in so vernichtender Art und Weise zu fungieren,<br />

sollte doch bitte erst einmal etwas mehr Herzensbildung<br />

und mitmenschliche Größe einüben und<br />

sich darauf besinnen, daß wir alle letztlich im<br />

gleichen Boot sitzen, das auch einmal in Seenot<br />

geraten kann. (Und das passiert dann jedem, ob<br />

er an Gott glauben mag, oder nicht…)<br />

Barbara BaLo* Lorenz, Schwabach<br />

Heute habe ich die neue ‚aktuell’ erhalten und<br />

schon einiges gelesen.<br />

Mit Entsetzen habe ich die Rezensionen Karl-<br />

Heinz Schreibers zu zweien der Bücher von W.<br />

Weiß zur Kenntnis genommen – eine so unprofessionelle<br />

Kritik, in der jede Zeile von persönlichen<br />

Animositäten trieft, ist mir in einer renommierten<br />

Zeitschrift noch nie zu Augen gekommen.<br />

Wie ist es möglich, daß eine Zeitungsredaktion,<br />

die auf sich hält, derartige Artikel zuläßt? Und<br />

schlimmer, was bedeutet es für eine Vereinigung<br />

wie die IGdA, wenn ein Mitglied so in aller Öffentlichkeit<br />

ein anderes verreißen kann? Spricht<br />

das etwa für Zusammenhalt in der <strong>Autoren</strong>gemeinschaft?<br />

Nur in Harmonie – auch kritischer<br />

wohlgemerkt – kann Synergie entstehen, die allein<br />

uns befähigt, die Ziele unserer Gemeinschaft<br />

zu erreichen, miteinander etwas auf die Beine zu<br />

stellen.<br />

Besonders interessant scheint mir ein Satz:<br />

„Mit solchen Versen versetzt man vielleicht<br />

eine Hospizgruppe in Ekstase.“ Eine solche Diskriminierung<br />

Sterbender läßt in Bezug auf sittliche<br />

Reife nun doch einiges zu wünschen übrig.<br />

Unbeabsichtigt ist Herrn Schreiber aber hier<br />

ein großes Kompliment entfahren: Texte, denen<br />

es gelingt, Menschen auf der Schwelle des Todes<br />

noch ein wenig Glück zu schenken – und nicht<br />

nur Karl-Heinz Schreiber, auch ich halte viele der<br />

Gedichte von Waltraud Weiß für solche – sind gewiß<br />

zum Größten zu rechnen, was Literatur sein<br />

kann. Dafür sage ich – danke, Waltraud, und danke<br />

Herrn Schreiber, für diese unfreiwillig hohe<br />

Wertschätzung der Texte.<br />

Maria Sassin, Rommerskirchen<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 38


IGdA<br />

Um es gleich vorwegzunehmen: auch ich bin<br />

vor ca. 14 Jahren schon einmal Opfer von K.-H.<br />

Schreibers selbstherrlicher Intoleranz geworden.<br />

Und ich stimme mit den drei stellvertretend<br />

abgedruckten Leserbriefen überein, daß Herr<br />

Schreiber in seinen Rezensionen oft völlig taktlos<br />

und beleidigend ist – so wenn er die Gefühle<br />

einer Hospizgruppe ins Spiel bringt.<br />

Noch gravierender als seine Taktlosigkeit –<br />

und wirkliche Kritik kann nun mal nicht säuseln<br />

– ist seine kaum überbietbare Intoleranz;<br />

seine Intoleranz gegenüber anderen Denkund<br />

Schreibabsätzen als dem eigenen. Kein sachliches<br />

„Neben-sich-stellen“, kein „Von-sich-absehen“.<br />

Diese Intoleranz in einem Metier, das stolz<br />

auf seine Pluralität hinweist, ist tödlich.<br />

Dennoch muß man K.-H. Schreiber zugestehen,<br />

daß er in der Sache so der Beurteilung<br />

poetisch schiefer und „wackeliger“ Bilder – oft<br />

im Recht ist; sogar was die Nennung der Hospizgruppe<br />

betrifft. Die Frage ist nur, ob die Autorin,<br />

Waltraud Weiß, nicht gerade auch diese Gruppe<br />

ansprechen wollte (was durchaus lobenswert<br />

wäre).<br />

Genauso schlimm wie die negativen Eigenschaften<br />

von Herrn Schreiber aber empfinde ich<br />

den Wunsch, ihn aus der IGdA auszuschließen,<br />

sozusagen um den Schulterschluß liebender<br />

Menschen zu demonstrieren.<br />

Nein! Die IGdA sollte dankbar sein, daß sie in<br />

ihren Reihen so unterschiedliche Auffassungen<br />

zu bieten hat – und sie sollte froh sein, daß jemand<br />

es wagt, Texte wirklich zu kritisieren und<br />

nicht nur wohlwollend vorzustellen. Die Literaturszene<br />

ist ein Schlachtfeld und kein Ringelpiez.<br />

Rainer Hengsbach-Parcham, Berlin<br />

Mit spitzer Feder betrachtet...<br />

Das Gedicht<br />

Zeitschrift für Lyrik, Essay und Kritik<br />

Eine Literaturzeitschrift, die durch ihr Buchformat<br />

und ihre gehobene exklusive Ausstattung auf<br />

den ersten Blick besticht. Vor mir liegt Bd. 14 mit<br />

dem Untertitel ‚Die Arche der Poesie’. Nach wenigen<br />

einleitenden Seiten, die bei mir den Eindruck<br />

erwecken, ich würde über einen hölzernen Steg<br />

gehen, erreiche ich das Deck der Arche der Poesie.<br />

In ihr lernt der Leser Seite für Seite die Tiere kennen,<br />

denen die Dichter und der Herausgeber einen<br />

Platz auf den schwankenden Planken eingeräumt<br />

haben. Sorgsam auf unterschiedliche Decks verteilt,<br />

gehen sie auf die lange Reise und schwimmen<br />

einem neuen Dasein entgegen. Über 85 Seiten,<br />

fein untergliedert in Kapitel, ist zwischen<br />

den Befindlichkeiten der lyrischen Ichs die Liebe<br />

zu den Tieren unverkennbar. Dabei schlägt das<br />

mystische Wortependel die emotionale Trivialität<br />

nieder und schwingt munter zwischen dramatischer<br />

Melancholie und ungewöhnlich heutiger<br />

Grazie, wild hin und her. Nach unendlich vielen<br />

Tagen und Nächten meldet der Beobachter im<br />

Ausguck „Land in Sicht“. Schade, daß nicht mehr<br />

der zeitgenössischen Dichter – darunter namhafte,<br />

aber auch noch unbekannte <strong>Autoren</strong> – ihre<br />

Tiere auf die Arche bringen durften.<br />

Im zweiten Teil werden Gedichte vorgestellt,<br />

die von auserwählten Dichtern der Jury zur Rettung<br />

vor dem drohenden Untergang mit auf die<br />

Arche der Poesie genommen wurden. Unbestritten,<br />

die Auswahl ist es wert, auf den schwankenden<br />

Schiffsdielen einer unbestimmten Zukunft<br />

entgegen schwimmen zu dürfen. Doch schön,<br />

daß dies nur ein Gedankenspiel des Herausgebers<br />

war. Stellen wir uns lieber nicht vor, wie viele<br />

unersetzliche Wortspiele und in Worte gefaßte<br />

Gedanken und Bilder sinnlos für immer untergegangen<br />

wären, nur weil sie nicht für ein Überleben<br />

auf der Arche auserwählt waren.<br />

Am Ende des zweiten <strong>Heft</strong>teiles kommen dann<br />

noch zehn Dichter zu Wort, die sich in einer Aussage<br />

alle einig sind: ‚Die Poesie hat immer Recht.’<br />

Im Kritikteil, der daran anschließt, beschleicht<br />

mich das Gefühl, daß hier Quantität vor Qualität<br />

steht. Auf 24 Seiten sind in einer komprimierten<br />

Schriftgröße, die sicherlich nicht nur älteren Menschen<br />

bei schlechten Lichtverhältnissen Probleme<br />

beim Lesen bereitet, eine Vielzahl von Informationen<br />

und Rezensionen aufbereitet. Daß dabei auch<br />

junge Leseraugen deutlich schneller ermüden,<br />

mag vielleicht nicht bewußt gewollt sein, ist aber<br />

ein Fakt, dar nicht außer Acht gelassen werden<br />

darf. Buchkritiken, ebenso wie Empfehlungen leben<br />

nicht ausschließlich von ihrem Dasein, sondern<br />

vor allem davon, daß sie beachtet und ge-<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 39


IGdA<br />

lesen werden. Im einen oder anderen Falle ist auf<br />

eine beschreibende Kritik gänzlich verzichtet und<br />

der Herausgeber gibt sich mit der Erwähnung der<br />

Werke zufrieden. Dies rückt diese Teile gefährlich<br />

nahe an die Werbung.<br />

Nicht unerwähnt bleiben darf der vom Herausgeber<br />

angebotene, kostenpflichtige Lektoratsservice,<br />

der über zwei volle Seiten beworben wird.<br />

Ob dieser notwendig ist, muß jeder Autor für sich<br />

selbst entscheiden. Ich nehme an, daß – auch bei<br />

noch unbekannten <strong>Autoren</strong> – der Service nicht als<br />

Voraussetzung für einen Abdruck steht. Daß der<br />

Druck einer derart exklusiv ausgestatteten Literaturzeitschrift<br />

Geld kostet und bescheidene Zuschüsse<br />

dafür allein nicht ausreichen, erkenne ich<br />

an dem im Verhältnis recht umfangreichen Anteil<br />

von Werbung. Doch dies ist meiner Meinung<br />

nach legitim, da „Das Gedicht“ eine Publikations-<br />

Plattform für Lyriker ist, um ihre Gedichte einem<br />

breiten Leserkreis vorstellen zu können. Und diese<br />

Lyrik-Plattform ist wichtig für die <strong>Autoren</strong> und<br />

wird dringend benötigt.<br />

Georg Walz<br />

Kontaktadresse:<br />

Das Gedicht – Zeitschrift für Lyrik, Essay und<br />

Kritik<br />

website: www.dasgedicht.de<br />

Redaktion: Buchenweg 3b,<br />

D-82234 Weßling bei München<br />

Hrsg: Anton G. Leitner<br />

E-Mail: lyrik@dasgedicht.de<br />

Preis: 12 Euro<br />

Gründung: 1992<br />

Erscheint: 1/anno<br />

Auflage: ca. 3000 bis 5000<br />

ISSN 0943 – 0776 und ISBN 978-3-929433-67-8<br />

Format und Seitenzahl: ca. DIN A5 Buchformat/<br />

ca. 175 S.<br />

veröffentlicht: Lyrik, Essay und Rezensionen<br />

Hinweise für <strong>Autoren</strong>: zeitgenössische Dichtung,<br />

Einsendungen zu den themenorientierten<br />

Ausgabe sind willkommen<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 40


42. JAHRESTREFFEN DER IGDA<br />

UND<br />

INFORMATIONEN ZUM INTERNEN WETTBEWERB<br />

Das 42. Jahrestreffen der IGdA findet von 10. bis 13. September 2009 in Frankenberg statt.<br />

Die Stadt Frankenberg liegt im Sächsischen Burgen- und Schlösserland an der A4 zwischen Chemnitz<br />

und Dresden. Die Teilnehmer sind im AKZENT-Landhotel Frankenberg herzlich willkommen. Der Übernachtungspreis<br />

für Einzelzimmer beträgt je nach Teilnehmerzahl 38,00 EUR bis 40,00 EUR p. P. p. N.<br />

einschließlich Frühstück.<br />

Geplant sind u. a. ein Ausflug in die Landeshauptstadt Dresden, die Jahreshauptversammlung, die<br />

traditionelle Feierstunde mit Verleihung der Rudolf-Descher-Feder und des Nachwuchspreises sowie<br />

der Ehrung der Sieger des internen Wettbewerbs. Nach dem Motto „Mehr Literatur - weniger Kultur“<br />

sind natürlich auch workshops und Lesungen vorgesehen.<br />

Das Motto des diesjährigen internen Wettbewerbs lautet<br />

„STEINERNER WALD“.<br />

Wo heute eine umtriebige glas- und chromglänzende moderne Großstadt pulsiert und atmet, wuchs<br />

zu einer Zeit, als an Dinosaurier noch nicht einmal zu denken war, tropischer Wald. Vor 290 Millionen<br />

Jahren wurden die Schachtelhalm-Giganten durch einen Vulkanausbruch verschüttet und<br />

konserviert.<br />

25 steinerne Baumstämme sind in Chemnitz als „Fenster in die Vergangenheit“ ausgestellt. Weitere<br />

sind in Paris, Stockholm und London zu besichtigen. Nach wie vor finden Ausgrabungen statt und<br />

neue Funde werden zutage gebracht. Der Steinerne Wald soll Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe<br />

finden.<br />

Ein Stück Natur, das Äonen überdauerte und das durch die Neuzeit nicht mehr antastbar ist, soll die<br />

geschätzten Lyriker der IGdA zu Assoziationen anregen.<br />

Auf einen niveauvollen und ergebnisreichen internen Wettbewerb!<br />

Ich hoffe, daß ich durch diese ersten Schnupperinformationen bei zahlreichen Mitgliedern den Appetit<br />

auf Teilnahme am Essen wecken konnte! Die Freude wäre ganz meinerseits.<br />

Die genauen Informationen werden jeweils in der IGdA-aktuell veröffentlicht.<br />

Bis dahin viele liebe Grüße<br />

Ihre und Eure Gabriela Franze


<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

<strong>deutschsprachiger</strong> <strong>Autoren</strong> e.V. e.V.<br />

Das Das Forum Forum für für Ihre Ihre Texte Texte<br />

www.igda.net www.igda.net/blog/*<br />

T R T E R F E F F E F N E N<br />

mit mit <strong>Autoren</strong>lesungen und und Werkstattgesprächen<br />

L I L T I E T R E A R T A U T R U P R R P E R I E S I E S E<br />

Rudolf-Descher.Feder und und Nachwuchspreis der der IGdA IGdA<br />

V E V R E Ö R F Ö F F E F N E T N L T I L C I H C U H N U G N E G N E N<br />

in in IGdA-aktuell und und IGdA-Almanach<br />

P R P Ä R S Ä E S N E T N A T T A I T O I N O N<br />

unserer unserer Mitglieder Mitglieder im Internet im Internet<br />

1967 1967 gegründet. Mitglieder in zehn in zehn Staaten. Staaten.<br />

Informationsmaterial erhalten erhalten Sie Sie bei bei der der Geschäftsstelle der der<br />

<strong>Interessengemeinschaft</strong> <strong>deutschsprachiger</strong> <strong>Autoren</strong> <strong>Autoren</strong> (IgdA) (IgdA) e.V. e.V.<br />

Gaby Gaby G. G. Blattl Blattl<br />

Anton Anton Baumgartner Str. Str. 44/C3/ 44/C3/ 2503, 2503, A-1230 A-1230 Wien Wien<br />

Tel. Tel. +43-(01) +43-(01) / 9671024 / 9671024<br />

info@igda.net oder oder gabyblattl@chello.at

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!