Heft 4 / 2008 - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV
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Inhalt<br />
Impressum<br />
Editorial S. 3 O. Seidner<br />
Lyrik S. 4<br />
Prosa<br />
G.G. Battl, W.Walz,<br />
R. Hengsbach-Parcham,<br />
H. Wolff, H. Wischnat,<br />
R. Weidauer, W. de la Marre,<br />
K. Manke, M. Sassin,<br />
H. Fleiss, S. Green, B. Weiss,<br />
W. Volka, W. Weiss,<br />
G.-M. Lange, W.-J. Schmidt,<br />
A. Zöllner<br />
Blind Date G. Franze, S. 9<br />
Phantasie einer<br />
Regennacht G.G. Battl, S. 10<br />
Magersüchtig A. Zöllner, S. 15<br />
Schwimmen gehen C. Laurenz, S. 16<br />
Stummer Schrei G. Jaeckle, S. 18<br />
Gereift in der Tonne G. Walz, S. 18<br />
Freitag der 13. G. Franze, S. 20<br />
Essay<br />
Verse lesen W. Wischnat, S. 23<br />
Werden Schriftsteller<br />
immer ersetzbarer? R. Hengsbach-Parcham, S. 24<br />
IGdA<br />
Aus dem Vorstand S. 26<br />
Büchertisch S. 28<br />
Service S. 28<br />
Einladung<br />
S. 41 (Umschlag)<br />
Redaktion der IGdA-aktuell<br />
Rainer Hengsbach-Parcham (Leitung)<br />
Gaby G. Blattl, Angelika Zöllner<br />
Anschrift der Redaktion<br />
IGdA-aktuell,<br />
Rainer Hengsbach-Parcham<br />
Stieglakeweg 21, 13591 Berlin<br />
Tel. u. Fax: 030 / 36 72 95 74<br />
E-Mail: hengsbach-parcham@web.de<br />
Druck und Verarbeitung<br />
Druckerei Meyer, Scheinfeld<br />
IGdA-aktuell erscheint viermal pro<br />
Jahr; Bezug für IGdA-Mitglieder:<br />
1 Exemplar pro Ausgabe kostenlos;<br />
Einzelpreis 4,00 €<br />
Alle Rechte an den Beiträgen liegen<br />
bei den <strong>Autoren</strong>. Nachdruck nur mit<br />
ausdrücklicher Genehmigung der<br />
Redaktion. Namentlich gekennzeichnete<br />
Beiträge geben die Meinung der<br />
<strong>Autoren</strong>, nicht unbedingt die der<br />
Redaktion wieder.<br />
ISSN 0930-7079<br />
1. Vorsitzender:<br />
Othmar Seidner,<br />
Handelskai 224/5/9/59,<br />
A-1020 Wien<br />
Geschäftsstelle:<br />
Gaby G. Blattl,<br />
Anton Baumgartnerstr. 44/C3/2503<br />
A-1230 Wien<br />
E-Mail: gabyblattl@chello.at<br />
Schatzmeister:<br />
Dr. Volker Wille,<br />
Platanenhof 23,<br />
D-30659 Hannover<br />
Bücherschau und<br />
Leserbriefe S. 35<br />
B. Lorenz, M. Sassin,<br />
R. Hengsbach-Parcham<br />
Bankverbindung:<br />
Postbank Hannover,<br />
Kto.-Nr.: 102088-302, BLZ: 250 100 30<br />
Mit spitzer Feder<br />
betrachtet... S. 39<br />
G. Walz<br />
IGdA-aktuell wird auf chlorfrei<br />
gebleichtem Papier gedruckt.
Editorial<br />
Liebe Mitglieder, liebe Leser,<br />
seit der letzten JHV sind viele Dinge geschehen,<br />
die für Sie nicht immer transparent waren.<br />
Aus verschiedenen Gründen wende ich als der<br />
1. Vorsitzende mich an Sie, ohne dabei das Recht<br />
der Redaktion zu beschneiden. Es ist nun diesmal<br />
wichtig, daß der 1. Vorsitzende die Dinge klärt um<br />
keine Ungereimtheiten entstehen zu lassen.<br />
Zunächst möchte ich mich im Namen des gesamten<br />
Vorstandes bei Jutta Miller-Waldner für<br />
ihre bisherige Tätigkeit in der IGdA bedanken.<br />
Sie hat als Geschäftsstellenleiterin von 2002–2005,<br />
als Chefredakteurin der „IGdA-aktuell“ und als<br />
1. Vorsitzende von 2005–<strong>2008</strong> großartige Arbeit<br />
geleistet. Sie hat das Arbeitsaufkommen in den<br />
letzten zwei Jahren nicht mehr bewältigen können,<br />
deshalb wurde erst der Sitz im Vorstand aufgegeben,<br />
danach auch die Arbeit am Blog und an<br />
der Zeitung beendet. Auch funktionierten in den<br />
letzten beiden Jahren so manche Dinge nicht mehr<br />
(Antworten auf Briefe, pünktliches Erscheinen der<br />
„IGdA-aktuell“ u.v. mehr).<br />
So wurde bei der JHV eine Entlastung von Jutta<br />
Miller-Waldner beschlossen und es gibt einen<br />
neuen Vorstand. Wobei wir Jutta nicht ausschlossen,<br />
im Vorstand tätig zu sein, sondern sie selbst<br />
die Wahl nicht annahm. Somit mußten wir auch<br />
eine neue Redaktion küren, die nun arbeitet und<br />
die „IGdA-aktuell“ erstellt. Es sind dies derzeit als<br />
Mitarbeiter:<br />
Rainer Hengsbach-Parcham, Gaby G. Blattl (die<br />
auch die Geschäftsstelle leitet) und Angelika Zöllner;<br />
zum verantwortlichen Redakteur wurde Herr<br />
Rainer Hengsbach-Parcham bestimmt. Ich wünsche<br />
ihm und den beiden anderen viel Erfolg zu<br />
seiner bzw. ihrer Arbeit mit der „IGdA-aktuell“.<br />
Die Zeitung bleibt in ihrer Konzeption erhalten,<br />
es wird allerdings in Zukunft einige Neuerungen<br />
geben. Wir garantieren für die Zukunft pünktliches<br />
Erscheinen. Diese Nummer, die sie nun erhalten,<br />
ist eigentlich die nichterschienene Nummer<br />
4/<strong>2008</strong>, die 1/2009 erscheint in kurzer Zeit.<br />
Neu ist eine Seite/Kolumne: „Aus dem Vorstand“,<br />
in der über die Arbeit der Vorstandsmitglieder<br />
kurz berichtet werden wird.<br />
Das Gesicht der „IGdA-aktuell“ wird sich<br />
kaum verändern, nach wie vor ist es eine Vereinszeitung<br />
mit Nachrichten, Ausschreibungen, Neuerscheinungen,<br />
Hinweisen und Rezensionen.<br />
Über kritische, aber auch lobende Leserbriefe<br />
würden wir uns sehr freuen. Eine Vereinszeitung<br />
lebt von den Mitgliedern und den Lesern. Es<br />
kann dadurch die Kommunikation zwischen den<br />
Mitgliedern belebt werden.<br />
Sie sehen, daß wir an einem „Miteinander“<br />
sehr interessiert sind. Ideen, Anregungen, Wünsche<br />
werden sicher ernst genommen, geprüft<br />
und, wenn möglich, umgesetzt !<br />
Wir hoffen auf das Potential unserer Mitglieder,<br />
beispielsweise Rezensionen zu verfassen,<br />
Beiträge für den Blog zu liefern, die Homepage<br />
zu betreuen. Wir sind sicher, daß es unter den<br />
Mitgliedern Menschen gibt, die Freude daran haben,<br />
aktiv zu werden, deren Lohn Genugtuung<br />
und Freude über die Fortschritte und das Wiedererstarken<br />
UNSERER „IGdA“ ist !<br />
Jede Zusendung wird beantwortet, denn nur<br />
im gegenseitigen Kontakt kann ein gedeihliches<br />
Vereinsleben ermöglicht werden.<br />
Um ökonomisch arbeiten zu können, bitten<br />
wir Sie, Beiträge nach Möglichkeit auf Datenträgern,<br />
wie Diskette oder CD-Rom zu übermitteln,<br />
zumindest aber maschinengeschrieben oder per<br />
E-mail zuzusenden. Als Anlaufstelle gilt die Geschäftsstelle.<br />
Nun verbleibt mir nur noch ein herzliches<br />
„Glück auf“ an unsere Redaktion !<br />
Herzlichst Ihr<br />
Othmar Seidner – 1. Vors. der IGdA<br />
Das nächste <strong>Heft</strong> - 1/2009 - wird voraussichtlich<br />
Mitte bis Ende April erscheinen. Da Jutta<br />
Miller-Waldner, die unsere Zeitschrift bisher<br />
betreut hatte, die Unterlagen zur Zeitschrift<br />
und zum IGdA-Archiv noch nicht übergeben<br />
hat, dürfte auch dieses <strong>Heft</strong> „aus dem Stand“<br />
erstellt werden müssen. Ich bitte deshalb um<br />
Manuskripte.<br />
Und noch etwas: Sollten hier und da doch<br />
noch kleine Fehler gesichtet werden: das vorliegende<br />
<strong>Heft</strong> war ein „Schnellschuß“, der unter<br />
großem Zeitdruck entstand. (Die Red.)<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 3
Lyrik<br />
Gaby G. Blattl<br />
Dichten<br />
Rainer Hengsbach-Parcham<br />
Gelebt<br />
Begegnung von Schweigen<br />
und Sprache<br />
tiefe innere Stimme<br />
die tiefe Signatur des Seins finden<br />
Wahrnehmen den Klang<br />
unseres Geistes<br />
Mysterium der Stille<br />
Einsamkeit<br />
Eintreten in die zeitliche Dimension<br />
der Ewigkeit<br />
Seele verklärt<br />
und erlöst alles<br />
göttlicher Raum<br />
Erinnerung, du Freundin<br />
der Einsamkeit<br />
Überwinden<br />
die innere Distanz<br />
Erreichen des Göttlichen<br />
Ewiger Ort in uns<br />
Wenn Starre einstmals deinen Körper streckt<br />
und deine Lieben weinend dich umrunden:<br />
Dann hast du Ruhe vor der Welt gefunden,<br />
die niederträchtig nur in Kämpfen steckt.<br />
Die Lücke, die du hinterläßt, scheint klein;<br />
die Sippe kann von dir sich nichts erhoffen.<br />
Sie war ob deines Lebens oft betroffen,<br />
du paßtest nicht in ihre Welt hinein.<br />
Du fragtest oftmals nach dem Sinn des Lebens;<br />
doch eine rechte Antwort fandst du nicht.<br />
Man munkelt, daß dein Dasein fast vergebens.<br />
Doch hattest du stets eine andre Sicht<br />
der Dinge, die durch Worte wachsen, leben;<br />
sie bringen einst den Gleichmut zum Erbeben.<br />
Hannelore Wolff<br />
Abweichende<br />
Georg Walz<br />
GrenzenLos<br />
Stumme Holzpfähle<br />
blicken auf den Hall der Schüsse<br />
die Schreie nach Freiheit ersticken<br />
Füße stoppen im schnellen Lauf<br />
bevor sie freien Boden spüren<br />
das helle Rot der Tränen<br />
fällt auf frisches Grün<br />
seitdem –<br />
suchen wir die Freiheit vergebens<br />
auf den Jahrmärkten<br />
Sie wichen von der Tonart ab<br />
In atonaler Weise,<br />
Erklangen Hymnen, frei von Zwang,<br />
Fermaten färbten ihren Klang.<br />
Sie fügten einen neuen Takt,<br />
Es sangen die Verstummten;<br />
Von Annektieren fremder Federn,<br />
Engel den Hymnus summten.<br />
Despotische Hände ergriffen das Blatt,<br />
Verwiesen auf den Ursprungstakt:<br />
Abweichende Tonlagen sind nicht bedacht –<br />
Es werde unisono gedacht!<br />
Crescendostark und polyphon,<br />
Doch herrsche nur der eine Ton.<br />
Regie führt, der vom Geist besiegt<br />
Und schwachbeseelt Register zieht.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 4
Lyrik<br />
Hermann Wischnat<br />
Frühling<br />
Wentila De la Marre<br />
Achte Dein Sein!<br />
Der Frühling kommt mit jungem Schritt,<br />
und unser Opa schreitet mit.<br />
Die Lauluft zieht ihn gartenwärts,<br />
die Knospe schwillt und auch sein Herz.<br />
Er gräbt und harkt, beschneidet, düngt,<br />
was ihn von Grund auf so verjüngt,<br />
daß er beherzt – die Sonne kitzelt –<br />
mit Nachbarsfrauen scherzt und witzelt.<br />
Der still verehrten Witwe Knaus<br />
schenkt er den ersten Knospenstrauß,<br />
die, überrascht, zart sanft errötet.<br />
Es sprießt und grünt, die Amsel flötet.<br />
Der Lenz bringt Opa neuen Schwung<br />
und weckt in ihm Erinnerung.<br />
Renate Weidauer<br />
Am Rande der Nacht<br />
Windatem Nacht:<br />
Stunden tropfen<br />
Ins Nirgends.<br />
Fern wohnen Träume,<br />
blind am Tag.<br />
Die Irrgärten schlagen<br />
Die Augen auf,<br />
säen blinzelnd Schlaf,<br />
aber die Saat verdorrt<br />
unter Tränentropfen<br />
im Gewölbe gefalteter Hände,<br />
ohne Gebet.<br />
Keimt Warten in den Ecken,<br />
schlangenverschlungene Wurzeln<br />
fesseln den Fortgang<br />
müde gewordenen Denkens.<br />
Zögernd lauert<br />
Fernes Dunkel.<br />
Sich fallen lassen?<br />
Sich hingeben der Nacht<br />
Achte Dein Sein, denn es blüht,<br />
wenn auch im Verborgenen.<br />
Aber es ist lange schon da,<br />
denn es rief Dich in Deinen Träumen<br />
und sang Dir sein Lied.<br />
Achte Dein Sein, denn es ist<br />
Lange schon Teil von so vielem!<br />
Karin Manke<br />
Gedankenschwer<br />
und federleicht<br />
Mach schwere Gedanken leicht.<br />
Lächle dabei,<br />
wenn du sie denkst und sprichst.<br />
Laß der Leichtigkeit<br />
seine Schwere der Bedeutung.<br />
Schwerelos ist die Feder,<br />
wie der Gedanke.<br />
Laß ihn los,<br />
dann fliegt er schwergewichtig<br />
in die Leichtigkeit.<br />
Maria Sassin<br />
Dein leises Lied<br />
Ganz still ganz leis<br />
wie ein Traum so leis<br />
verwehst du vergehst du<br />
so still ganz leis<br />
mit unhörbaren Schritten<br />
auf Katzensamtpfoten<br />
schleichst du<br />
ganz still ganz leis<br />
aus dem Leben<br />
doch nie<br />
aus meinem Herzen.<br />
Deine Spuren singen<br />
leis ganz leis<br />
unser Lied.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 5
Lyrik<br />
Voten für den Frieden –<br />
Friedensblog<br />
Im Internet ist eine neue <strong>Autoren</strong>initiative zu<br />
finden, die aus der Friedensbewegung hervorgegangen<br />
ist – unter Anleitung von Slov ant Gali.<br />
Deutsche Künstler, schreibt er, stellen Gedichte<br />
und Prosa zur Wahl, um jedem, der sich an der Abstimmung<br />
beteiligt, eine Stimme gegen deutsche<br />
Kriegsbeteiligungen zu geben. Täglich anklicken =<br />
täglich demonstrieren. Dabei wird jeweils der Titel<br />
„Friedenstext des Monats“ als Publikumspreis vergeben.<br />
Die Demo läuft jeden Tag bis zum 1.9.2009,<br />
dem 70. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs.’<br />
Näheres ist zu finden unter:<br />
http://friedensblog.over-blog.de.<br />
<strong>Autoren</strong> können ihre Texte dort mittlerweile<br />
selbst einstellen. Diejenigen, die kein Internet<br />
besitzen, können Bekannte beauftragen, über<br />
Herrn ant Gali ihren Text einfügen zu lassen:<br />
Emailadresse: friedensblog@slovantgali.de<br />
Die Qualität der Beiträge ist unterschiedlich,<br />
allerdings geht es in erster Linie um das menschliche<br />
Engagement. Die gesamte Zahl der abgegebenen<br />
Stimmen sowie eine große Anzahl von<br />
Texten sollen anschließend der Bundesregierung<br />
zugestellt werden. D.h., jede abgegebene Stimme<br />
zählt.<br />
Eine ganze Reihe von IGdA-Mitgliedern ist<br />
dort mittlerweile beteiligt (auch gut platziert).<br />
Einige ihrer Friedens-Texte möchten wir heute<br />
vorstellen. (Es wäre schön, wenn sich noch weitere<br />
Autor(Inn)en beteiligen, sei es mit eigenen<br />
Texten und/oder mit der täglich möglichen Abstimmung<br />
für ihre Kolleginnen und Kollegen):<br />
Hanna Fleiss<br />
Soldatenfriedhof<br />
Sandy Green<br />
Der letzte Tag<br />
Windgestromte Zeit.<br />
Hoch stand<br />
Der weiße Mond, als sie<br />
Die Mädchen küßten.<br />
Blutwellen.<br />
Sie zählten das Leben<br />
Nach Stunden, nicht Tagen,<br />
Nicht Jahren.<br />
Wehende Kreuze.<br />
Unter Steine Gefallene.<br />
Bebend hängt ein Lied<br />
In den Birken.<br />
Die zitternde Hand der Macht<br />
weist<br />
den im Gleichschritt<br />
schreienden Stiefeln<br />
den Weg in den Untergang<br />
Heimat zerbrochen<br />
im Schlamm blutroter Erde<br />
Vom Himmel<br />
sinken Tränen des Taus<br />
ins Schweigen<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 6
Lyrik<br />
Brigitta Weiss<br />
Vier Ecken<br />
Willi Volka<br />
Eiszeit<br />
Die Tagwelt meines Kindes hat vier Ecken,<br />
in denen kann es sich gekonnt verstecken,<br />
in denen müllt es sich behaglich ein.<br />
Hier kann es spielen, schmollen, heimlich naschen,<br />
Schätze vergraben aus den Hosentaschen,<br />
und manchmal schläft es dort im Sitzen ein.<br />
Und wenn dann kleine Freunde es besuchen,<br />
gibt es in einer Ecke Saft und Kuchen,<br />
in die drei anderen verreist man dann.<br />
Sie sind jetzt Meer, Gebirge oder Wüsten,<br />
wohin sie brummend mit dem Flugzeug düsten,<br />
und wo man sie nicht mehr erreichen kann.<br />
Vier Ecken braucht das Kind, sich wohlzufühlen,<br />
vier Ecken, um sich mollig einzuwühlen,<br />
benutzt sie bald als Höhle, bald als Nest.<br />
Ich wünsche ihm für zukünftige Zeiten,<br />
daß man ihm stets die vier Geborgenheiten<br />
In seinen eigenen vier Ecken lässt.<br />
(Preisträgerin der Friedenslesung 2007)<br />
Drei Zeiten<br />
bestimmen Leben:<br />
vor<br />
während und<br />
nach dem Krieg<br />
eine vierte<br />
mit September-Elfnulleins<br />
gekommen ist –<br />
Auf der Lebensreise<br />
legt ewiges Schlachten<br />
sich als Pendolino<br />
auf die Gleise<br />
sucht<br />
Maschinengewalt<br />
in Kurven zu halten –<br />
In die vierte Jahreszeit<br />
gesät<br />
Hass<br />
Krieg<br />
eh und je,<br />
harte Blütenzeit,<br />
rot gefärbt<br />
zum kalten Winterweiß<br />
wie wissen<br />
wie viel Wasser unter<br />
wie leben<br />
auf berstendem Eis?<br />
Waltraud Weiss<br />
Zum Gedicht ‚die Zeit vergeht’<br />
Das stimmt nicht<br />
Lehm und Geröll des Flusses veränderten<br />
Die Lage des Meeres<br />
Ruinen aus dem Krieg verändern<br />
Unsere Städte<br />
Mauern des Hasses verändern<br />
Den Menschen<br />
Nur Frieden verändert<br />
Positiv.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 7
Lyrik<br />
Gabriele-Maria Lange<br />
Lebensbilder<br />
Angelika Zöllner<br />
frieden<br />
Der Wind fegt über die alte Zeit<br />
wirft Lebensbilder<br />
in neue Farben<br />
sortiert Schicksal<br />
in neue Ordnung<br />
doch die Erde blutet<br />
unter unserem Schritt<br />
wir müssen dem Ruf folgen<br />
der den Tod überwindet<br />
das Heilwort finden<br />
für die Wunde<br />
aus gestern<br />
für die Wunde<br />
aus heute<br />
in dem Blick<br />
gerichtet<br />
genug geklagt<br />
noch fühl ich leben<br />
der sommer streut sein mildes licht<br />
und weht mir farbenträume zu<br />
lass mich noch diese tage schmecken<br />
und honig sammeln<br />
dir und mir<br />
im herbst bestell ich mir das land<br />
und scheuch die totenvögel weg<br />
ich setze hoffnung korn für korn<br />
und suche mir die atemsaat<br />
noch hängt die sonne<br />
ich will singen<br />
ehe der himmel fällt.<br />
(Friedenstext des Monats November <strong>2008</strong>)<br />
auf das Kreuz<br />
auf die Rose<br />
in Kreuzmitte.<br />
Wolf-Jakob Schmidt<br />
Menschenunwert<br />
Wer es in Kriegszeiten gewohnt ist<br />
daß Menschenleben<br />
ohne mit der Wimper zu zucken<br />
macht- und geldpolitischen Zielen<br />
untergeordnet werden<br />
dessen Wimper<br />
zuckt auch<br />
in Friedenszeiten nicht.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 8
prosa<br />
Gabriela Franze<br />
Blind Date<br />
Tunnelblick geradeaus. Seit Stunden frißt<br />
mein Kühler den Asphalt. Kilometer für<br />
Kilometer. Und wofür?<br />
„Single-ER/48/1,75/sucht unternehmungslustige,<br />
optimistische SIE/späteres Zusammenleben<br />
nicht ausgeschlossen.“ Außerdem stand da noch<br />
etwas von Abitur, von Reiselust, von süddeutschem<br />
Raum und von Gitarre spielen. Ein Inserat<br />
unter vielen. Keine Ahnung, wieso ich ausgerechnet<br />
auf dieses geantwortet habe.<br />
Ich bin seit Jahren allein. Zwangsweise. Scheidung<br />
nach den magischen zwanzig Ehejahren.<br />
Aber ich komme zurecht. Das Singledasein hat seine<br />
Vorzüge: Man kommt und geht, wann man will;<br />
man tut und läßt, was man will; die Wohnung ist<br />
seltsamerweise immer aufgeräumt; keiner fragt ...<br />
Keiner fragt.<br />
Ein lockeres Verhältnis, das könnte ideal sein.<br />
Man trifft sich von Zeit zu Zeit, zeigt sein Sonntagsgesicht,<br />
hat Spaß. Je größer die Entfernung,<br />
desto lockerer, desto sonntäglicher. Vielleicht hat<br />
mich das am Inserat angesprochen: Der süddeutsche<br />
Raum. Meilenweit von mir und meinem Alltag<br />
entfernt. Keine Verpflichtungen.<br />
„Ist das eigentlich ein ‚Blind Date‘?“ frage ich<br />
mich. Immer dieses neudeutsche Zeug. Möglich<br />
wär‘s schon. Ein Treffen mit einem Unbekannten.<br />
Wieso er sich ausgerechnet mit mir treffen will?<br />
Ich hatte ihm am Telefon gesagt, daß ich in Dresden<br />
lebe.<br />
Während der Fahrt kreisen meine Gedanken<br />
immer wieder um dasselbe Thema. Den roten<br />
Schal, unser Erkennungszeichen, trage ich um<br />
den Hals. Ich versuche mir auszumalen, wie das<br />
Treffen ablaufen könnte. Gott sei Dank konnte<br />
ich ihn zu einem roten Schal überreden statt der<br />
üblichen roten Rose. Draußen herrscht klirrender<br />
Frost. Der Winter hat in diesem Jahr zeitig Einzug<br />
gehalten. Wie der Typ wohl aussehen mag?<br />
Hoffentlich bekomme ich rechtzeitig einen Parkplatz.<br />
In München würde ich heute sicher nicht<br />
die Einzige sein, die einen ergattern will.<br />
Oh je, meine Abfahrt! Beinahe hätte ich sie<br />
verpaßt. Kurz entschlossen quere ich halsbrecherisch<br />
die drei Fahrspuren, ignoriere die Bremsgeräusche<br />
hinter mir und steuere in Richtung<br />
„Flughafen“. Erleichtert atme ich auf. Das wäre<br />
gerade noch einmal gut gegangen! Ein Omen?<br />
Habe ich eben ein Klopfen gehört? Es schien<br />
aus Richtung Motorhaube zu kommen. Seltsam.<br />
Sicher habe ich mich getäuscht. Ich werde nervöser<br />
und nervöser. Wenn ich an das bevorstehende<br />
Treffen denke, krampft sich mein Magen zusammen<br />
und mein Herz klopft bis zum Hals. Meine<br />
Sorge ist berechtigt: Ich bin nicht gerade der<br />
Small-Talk-Weltmeister. Worüber sollen wir bloß<br />
sprechen? Ich möchte nicht gleich alles über mich<br />
verraten, über den Fahrtverlauf nach München<br />
gab es nichts Besonderes zu berichten und wie<br />
das Wetter ist, sieht er schließlich selbst.<br />
Wieder eine Kreuzung. Die Ampel auf Rot.<br />
Wieder dieses Klopfen. Merkwürdig ... Grün.<br />
Die meisten fahren jetzt an. Ich nicht. Nicht, daß<br />
ich nicht anfahren wollte. Ich gebe mein Bestes.<br />
Wirklich! Der Gang ist drin, der Tank ist voll, der<br />
Fuß drückt auf das Gaspedal, die Handbremse<br />
ist gelöst, der Sicherheitsgurt sichert, der Scheinwerfer<br />
wirft den Schein, aber nichts tut sich. Das<br />
Klopfen allerdings – das Klopfen hat immerhin<br />
inzwischen aufgehört. Doch selbst ein technischer<br />
Embryo wie ich würde das nur dann als gutes<br />
Zeichen werten, wenn nicht gleichzeitig mit dem<br />
Klopfen auch das Motorengeräusch verklungen<br />
wäre. Das erneute Drehen des Zündschlüssels<br />
bringt gar nichts. Dieses Auto war wild entschlossen,<br />
nur dann noch ein Geräusch von sich<br />
zu geben, wenn ich ein brennendes Zündholz in<br />
den Tank werfen würde.<br />
Ich besitze nur ein Feuerzeug. Mein Handy<br />
liegt zu Hause auf dem Küchentisch. Meine telepathischen<br />
Fähigkeiten versagen. Weit und breit<br />
keine Telefonzelle.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 9
Prosa<br />
Um mich her nur drohende Fäuste und rollende<br />
Augenpaare. Ich bin der Hemmschuh der<br />
Menschheit, der Fluch der Eiligen, ein gehetztes<br />
Wild, ein Kaninchen in der Falle – ich bin eine<br />
Frau. Das einsetzende allgemeine Hupkonzert<br />
kostet mich meine letzten nervlichen Reserven.<br />
Ich weiß jetzt, wie ein Amokläufer sich fühlen<br />
muß, kurz bevor er zuschlägt.<br />
Lieber klinke ich mich erst einmal aus: Fahrersitz,<br />
bequeme Körperhaltung eingenommen,<br />
Blick in weite Fernen, Feuerzeug, Zigarette, Abschalten,<br />
Beruhigen ...<br />
„Ist Ihr Auto kaputt?“ unterbricht eine Männerstimme<br />
meine Zwangsmeditation.<br />
„Nein, ich bleibe immer wieder gerne mal Zur<br />
Rushhour an einer grünen Ampel stehen, um<br />
eine zu rauchen.“<br />
„Machen Sie Witze?“<br />
„Bingo!“<br />
„Sie können hier nicht stehen bleiben!“<br />
Jetzt reicht es mir. Wütend schleudere ich ihm<br />
ein „Was Sie nicht sagen!“ hin und sehe ihn zum<br />
ersten Mal an.<br />
Wie auf Befehl brechen wir beide in schallendes<br />
Gelächter aus.<br />
Er hilft mir, das Auto an die Seite zu bugsieren.<br />
Die Kolonne der Wartenden setzt sich langsam<br />
wieder in Gang. Die Ampel pulst die Blechlawine<br />
weiter.<br />
„Soll ich für Sie einen Abschleppdienst rufen?“<br />
„Ja, bitte, ich habe mein Handy nicht dabei.“<br />
Er wählt eine Nummer, gibt die Daten durch.<br />
Langsam entspanne ich mich.<br />
„Der Abschleppwagen ist in zwanzig Minuten<br />
hier.“<br />
Unsere Blicke kreuzen sich um eine Millisekunde<br />
zu lang.<br />
Ach ja ... Mein „Blind Date“ ...<br />
Gleichgültig, dafür war es jetzt eh zu spät ...<br />
Gaby G. Blattl<br />
Phantasie einer Regennacht<br />
Ein Märchen für Erwachsene<br />
Ich konnte nicht schlafen. Es war mir nicht<br />
möglich Schlaf zu finden, weil ich das Gefühl<br />
hatte, ganz alleine auf der Welt zu sein. Die<br />
Wände meines Zimmers hatten begonnen eine<br />
kalte, ja, tödliche Einsamkeit auszustrahlen. Es<br />
war nicht die klare, weiche Weite des Alleinseins<br />
und nicht die tiefe Trauer der Verlassenheit, es<br />
war eine uferlose, starre Einsamkeit ohne Trost<br />
und ohne Grenze in der alles unterzugehen<br />
schien und seine Farben, seinen Glanz verlor.<br />
Seit Stunden regnete es. Das eintönige Geriesel<br />
lähmte jede Widerstandskraft. Es war unmöglich,<br />
sich gegen das Unfaßbare und Ungeheuerliche,<br />
das mit mir in diesem Zimmer eingeschlossen<br />
war, zu wehren. Es war unmöglich, es zu<br />
ertragen.<br />
Ich stand daher wieder auf, um mich anzuziehen.<br />
In mir war ein seltsames Gefühl der Gespaltenheit,<br />
als läge ein Teil von mir noch immer im<br />
Bett und sähe mir verwundert und hoffnungslos<br />
zu bei meinem Bemühen dem zu entfliehen, wovon<br />
die Welt erfüllt war.<br />
Ich kann mich nicht erinnern, eine Türe geöffnet<br />
zu haben – oder geschlossen?! Plötzlich<br />
stand ich auf der Straße und sah in eine<br />
trübe, regnerische Nacht. Der Nebel kroch<br />
aus den kleinen Gassen und verschleierte das<br />
spärliche Licht der Laternen, das in matten Regenbogenfarben<br />
durch ihn hindurch schimmerte.<br />
Ich merkte, daß ich nicht naß wurde; ich fror<br />
auch nicht, denn ich war eingehüllt in einen langen<br />
Mantel mit Kapuze. Dabei konnte ich mich<br />
nicht erinnern, je einen solchen Mantel besessen<br />
zu haben.<br />
Mein Blick fiel in der matten Beleuchtung auf<br />
meine Hände, die den Mantel zusammenhielten.<br />
Sie schienen mir irgendwie verändert; nicht<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 10
prosa<br />
fremd, aber doch anders. Ich versuchte mich an<br />
Einzelheiten des vergangenen Tages zu erinnern.<br />
Es gelang mir kaum. Das Wenige, das mir einfiel,<br />
konnte ich in seinen Ursachen und Zusammenhängen<br />
nicht erklären.<br />
Plötzlich überfiel mich eine unerklärliche<br />
Angst, von jemandem gesehen zu werden – wie<br />
damals als Kind, wenn ich Dinge erlebte oder tat,<br />
die ich vor den Erwachsenen verbergen wollte,<br />
die nur mir gehörten. Und dann fiel mein Blick auf<br />
ein verschwimmendes Bild in einer Regenpfütze,<br />
die das Licht einer Straßenlaterne widerspiegelte.<br />
Da sah ich, daß ich wieder ein kleines Mädchen<br />
geworden war. Ich war weder bestürzt, noch erstaunt.<br />
Ich hatte – wenn auch sehr unklar – die<br />
Empfindung, daß mein wirkliches Alter für das,<br />
was jetzt kommen sollte, keine Rolle spielte.<br />
Mein tatsächliches Alter gehörte zu den Dingen,<br />
von denen ich in dieser Regennacht geflohen<br />
war.<br />
Der farbige Strahlenkranz, der die Laterne umgab,<br />
zu der ich aufsah, hatte etwas Anheimelndes<br />
und Tröstliches an sich. Mit seinem Schillern und<br />
Glänzen, seinem ständig wechselnden Farbenspiel<br />
schien er alleine in dieser toten Nacht zu<br />
leben.<br />
Plötzlich löste sich ein einzelner Lichtstrahl<br />
aus diesem Kranz los, gewann eine eigene, neue<br />
Form; ein eigenes Leben, glitt herab zur Erde<br />
und stand nun körperhaft vor mir – unendlich<br />
zart war dieses Geschöpf, in einen hauchdünnen<br />
Mantel gehüllt, durch den sein leuchtender Leib<br />
schimmerte. In seinem hellen Haar lagen wie eine<br />
Diamantenkrone hell glänzende Regentropfen.<br />
„Wohin gehst du“, fragte der Lichtstrahl.<br />
„Ich weiß es nicht“, sagte ich.<br />
„Man sollte doch immer wissen, wohin man<br />
geht, wenn man um diese Zeit noch unterwegs<br />
ist“, meinte der Lichtstrahl. Er sprach tadelnd,<br />
sah mich dabei aber freundlich und etwas neugierig<br />
an.<br />
„Ich glaube, ich habe das nie gewußt“, entgegnete<br />
ich, „auch damals nicht, als ich noch ein erwachsener<br />
Mensch war“.<br />
„Hat dich nie jemand geführt ?“ Er fragte erstaunt.<br />
„Ich hatte meist das Gefühl, daß etwas in mir<br />
ist, das mich führt“, erklärte ich ihm, „aber heute<br />
habe ich dieses Gefühl verloren. Vielleicht sollte<br />
ich es suchen gehen ?“<br />
„Wir könnten doch miteinander gehen“, sagte er<br />
und ergriff meinen langen Mantel an einem Zipfel.<br />
Von dieser Berührung ging eine wunderbare<br />
Wärme aus. Eine Wärme, wie sie nur Kinder fühlen<br />
oder Liebende, die meinen, den einzigen Kameraden<br />
gefunden zu haben, der die Spiele des<br />
Lebens spielt,<br />
Einen Augenblick lang tauchte vor meinem inneren<br />
Auge mein einsames Zimmer auf, verblaßte<br />
wieder und versank.<br />
„Wenn du willst, können wir auch fahren“, sagte<br />
mein kleiner Begleiter.<br />
Ich blickte mich um. In den Straßen war es vollkommen<br />
still. Es war weder ein Geräusch, noch<br />
ein Schritt oder ein Atemzug zu hören. Selbst die<br />
Regentropfen fielen lautlos.<br />
„Es fährt doch nichts mehr“, sagte ich leise.<br />
„Es würde mir aber auch nicht einfallen, mit so<br />
etwas Gewöhnlichem wie einer Strassenbahn oder<br />
einem Autobus zu fahren“, meinte er.<br />
Ich schwieg, konnte mir aber vorstellen, was<br />
mein Begleiter meinen konnte.<br />
Wir bogen in eine schmale Gasse ein. Sie war<br />
nicht beleuchtet, nur das zarte Licht meines kleinen<br />
Begleiters brach durch die Finsternis. Eine<br />
kleine, graue Nebelwolke wälzte sich uns entgegen.<br />
Je näher sie kam, desto genauer sah ich die<br />
Umrisse einer kleinen Gondel. Sie war grau, weich<br />
gepolstert und ich sah, daß man zu zweit darin sitzen<br />
konnte.<br />
Wir stiegen ein und ich versank in den weichen<br />
Sitzen wie in Daunenpolstern, während mein kleiner<br />
Begleiter ebenfalls Platz nahm.<br />
„Sollten wir noch jemand mitnehmen?“. Er<br />
fragte mich leise.<br />
„Ich will nur mit dir zusammen sein“, erwiderte<br />
ich heftig, heftiger als ich es wollte.<br />
„Es gibt niemand, den ich dabei haben möchte.“<br />
Der Lichtstrahl lächelte. Nie hatte ich etwas<br />
Schöneres gesehen, als sein von Licht und Lächeln<br />
erfülltes Gesicht.<br />
„Es sind die Menschen doch eigenartige Geschöpfe“,<br />
sagte er.<br />
„Sie bringen es zustande, mich ein halbes Leben<br />
nicht zu sehen. Aber wenn sie mich einmal<br />
entdeckt haben, wollen sie mich für sich alleine<br />
haben.“<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 11
Prosa<br />
„Wohin fahren wir“, fragte ich.<br />
Ich hatte bemerkt, daß wir uns fast unmerklich<br />
vom Erdboden abgehoben hatten und uns sanft,<br />
aber rasch weiterbewegten.<br />
„In eine Grottenbahn. Sie hat nicht viele Bilder,<br />
aber ich möchte sie dir doch gerne zeigen. Mach<br />
deine Augen zu und denke nach, ob du nicht<br />
doch jemand mitnehmen willst. Ob du nicht jemanden<br />
weißt, der das mit dir erleben sollte.“ Ich<br />
schloß meine Augen und fühlte, wie meine Lider<br />
schwer wurden. Ohne Anstrengung konnte ich<br />
sie nicht mehr öffnen. Alle Sehnsucht nach dem<br />
liebsten Menschen, den ich auf der Welt hatte,<br />
war gewichen. Ich war erfüllt von etwas Unbeschreiblichen,<br />
das nur ich – nur jetzt – nur so –<br />
erleben konnte.<br />
Vor mir lag das erste Bild:<br />
Zum Greifen nahe lag ein mit alten, schweren<br />
Möbeln eingerichtetes, schwach beleuchtetes Arbeitszimmer.<br />
An einem Schreibtisch saß ein alter<br />
Mann und schrieb. Sein gütiges Gesicht schien<br />
mir seltsam vertraut und erweckte eine Flut von<br />
Erinnerungen in mir, die jedoch keine feste Form<br />
annehmen konnten.<br />
„Du kannst aussteigen“, sagte der Lichtstrahl.<br />
Ich saß still und sah den alten Mann nur an. Der<br />
hatte mich jetzt erst bemerkt und sah mich an.<br />
Seine Augen schienen von einer warmen, heiteren<br />
Freude erfüllt.<br />
„Du hast mir gerade gefehlt“, sagte er.<br />
„Wahrscheinlich denkst du jetzt, daß ich mit<br />
meiner Arbeit aufhören werde, um mich mit dir<br />
zu unterhalten. Mit dir, einem kleinen Mädchen!<br />
„Laß mich nur bei dir sein“, sagte ich. Ich will<br />
auch ganz still sitzen.“ „Nun“, brummte der alte<br />
Mann.<br />
Da merkte ich, daß alles, was ich ihm erzählen<br />
wollte, mir plötzlich unwichtig und dumm vorkam.<br />
Es erschien mir klein, und ich hatte doch<br />
etwas recht Bedeutungsvolles erzählen wollen.<br />
Etwas, wofür er mich loben konnte und das<br />
ihn beeindruckte. Aber nur dieser Augenblick<br />
mit dem alten Mann schien bedeutungsvoll<br />
zu sein; diese Minute hier, in diesem Zimmer<br />
mit dem fremd-vertrauten Menschen. Ich genoss<br />
die ruhige, liebevolle Sicherheit seiner Gegenwart.<br />
„Du kannst mir schon etwas erzählen“, sagte<br />
er versöhnlich und fuhr fort, sich mit den eng beschriebenen<br />
Blättern auf seinem Schreibtisch zu<br />
beschäftigen. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck,<br />
daß er arbeitete.<br />
„Ich will nicht immer ein braves Kind sein“,<br />
sagte ich trotzig. „Ich möchte nicht immer so sein,<br />
wie es die anderen von mir erwarten und wie sie<br />
mich haben wollen. Ich möchte auch einmal so<br />
richtig böse sein und ungehorsam, gedankenlos,<br />
verspielt, ungeschickt. Ich möchte wissen, ob<br />
man mich dann auch noch lieb hat.“<br />
In dem alten Gesicht erschien ein breites Lächeln.<br />
„Es ist genug, wenn ein Mensch da war,<br />
der dich geliebt hat. Das verläßt dich nie wieder!“<br />
„Kannst du nicht mit mir kommen“, fragte<br />
ich zaghaft.<br />
Er schüttelte den Kopf und sah mir nach, als<br />
die Gondel sich wieder in Bewegung setzte. Ich<br />
hatte das Gefühl, als trüge man mich aus der<br />
nun erst gefundenen Geborgenheit hinaus in<br />
ein Meer der Unsicherheit und Gefahr.<br />
„Wir sind beim zweiten Bild“, sagte mein kleiner<br />
Freund in diesem Moment. Die Gondel hielt.<br />
Vor mir lag ein hell erleuchteter Raum, ganz anders<br />
als der erste. An den Wänden hingen Bilder.<br />
Jedes Einrichtungsstück schien mit großer Sorgfalt<br />
ausgewählt zu sein und auf dem Tisch, auf<br />
einer Kommode und einem Bücherregal standen<br />
zarte Vasen mit Blumen. Es war das Zimmer eines<br />
Künstlers. Vor dem Klavier saß ein Mann und<br />
sang ein Lied, das er selbst begleitete. Es war eine<br />
sehr einfache, aber schöne Melodie.<br />
Haltung und Bewegung des Mannes waren das<br />
gesenkte, ausdrucksvolle Gesicht eigentlich vermuten<br />
ließ. Die Lieder, die er jetzt spielte, waren<br />
abwechselnd heiter und dann wieder voll sanfter<br />
Wehmut. Wieder flüsterte mein kleiner Begleiter:<br />
„Du kannst aussteigen“.<br />
Wieder hatte ich das Gefühl, jede Bewegung<br />
dieses Mannes zu kennen, der Ton seiner Stimme<br />
schien mir vertraut. Und doch war er mir fremd.<br />
Mein Herz klopfte zum Zerspringen, als ich ihm<br />
langsam und etwas unsicher entgegenging. Er<br />
hatte sein Lied beendet und sah mich an und lächelte.<br />
„Ich dachte schon, du kommst heute gar nicht<br />
zur Stunde“, sagte er ein wenig vorwurfsvoll.<br />
„Ich wußte gar nicht, daß ich zur Klavierstunde<br />
kommen sollte“, entgegnete ich.<br />
Er schob mir einen Hocker an das Klavier, nahm<br />
mir meinen Mantel ab und strich mir mit großer<br />
Zärtlichkeit das Haar aus der Stirne.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 12
prosa<br />
„Hast du denn schon vergessen“, fragte er,<br />
„wir wollten doch zusammen musizieren, wenn<br />
die Welt garstig zu dir ist und du sie nicht mehr<br />
magst.“ Es klang etwas vorwurfsvoll, aber doch<br />
gütig und liebevoll.<br />
„Ich kann aber doch gar nicht am Klavier spielen“,<br />
entgegnete ich, und mit einem kurzen Blick<br />
auf die Geige im offenen Kasten fügte ich hinzu<br />
„ich kann doch auch nicht Geige spielen!“<br />
Er lächelte noch immer und es war ein so strahlendes<br />
Lächeln, daß die ganze Welt um mich versank.<br />
„Natürlich kannst du es – wenn wir nur wollen<br />
und wenn wir beisammen sind“.<br />
Staunend sah ich ihn an.<br />
„Versuche es nur“, ermunterte er mich.<br />
„Lege deine Hände auf die meinen und du wirst<br />
sehen, es geht. Es ist, wie wenn man schreiben<br />
lernt.“ Er beugte sich zu meinem Ohr und sagte<br />
ganz leise, aber eindringlich:<br />
„Haben wir nicht immer gesucht, was es nicht<br />
gibt ? Haben wir uns nicht immer danach gesehnt ?“<br />
Nichts schien mir mehr unmöglich, nichts<br />
unerreichbar. Seine Hände lagen warm auf den<br />
meinen und wir spielten eine wundersame Melodie.<br />
Sie war zart und sehr bewegt und eine<br />
große Innigkeit lag in ihr. Es war das Lied des<br />
Windes in den Blättern eines Birkenwaldes an<br />
einem Aprilmorgen. Als wir geendet hatten,<br />
fragte ich ihn, was es denn gewesen wäre, was<br />
wir spielten.<br />
„Es war das Lied der Begegnung“, sagte er.<br />
„Wollen wir weiter spielen ?“<br />
Die zweite Melodie war stürmischer als die<br />
erste; lauter, fordernder, leidenschaftlicher, ungeduldiger,<br />
dann wieder tief und klar, ruhig und<br />
leidenschaftlich. Es war das Spiel zweier Wellen,<br />
die einander begegnen, verfolgen, ineinander<br />
fließen, einander fliehen, suchen, gegeneinander<br />
schlagen und wieder verebben.<br />
„Was haben wir jetzt gespielt“, fragte ich verwirrt.<br />
„Es war das Lied vom gemeinsamen Erleben!“<br />
Er lächelte wieder. „Die Musik ist eine Freundin.<br />
Sie verrät uns nie. Worte können uns verraten.“<br />
„Was spielen wir jetzt“, wollte ich wissen. Er<br />
sah mich ernst an und sagte: „Das letzte Stück“.<br />
Die Melodie war von unsagbarer Weichheit<br />
und Traurigkeit, durch die manchmal der Trost<br />
eines tiefen Friedens klang. Es war, als fiele das<br />
sanfte Licht des Mondes auf einen stillen Dorffriedhof,<br />
dessen Gräber der Sommer mit frischen<br />
Gartenblumen geschmückt hatte. Trotzdem<br />
spürte ich, wie sich meine Finger verkrampften<br />
und ich nicht mehr weiterspielen wollte und<br />
konnte. Ich schrie auf: „Was ist das, was wir jetzt<br />
spielen ?“<br />
„Es ist das Lied vom Vergehen, vom Abschied,<br />
von der Verlassenheit und der Seligkeit der Stille<br />
und von ...“<br />
Da begann ich wild zu schluchzen und schrie.<br />
„Ich kann nicht mehr !“<br />
„Vielleicht kann man das wirklich nicht“, sagte<br />
er und nach einer kurzen Pause sah er in mein tränennasses<br />
Gesicht und fügte hinzu „Aber es wäre<br />
das Schönste!“<br />
Er versuchte mich zu beruhigen. In mir war eine<br />
schmerzhafte Sehnsucht. Ich vergaß alles; wer ich<br />
war, woher ich kam, daß ich plötzlich wieder ein<br />
kleines Mädchen war, das sich auf die Zehenspitzen<br />
stellen mußte, um den Mann am Klavier zu<br />
umarmen. Ich tat es, drückte mein Gesicht an seine<br />
Schulter und sagte:<br />
„Komm doch mit mir! Komm doch bitte mit<br />
mir mit!“ Er machte sich sanft frei und sagte: „Das<br />
kann ich nicht. Aber unsere Lieder kann ich dir<br />
mitgeben.“<br />
Er führte mich zur Gondel, wir fuhren weiter.<br />
Mein kleiner Begleiter fragte mich, woran ich<br />
dachte.<br />
„Ich denke an das Lächeln der beiden. Noch niemals<br />
habe ich ein solches Lächeln gesehen!“<br />
„Es ist das Lächeln derer, die nicht mehr sind. Es<br />
ist kein eigentliches Lächeln. Es ist der Glanz ihres<br />
einmaligen, unwiederbringlichen Seins; das Licht<br />
dessen, was einmal in ihrem Herzen brannte; das,<br />
was unvergänglich ist.“ Darüber wollte ich nachdenken,<br />
war aber zu verwirrt und zu müde dazu.<br />
Nur fühlen wollte ich in diesem Moment.<br />
Wir kamen zum dritten Bild.<br />
Wieder stand ich vor einem erleuchteten Zimmer.<br />
In der Mitte stand ein kleines Bett, das meinen<br />
Blick fesselte. Es lag ein Kind darin, das erst<br />
wenige Monate alt war. Es sah uns mit großen, hellen<br />
Augen entgegen und spielte ernst mit seinem<br />
Daumen, als wäre er das Schönste und Wichtigste<br />
auf der Welt.<br />
„Ist das das Christkind“, frage ich.<br />
„Eigentlich nicht“, antwortete mein kleiner<br />
Freund. „Komm, wir wollen zu ihm gehen“.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 13
Prosa<br />
Diesmal stiegen wir beide aus. Das Kind sah uns<br />
freundlich an und schien sehr aufmerksam. Ich<br />
glaubte, noch niemals etwas so sehr geliebt zu haben,<br />
wie dieses Kind.<br />
„Wie gefällt es dir“, fragte mein Begleiter.<br />
„Es ist das schönste Kind, das ich je gesehen<br />
habe“, antwortete ich.<br />
„Das glaubt man in solchen Fällen immer!“ Er<br />
sagte es ruhig und bestimmt.<br />
„In welchen Fällen“, fragte ich.<br />
Antwort bekam ich keine. Mein kleiner Begleiter<br />
hatte nun einen Ausdruck im Gesicht, den ich nicht<br />
zu deuten vermochte. „Sieh doch, es lächelt; Noch<br />
nie habe ich ein solches Lächeln gesehen.“<br />
„Es ist das Lächeln der Ungeborenen. Es ist kein<br />
eigentliches Lächeln, sondern es ist deine eigene<br />
Sehnsucht, deine Hoffnung, dein Wunsch, deine<br />
Liebe – von aller Sehnsucht befreit – in ein anderes<br />
Leben einströmen zu lassen.“<br />
„Laß mich bitte dieses Kind mitnehmen.“ Ich<br />
stieß diese Worte fast flehend heraus. „Wenn ich es<br />
nicht mitnehmen kann, dann laß mich doch gleich<br />
hierbleiben.“ Trotzig wickelte ich mich in meinen<br />
Mantel und machte Anstalten, nicht weitergehen<br />
zu wollen.<br />
Der Lichtstrahl nahm wieder einen Zipfel meines<br />
Mantels und sagte sanft, aber eindringlich, wie<br />
zu einem ungebärdigen Kind: „Komm, du kannst<br />
es nicht mitnehmen. Es gehört dir nzicht. Es gehört<br />
niemandem.“<br />
Er führte mich aus dem Zimmer, brachte mich zur<br />
Gondel und das Bild mit dem Kind versank. Wir fuhren<br />
weiter. Ich sprach nicht mit ihm. Ich war böse.<br />
Nach einer Weile sagte er: „Wir sind jetzt beim<br />
vierten Bild. Es ist das letzte.“<br />
Er stieg aus und fragte mich, ob ich nicht auch<br />
aussteigen wollte, um zu sehen, was es hier gibt.<br />
Es war kein Wohnraum, sondern ein großer Lagerraum,<br />
angefüllt mit Spielwaren. Ich war noch<br />
immer böse und unglücklich, weil ich doch nicht<br />
behalten durfte, was er mir zeigte. „Du irrst, alles<br />
was hier ist, darfst du mitnehmen.“<br />
Es waren unzählige kleine Dinge, die wir betrachteten.<br />
Winzige Landschaften von wunderbarer<br />
Schönheit; Bäume, Blumen, Tiere und Bilder<br />
von Menschen. Vieles hatte ich noch nie gesehen<br />
und doch schien es mir seltsam vertraut. Es schien<br />
auch etwas von dem darin zu sein, was ich heute<br />
erlebt hatte. Etwas von dem Blick des alten Mannes<br />
am Schreibtisch, von den Liedern des Mannes am<br />
Klavier, von dem Lächeln des Kindes.<br />
„Sie gehören dir“, sagte der Lichtstrahl. „Sie<br />
haben immer dir gehört. Es sind deine Gedanken<br />
und Träume.“<br />
„Ich kann sie ja doch nicht mitnehmen“, sagte<br />
ich trotzig.<br />
„Doch, das ist ja gerade das Wunderbare. Alles<br />
davon kann – wenn du willst – so klein sein, daß<br />
du es kaum bemerkst. Es kann aber auch – wenn<br />
du willst – so groß sein, wie die ganze Welt. Du<br />
brauchst nur zu wollen. Komm, wir packen alles in<br />
eine kleine Schachtel.“<br />
Ich wollte! Und wie ich wollte. Die vielen kleinen<br />
Dinge schrumpften zusammen wie Perlen und<br />
ich trug sie nach Hause.<br />
Ich weiß nicht, wie ich wieder in mein Zimmer<br />
kam. Plötzlich war ich wieder in meinem Bett,<br />
müde mit halb geschlossenen Augen. Wie durch<br />
einen Schleier sah ich meinen kleinen Gefährten.<br />
„Ich möchte, daß du nie wieder von mir weggehst“,<br />
sagte ich leise.<br />
„Ich bin immer da! Man muß sich nur Mühe<br />
geben, mich zu sehen. Ich bin überall dort, wo es<br />
nicht vollkommen finster ist.“ Ich meinte zu sehen,<br />
wie seine kleine Gestalt in einer breiteren Lichtquelle<br />
zerfloß.<br />
Nun öffnete ich die Augen ganz und merkte, daß<br />
ich tatsächlich in meinem Bett lag und die Lampe<br />
auf meinen Nachttisch brannte. In meiner Hand<br />
hielt ich ein Buch, über dem ich eingeschlafen war.<br />
Es war ein Buch, das ich liebte. Es lag warm in<br />
meiner Hand, wie die Hand eines Freundes,<br />
und der Schein der Lampe hatte etwas von dem<br />
zauberhaften Lächeln auf der Fahrt durch die<br />
Regennacht.<br />
Und ich wußte, daß irgendwo in diesem Zimmer<br />
eine alte, verschlossene Spielzeugschachtel stand.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 14
prosa<br />
Angelika Zöllner<br />
Magersüchtig<br />
Die Sicht aus meinem Fenster ist verengt.<br />
Balkongitter unterbrechen die Eindrücke,<br />
Stimmengewirre, Wortfetzen und<br />
Autogeräusche, die aufbrausen, dröhnen, Sirenengeheul,<br />
das sich entfernt.<br />
Der Tropf steht neben mir, drohend und verläßlich<br />
mit mir verbunden. Pling, pling. Gleichmäßig<br />
fallen die Tropfen. Muß ich aushalten, bis die<br />
Flasche zu Ende geht, eine neue befestigt wird –<br />
ein Kreislauf. Pling, Pling höre ich die Flüssigkeit<br />
klopfen nein, – hören kann ich sie nicht, sagt die<br />
Schwester – fühle ich sie trotzdem unter meiner<br />
dünnen Haut den Takt schlagen.<br />
„Aushalten“, sagt der Doktor. Warum soll ich<br />
weitermachen? Die Zähne zeigen? Gleichgültigkeit<br />
breitet sich aus, eine wattige Decke. So angenehm,<br />
dieses Fallenlassen in Unbestimmbares,<br />
Weiches.<br />
Damit ist es zu Ende. Das möchte ich nicht mehr,<br />
etwas erwarten von mir, weil andere Forderungen<br />
an mich stellen. Vielmehr dahinträumen will<br />
ich, mich gleiten lassen – diese unbeschreibliche<br />
Leichte, wenn Nahrung wegfällt, Flügel strecken<br />
und Atem holen, wenn die Zeit sich dehnt – weit<br />
hinaus über Enge und fremde Wünsche hinausfliegen<br />
aus Tag und Nacht.<br />
Einhalten soll ich. Eingehalten habe ich genug,<br />
auf Gewissenskissen gelegen und mir den Kopf<br />
durchgezirkelt, wie ich es den Eltern recht machen<br />
kann und wodurch. Schuldgefühle vor mir<br />
hergetragen, wenn ich Maßstäbe nicht auseinanderhalten<br />
konnte, ihnen Genüge tun in meiner Suche,<br />
sie zu verstehen. Ich sank in wiederholende<br />
Tagfehler. Immer vergaß ich trotz allem, etwas zu<br />
erledigen, redete den Erwachsenen hinein, weil<br />
ich nicht aufsparen konnte und warten, mischte<br />
mich in das Hin‐ und Herwerfen der Wörter und<br />
Gesprächsbälle – das Pingpongspiel der Erwachsenen,<br />
in dem Kinder nicht mithalten können und<br />
durchweg im Wege stehen. Morgen für Morgen<br />
trug ich mich schwerer aus dem Bett, so mühsam<br />
das Aufwachen aus verklebten Lidern und das<br />
Angehen von Bergen vor mir, die, kaum abgetragen,<br />
aufs Neue über den Kopf wachsen.<br />
Der Doktor sitzt an meinem Bett, weiß und<br />
streng. Ich soll essen. „Nein, Herr Doktor“, mit<br />
mir ist nicht mehr zu rech nen. Ich habe zu lange<br />
gehorcht. Ich schweige, lasse seinen Wortschwall<br />
wie einen Fluß über mich gleiten. Ich werde nichts<br />
mehr erwidern. Diesen Erwachsenen verweigere<br />
ich mich fortan. Ich kenne mich selbst nicht. Wie<br />
hätte ich mich kennen lernen sollen? Ich hab nicht<br />
auf mich gehört. Ich bin nur euch nachgezogen,<br />
hab mich an eure Füße geheftet. Leben? Das ist<br />
mir so gleich geworden. Das hab ich genug gehört.<br />
Leben können die anderen. Ich bin eine Tote<br />
unter ihnen, eine Mumie unter den wandelnden<br />
Leibern. Ich bin lebendig begraben. Zwieback<br />
steht auf meinem Teller, ein Brot. Ich habe keine<br />
Gelüste. Selbst wenn ich aufstehen könnte, wenn<br />
mich dieser Tropf nicht wie ein Gefängniswärter<br />
vereinnahmen würde – ich wollte nichts in mich<br />
hineinnehmen. Hineinstopfen würden sie es am<br />
liebsten. Aber ich bin genug abgefüllt. Ich kündige<br />
den Gehorsam.<br />
„Wenn Sie etwas Besonderes wünschen ...“ Sie<br />
würden mir jederzeit etwas bringen. Wenn ich nur<br />
wüßte, was ihnen daran liegt, mich zu erhalten.<br />
Viele Tage liege ich hier, eine Woche oder länger.<br />
Die Zeit schiebt sich vor mir her. Ich bin allein<br />
gewesen, so wunderbar allein. Niemand haben sie<br />
zu mir gelassen. Nicht die Eltern, nicht die neugierigen<br />
Gesichter anderer Menschen. Ich hatte herrliche<br />
Stille und wohnte in mir allein. Der Doktor<br />
schweigt jetzt, sagt kein Wort mehr, wenn er bei<br />
mir am Bett sitzt. Aber zweimal am Tag kommt er,<br />
prüft den Tropf und heftet seine schweren Blicke<br />
auf mich. Ich bin froh, wenn er geht.<br />
Heute haben sie mir eine Frau ins Zimmer gestellt.<br />
Eine Alte, die brabbelt. Sie redet fortwährend<br />
Wörter in sich hinein. Sie purzeln über die<br />
Bettdecke, erreichen mich nicht. Einen Schlaganfall<br />
hat sie gehabt, soviel hab ich verstanden. Nun<br />
laufen die Schwestern aus und ein, setzen ihre<br />
Füße und Freundlichkeiten übereinander. Mit der<br />
Alten kann man noch sprechen, mit mir nicht, Sie<br />
antwortet. Sie wird munterer. Sie ist schon zwei<br />
Stunden da. Die Worte sind dumpf, die Laute<br />
gestoßen. Sie richtet sich auf, drängt sich zu mir<br />
hinüber. Mädchen, versteh ich. Mädchen. Sie will<br />
etwas, das ich nicht verstehe. Sie ist unartikuliert.<br />
Ich spüre, wie ihre Not mir den Rücken hinab-<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 15
Prosa<br />
läuft. Sie ist in Gefahr. Niemand versteht sie.<br />
Da. Ich sehe etwas. Ihr Fläschchen. Sie sucht ihr<br />
Fläschchen. Ein Asthmaspray. Es liegt auf dem<br />
Nachttisch. Ich schiebe mich hinüber. Es geht<br />
nicht. Ich komme nicht heran, ich kann nichts<br />
erreichen. Ich schaue den Tropf an. Vielleicht ist<br />
er mein Freund, er ernährt mich und schweigt.<br />
Er fordert nichts, denn er ist nicht von Fleisch<br />
und Blut. Ich werde aufstehen, werde sehen, ob<br />
er mir soviel Kraft verleiht, daß ich zu der Alten<br />
herüber rücken kann. Ich richte mich auf, schiebe<br />
die Decke zurück. Ich habe noch Kraft in den<br />
Fingern. Ich setze den Fuß herunter. Erst einen.<br />
Dann langsam den zweiten. Bravo, ich stehe, etwas<br />
leicht und nicht viel zu gebrauchen. Aber zu<br />
der Alten hinübergehen, das werd ich schaffen.<br />
Das werd ich erreichen, weil ich es will. Ich werde<br />
ihr das Fläschchen geben.<br />
Ich leg mich zurück. So, sie hat ihr Spray. Sie<br />
hat es vor sich liegen und kann mit der Nase<br />
schnuppern. Sie riecht wie ein Tier. Sie hat zögernde<br />
Finger. Sie ist schlechter dran als ich. Sie<br />
kann sich nicht wehren. Plötzlich merke ich es.<br />
Ich kann mich wehren. Ich muß mich nicht unterwerfen.<br />
Ich kann aufstehen und zu der Alten<br />
gehen. Ich fange an zu sprechen, ich singe ihr<br />
etwas vor. Sie freut sich. Ich kann es deutlich<br />
erkennen. Ein Lächeln überzieht ihre Züge. Ich<br />
singe immer lauter. Es fällt mir vieles ein. Die<br />
Alte stößt ein paar Töne hervor. Ich glaube, sie<br />
will mitsingen. Sie hat ein feines Gesicht. Weiße<br />
Haare umrahmen die welkzarte Haut. Sie hat<br />
eine schmale Nase und feingliedrige Hände. Sie<br />
muß eine stolze Dame gewesen sein. Sie hat keinen<br />
Besuch. Bis jetzt kommt keiner, sie zu betrachten.<br />
Die Schwestern verstehen sie nicht. Es<br />
gibt nicht mehr viele, die sie verstehen.<br />
Ich setze mich aufrecht. Ich habe mit Singen<br />
aufgehört. Die Alte lächelt und grunzt. Manchmal<br />
verstehe ich einen Laut. Die Schwestern sind<br />
hereingekommen und haben ihr das Fläschchen<br />
weggenommen. Ich habe es ihr wiedergebracht.<br />
Sie hat Angst. Sie weiß, daß sie allein nicht an das<br />
Fläschchen herankommt. Sie hat Asthma. Sie hat<br />
mit der Luft zu ringen und mit dem Tod. Warum<br />
nehmen sie ihr die Flasche fort? Ich lege sie wieder<br />
hin, verstecke sie, wenn ich Geräusche vernehme<br />
vor der Tür.<br />
Am anderen Morgen ist ihre Sprache klarer. Ich<br />
beuge mich vor, um sie zu verstehen. Ja, es geht<br />
besser, ein ganz klein wenig geht es bergauf. Sie<br />
wird in einen Stuhl gesetzt. Ich fahre sie zum Fenster.<br />
Es gelingt mir, den Tropf neben mir herzuschieben<br />
und gleichzeitig ihren Stuhl zu rücken.<br />
Ja, sie nickt und könnte meine Großmutter sein.<br />
Sie sieht die Vögel. Sie sieht wieder die Blumen.<br />
Auch ich spüre ihre Farben, habe ihr Leuchten vergessen.<br />
Ich höre das Vogellied für die Alte. Wenn<br />
der Tropf nicht wäre, dieser widerwärtige ... dieser<br />
– ich könnte auf den Balkon. Plötzlich erscheint er<br />
mir fremd. Ein neuer Sklave. Ein neuer Gehorsam.<br />
Eine neue Fessel. Die Klinik. Ich will bei der Alten<br />
sein. Aber nicht in der Klinik. Ich werde aufstehen<br />
und fortgehen. Irgendwohin. Es wird noch mehr<br />
alte Menschen geben, die ausgestoßen sind, eingesperrt<br />
sind in Lähmungen und Schmerzen. Es gibt<br />
viel mehr andere, als ich ahnte. Sie müssen Untersuchungen<br />
aushalten, Sonden schlucken, über<br />
Schläuche ernährt werden. Niemand nimmt ihnen<br />
etwas ab. Ich will aufstehen und hingehen. Hinaus<br />
aus dieser Anstalt und fort von dem Tropf.<br />
Die Alte spielt mit dem Fläschchen. Sie schaut<br />
zu mir hinüber und weiß, ich verstehe sie. Langsam,<br />
ganz langsam fange ich an zu essen.<br />
Conchita Laurenz<br />
Schwimmen gehen<br />
Kleine Füße tappen durch das Wasser.<br />
Kleine Füße, die sich auf unseren Tag<br />
gefreut haben. „Schwimmen gehen“,<br />
Papa hat gesagt, daß er das gerne mit uns machen<br />
möchte. Wir machen so selten etwas miteinander.<br />
Dorothea ist Feuer und Flamme, rennt in ihr<br />
Zimmer und kommt mit ihrem Winnie-Puuh-<br />
Zweiteiler zu uns zurück.<br />
Es kann dann also losgehen. Aufregung<br />
macht sich breit. Meine kleine Tochter möchte<br />
jetzt endlich „richtig schwimmen lernen“, nicht<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 16
prosa<br />
nur immer in der Badewanne schwimmähnliche<br />
Bewegungen machen.<br />
Flugs die kleinen Barbie-Schwimmflügel aufgeblasen<br />
und rein in den Bikini, die Fluten rufen<br />
nach uns.<br />
Kleine Füße tappen durch das Wasser. Sie bewegen<br />
sich zielstrebig in Richtung Babybecken<br />
mit Babyrutsche und Babywasserstand.<br />
Dorotheas Vater und ich schauen uns sprachlos<br />
an. Vom einen zum anderen und dann wieder<br />
zurück zu unserer kleinen Prinzessin.<br />
Irgendetwas müssen wir falsch verstanden<br />
haben.<br />
Ich erlaube mir den dezenten Hinweis darauf,<br />
daß das Nichtschwimmerbecken, also das Becken<br />
für alle Kinder, die noch nicht schwimmen<br />
können, es aber gerne lernen möchten, ein paar<br />
Meter weiter vorne ist.<br />
Dorothea schaufelt ungerührt weiter Wasser in<br />
einen Eimer, den sie sich von irgendwo her organisiert<br />
hat.<br />
Wo ist ihr Vorhaben geblieben, nun endlich<br />
„richtig schwimmen lernen“ zu wollen? Der<br />
Grund, wieso wir heute überhaupt „schwimmen<br />
gehen“?<br />
Erneut versuche ich, sie in das Becken nebenan<br />
zu bewegen, ohne Chance. Sie stemmt die kleinen<br />
Händchen in die Hüften und schaut mich<br />
vorwurfsvoll an, „Mama, das traue ich mich aber<br />
nicht, da hab ich Angst.“ Fragend schaut sie ihren<br />
Vater an. Ob sie dort wohl Unterstützung zu erwarten<br />
hat?<br />
Doch auch Papa schaut sehnsüchtig auf die anderen<br />
Becken. Nicht, daß es ihm peinlich wäre, daß<br />
seine Vierjährige sich mit wahrer Begeisterung im<br />
Babybecken aufhält, während ihre Altersgenossen<br />
nebenan kreischen und juchzen.<br />
Aber auch die freudenreichsten Töne können<br />
Dorothea noch nicht dazu bewegen, sich in diese<br />
Richtung zu wagen.<br />
In einem unbeobachteten Moment dreht sie sich<br />
um und tappst wieder ins Babybecken.<br />
Da ihr Vater eine Zigarette rauchen möchte und<br />
sich in der Nähe des Becken aufhält, darf er auch<br />
Dorothea aufpassen, während ich mich in die nassen<br />
Fluten des Schwimmerbereichs werfe.<br />
Doch was ist das??<br />
Die braunen Locken kenne ich doch! Die gehören<br />
ganz eindeutig zu meiner Kleinen. Und die<br />
befindet sich nicht etwa wie vermutet im Babybecken,<br />
sondern wandert im Schwimmbad umher.<br />
Und lacht. Breitet die Arme aus und läuft.<br />
Mir bleibt das Herz stehen.<br />
Schnell schwimme ich zum Rand und versuche<br />
aus dem Becken zu klettern. Panisch!<br />
Doch Moment. Dorothea läuft in Richtung des<br />
Nichtschwimmerbeckens, in welchem ihr Vater<br />
bereits auf sie wartet, ebenfalls mit ausgebreiteten<br />
Armen.<br />
Wie hat er das nur geschafft? Gerade eben sagte<br />
Dorothea doch noch, daß sie Angst hat. Und normalerweise<br />
läßt sie sich von dieser Angst so schnell<br />
nicht abbringen, von niemandem.<br />
Noch immer läuft mein kleiner Wirbelwind. Die<br />
kleinen Stufen herunter, da wo das Wasser immer<br />
tiefer wird. Die Barbie-Schwimmflügel wippen.<br />
Jetzt kippt sie sich nach vorne, ins Wasser und ihrem<br />
Vater in die Arme.<br />
Schnell ziehen sie ihre Kreise, Dorothea läßt sich<br />
hinterher ziehen, immer noch lachend. Auch ich<br />
muß mittlerweile grinsen, die Panik ist verflogen.<br />
Kein Unterschied besteht mehr zu den anderen<br />
Kindern, die im Wasser toben und glücklich erscheinen.<br />
Wie hat er das nur gemacht? Ich zweifle an meinen<br />
Qualitäten als Mutter, die es nicht geschafft hat,<br />
ihre Tochter zum schwimmen zu überreden und<br />
sich lieber in ihr eigenes Badevergnügen geflüchtet<br />
hat. Jetzt ist er der erste, der sie zum Schwimmen<br />
gebracht hat.<br />
Ich schaffe es jedoch, diesen Gedanken für die<br />
restliche Zeit unseres Schwimmbadbesuches zu<br />
verdrängen und den Tag einfach nur zu genießen.<br />
Genau wie Dorothea.<br />
Später im Auto überkommt mich jedoch erneut<br />
die Neugierde einer Mutter.<br />
Und wieder stemmt Dorothea ihre kleinen<br />
Hände in die Hüften…..„Da war so ein Baby und<br />
die hat gesagt…..zu ihrer Mama…die hat gesagt,<br />
daß sie noch nie so ein großes Baby gesehen hat.“<br />
„Mama, ich bin kein Baby. ICH KANN<br />
SCHWIMMEN“.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 17
Prosa<br />
Gesina Jaeckle<br />
Stummer Schrei<br />
Endlose Gänge. Sie bewegte sich langsam.<br />
Vorbei an vielen Türen. Verspürte den unbezwingbaren<br />
Wunsch eine zu öffnen.<br />
Der Raum war leer. Sie durchschritt ihn bis zur<br />
nächsten Tür. Sie ließ sich nicht öffnen. Sie taumelte<br />
zurück auf den Gang. Drückte auf eine andere<br />
Klinke. Betrat den nächsten Raum. Ebenfalls<br />
leer. Schien größer zu sein als der letzte. Keine<br />
Fenster. Nur ein schmaler Durchlaß in der Wand.<br />
Sie zwängte sich hindurch. Landete in einem neuen<br />
Raum. Genauso kalt und leer. Noch größer als<br />
der vorherige.<br />
Zwanghaft ging sie weiter. Wie von Geisterhand<br />
schob sich einen andere Tür auf. Sie durchquerte<br />
den nächsten Raum. Leer. Noch größer.<br />
Sie lief weiter. Eine Tür nach der anderen sprang<br />
auf. Schnell, immer schneller. Sie hatte große<br />
Mühe, das Tempo zu halten. Alle Räume waren<br />
kahl und frostig. Ihre Größe nahm von Mal zu<br />
Mal zu. Atemlos blieb sie im letzten stehen. Ein<br />
riesiger Saal, von dessen Wänden ein stummer<br />
Schrei widerhallte.<br />
Angst, unvorstellbare Angst nahm sie gefangen.<br />
Ein Engel erschien aus der oberen Ecke der<br />
linken Wand. Er besaß nur einen Flügel. Einen<br />
kleinen, gebrochenen Flügel. Nachtschwarz. Sein<br />
Antlitz war häßlich. Sein Gewand mit Blutspuren<br />
bedeckt. Eingetrockneten Blutspuren. Kleinen<br />
und großen. Der Engel blickte sie an. Vorwurfsvoll<br />
und traurig.<br />
Ihr Herz stolperte und drohte zu versagen.<br />
Der Engel streckte einen Arm nach ihr aus. Sie<br />
wich in Panik zurück. Der Arm wurde lang und<br />
länger. Berührte fast ihre Schulter.<br />
Sie begann zu schreien. Und je länger sie schrie,<br />
desto mehr wandelte sich das Antlitz des Engels.<br />
Seine Züge wurden gelöst und schön, überirdisch<br />
schön.<br />
Der Flügel begann zu wachsen und bekam einen<br />
goldenen Glanz. Der Engel verneigte sich vor<br />
ihr. Verschwand unerwartet von einer Sekunde<br />
zur anderen. Der Saal schrumpfte zusammen, bis<br />
nur ein winziger Spalt übrig blieb.<br />
Und nirgends eine Tür zum Entrinnen.<br />
Die Beerdigung fand in aller Stille statt.<br />
Georg Walz<br />
Gereift in der Tonne<br />
Erzählung<br />
Er dreht die Gedanken zur Seite und blinzelt<br />
verschlafen in das Licht der Sonne.<br />
Die Wärme in seiner hölzernen Behausung<br />
hat merklich zugenommen. Die Strahlen<br />
der Morgensonne stechen in den freiliegenden<br />
nackten Oberkörper, der nicht vom Schatten der<br />
Rundung geschützt ist. Leicht modriger Geruch,<br />
drängt aus der Tiefe nach vorne und kündet von<br />
der Reife der Füße, die dringend nach einem erfrischenden<br />
Bad in kühlem Wasser verlangen.<br />
Noch ehe er die Augen vollends öffnen kann,<br />
um die Nähe des neuen Tages zu schauen, hört<br />
er das schlurfende Geräusch von Schritten, die<br />
sich schnell nähern und das Durcheinander aufgeregter<br />
junger Stimmen.<br />
„Da, gleich da hinten muß er liegen. Ich habe<br />
ihn gesehen. Er schläft in einem großen Faß.“<br />
Die Geräusche verstummen. Kleine Körper<br />
drängen sich zwischen die wärmenden Strahlen<br />
der Sonne und dem Auftreffen auf seine Haut.<br />
Schatten fällt auf sein Gesicht. Die halb geöffneten<br />
Lider lassen ihn schemenhaft neugierige Gesichter<br />
erkennen, die sich über ihn beugen.<br />
„Er ist tot?“, stellt eine kindliche Stimme fest.<br />
„Nein, ich glaube nicht, daß er tot ist. Er hat die<br />
Augen ein bißchen geöffnet und schaut uns an.“,<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 18
prosa<br />
antwortet eine Mädchenstimme. „Tote schauen<br />
einen nicht an.“<br />
„Und er atmet“, weiß eine dritte zu berichten.<br />
„Was er hier wohl macht?“<br />
Die Neugierde bezwingt endgültig die Vorsicht.<br />
Ein kleiner Finger stupst zart, aber bestimmt<br />
an seine dicke Knollennase. „Was machst du da?“<br />
Er schlägt die Augenlider ganz auf. „Ich denke!“<br />
„Du hast nicht gedacht. Wenn man schläft,<br />
kann man nicht denken. Träumen kann man,<br />
wenn man schläft!“, erwidert altklug die Mädchenstimme.<br />
„Gedanken und Träume sind Geschwister“,<br />
antwortet er. Dann hebt er den Kopf in die Stütze<br />
seiner Hände, die auf den Ellbogen im Gras<br />
ruhen. „Geschwister können vieles gemeinsam<br />
tun, wenn sie dies möchten.“<br />
„An was hast du gedacht?“, will der kleine<br />
blonde Wuschelkopf mit der Farbe des Himmels<br />
in den Augen wissen.<br />
„Ich habe darüber nachgedacht, ob ich die<br />
Augen für den neuen Tag öffnen soll.“<br />
„Darüber kann man nicht nachdenken. Denn<br />
Augen öffnen sich von alleine, sobald man ausgeschlafen<br />
hat.“, platzt es aus dem Mund des<br />
rothaarigen Mädchens, das sich bisher im Hintergrund<br />
gehalten und noch nicht gesprochen<br />
hatte.<br />
„Nur bei Kindern öffnen sich die Augen von<br />
selbst, wenn sie ausgeschlafen sind. Erwachsene<br />
können darüber nachdenken und bestimmen,<br />
ob sie die Augen für den neuen Tag öffnen<br />
möchten.“<br />
„Ich – ich will nicht jeden Tag nachdenken<br />
müssen, ob sich meine Augen aufmachen sollen“,<br />
entrüstet sich Berti, der Kleinste von allen.<br />
Er betrachtet das große Holzfaß und die nähere<br />
Umgebung. „Warum wohnst du in einem Faß?“<br />
Noch ehe der Mann in der Tonne antworten<br />
kann, erklärt Susi mit ihrer altklugen Mädchenstimme:<br />
„Mein Opa hat mir von einem alten<br />
Griechen erzählt. Der wohnte in einem Faß. Der<br />
hat den lieben langen Tag nichts gearbeitet, sondern<br />
nur gedacht. Und alle mußten ihm aus der<br />
Sonne gehen, sonst wurde er furchtbar böse.“<br />
Die Rasselbande erschrickt. Sie erkennen,<br />
daß sie dem Mann die Sonnenstrahlen stehlen.<br />
Schnell schieben sie ihre schmalen Schatten zur<br />
Seite.<br />
„Ich kenne den alten Griechen, aber der wohnt<br />
bei uns im Haus und nicht in einem Faß im Garten.“,<br />
weiß Toni der Wuschelkopf zu berichten.<br />
Der Mann rutscht ein wenig mehr aus seiner<br />
Behausung nach außen, sieht Toni an und erklärt:<br />
„Der Opa des Mädchens erzählte von alten Griechen,<br />
die vor langer Zeit gelebt haben. Der Mann<br />
in der Tonne im alten Griechenland hieß Diogenes<br />
und war ein Philosoph.“<br />
„Bist du auch Philosoph von Beruf?“ will<br />
Moni wissen.<br />
„Wovon lebt denn ein Philosoph, wenn er<br />
nichts arbeitet? Wer kocht dir Essen?“, der immer<br />
hungrige Ludwig, der bis jetzt an seinem<br />
Butterbrot gekaut hat, macht sich echte Sorgen.<br />
„Machst du den ganzen Tag nichts anderes als<br />
schlafen und denken?“ Susi kann es nicht glauben.<br />
„Wo kommst du überhaupt her? “<br />
„Halt. Nicht so viele Fragen auf einmal“,<br />
bringt er erstmal Ordnung in das Fragenchaos.<br />
„Immer schön der Reihe nach. Eine Frage nach<br />
der anderen.“ Er nutzt eine kurze Pause und atmet<br />
tief ein und aus. „Natürlich bin ich ein Philosoph.<br />
Dies ist zwar kein Beruf, von dem man<br />
leben kann, aber Philosophieren macht sehr viel<br />
Spaß. Und zum Leben brauche ich nur ganz wenig.<br />
Freundliche und nette Menschen geben mir<br />
immer wieder eine Kleinigkeit zu essen.“<br />
Ludwig schaut auf das Brot in seiner linken<br />
Hand. „Hast du großen Hunger?“, erkundigt<br />
er sich. Ludwig wartet die Antwort nicht ab.<br />
Er reißt sein Brot in zwei Hälften und hält dem<br />
Mann im Faß eine Hälfte hin. „Schenk ich dir.“<br />
Der nimmt das Brot, beißt ein Stück ab und<br />
sagt genüßlich kauend: „Danke. Das ist sehr<br />
nett von dir.“ Dann fährt er fröhlich fort. „Wißt<br />
ihr, Kinder, ich reise in meinem Faß durch die<br />
Welt. Ich sehe mir die Leute an und spreche mit<br />
ihnen. Betrachte die Schönheiten der Erde. Und<br />
sehe leider auch immer wieder viel Dummheit<br />
und Ignoranz. Dabei habe ich viel Zeit, um über<br />
Wichtiges und Unwichtiges nachzudenken.<br />
Und den Menschen meine Gedanken und Erkenntnisse<br />
mitzuteilen.“<br />
Toni schüttelt ungläubig seinen Wuschelkopf.<br />
„Wie kannst du mit diesem Faß verreisen? Das<br />
Faß hat keine Räder. Du hast kein Auto. Noch<br />
nicht einmal ein Fahrrad mit einem Hänger.<br />
Und bestimmt auch kein Geld für eine Fahrkarte,<br />
um mit dem Bus oder dem Zug zu fahren.“<br />
„Du kannst mit deinem Faß nicht verreisen.“,<br />
stellt verärgert Susi fest.<br />
Moni ist empört. „Du willst uns nur veräppeln.“<br />
„Nein – Ehrenwort. Was ich erzähle, ist die<br />
Wahrheit. Ich komme mit diesem Faß aus dem<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 19
Prosa<br />
fernen Utopia und bin auf dem Weg nach Nirgendwo.<br />
Heute bin ich bei euch und morgen<br />
– wer weiß, wohin mein Faß mich rollt.“ Seine<br />
Stimme wird leiser.<br />
„Abends, wenn ich in meinem Faß einschlafe,<br />
dann fängt es an zu rollen und bringt mich an<br />
einen neuen Platz. Ich weiß vorher nie, wohin<br />
meine Reise mich führt. Einzig die Tonne bestimmt<br />
das Ziel.“<br />
Die Rasselbande hat ihm aufmerksam zugehört<br />
und steht staunend mit halboffenen Mündern<br />
da. Sie sind verunsichert.<br />
Dann nimmt er ihnen den Wind vollends aus<br />
den Segeln. „Ich mache euch einen Vorschlag.<br />
Ich nehme euch mit auf meine Reise. Ihr dürft in<br />
meiner Tonne heute Abend mitrollen.“<br />
Begeisterung und Neugierde haben die Zweifel<br />
endgültig besiegt. Moni, Susi, Toni und Berti<br />
strahlen. Mit ihren Gedanken sind sie bereits<br />
nach fremden Ländern und großen Abenteuern<br />
unterwegs.<br />
Nur Ludwig schaut traurig. „Ich kann nicht<br />
mitkommen. Ich muß abends zu Hause sein.<br />
Und meine Eltern lassen mich bestimmt nicht<br />
über Nacht weg. Außerdem, ich habe alle meine<br />
Brote aufgegessen. Und keine Schokolade<br />
dabei. Was sollen wir denn essen?“ Vorwurfsvoll<br />
schaut er auf den Mann im Faß. „Du hast<br />
ja nichts dabei!“ Der Moment stülpt auch den<br />
anderen die Realität wieder über.<br />
„Stimmt, wir können nicht einfach mit dir<br />
mitkommen. Wir müssen zuerst unsere Eltern<br />
fragen, ob wir mit dürfen.“, stellen übereinstimmend<br />
Toni und Berti fest.<br />
„Und ihr müßt was zu Essen von zu Hause<br />
mitnehmen.“, ergänzt der immer hungrige<br />
Ludwig.<br />
„Ach was. Laßt uns einfach einsteigen und<br />
losrollen“, beschließen die Mädchen.<br />
„Nein, nein. Ihr müßt euern Eltern Bescheid<br />
sagen und sie um Erlaubnis bitten. Ich kann<br />
nicht sagen, wann die Tonne hier wieder vorbeirollen<br />
wird, so daß ihr nach Hause gehen<br />
könnt. Es kann eine sehr lange Reise werden.<br />
Vielleicht sogar für immer?“<br />
So plötzlich, wie sich der Vogel der Begeisterung<br />
erwartungsvoll auf den Ast gesetzt hatte,<br />
so schnell breitet er nun seine Flügel aus und<br />
fliegt davon. Nun ist dieses Abenteuer für die<br />
Kinder zu groß geworden.<br />
Sie verabschieden sich von dem Mann im Faß<br />
und versprechen morgen wiederzukommen. Er<br />
bleibt den Rest des Tages ihr Geheimnis und<br />
Gesprächsthema. Auch in dieser Nacht haftet<br />
der Spuk des rollenden Fasses an ihren Träumen.<br />
Nach dem Frühstück macht sich die Gruppe<br />
der Kinder auf, um nach dem Mann im Faß zu<br />
schauen. Mit schnellen Schritten geht die Erwartung<br />
auf kurzen Füßen zielstrebig zu dem<br />
Ort, an dem gestern der Philosoph ruhte.<br />
Der Platz ist leer. Das Faß und der Mann sind<br />
verschwunden.<br />
Berti deutet auf eine Schleifspur im Sand. „Er<br />
ist mit seinem Faß nach Nirgendwo weitergerollt.“<br />
Gabriela Franze<br />
Freitag, der 13.<br />
Ich liebe Regen. Regenwetter birgt in sich eine<br />
ganz eigene Stimmung: angenehme Kühle,<br />
beruhigende Geräusche, weichgezeichnete<br />
Konturen, Wahnsinnsluft, Tropfen auf der Haut.<br />
Bin ich deswegen abartig? Möglicherweise.<br />
Möglicherweise aber auch nicht. Regen macht<br />
nämlich auch mich melancholisch. Für jemanden<br />
mit meiner Mentalität an sich nichts Ungewöhnliches.<br />
Ungarn haben, entgegen der gängigen,<br />
zum Gähnen ausgeleierten Touristenklischees,<br />
nicht Paprika im Südpol. Wer die alten Zigeunerweisen<br />
kennt, der ahnt: Ungarn sind eine<br />
Mischung aus Melancholie und Leidenschaft,<br />
Kraft und Hingabe, Leben bis zur Neige, stilles<br />
Wasser und Strudel. Die Palette reicht von himmelhoch<br />
jauchzend bis Selbstmord. Je nachdem.<br />
Das Leben kann voller überraschender Wendun-<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 20
prosa<br />
gen sein. Da sind Flexibilität und Kompetenz im<br />
jeweiligen emotionalen Ausdruck gefordert. Es<br />
gibt Tage, die gibt es gar nicht und auch solche,<br />
die zu schön sind, um wahr zu sein.<br />
Einer von beiden beginnt an diesem verheißungsvollen<br />
Morgen. Wohlausgeschlafen erwache<br />
ich, springe fröhlich aus meinem Bett, knicke<br />
auf der Stelle um und stoße mit meinem Kopf<br />
gegen das Marmorfensterbrett. Kopf und Knöchel<br />
schwellen sofort bis zur Unkenntlichkeit an<br />
und ich weiß in diesem Augenblick: Diesen Tag<br />
kannst du in den Skat drücken!<br />
Ich spiele nicht Skat. Mein Hirn verweigert sich<br />
diesem Spiel. Aber alle spielen gerne mit mir,<br />
weil sie dann mit ein Vermögen verloren, auf das<br />
Rockefeller und Onassis in brüderlicher Eintracht<br />
neidisch gewesen wären. Am Ende eines solchen<br />
Abends scheint mir Selbstmord immer eine überdenkenswerte<br />
Alternative zu sein. Nur die Gewißheit,<br />
viele liebe Menschen reich gemacht zu<br />
haben, hält mich davon ab.<br />
Mit Bowling ergeht es mir übrigens ganz ähnlich.<br />
Meine Kugel rollt, und das schaffen sonst<br />
nur ganz ausgebuffte Profis, nach Absolvieren<br />
mehrerer spiralförmiger Kreisbahnen zielgerade<br />
in die Rille und steuert haarscharf an diesen<br />
putzigen Püppchen vorbei. Der Wirt liebt mich.<br />
Dank meiner Bowling-Kultur hält seine Bahn<br />
trotz steigender Einnahmen ewig. Selbstmord?<br />
Nah dran! Sehr nah!! Gefährlich nah!!!<br />
Zurück zum Tag X.<br />
Mit geschwollenem Knöchel und hämmerndem<br />
Schädel begebe ich mich nach Einwurf einer<br />
Schmerztablette in Richtung Arbeitsstelle. Kurz<br />
vor dem Ziel muß ich umkehren. Vollsperrung<br />
der Bundesstraße wegen eines Unfalls. Unverdrossen<br />
pirsche ich mich auf Um- und Schleichwegen<br />
von hinten an das Objekt meiner Begierde.<br />
Zeitverlust eine Stunde. Dabei hatte ich gleich<br />
morgens einen schwierigen Termin! Gott sei<br />
Dank ergattere ich gerade noch einen Parkplatz.<br />
Es besteht noch Hoffnung für den Tag.<br />
Humpelnd betrete ich das Gebäude, das der<br />
Freistaat von einem westdeutschen Großmogul<br />
für horrende Summen angemietet hat. Ich<br />
spüre bereits beim bloßen Gedanken daran, wie<br />
das Messer in meiner Tasche aufklappt (Original<br />
schweizerisches Qualitätsfabrikat; mit Schere,<br />
Nagelfeile UND Flaschenöffner).<br />
Ausnahmsweise benutze ich den Fahrstuhl,<br />
will in die zweite Etage, drücke den zweiten<br />
Knopf, komme an und steige aus. Nachdem ich<br />
ein Weilchen herumgeirrt bin (ich arbeite dort<br />
noch nicht allzu lange), bemerke ich, daß ich<br />
erst in der ersten Etage bin. Verdammt, in welcher<br />
Richtung befindet sich jetzt der Fahrstuhl?<br />
Schließlich finde ich ihn, fahre eine Etage höher<br />
und erblicke dort aufatmend den Ort meines<br />
Wirkens. Der Termin wartet bereits vor der Tür.<br />
Der Waldschrat hat die Körpermaße zwei mal<br />
zwei Meter. Mit süffisantem Unterton in der<br />
Stimme begrüßt er mich: „Pünktlichkeit ist die<br />
Höflichkeit der Könige!“<br />
Ich hänge meine Mundwinkel hinter den Ohren<br />
ein, lächle tapfer und gebe ihm die Hand. Sie<br />
verschwindet bis ans Schultergelenk in seiner<br />
Pranke. Der Tag ist hin. Glücklicherweise verspüre<br />
ich jetzt jedoch endlich tief in meinem Innern<br />
einen gerechten Zorn gegen die Ungerechtigkeit<br />
der Welt aufsteigen. Gute Verhandlungsbasis!<br />
Nachdem er sich auf meinen beiden Besucherstühlen<br />
niedergelassen hat, die beide verzweifelt<br />
ihre Beinchen in den Teppichboden stemmen,<br />
meint er herablassend in meine Richtung: „Na,<br />
Mädel, da werden wir jetzt mal Tacheles reden.“<br />
Ich denke, ich höre nicht recht! Wie spricht<br />
der denn mit mir?! Nach zwanzig Jahren Dienst<br />
bin ich aber „Rampensau“ genug um zu wissen:<br />
Solche wie den da verspeise ich zum Frühstück,<br />
ganz locker, ungewürzt und roh. Im Stück! Mein<br />
Entschluß steht fest: Heute gebe ich den Giftzwerg.<br />
Irgendwie ist mir danach.<br />
Ich koche ihm also einen meiner legendären<br />
Kaffees, die nur mittels Stemmeisen aus der Tasse<br />
zu bekommen sind und serviere ihn sowohl<br />
mit einem abgrundtiefen Lächeln als auch ohne<br />
Rattengift. Noch glaubt er, er hätte mich im Sack.<br />
Das Schmalz der Selbstzufriedenheit troff ihm<br />
aus beiden Ohren. Während ich meinen Kaffee<br />
genieße, lausche ich, echtes Interesse imitierend,<br />
seinem weitschweifigen, nichtssagenden Gefasel.<br />
Ich lächle immer noch. Als ich beginne, mir Notizen<br />
zu machen, verliert er den letzten Rest Respekt<br />
vor mir, lockert seinen Kulturstrick, rutscht<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 21
Prosa<br />
auf meinen beiden bereits um Hilfe ächzenden<br />
Stühlen in die Körperhaltung „halb acht“ und<br />
fühlt sich als Sieger. Meine Notizen enthalten<br />
jedoch nicht die Bedingungen, die er mir bereits<br />
diktiert, sondern die Widersprüche, in die er sich<br />
in seinem selbstgefälligen Leichtsinn emsig verstrickt.<br />
Das ist regelmäßig der Moment, in denen<br />
mein Lächeln erstirbt. Jetzt lehne ICH mich entspannt<br />
zurück, sage ihm auf den Kopf zu, was<br />
ich von dem halte, was er mir aufzutischen versucht<br />
hat und erkläre mit aller mir zur Verfügung<br />
stehenden Vehemenz, daß seine Darstellung des<br />
Sachverhaltes durch die Präsenz eklatanter Widersprüche<br />
das akute Indiz eines vorsätzlichen<br />
Betruges impliziere und er gerade nicht nur keinen<br />
höheren Geldbetrag herausgehandelt habe<br />
sondern ich auch noch sämtliche bereits ausbezahlten<br />
Gelder von ihm zurückzufordern gedächte.<br />
Einschließlich Zinsen. Fünf Prozent über<br />
dem Basissatz. Über den gesamten Zeitraum.<br />
Tschakkaaaa!! Jetzt ist mein Lächeln echt. Der<br />
Koloß ist blaß. Übrigens sitzt er nun wieder senkrecht,<br />
genau wie sein Schlips. Na bitte, in zwanzig<br />
Minuten 1,5 Millionen für den Freistaat herausgeschunden!<br />
Wenn das keine Leistung für einen<br />
Vormittag ist! Die Miete der kommenden Monate<br />
für das Bürogebäude habe ich ganz allein erwirtschaftet!<br />
Innerlich tanze ich Bi-Ba-Butzemann<br />
und geh im Kreis herum, dideldum. Der Koloß<br />
sitzt mittlerweile wieder. Nicht auf Bürostühlen<br />
sondern für fünf Jahre. Mein Riecher war richtig...<br />
Nachdem nun Schädel und Knöchel gemeinsam<br />
hämmern, schickt mich mein Chef nach<br />
Hause. Zu Hause gedachte ich mir etwas Gutes<br />
zu tun. Sekt macht dick, Beluga ist zu teuer. Die<br />
Lösung: „Vollbad“! In Emangelung eines ansprechenden<br />
Badeelixiers schnell noch einen Abstecher<br />
in eine namhafte Drogerie gemacht. Die<br />
Duftnoten der angebotenen Marken „Rheumafeind“,<br />
„Venentrost“ und „Bandscheibenvorfall“<br />
sagen mir nicht direkt zu. Ersatzweise erwerbe<br />
ich zwei Duschgels. Beide für Männer gedacht,<br />
aber in Wahrheit für mich gemacht. Marke<br />
„Spax“ (der Duft, der Frauen perforiert).<br />
Zunächst fällt mein Blick auf diese leuchtend<br />
hellgrüne Flasche. Ich liebe Grün. Schnell eine<br />
Nase voll probiert. Hmmmm, Lemongrass. Name:<br />
„Anti Hangover“. Perfekt! Laut Beschreibung<br />
sollte man nach einer durchzechten Nacht davon<br />
im Handumdrehen wieder flott sein. Na bitte. Die<br />
hatten bei der Kreation dieses Spitzenproduktes<br />
der Körperhygiene genau mich vor Augen.<br />
Daneben steht noch ein dunkelgrünes, ähnlich<br />
ansprechendes, aber weitaus sinnlicher duftendes<br />
Duschgel mit dem Namen „Thai-Massage“.<br />
Das weckt mein besonderes Interesse. In meinem<br />
Kopf spielen sich nach einer Geruchsprobe<br />
wahnwitzige Fantasien nie geahnter exotischer<br />
Sexualpraktiken ab. Ich muß mich am Regal festhalten,<br />
so schwindlig wird mir. Dieses Duschgel<br />
mußte mit, so viel war klar. Leider lese ich erst<br />
zu Hause die Beschreibung. Hinten auf der Flasche<br />
steht, daß die Entspannungswirkung erst<br />
dann ekstatischer Natur sei, wenn man jemand<br />
anderen mit dem Auftragen des Gelfilms betrauen<br />
würde. Das ließ sich in meinem Fall nicht so<br />
schnell bewerkstelligen.<br />
Als Frau ist man ja immer für viel mehr Dinge<br />
zuständig als ein Mann. Aus diesem Grunde<br />
sollte Frau frühzeitig lernen zu delegieren. So<br />
unter anderem oder insbesondere die pikanten<br />
Dinge des Lebens. Aber heute bin ich nicht in<br />
der Stimmung, erst noch meinen Dauerlustknaben<br />
(DLK) herzubeordern. Ich brauche Entspannung<br />
schnell, pur, unmittelbar und gnadenlos.<br />
Die wichtigsten Hilfsmittel besitze ich ja jetzt ...<br />
Mein innerer, nach Verwöhnen und Wohltat lechzender<br />
Schweinehund rief mir zu: „Selbst ist die<br />
Frau!“<br />
Das Wasser ist heiß. Die Thai-Massage duftet<br />
zum Wahnsinnigwerden. Draussen regnet es so<br />
schön, die Kerzen wirken vor dieser Kulisse viel<br />
besser! Pfeif drauf, ich mache doch eine Flasche<br />
Sekt auf. Ein Kilo nach oben vertrage ich noch.<br />
Eine Flasche vom Besten: „Brut“. Eiskalt. Perlend.<br />
Jetzt noch meine Eric-Clapton-CD … Meine<br />
Sinne feiern Orgien. In meinem Kopf dreht sich<br />
alles (der Sekt …, nicht der Stoß).<br />
Raten Sie doch mal, wonach mir jetzt so ist: Leidenschaft<br />
oder Selbstmord?! Bin ich jetzt abartig?<br />
Möglicherweise. Soll ich Ihnen etwas beichten?<br />
Es ist mir scheißegal! Was immer Sie jetzt auch<br />
von mir denken mögen:<br />
Es ist auf jeden Fall ein fantastischer Tag!<br />
PROST!<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 22
Essay<br />
Hermann Wischnat<br />
Freie Verse lesen?<br />
Wie lesen Sie Gedichte, die in freien Versen geschrieben<br />
sind? Gemeint ist insbesondere auch<br />
das laute Lesen, also das Umsetzen des freiversigen<br />
Sprachgebildes in eine Lautgestalt.<br />
In der Lesepraxis wird dem Hörer, der den<br />
Text visuell verfolgen kann, in der Regel schnell<br />
deutlich, welche Funktion der Leser der Zeile,<br />
bzw. dem Vers zumißt. Anscheinend ist es entscheidend,<br />
ob im Lesevorgang das Zeilenende<br />
– verflüssigend oder (meist) stauend – als Zäsur<br />
berücksichtigt wird oder nicht. Wenn nicht, geht<br />
das Lesen in die vertraute syntaktisch gesteuerte<br />
Lautgestalt über, selbst wenn optische Signale<br />
eher dagegen sprechen. Das ist lesetechnisch bei<br />
„verschrobenen“ Freiversen oft gar nicht einfach.<br />
Ist demnach das Untergliedern eines Textes<br />
in freie Verse nur ein „äußeres, rein formales<br />
Merkmal“ (M. Andreotti) – also nur visuell zu<br />
orten –, und läuft das Lesen – ungeachtet der<br />
Untergliederungsvarianten – in der Satzmelodie<br />
eines Prosatextes ab, sobald das Auge die<br />
Verse sortiert und geordnet hat? Oder ergibt die<br />
graphische Gestaltung doch ein – oder gar das<br />
– „Ohrbild“ (Arno Holz) des Textes, das lesend<br />
„abzubilden“ ist?<br />
Vielleicht läßt sich die Frage an einem zunächst<br />
in Prosa abgedruckten Text veranschaulichen,<br />
den ich viermal in freie Zeilen umstelle, in freie<br />
Verse breche: „Früh legten sie ihm ein Korsett an<br />
und sagten, das sei sein Rückgrat.“<br />
1.<br />
Früh<br />
legten sie ihm<br />
ein Korsett an und sagten, das sei sein Rückgrat.<br />
2.<br />
Früh legten sie ihm<br />
Ein Korsett an und sagten,<br />
Das<br />
Sei sein Rückgrat.<br />
4.<br />
früh<br />
legten<br />
sie<br />
ihm<br />
ein<br />
korsett<br />
an<br />
und<br />
sagten<br />
das<br />
sei<br />
sein<br />
rückgrat<br />
3.<br />
Früh legten sie ihm ein<br />
Korsett<br />
an und sagten, das sei sein<br />
Rückgrat.<br />
Im Wechselverhältnis zwischen Inhalt und<br />
Form wird in diesen Beispielen durch die Änderung<br />
der Form der Inhalt je anders akzentuiert.<br />
1. In der ersten Fassung fallen die Worte „Früh“,<br />
„ihm“ und „Rückgrat“ auf. Wird „ihm“ also<br />
hier „früh“ das „Rückgrat“ gebrochen? Sind<br />
Zeilenbruch und Rückgratbruch als Assoziation<br />
vielleicht sogar übertrieben?<br />
2. In der zweiten Fassung läuft die Textgestaltung<br />
demonstrativ auf „Das“ zu. Die Großbuchstaben<br />
am Zeilenanfang betonen die<br />
Versfunktion der Zeilen. Die Verse beanspruchen<br />
demnach bei aller syntaktischen Vernetzung<br />
eine besondere Sinnfunktion. Angemerkt<br />
sei der heute häufige Einwand,<br />
Großbuchstaben am Zeilenanfang seien nur<br />
noch eine funktionslose Traditionalisme.<br />
3. Die dritte Fassung ist zentriert gestaltet. Sie<br />
signalisiert die „Mittelachse“ (Arno Holz), die<br />
zentral die Sinnworte – „sie“ / „Korsett“ / „sagten,<br />
das“ / „Rückgrat“ – trifft oder sammelt.<br />
4. Die vierte Fassung: – Macht sie ernst mit der<br />
Absicht, das einzelne Wort vom Satzzwang<br />
und vom (metrischen) Verszwang zugleich zu<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 23
essay<br />
befreien? Oder handelt es sich um eine modische<br />
Marotte, die lediglich für den „Augenblick“<br />
die Ungeübtheit des Auges, von oben<br />
nach unten zu lesen, nutzt? Bemerkbar in der<br />
Eintönigkeit des Untereinanderschreibens<br />
sind der Fettdruck („Korsett“), der verkleinerte<br />
Schriftgrad („Rückgrat“), die durchgehende<br />
Kleinschreibung und die fehlende<br />
Interpunktion.<br />
In allen Fassungen fallen die Zeilensprünge<br />
besonders auf, Zeilensprünge als Dissonanz, als<br />
Unpassung, als Spannung zwischen syntaktischer<br />
Einheit und Vers. Die syntaktische Einheit weist<br />
über das Versende hinaus und „springt“. Die Bezeichnung<br />
„Zeilensprung“ wird nicht einheitlich<br />
verwendet. Gleichwertig finden sich die Benennungen<br />
„Zeilenbruch“, „Verssprung“, „Enjambement“.<br />
Sicherlich kann der Vorgang von Fall zu<br />
Fall und von Person zu Person unterschiedlich als<br />
„Bruch“, als „Sprung“ oder als „Hinüberschreiten“<br />
gemeint sein und empfunden werden.<br />
Die Zeilensprünge im Verbund mit den weiteren<br />
hier angewandten Signalen (Lücke im Versfluß,<br />
Großschreibung am Versanfang, Kursivschrift,<br />
Fettdruck, Wechsel der Schriftgröße, Mittelachse,<br />
Kleinschreibung, Interpunktion) spielen mit der<br />
Möglichkeit unterschiedlicher inhaltlicher Akzentsetzungen.<br />
Das so inszenierte Spannungsverhältnis<br />
zwischen Vers- und Sinngliederung eröffnet<br />
stilistische Möglichkeiten. Und zu einer besonderen<br />
Herausforderung wird dabei die Lautgestalt<br />
des Lesens, wird der Leserhythmus mit seiner akzentuierenden<br />
und sinngestaltenden Kraft.<br />
Zusammenfassend zu unserem Veranschaulichungsbeispiel:<br />
Die vier freiversigen Varianten<br />
ein und desselben Textes (ohne Wortumstellung)<br />
setzen sich von der Prosasatzmelodie ab und unterscheiden<br />
sich darüber hinaus untereinander<br />
derart, daß sie je eigene Lautgestalten herausfordern.<br />
Demnach ergibt die graphische Textgestalt<br />
freier Verse doch eine Art „Ohrbild“. Und mit<br />
dem Probieren verschiedener Lautgestalten und<br />
somit verschiedener inhaltlicher Akzentsetzungen<br />
klopfe ich den Text zugleich auf die Frage ab:<br />
Ist er für mich hinreichend „sinnintensiv“ (Elke<br />
Austermühl)?<br />
Wie die Lautgestalten allerdings letztlich klingen<br />
sollten, ist nicht zu systematisieren. Darüber<br />
entscheidet ... ja, unsere Eingangsfrage lautete:<br />
Wie lesen Sie Gedichte, die in freien Versen geschrieben<br />
sind?<br />
Vielleicht spielen Sie diese Frage mit eigenen<br />
– bereits fertigen oder in der Entstehung begriffenen<br />
– Texten durch? – Das könnte spannend<br />
werden.<br />
Übrigens in seinem „Produktiven Umgang mit<br />
Lyrik“ sagt Günter Waldmann zum freien Vers:<br />
„Der freie Vers ist anerkanntermaßen mit seinen<br />
zahlreichen lautlichen, visuellen und sprachlichen<br />
Funktionen eine sprachgerechte, nicht<br />
künstlich beengte literarische Form, die nachhaltiges<br />
und aussagestarkes lyrisches Sprechen in<br />
vielerlei Gestalten erlaubt ...“ (Schneider Verlag<br />
Hohengehren, 8/2003, S. 20).<br />
Rainer Hengsbach-Parcham<br />
Werden Schriftsteller immer ersetzbarer?<br />
Dichter und Schriftsteller waren stets kreative<br />
Künstler, sowohl zu Zeiten Goethes und Schillers<br />
wie zu Zeiten Brechts und Benns. Und auch<br />
noch ein Günter Kunert oder Günter Grass haben<br />
Kreatives hinterlassen. Es ist heute kaum<br />
mehr vorstellbar, daß schöpferische Menschen<br />
die längste Zeit in der Geschichte ihre Werke<br />
mit der Feder zu Paper brachten und beim Verlag<br />
ablieferten. Erst spät gab es für Schriftsteller<br />
Hilfsmittel, und die Schreibmaschine Nietzsches<br />
mutet heute höchst vorsintflutlich an, auch wenn<br />
sie für den Autor seinerzeit ein großer Fortschritt<br />
war.<br />
Wie aber sieht es heute aus? Heute: das heißt<br />
bei den Schriftstellern und Dichtern, die derzeit<br />
– sagen wir 30 Jahre alt sind oder jünger; bei den<br />
Jahrgängen, die bereits in der Schulzeit mit dem<br />
PC und seinen Segnungen vertraut gemacht<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 24
Essay<br />
wurden – und die jedem etwas älteren von uns,<br />
und sei er nur 40 oder 50, elektronisch etwas<br />
vormachen? Können sie, die sich ihre Arbeit –<br />
das Schreiben also – ohne PC nicht mehr vorstellen<br />
können und ihre Texte gleich „eingeben“<br />
– können sie noch wirklich kreativ, schöpferisch<br />
im Sinne des Wortes sein? Oder verhindert das<br />
neue, elektronische Zeitalter des Computers<br />
subtil und indirekt das Schöpferische?<br />
Für alles gibt es da Programme: Für Wort-<br />
Trennungen, Rechtschreibung (je nach dem<br />
„alte“ oder „neue“); es gibt leicht aufzurufende<br />
Lexika, die dem Schreibenden seine Arbeit<br />
erleichtern sollen (so kann er, um Doppelnennungen<br />
zu vermeiden, ein Synonymie-Lexikon<br />
befragen). Da werden zum Beispiel Sätze, Absätze,<br />
ja ganze Abschnitte zertrennt und wieder zusammengefügt,<br />
es wird eingefügt, und alles geht<br />
per Mausklick schnell und sauber. Kurzum, der<br />
moderne Schriftsteller kann sich in mancherlei<br />
Hinsicht auf seinen elektronischen Helfer verlassen.<br />
Doch nicht selten leidet der Text darunter,<br />
und man kann mitunter bei einem schlechten<br />
(etwa bei dem eines Kollegen, für den „Zeit<br />
Geld ist“) erkennen, wo zwei Absätze oder Sätze<br />
unstimmig aneinander gefügt wurden, wo eine<br />
Kürzung den Zusammenhang oder zumindest<br />
den Fluß des Textes stört usw. Ich selbst kenne<br />
solche Texte.<br />
Birgt also nicht grade die Technisierung und<br />
Mechanisierung des Schreibens die Gefahr, vieles<br />
von dem, was einst – und noch unlängst – zum<br />
Geschäft des Schriftstellers gehörte, zu delegieren,<br />
das heißt aus der Hand zu geben, nicht mehr zu<br />
kontrollieren und irgendwann gar zu verlernen?<br />
Je mehr wir uns auf unsere elektronischen Helfer<br />
verlassen, umso mehr geben wir das Ruder des<br />
Schreibens aus der Hand. Verleitet die Arbeit mit<br />
dem Computer uns letztlich, Fauxpas wie die oben<br />
genannten zu übersehen. In der Wissenschaft, wo<br />
es um inhaltliche Mitteilung geht, mag das noch<br />
hingenommen werden können, in der Literatur ist<br />
es nicht nur ein Fauxpas, sondern verheerend und<br />
eine Unmöglichkeit!<br />
Nicht, daß es nicht auch unter den Jungen<br />
kreative Menschen und <strong>Autoren</strong> gäbe – keine Frage.<br />
Aber laufen wir nicht alle grundsätzlich Gefahr,<br />
im Rahmen jener gesellschaftlichen Veränderung<br />
„entkreativiert“ zu werden und damit durch<br />
eine wissenschaftlich gemeinten „Versachlichung“<br />
aller Phänomene unsere Kreativität und Originalität<br />
selbst zu untergraben? – allmählich, in einem<br />
langsamen, schleichenden, kaum merklichen Prozeß?<br />
Dichtung lebt vom Umgang mit Sprache als<br />
Mittel der Darstellung und Verdeutlichung der<br />
Phänomene. Inwieweit kann da Elektronik hilfreich<br />
sein?<br />
In der Lyrik kann zum Beispiel die Entmythologisierung<br />
oder besser: Entzauberung von Kunst<br />
gut beobachtet werden. Gemeint ist die durch<br />
Naturwissenschaften und Technik eingeleitete<br />
Versachlichung des Lebens: Es gibt nichts Wunderbares<br />
mehr, man versucht die Welt nüchtern<br />
zu sehen. Gemeint ist damit zugleich die „Entphilosophisierung“<br />
des Lebens: grundsätzliche Fragen,<br />
für die alle Naturwissenschaft – wenigstens<br />
bis heute – keine Erklärungen oder plausiblen<br />
Deutungen parat hat, werden wissenschaftlich<br />
versachlicht, gar nicht gestellt oder belächelnd gemieden.<br />
Dabei können auch unumstrittene Phänomene<br />
unter verschiedenen Aspekten betrachtet<br />
werden. Dieser Trend einer vermeintlichen Versachlichung<br />
aller Dinge des Lebens ist Fakt und<br />
seit geraumer Zeit beobachtbar.<br />
Eine solche „Entphilosophisierung“ von<br />
Grundfragen und -anliegen des Menschen geht<br />
aber einher mit der Entindividualisierung der Beteiligten.<br />
Denn Individualität – starke Individualität<br />
– wird in der Massengesellschaft zunehmend<br />
verdrängt und seltener, da sie einem reibungslosen<br />
Massenbetrieb stets im Wege steht; das liegt<br />
in der Natur der Sache. Gefragt sind zunehmend<br />
Menschen, die ohne Ecken und Kanten funktionieren<br />
– so wie es ihnen die technischen Entwicklungen<br />
und Errungenschaften suggerieren. Und<br />
die Massengesellschaft wird zunehmend zum<br />
Modell des Zusammenlebens der Menschen werden<br />
(solange diese sich nicht selbst umgebracht<br />
oder doch stark dezimiert haben), notgedrungen<br />
bedingt durch das stets übersehene, aber zunehmend<br />
virulente Problem der Überbevölkerung<br />
der Erde, das Rationaionalisierung und Rationalität<br />
fordert – und nicht Individualität oder tiefere<br />
Philosophie.<br />
Dichter sind – und waren schon immer – sensible<br />
Indikatoren für bevorstehende gesellschaftliche<br />
Veränderungen, Befindlichkeiten und Gefahren.<br />
Als solche aber sind sie zugleich Teil der in Aufbruch<br />
oder Wandel befindlichen Gesellschaft. Für<br />
die Lyrik bedeutet das konkret, daß sie auch deren<br />
Aus-der-Form-laufen sowie ihr Streben nach<br />
„Verwissenschaftlichung“ bzw. Versachlichung<br />
mitmacht. Dies aber bedeutet einen Abbau des<br />
Künstlerischen, den zunehmenden Verzicht auf<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 25
IGdA<br />
das Kreativ-Künstlerische, auf das geistig Schöpferische.<br />
Nun wird man einwenden, daß auch in<br />
den Naturwissenschaften – und die sind heute<br />
das Maß aller Dinge – schöpferische Menschen<br />
tätig sind. Das stimmt; aber es ist doch eine andere<br />
Qualität des Schöpferischen: Es ist ein Unterschied,<br />
ob man eine neue wissenschaftliche<br />
Theorie kreiert oder ein Kunstwerk.<br />
Die Folge dieser nicht zu leugnenden Entwicklung<br />
ist die fortschreitende Verflahung und zunehmende<br />
Anspruchslosigkeit des Kunstwerks<br />
wie des Künstlers. Die Pop-Art eines Andy Warhol<br />
beispielsweise oder der Anspruch eines guten<br />
Fotografen, Künstler zu sein, dürften zumindest<br />
umstritten sein: In beiden Fällen ist das wichtige<br />
Element der Abstraktion und das der Stilisierung,<br />
der Metapher usw. stark reduziert oder gar ausgeblendet.<br />
Und ein mittelmäßiger Aphorismus,<br />
der – entsprechend gesetzt und umgebrochen –<br />
als Gedicht verkauft wird, hebt nicht gerade Anspruch<br />
und Niveau der Lyrik. Entsprechend darf<br />
sich heute bereits jeder unwidersprochen Dichter<br />
nennen, der schlichte Verse macht; Begründung:<br />
in unseren sich auflösenden Gesellschaften ist<br />
derjenige Künstler, der sich so nennt – und entsprechend<br />
verkaufen kann. Und die Nachwelt?<br />
Sie wird wohl bei der aufgezeigten Entwicklung<br />
in der Beurteilung noch milder sein.–<br />
Aus dem Vorstand<br />
Allem voran steht der Dank an Jutta Miller-<br />
Waldner, die viele Jahre die Geschicke der IGdA<br />
entscheidend gestaltet bzw. mitgestaltet hatte.<br />
Überlastet schon seit längerer Zeit, kam vor dem<br />
Treffen in Geiselwind der Zusammenbruch. In der<br />
Folge der Austritt aus dem Vorstand, Aufgabe der<br />
Arbeiten am Blog und schließlich auch der redaktionellen<br />
Arbeiten.<br />
Es war nicht leicht, Othmar Seidner dazu zu<br />
bringen, den 1. Vorsitz zu übernehmen. Er stimmte<br />
mit der Einschränkung zu, diesen Vorsitz interimsweise<br />
einzunehmen.<br />
Horst Dinter, der nicht anwesend war, übernahm<br />
in einem Telefonat den 2. Vorsitz, allerdings<br />
im Hinblick auf sein Alter nur befristet. Gabriela<br />
Franze sollte ihm nachfolgen.<br />
Gabriela Franze ist die Organisatorin des Jahrestreffens<br />
2009 in Frankenberg/SA.<br />
Für das Amt der Geschäftsstelle war Gaby G.<br />
Blattl angetreten. Volker Wille bleibt Schatzmeister,<br />
Waltraud Weiß Schriftführerin. Angelika<br />
Zöllner, RainerHengsbach-Parcham, Georg<br />
Walz, Gabriela Franze fungieren als Beisitzer. Beisitzer<br />
zu sein, bedeutet Mitarbeit. So hat Angelika<br />
Zöllner den Serviceteil in Homepage und Zeitung<br />
übernommen und gehört mit Beisitzern dem Redaktionsteam<br />
an; Rainer Hengsbach-Parcham hat<br />
inzwischen die Redaktion übernommen.<br />
Der gesamte Vorstand ist einig im Bemühen, die<br />
IGdA sowohl nach innen und außen zu stärken. Es<br />
wird Aktivitäten geben, zunächst gibt es in Berlin<br />
Treffen, in Wien sind drei literarisch-musikalische<br />
Abende im März, Mai und Oktober 2009 geplant.<br />
Ein Almanach pro Jahr ist ebenso in Planung.<br />
Wir planen für Ende Mai (28.–31.5.2009) ein<br />
Frühjahrstreffen in Berlin und wollen damit eine<br />
Tradition wieder aufleben lassen. Unser Berliner<br />
Mitglied Karin Manke übernimmt die Organisation.<br />
Wer interessiert ist, möge sich bei der Geschäftsstelle<br />
melden:<br />
Gaby G. Blattl, Geschäftsstelle<br />
41. Jahrestreffen in Geiselwind<br />
25. – 28. September <strong>2008</strong><br />
Sehr kurzfristig vor Beginn des Treffens kam<br />
die Hiobsbotschaft – Jutta Miller-Waldner ist erkrankt.<br />
Obwohl sie alles vorbereitet, den Festabend<br />
zeitgerecht in ‚Wiener Hände’ gegeben<br />
hatte, stand dieses 41. Treffen durch weitere<br />
Absagen, Erkrankungen, einen Unfall am Wege<br />
dorthin vorerst unter keinem guten Stern. Aber:<br />
Herausforderungen wurden angenommen,<br />
scheinbare Probleme gelöst.<br />
In Geiselwind war für unsere Ankunft, unser<br />
Bleiben während der Tagungstage alles bestens<br />
organisiert. Hans Meyer hatte sich sehr viel<br />
Mühe gegeben, den Aufenthalt angenehm und<br />
schön, interessant und mit ‚Highlights’ versehen,<br />
zu gestalten.<br />
Vom Anreisetag an …<br />
Nach einer sehr herzlichen Begrüßung fuhren<br />
wir in das Zentrum von Geiselwind und konnten<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 26
IGdA<br />
dort bei einer sachkundigen Führung Wissenswertes<br />
über diese Region in Franken erfahren.<br />
Die Freude des Ortskundigen verdoppelte unsere<br />
Freude.<br />
Der Bürgermeister, Ernst Nickel, hatte zu schilderte<br />
Historisches ebenso, wie das tägliche Leben<br />
eines Bürgermeisters. Bei gutem Frankenwein war<br />
es eine äußerst interessante Stunde, die wir hier<br />
verbringen durften.<br />
Ein köstliches Abendessen und fröhliches Beisammensein<br />
ließen diesen erfreulichen Tag ausklingen.<br />
Lesungen – Sitzung – Natur – Besichtigung –<br />
Schullesungen – Jahreshauptversammlung<br />
Am Vormittag waren die von Hans Meyer organisierten<br />
Schullesungen am Programm und die<br />
Vorstandsitzung. Hier wurden die Wahlergebnisse<br />
bekannt gegeben, der Vorstand formiert.<br />
Dem labilen Gesundheitszustand der 1. Vorsitzenden,<br />
Jutta Miller-Waldner, die auch die<br />
Zeitung vorbildlich gestaltet, wurde insoferne<br />
Rechnung getragen, daß sie aus dem Vorstand<br />
zurücktritt. Damit ist sie keiner Doppelbelastung<br />
ausgesetzt. Nach kurzer Diskussion wurde zugestimmt.<br />
Es ist gelungen, als 2. Vorsitzenden (nicht<br />
als Kandidat zur Verfügung gestandenen) Horst<br />
Dinter zu gewinnen; allerdings im Hinblick auf<br />
sein Alter nur, um Gabriela Franze als nächste 2.<br />
Vorsitzende einzuführen. Othmar Seidner wurde<br />
zum 1. Vorsitzenden, Gaby G. Blattl übernahm<br />
die Geschäftsstelle.<br />
Schriftführung übernahm Waltraud Weiß, die<br />
Finanzen bleiben bei Volker Wille.<br />
Als Beisitzer stehen derzeit Gabriela Franze,<br />
Rainer Hengsbach-Parcham, Georg Walz, Angelika<br />
Zöllner zur Verfügung.<br />
Hans Meyer führte uns in die Natur, zur<br />
1000-jährigen Kaisereiche. Hier las er uns fränkische<br />
Gedichte vor. Den Abschluß seiner Lesung<br />
bildete ein heiterer Text von Hilde Peyr-Höwarth.<br />
Hans Meyer führte uns durch die sanft-hügelige<br />
Landschaft zum Kloster Schwarzenberg. Hier<br />
wurden wir sehr freundlich aufgenommen. Es<br />
fand eine kurze Besichtigung statt, nach erbaulichem,<br />
nachdenklichen Aufenthalt ging es in die<br />
Druckerei Meyer.Was ist die schönste Farbe für<br />
den Schreibenden? Druckerschwärze!<br />
Wir erhielten eine äußerst interessante Führung<br />
durch den Betrieb. Mit viel Liebe zu diesem Metier<br />
erfuhren wir über Druck in den letzten Jahrzehnten,<br />
die enormen Veränderungen in technischen<br />
und allgemeinen Belangen. Hans Meyer ist auch<br />
Buchbinder und konnte auch hier Wissenswertes<br />
sagen und zeigen.<br />
Die Jahreshauptversammlung wurde abgegehalten,<br />
die Tagungspunkte besprochen. (Der entsprechende<br />
Bericht folgt im nächsten <strong>Heft</strong>).<br />
Gabriela Franze hat sich bereit erklärt, das<br />
nächste Treffen im September 2009 zu organisieren,<br />
das in der Zeit 10.–13. September in Frankenberg/SA<br />
stattfinden wird.<br />
Nach einem ausgezeichneten Nachtmahl erzählte<br />
uns Toni Strohofer, Inhaber des Tagungshotels<br />
und zugehörigen Freizeitparks von seiner<br />
jahrzehntelangen Arbeit. Den Abschluß bildete<br />
ein Besuch in der ersten und einzigen Autobahnkirche<br />
Europas, die von ihm gebaut und von seiner<br />
Tochter ausgestaltet wurde.<br />
So ereignisreich der Tag gewesen war, so ruhig<br />
klang er aus.<br />
Highlight – wie nicht anders zu erwarten, das<br />
Werkstattgespräch unter der sachkundigen Leitung<br />
von Hermann Wischnat. Ein literarischer<br />
Genuß, Anregungen, Impulse, einfach großartig.<br />
Dann kam der Festabend. Im (leider) kleinen<br />
Rahmen kamen <strong>Autoren</strong> und Autorinnen zu<br />
Wort. Jeder Beitrag ein Genuß. Zur Überreichung<br />
der Rudolf-Descher-Feder hatte Helmfried Knoll<br />
die Laudatio für Luitgard Kasper-Merbach verfasst,<br />
die aus ihrem Werk vorgetragen hat. Bedauerlicherweise<br />
konnte der Träger des Nachwuchspreises,<br />
Benjamin Bläsi, nicht anreisen. Sein<br />
Beitrag wurde von Othmar Seidner stimmungsvoll<br />
vorgetragen. Abgerundet wurde ‚das Wort’<br />
vom Beitrag der jungen Band ‚V.I.M.’ (very important<br />
music).<br />
Den Abend hat Gaby G. Blattl geleitet, Hans<br />
Meyer sprach das Schlußwort. Es war eine berührende<br />
lyrische Stunde (mit wenigen Prosabeiträgen),<br />
eine würdige Preisverleihung, ein geglückter,<br />
beglückender Festabend.<br />
Der interne Wettbewerb wurde nach dem bekannten<br />
Procedere abgewickelt, die Sieger festgestellt.<br />
(siehe Beitrag ‚Interner Wettbewerb‘). Zu<br />
unserer Freude nahm der Bürgermeister, Ernst<br />
Nickel, an der Siegerehrung teil. Danach ein Zusammensein<br />
zwischen Mitgliedern und Vorstand,<br />
in dem Anregungen und Ideen besprochen wurden.<br />
In freundlichem Ton dann die Verabschiedung<br />
in Vorfreude auf ein Wiedersehen in Frankenberg<br />
2009.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 27
IGdA<br />
Büchertisch<br />
Peter Dreyling‚ ‚zyklus, lyrik am baum’, Gedichte, Verlag Hans Meyer, Scheinfeld 2009, 75 S.,<br />
ISBN 3890143059.<br />
Othmar Seidner‚ Widersprüche II’, edition Musagetes, Wien 2009, 92 S.,<br />
ISBN 978-3-9502626-0-5<br />
Angelika Zöllner, ‚der Widerschein des Todes – reverberation of light’ – Lyrik in deutsch und englisch,<br />
(eigene) Fotos, Kohlhase Verlag, <strong>2008</strong>, 100 S.,<br />
ISBN 978-3-905798012.<br />
Rainer Hengsbach-Parcham, ‚Flußgeschiebe II, Gesammelte Gedichte‘, Beggerow Buchverlag,<br />
Berlin <strong>2008</strong>, 311 S., ISBN 978-3-936103-18-2.<br />
Service<br />
Interner Wettbewerb<br />
September <strong>2008</strong><br />
1. Platz<br />
Renate Weidauer<br />
Sommertraum<br />
Traumgesättigt der Sand<br />
warme Nähe:<br />
nur meine Haut und ein Tuch<br />
zwischen ihm und mir.<br />
Wind und Wellen schmecken nach Weite.<br />
Auf der Leinwand geschlossener Augen<br />
laufen die Bilder<br />
angeschwemmt von weither,<br />
begleitet vom Geruch<br />
nach Salz und Tang.<br />
Sand rieselt<br />
zwischen Zehen und Fingern hinab.<br />
Leise schwingt die Windharfe<br />
in meinen Haaren,<br />
lockt Traumbilder hinter die Lider.<br />
1. Platz<br />
Gesina M. Jaeckle<br />
Zärtlichkeitsstunden<br />
eines schwülen Sommers<br />
die Hitze klebte<br />
am dünnen Kleid<br />
das Meer verführte<br />
zum Mondenscheinschwimmen<br />
du hast gesungen<br />
ich hab‘ gelacht<br />
das Ziel unsrer Sehnsucht<br />
die einsamen Klippen<br />
der Regen rauschte<br />
die ganze Nacht<br />
das Jahr zog weiter<br />
die Wege verzweigten<br />
hast mir gesagt<br />
was ich erhofft<br />
ich habe gedacht<br />
es reicht für ein Leben<br />
Erinnerung täuschte<br />
die Süße verdarb<br />
du schwandest in Wolken<br />
ein kaltes Erwachen<br />
wohin der Sommer –<br />
hab‘ ich geträumt<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 28
IGdA<br />
1. Platz<br />
Gesina M. Jaeckle<br />
Vor dem Bogen<br />
hinter den Hügeln<br />
liegt mein Traum<br />
von der Sommerzeit<br />
Blüten in Fülle<br />
singende Stille<br />
Sonnenschwärme<br />
verschwenderisch<br />
Trauer verschleiert<br />
Schmerzen erloschen<br />
alles scheint leicht<br />
bis zur Mitternacht<br />
dann wirst du kommen<br />
mich mitzunehmen<br />
ohne das Fragen<br />
wie lange noch<br />
unüberhörbar<br />
weckt mich die Turmuhr<br />
Kälte im Zimmer<br />
Winterzeit jetzt<br />
dröhnendes Hämmern<br />
efällt den Körper<br />
drohender Tag<br />
hebt seine Faust<br />
hadern mit Schmerzen<br />
immer aufs Neue<br />
bis zur Erschöpfung<br />
ich kann nicht mehr<br />
schließe die Augen<br />
die Flucht muß gelingen<br />
ich will zurück<br />
in meinen Traum<br />
2. Platz<br />
Renate Weidauer<br />
Sommerfreude<br />
Heuduft<br />
über den Wiesen<br />
Klatschmohn befeuert<br />
der Feldrain<br />
leuchtendes Lachen<br />
steigt empor<br />
lerchen-frei<br />
bunte Luftballons<br />
sonnenwärts<br />
in den blauen Himmel –<br />
nur Sehnsuchtsschnüre<br />
zwischen Erde und Wolken.<br />
3. Platz<br />
Angelika Zöllner<br />
Mohnblüten<br />
das duftige der mohnblüten<br />
unberührbar wie feuerröte<br />
eines erhitzten<br />
hochsommertags<br />
feldbunte tage –<br />
nur ackerwurzeln halten<br />
die blätterzärtlichkeit<br />
und blumenwiesenrot<br />
pflückst du das mohngeschenk<br />
verflieht die pracht im<br />
vasenwasser – leicht<br />
wie augenblicks-gedanken<br />
durchsichtigkeit wie flügelglas<br />
und nicht zu fassen<br />
für worte, pinselsprache oder<br />
dich und mich.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 29
IGdA<br />
Wir gratulieren<br />
Hanna Fleiss<br />
hat soeben den 1. Preis im Wettbewerb des Literaturpodiums ‚Zeilen und Zeiten‘ gewonnen. Unter<br />
den ca. 3000 Einsendungen befinden sich in der Auswahlliste der 69 besten Texte noch weitere<br />
AutorInnen der IGdA.<br />
Maria Sassin<br />
Wurde mit dem Preis für soziales Engagement augezeichnet. Es ist dies die Ehrengabe der Gemeinde<br />
Rommerskirchen.<br />
http://www.igda.net/blog/?p=3498<br />
Angelika Zöllner<br />
Gewann zweimal den ‚Friedenstext des Monats‘, sowohl im November als auch im Dezember <strong>2008</strong>,<br />
mit den Gedichten ‚frieden‘ und ‚ausländer‘. http://friedensblog.over<br />
Blog.de/pages/Die_Friedenstexte_des_<br />
Monats-680790.html<br />
Wettbewerbe<br />
1 Krefelder Kurzkrimi-Preis<br />
Gesucht werden Kurzkrimis vom Tatort Niederrhein,<br />
die in einem Dorf, an einer Mühle,<br />
in einem Museum, einer Parkanlage oder einem<br />
historischen Gebäude etc. spielen.<br />
Umfang 8 bis 12 Normseiten, 30 Zeilen à 60<br />
Anschläge /1800 Zeichen, Zeilenabstand 1,5. Zusendungen<br />
mit Adresse, Mailadresse und Telefon<br />
werden als Papierausdruck und als Datei im .doc<br />
oder .rtf Format auf CD einem Kurzkrimiband<br />
im Leporello-Verlag veröffentlicht. Alle Gewinner<br />
erhalten Buchpakete im Wert ab 50 €. Die ersten<br />
drei Preisträger erhalten zusätzlich Büchergutscheine<br />
im Wert von 500 €, 300 € und 200 €.<br />
Preisverleihung im Rahmen der Krefelder Krimitage<br />
am Freitag 30. Oktober 2009.<br />
Einsendungen erbeten an: Buch Habel, Stichwort<br />
„Krimi-Preis“, Hochstraße 68 – 80, 47798<br />
Krefeld. Die Jury besteht aus je zwei Redakteuren<br />
der Westdeutschen Zeitung und je zwei Mitarbeitern<br />
von Buch Habel und des Leporello-Verlages.<br />
Näheres unter: leporellobuch@aol.com oder<br />
www.leporello-verlag.de/krimipreis.html<br />
Einsendeschluß: 31. März 2009<br />
2 Rowohlt sucht den historischen Roman<br />
Rowohlt schreibt einen Romanwettbewerb<br />
aus. Eingereicht werden können bisher unveröffentlichte<br />
deutschsprachige Romane von<br />
mindestens 200 Seiten Umfang. Die Handlung<br />
muß vor 1900 angesiedelt sein. Eine Jury unter<br />
Leitung der Bestseller-Autorin Astrid Fritz<br />
wird den besten Roman ermitteln. Erster Preis<br />
ist ein Buchvertrag mit dem Rowohlt Taschenbuch<br />
Verlag. Weitere neun Einsendungen werden<br />
mit Prämien (Buchpaketen) ausgezeichnet.<br />
Bewerber können dem Verlag über diese Seite:<br />
(www.hierschreibenwir.de/next/rowohlt) einen<br />
Handlungsabriss/ Exposé von bis zu zwei Seiten<br />
und ein Probekapitel von maximal 50 Normseiten<br />
(1800 Zeichen pro Seite) zukommen lassen.<br />
Einsendungen per Post unter: Rowohlt Verlag<br />
GmbH, betr. Wettbewerb ‚historischer Roman’,<br />
Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek,<br />
Tel.: 040-72 72-0.<br />
Infos: www.hierschreibenwir.de/next/rowohlt<br />
Einsendeschluß: 31. März 2009 (verlängert!)<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 30
IGdA<br />
3 Gong und der Piper Verlag suchen<br />
Deutschlands besten Krimiautor.<br />
Nachfolger werden gesucht von Klüpfel &<br />
Kobr, I. Noll und A. M. Schenkel. Wo ist Deutschland<br />
am kriminellsten? Wie mörderisch sind<br />
das schicke Hamburg oder der beschauliche<br />
Schwarzwald? Düstere Fantasie und sprachlich<br />
neue Impulse im Genre werden gesucht. Die Krimilandschaft<br />
in Deutschland hat viele Gesichter.<br />
Im Rahmen verschiedener Aktionen rund um<br />
den 60. Geburtstag der Zeitschrift hat die Gong-<br />
Redaktion diesen Wettbewerb ins Leben gerufen,<br />
unterstützt von den Schwesterzeitschriften<br />
BILD+FUNK und SUPERTV. Dem Gewinner des<br />
Wettbewerbs winkt ein Buchvertrag mit dem Piper<br />
Verlag und ein Garantiehonorar von 10 000<br />
Euro. Teilnahme: Bewerben kann sich jede(r),<br />
der/ die bisher noch keinen Kriminalroman<br />
veröffentlicht hat (sonstige Publikationen möglich).<br />
Der Roman muß zumindest teilweise in<br />
Deutschland spielen. Regionale Stoffe sind erwünscht.<br />
Interessenten sollten ein Exposé, einen<br />
Lebenslauf und das fertige Manuskript (30 Zeilen<br />
à 60 Anschläge pro Seite mit anderthalbfachem<br />
Zeilenabstand) einreichen an: Gong Verlag, Redaktion<br />
Kino & Kultur, Stichwort „Gong-Krimi“,<br />
Münchener Straße 101/09, 85737 Ismaning.<br />
Infos: www.gong.de/krimi-autor.php<br />
Einsendeschluß: 31. März 2009<br />
zwei Gedicht-Vertonungen, die auch im Podcast<br />
„gesendet“ werden. Berliner Literaturkritik: Drei<br />
Jahres-Abos der Druckausgabe und ein Buchpaket;<br />
Hoerothek: Zehn Gedicht-Vertonungen (die<br />
Audio-Dateien können bei Jokers heruntergeladen<br />
werden). Außerdem zehn Hörbuchpakete;<br />
Uschtrin: Fünf Jahres-Abonnements der „Federwelt<br />
– Zeitschrift für Autorinnen und <strong>Autoren</strong>“.<br />
Infos: www.jokers.de/startseite/indextml?p=poem.<br />
lyrik<br />
Einsendeschluß: 31.3.2009<br />
5 Kurzgeschichtenwettbewerb: Ferien und andere<br />
Katastrophen<br />
Unveröffentlichte Kurzgeschichten von 8-12<br />
Normseiten werden zum oben genannten Thema<br />
gesucht. Jeder veröffentlichte Autor erhält ein<br />
Exemplar der Anthologie. Dotierungen: 1. Preis:<br />
150,- Euro, 2. Preis: 50,- Euro und ein Buch aus<br />
dem Verlags-Programm (freie Auswahl). 3. Preis:<br />
ein Buch aus dem Verlags-Programm (freie Auswahl).<br />
Manuskripte an: Greifenstein Verlag, Schreibwettbewerb,<br />
Postfach 1371, 37253 Eschwege.<br />
Näheres unter:<br />
www.greifenstein-verlag.de bzw.<br />
kontakt@greifenstein-verlag.com.<br />
Einsendeschluß 31.3.2009 (verlängert!)<br />
4 Joker-Wettbewerb 2009<br />
Der diesjährige JOKER-Wettbewerb findet im Internet<br />
wieder vom 1. bis 31. März 2009 statt und<br />
gehört zu den großen deutschsprachigen Poesiewettbewerben.<br />
Klassische Lyrikthemen wie Liebe,<br />
Sehnsucht, Hoffnung, Leidenschaft, Trauer, Melancholie,<br />
Humor sind erwünscht. Dotierungen: 1.<br />
Preis: 2000 €, 2. Preis, 1.500 €, 3. Preis 1000 €, Sonderpreis<br />
Humor 100 € und Jokers Waren-Gutscheine<br />
für weitere Sieger. Zusätzliche Texte werden in<br />
einer Anthologie veröffentlicht. Die Autor(inn)en<br />
erhalten ein kostenloses Beleg-Exemplar. Sonderpreise:<br />
<strong>Autoren</strong>haus, 10 Freiexemplare des Buches<br />
„Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll<br />
einsetzen“ von Lyrik-Preis-Jurorin Susann Konrad;<br />
Bod.de: eine komplette Buchveröffentlichung<br />
mit 20 Freiexemplaren. Das Gedicht: Zwei<br />
analysierende Gutachten der Redaktion DAS GE-<br />
DICHT für jeweils 10 Gedichte. Literaturcafé,<br />
6 Corona Kurzgeschichtenwettbewerb –<br />
Verschiedene<br />
Zum Kurzgeschichten-Wettbewerb des Corona<br />
Magazins werden <strong>Autoren</strong> eingeladen, ihre Geschichten<br />
zu den einzelnen Themenrunden zu<br />
senden. Mehrfachteilnahmen, auch innerhalb einer<br />
Runde, sind möglich. Ein Anspruch auf Veröffentlichung<br />
besteht nicht. Drei Sieger-Beiträge<br />
zu jeder Themenrunde werden im Corona Magazin<br />
veröffentlicht. Bei Veröffentlichung erfolgt<br />
keine Vergütung.<br />
Einsendeschluß für die nächsten Runden:<br />
• Thema ‚Metamorphose’ (Einsendeschluß<br />
1. April 2009)<br />
• Thema ‚Hinter dem Spiegel’ (Einsendeschluß<br />
1. Juni 2009)<br />
• Thema ‚Labyrinth’ (Einsendeschluß 1. Oktober<br />
2009)<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 31
IGdA<br />
• Thema ‚Exil’ (Einsendeschluß 1. Dezember 2009)<br />
Wer Interesse hat, sich mit einer Kurzgeschichte<br />
(Science-Fiction, Fantasy, Horror,<br />
Phantastik) zu beteiligen, die einen Umfang<br />
von 20.000 Zeichen nicht überschreitet, schickt<br />
seine Story rechtzeitig per E-Mail an die Kurzgeschichten-Redaktion<br />
unter kurzgeschichte@<br />
corona-magazine.de.<br />
Infos: www.corona-magazine.de/Storywettbewerb<br />
oder: Mike Hillenbrand, Leuthenstraße 19,<br />
45472 Mülheim an der Ruhr, Tel: 0208 / 78 27 90 29.<br />
7 Santa-Claus-Preis<br />
Initiator des Literaturwettbewerbes ist die<br />
“Dulzinea-Zeitschrift für Lyrik und Bild”, Thema:<br />
moderne/jetztzeitliche Weihnachtslyrik.<br />
Der Wettbewerb zum Thema Weihnachten soll<br />
in Zukunft in periodischen Abständen stattfinden.<br />
Die Teilnahme ist für alle <strong>Autoren</strong> offen. Die<br />
anspruchsvollsten Texte werden in einer Anthologie<br />
zum Santa Claus Preis veröffentlicht. Die<br />
Anthologie soll im September 2009 erscheinen.<br />
Die veröffentlichten <strong>Autoren</strong> erhalten ein kostenfreies<br />
Belegexemplar der Publikation.<br />
Preise: Santa-Claus-Preis, dotiert mit 6.000<br />
Euro und Sonderpreis, ‚It was the Night before<br />
Christmas’, dotiert mit einer Weihnachtsmünze<br />
(1 Unze Gold). Die Teilnahme ist für alle<br />
deutschsprechenden <strong>Autoren</strong> offen, keine Altersbeschränkung,<br />
keine Einschränkung hinsichtlich<br />
des Wohnlandes oder der Nationalität.<br />
WICHTIG: Bitte die vollständigen Teilnahmebedingungen<br />
und die weiteren Informationen zum<br />
Wettbewerb auf der Wettbewerbsseite zum Santa-<br />
Claus-Preis beachten: www.weihnachten.cx. Wettbewerbsbeiträge<br />
können als Emailanhang (Word-<br />
Datei / redaktion@dulzinea.de) oder auf dem<br />
Postweg (Dulzinea – Zeitschrift für Lyrik und<br />
Bild, Stichwort: Santa Claus Preis, Postfach 1927,<br />
36009 Fulda) eingereicht werden. Die Ausschreibungsergebnisse<br />
werden auf der Wettbewerbsseite<br />
aufbereitet.<br />
Kontakt: Dulzinea – Zeitschrift für Lyrik und<br />
Bild, Camo & Pfeiffer OHG, Franzensbader Straße<br />
9, 36039 Fulda, Telefon: 0661 / 60 26 12<br />
Infos: www.weihnachten.cx/teilnahme.php<br />
Einsendeschluß: 31. März 2009<br />
8 Lyrikwettbewerb ‚Neues von Kuttel’<br />
Begleitend zum Theaterprogramm „Kuttel<br />
Daddeldu“ mit Texten von Ringelnatz veranstaltet<br />
das Freie Theater Surenfeld diesen<br />
Wettbewerb. Kuttel Daddeldu ist Ringelnatz’<br />
berühmte Kunstfigur und der absolute Star vieler<br />
Gedichte. Sein ungezügeltes Leben mit viel<br />
Alkohol, Bordellbesuchen, ebenso vielen Kindern<br />
und furchtbar lauten Gesängen begeistert<br />
Leser und Kabarettbesucher seit den Zwanziger<br />
Jahren. Mit Humor berichtet Kuttel von den oft<br />
abstrusen Abenteuern seines Seemannslebens,<br />
die er nur dank seiner großen Freude am Leben<br />
bestehen und überleben konnte. Ringelnatz<br />
starb 1934, Kuttel Daddeldu aber lebt weiter.<br />
Mit diesem Wettbewerb möchte das Theater Surenfeld<br />
dazu aufrufen, Kuttels Geschichte ‚humorvoll,<br />
aber mit sinnigem Blick hinter die soziale<br />
Fassade der Ringelnatz-Gedichte’, fortzuschreiben.<br />
Gesucht werden lyrische Antworten auf Fragen<br />
wie: Was passiert Kuttel heute? Wie geht es Marie,<br />
seiner festen Braut? Auf welchen Schiffen hat<br />
Kuttel zuletzt angeheuert? Wer oder was ist sein<br />
bester Freund / schlimmster Feind? usw. Jede(r)<br />
deutschsprachige Autor(in) kann sich beteiligen,<br />
Schüler bis 19 Jahre starten in einer eigenen<br />
Kategorie. Drei Gedichte in Reimform, unveröffentlicht,<br />
können ausschließlich per E-Mail<br />
eingesandt werden. Die Endauswahl findet<br />
statt bei einer öffentlichen Lesung. Veröffentlichung<br />
ausgewählter Gedichte im Internet sowie<br />
als E-Book / Audio-Book sind vorgesehen. Eine<br />
Veröffentlichung als Taschenbuch ist möglich.<br />
Ferner entscheidet das Theater Surenfeld, ob die<br />
Texte zu einer eigenständigen Lesung zusammengefasst<br />
werden können, die dann ein festes<br />
und dauerhaftes Theaterangebot wird. Die Sieger<br />
in den Kategorien Schüler/Erwachsene erwartet<br />
Preisgeld in noch unbekannter Höhe. Es<br />
wird ein Startgeld von 10,- € (Jugendliche 0,- €)<br />
zur Deckung der Kosten und zur Herausgabe<br />
der Publikationen erhoben. Eventuell mögliche<br />
Überschüsse werden an eine gemeinnützige<br />
Organisation weitergeleitet.<br />
Einsendungen möglichst nur per Mail an surenfeld@live.de.<br />
Infos: www.kuttel.org/lyrikwettbewerbe.htm.<br />
Einsendeschluß: 31. März 2009 nur per Mail<br />
(Postadresse zwecks Rückfragen: Michael Felske,<br />
Vorderreihe 49, 23570 Lübeck).<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 32
IGdA<br />
9 Erika-Mitterer-Lyrikpreis 2009<br />
Zum Motto: ‚Wer empfindet, der weiß´‚ (Erika<br />
Mitterer) lädt der VKSÖ – VERBAND KATH.<br />
SCHRIFTSTELLER ÖSTERREICHS alle deutschsprachigen<br />
Autor(inn)en mit lyrischen oder Prosabeiträgen<br />
ein.<br />
‚Lyrik soll als ureigenste Findung, Erfindung aus<br />
E m p f i n d u n g angesehen werden, vergleichbar<br />
etwa einer musikalischen Komposition .... aus der<br />
Mitte des Herzens’, im Sinne auch des berühmten<br />
Wortes von Blaise PASCAL: „Das Herz hat seine<br />
Gründe, die der Verstand nicht kennt.“<br />
Teilnahme: Pro Autor/Autorin max. 2 Texte,<br />
bis zu 26 Zeilen Länge pro Text. Einsendung in<br />
fünffacher Ausfertigung, anonymisiert per Kennwort.<br />
Gesondert beifügen einen geschlossenen<br />
Umschlag mit Angaben zur Person (Name, Anschrift,<br />
Tel./E-Mail), außen mit gleichem Kennwort<br />
versehen. Die Preisverleihung ist für Montag,<br />
den 12. 10. 2009 vorgesehen. Dotierungen:<br />
1. Preis 500,- €, 2. Preis 300,-€, 3. Preis 150,- €,<br />
4. Preis: 50,- €. Die vier Preisträger sowie die auf<br />
die Ränge 5 bis 10 gekommenen Teilnehmer(inn)<br />
en erhalten kostenfreie MITGLIEDSCHAFT beim<br />
VKSÖ sowie bei der Erika-Mitterer-Gesellschaft<br />
für zwei Jahre, dazu sämtliche in diesem Zeitraum<br />
erscheinenden Druckwerke des VKSÖ sowie<br />
die dreimal jährlich erscheinende Zeitschrift<br />
der Erika-Mitterer-Gesellschaft „Der literarische<br />
Zaunkönig“. Manuskripte an: VERBAND<br />
KATH. SCHRIFTSTELLER ÖSTERREICHS,<br />
A-1010 WIEN, Spiegelgasse 3, Mezzanin links,<br />
Tel. & AB +43/01/515 52 3667 Fax: 515 52 3645.<br />
E-Mail:<br />
vksoe1@gmail.com. Infos unter: www.erika-mitterer.org/.<br />
Die Einsendungen müssen eingetroffen<br />
sein (!) bis zum 2.6.2009<br />
10 Reif für die Bühne – Dramatikerinnenpreis<br />
NRW 2009 für Seniorentheater<br />
Das Frauenkulturbüro NRW lobt 2009 in Zusammenarbeit<br />
mit dem Institut für Bildung und<br />
Kultur in Remscheid, dem Literaturbüro Ruhr in<br />
Gladbeck und dem Forum Freies Theater (FFT)<br />
in Düsseldorf einen Stücke-Wettbewerb für Dramatikerinnen<br />
aus. Das Besondere an diesem<br />
Wettbewerb ist die Ausrichtung: Seniorentheater.<br />
Dramatikerinnen sollen angeregt werden,<br />
Stücke für Seniorentheater zu schreiben. Die<br />
Spielfreudigkeit vieler Senioentheatergruppen<br />
wird häufig durch den Mangel an geeigneten literarischen<br />
Vorlagen gebremst. Die meisten Stücke<br />
beinhalten unüberbrückbare Schwierigkeiten<br />
für Amateurtheater, was die Länge der Stücke,<br />
die Dialoge oder auch die geringe Anzahl an<br />
(weiblichen) Rollen anbelangt.<br />
Die Ausschreibung wendet sich an professionelle<br />
Dramatikerinnen, die in Nordrhein-Westfalen<br />
geboren sind, dort arbeiten oder leben. Es<br />
gibt keine Altersbegrenzung. Das eingereichte<br />
Stück darf weder im deutschsprachigen Raum<br />
ur- oder erstaufgeführt worden noch zur Aufführung<br />
vergeben sein. Das prämierte Stück wird<br />
mit einem Preisgeld von 2.500,- € ausgezeichnet.<br />
Die Uraufführung des prämierten Stückes ist für<br />
2010 geplant. Begleitende Unterstützung für potentielle<br />
Wettbewerbsteilnehmerinnen bietet das<br />
Literaturbüro Ruhr mit einem Workshop im Europäischen<br />
Übersetzerkollegium Straelen. Vom<br />
24. bis 26. April 2009 können sich Dramatikerinnen<br />
unter der Leitung von Heidi von Plato in dem<br />
Seminar „Stücke fürs Seniorentheater – Grundlagen<br />
szenischen Schreibens“ auf die speziellen Anforderungen<br />
des Wettbewerbs vorbereiten. Siehe<br />
dazu www.literaturbuero-ruhr.de. Bewerbungsunterlagen<br />
und Teilnahmebedingungen sind<br />
im Download unter www.frauenkulturbueronrw.de<br />
erhältlich. Kontakt: Frauenkulturbüro<br />
NRW e.V., Kulturzentrum Fabrik Heeder, Virchowstr.<br />
130, 47805 Krefeld, Tel. 02151 – 39 30 25,<br />
Fax 02151 – 86 26 36.<br />
Einsendeschluß: 12.6.2009<br />
11 Limburg-Preis 2009<br />
Die Stadt Bad Dürkheim vergibt in diesem<br />
Jahr im Rahmen ihres Literatur-Wettbewerbes<br />
zum siebten Mal den „Limburg-Preis“. Ausgerichtet<br />
wird der Wettbewerb vom Kunstverein<br />
Bad Dürkheim. Das Preisgeld beträgt 4000 Euro.<br />
Teilnahmeberechtigt ist jeder, der Erzähungen in<br />
literarischen Zeitschriften bzw. Anthologien oder<br />
als Buch (kein Selbstverlag) bereits veröffentlicht<br />
hat. Jeder Autor/ jede Autorin kann nur eine unveröffentlichte<br />
Erzählung, deutschsprachig, einreichen.<br />
Keine thematische Vorgabe. Der Text,<br />
Schriftgröße 12, 1 1/2-zeilig bis max. 10 Seiten ist<br />
in 3-facher Ausfertigung ohne Absenderangabe,<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 33
IGdA<br />
mit einem Kennwort versehen, einzureichen. Ein<br />
beigefügter Briefumschlag mit gleichem Kennwort<br />
soll die Adresse des Absenders sowie einen<br />
Nachweis betr. Der Veröffentlichungen enthalten.<br />
Eingereichte Texte können nicht zurückgeschickt<br />
werden. Der „Limburg-Preis“ wird am Sonntag,<br />
dem 4. Oktober 2009 im Rathaus der Stadt Bad<br />
Dürkheim im Rahmen eines Festaktes überreicht.<br />
Infos unter: www.badduerkheim.de/html/Bil-<br />
dung_Kultur_und_Freizeit/Kultur/Literaturwett-<br />
bewerb_Limburg-Preis/Ansprechpartner Lucia<br />
Horstmann, In den Hammerwiesen 28, Tel./Fax:<br />
06322 981454 und: Kunstverein Bad Dürkheim,<br />
Vors. Ulrich Bell, Otto-Schmitt-Groß-Str. 32, 67098<br />
Bad Dürkheim.<br />
Einsendebeginn: 1. April 2009 – Einsendeschluß:<br />
1. Juni 2009 (Einsendungen außerhalb dieses<br />
Zeitraumes werden nicht akzeptiert werden).<br />
Anthologien<br />
Weihnachten-Wettbewerb – Christine Koch-<br />
Gesellschaft – Lyrik, Prosa, Essay<br />
Die Christine-Koch-Gesellschaft schreibt ihren<br />
Literaturwettbewerb 2009 unter dem Motto<br />
„Weihnachten” aus. Autorinnen und <strong>Autoren</strong><br />
sind aufgerufen, für den „Weihnachtsband<br />
2009″ (Arbeitstitel) eigene kurze Erzählungen,<br />
Aufsätze oder Gedichte einzureichen. Der<br />
Band erscheint vor der Weihnachtszeit 2009 und<br />
wird mit einer <strong>Autoren</strong>lesung vorgestellt.<br />
Teilnahmebedingungen: Nur unveröffentlichte<br />
Texte, 3 Kopien, max. 4 Seiten. Ein formloses<br />
Anschreiben ist beizufügen mit Adresse und<br />
Kurzvita (max. 10 Zeilen) sowie der Erklärung:<br />
‚Es handelt sich um eigene Texte, deren Urheberrecht<br />
in meinem Besitz ist und bleibt. Ich gestatte<br />
aber die Verwendung in der Weihnachtsanthologie<br />
2009 der Christine-Koch-Gesellschaft und<br />
zu deren Bekanntmachung in der Literaturzeitschrift<br />
„Der Edelrabe”.<br />
Infos: www.hans-clahsen.de/category/christinekoch-gesellschaft/.<br />
Einsendungen bis 30. April 2009 an: CKG,<br />
Tulpenstraße 19, 59909 Bestwig, Stichwort:<br />
Weihnachtswettbewerb<br />
Stipendien<br />
NEU: Reisestipendien des Landes Schleswig-<br />
Holstein<br />
Reisestipendien werden vergeben für die Sparten<br />
Bildende Kunst, Literatur, Musik und Theater.<br />
Sie können für Studienaufenthalte im In- und<br />
Ausland oder die Teilnahme an Ausstellungen,<br />
Messen, Symposien, Meisterkursen und ähnlichen<br />
Veranstaltungen vergeben werden. Das Reisestipendium<br />
soll vorrangig der künstlerischen Weiterentwicklung<br />
dienen.<br />
Stifter/Träger: Der Ministerpräsident des Landes<br />
Schleswig-Holstein<br />
Anschrift: Der Ministerpräsident des Landes<br />
Schleswig-Holstein, Abteilung für Kultur<br />
und Medien, Frau Andrea Kühnast, Düsternbrooker<br />
Weg 104, 24105 Kiel, Tel: 0431 988-5883,<br />
E-Mail: andrea.kuehnast@stk.landsh.de.<br />
Zielgruppe: insbesondere junge professionelle<br />
Künstlerinnen und Künstler, Vergabeturnus:<br />
jährlich. Die Reisestipendien werden mit<br />
max. 10.000 Euro pro Jahr gefördert (inklusive<br />
Reisekosten). Das Stipendium wird in monatlichen<br />
Raten ausgezahlt. Nach Abschluss des<br />
Projektes ist ein Erfahrungsbericht mit einem<br />
Kostennachweis vorzulegen. Die künstlerischen<br />
Ergebnisse der Stipendien werden alle zwei Jahre<br />
in geeigneter Form präsentiert.<br />
Voraussetzung: Wohnsitz/Arbeitsmittelpunkt in<br />
Schleswig-Holstein<br />
Vergabegremium: Über die Vergabe der Stipendien<br />
entscheidet der Ministerpräsident auf<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 34
IGdA<br />
Vorschlag der Kunstkommission des Landes. Die<br />
Mitglieder der Kunstkommission sind ehrenamtlich<br />
tätig.<br />
Eigenbewerbung: erforderlich<br />
Bewerbungsunterlagen: Bewerbungsbogen,<br />
Projektbeschreibung, Arbeitsproben, Kostenkalkulation,<br />
Einladung bzw. Veranstaltungsprogramm,<br />
Nachweis über bereits erfolgreiche<br />
Übersetzertätigkeit für ÜbersetzerInnen. Bewerbungsbogen<br />
zum Herunterladen:<br />
Bewerbung um ein Reisestipendium des Landes<br />
Schleswig-Holstein (FileTypepdf/13-KB) Infos:<br />
www.schleswig-holstein.de/Kultur/DE/Kulturfoerderung/PreiseStipendien/__dataStipendien/<br />
reisestipendienLandSH.html.<br />
Abgabetermin: jährlich 31. März<br />
Bücherschau<br />
Futsch und weg<br />
Lyrik, Prosa, Bilder – ISBN-13: 978-3981044744<br />
Herausgeberin: Waltraud Weiß, Köln<br />
Wort und Mensch Verlag <strong>2008</strong>, 240 S.<br />
Futsch und weg ist irgendwann fast alles im Leben,<br />
das Gedächtnis, eine Liebe, verlegte Gegenstände,<br />
am Ende das Leben ... Bleibt es für immer<br />
verloren? Hat sich manches nicht durch die Krise,<br />
erst recht im Tod, lediglich in einen anderen Zustand<br />
verwandelt?<br />
Waltraud Weiß hat, zusammen mit Ute Holzmann<br />
und Maria Sassin, eine Anthologie zu einem<br />
bemerkenswerten Thema herausgegeben. Heitere,<br />
persönliche, ergreifende und auch philosophisch<br />
anmutende Texte unterschiedlicher Autor(inn)en<br />
eröffnen, wie die einzelnen mit Vergeßlichkeit,<br />
dem Älterwerden, den kleinen und größeren Krisen<br />
zurecht kommen, es zumindest versuchen.<br />
‚Ich kann ... sämtliche Geburtstage meiner Familie<br />
aufsagen, von Januar bis Dezember sortiert ...’,<br />
schreibt Marita Bagdahn, um schließlich selbstironisch<br />
festzustellen, daß auch sie Wesentliches<br />
vergißt: ‚Die Kartoffeln sind doch nicht angebrannt?’<br />
Nachdenklich, fast gleichnishaft stimmt eine<br />
Zeile von Theo Bauer: ‚Futsch und weg ... .was bleibt,<br />
ist der Gedanke, ein Fünkchen ...ein leeres Plätzchen’.<br />
Wehmut spricht aus einer Geschichte von Ingrid<br />
Benda: ‚Wenn ich damals die Tagebücher (meines<br />
Großvaters) angenommen hätte… wären sie wenigstens<br />
später nicht unauffindbar gewesen.’<br />
Und doch scheint gerade dieser Verlust ihr den<br />
beeindruckenden Charakter ihres Großvaters besonders<br />
vor die Seele zu stellen.<br />
Es fesseln drei gut geschriebene Miniaturen von<br />
Peter Biqué, darunter schmerzhafte Erinnerungen<br />
an eine Jugendliebe in ‚das Ende vom Lied’: ‚Sie spielten<br />
immer noch ’Hold me’. Kiesi arbeitete wie ein Wilder<br />
hinter seinen Pötten. Als er einmal herüber sah, nickte<br />
er mir zu und grinste. Jugendromanzen, dachte ich mir<br />
sinngemäß, sind eine ... Verkettung von Pleiten, Pannen<br />
und Reinfällen. Aber irgendwie mußte man da durch… ’<br />
Über eine Frau mit zunehmender Demenz berichtet<br />
berührend Waltraud Weiß: Sie erzählte allen,<br />
daß sie sich noch selbst versorge, dabei hatten wir schon<br />
vor Jahren den Gashahn abgedreht ... erzählte gekonnt<br />
..., wie ein Braten oder Rouladen ... zubereitet worden<br />
sind’, auch wenn sich im Kühlschrank nur Tomaten<br />
und Käse anfanden.<br />
Für manche Fehler im Leben gibt es eine zweite<br />
Chance, so auch in dem Fast-Krimi von Sabine<br />
Marcek ‚Die Murmel und das Haus’. Hatte die Erzählerin<br />
als Kind versäumt, dem Hilferuf eines<br />
sterbenden Mädchens nachzugehen, so wiederholte<br />
sich die Situation nach 15 Jahren. Dank der<br />
Erinnerung an eine besondere Murmel konnte sie<br />
den gleichen Mann in einem verwilderten Haus<br />
entdecken und ein Mädchen vor der wiederum geplanten<br />
Ermordung bewahren.<br />
Jüngste Anthologie-Teilnehmerin ist mit sieben<br />
Jahren Sophia Borchardt. Unverändert auf Fehler<br />
hin wird eine reizende Geschichte von Bodo, dem<br />
im Bus verlorenen Kuscheltier erzählt und wie Sophia<br />
sich vorstellt, was Bodo nun erlebt: ‚Die freunde<br />
Sagen, Bodo Du Bist der Schef, Du Bist Schau und<br />
Stark ...’<br />
Elefanten vergessen nicht, darauf weist uns<br />
schon das malerische Titelbild von Rita von Styp<br />
hin. Die Herausgeberin, Waltraud Weiß, empfiehlt<br />
ein Rezept gegen Verluste, welcher Couleur<br />
auch immer, für das man keinen Arzt benötigt:<br />
‚Schreiben Sie! Halten Sie fest! Machen Sie ‚es’ lebendig<br />
...!’. In diesem Sinne lassen sich hier noch viele<br />
spannende Geschichten und Gedichte entdecken,<br />
auch wenn man manchmal eine kleine Traurigkeit<br />
mitnimmt, wie z.B. Ingeborg Brenne-Märk-<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 35
IGdA<br />
ners Erinnerung an ‚Omas Heilkräutchen’, die Kamille,<br />
mit der diese körperliche und seelische<br />
Verletzungen heilte bis zum 16. Lebensjahr der<br />
Autorin.<br />
Angelika Zöllner, Wuppertal<br />
Der Widerschein des Todes,<br />
reverberation of light<br />
Gedichte in Deutsch und Englisch, Farbfotos<br />
Kohlhase Verlag <strong>2008</strong> – ISBN-13: 978-3905798012<br />
Angelika Zöllner (Übersetzung: Trevor Salisbury<br />
und Angelika Zöllner).<br />
In ihrem neuen Buch ‚Der Widerschein des Todes‘<br />
beschäftigt sich Angelika Zöllner lyrisch mit<br />
den schwierigen Themen Tod, Sterben und Zurückbleiben.<br />
Dreißig Gedichte, ein jedes in deutscher<br />
und englischer Sprache, füllen an die hundert<br />
liebevoll gestaltete Seiten. Durch die Wahl<br />
einer großen Schrift ist das Werk angenehm zu<br />
lesen. Wunderschöne bunte Naturfotos fügen<br />
sich überaus harmonisch in die Thematik ein.<br />
Tod – unabdingbarer Bestandteil eines jeden<br />
Lebens – wird in unserer Kultur oft zum Tabuthema,<br />
wird zunehmend aus dem Leben ausgegrenzt.<br />
Es stirbt sich mehr und mehr steril und<br />
außerhalb des normalen Lebensumfeldes in Kliniken<br />
und Hospizen.<br />
Tod – eine offene Frage – keiner weiß wirklich,<br />
was danach kommt, und diese Ungewißheit<br />
macht Angst. Angst auch vor einer absoluten<br />
Gewißheit – der Sterbende wird bald körperlich<br />
nicht mehr anwesend sein, uns allein lassen, voller<br />
Fragen und in Trauer.<br />
Der Tod, so die Autorin, bringt alles auf einen<br />
Punkt. Aber – auf welchen? Für manchen macht<br />
dies das Sterben zu einer Schreckensvision.<br />
Angelika Zöllners Buch ist anders. Die vorliegenden<br />
Gedichte sind im Laufe von 21 Jahren<br />
entstanden, sind Eindrücke von selbst erlebten<br />
Todesfällen ganz unterschiedlicher Art: Alte und<br />
junge Menschen, Kranke und Opfer von Gewaltverbrechen<br />
ließen die Autorin das Zurückbleiben<br />
erfahren, die Notwendigkeit der Trauerbewältigung<br />
immer wieder am eigenen Leibe<br />
fühlen. Das macht die Gedichte authentisch und<br />
nachspürbar für Leser in verschiedensten Trauersituationen.<br />
Wenn man sich das Büchlein anschaut, verrät<br />
das Cover schon sehr viel über die in den Texten<br />
vorhandene Grundtendenz von Gedanken und<br />
Gefühlen:<br />
Ein Foto einer weiß gekalkten Mauer der griechischen<br />
Insel Patmos, die fast nahtlos in einen<br />
blassen, graublauen Himmel übergeht. Darüber<br />
ein Schwarm Vögel, die Weite und Freiheit erahnen<br />
lassen. Ein ruhiges, harmonisches, gewiß<br />
auch ein wenig trauriges Bild, das jedoch auch<br />
von Hoffnung und Leben spricht. Tod, wo ist<br />
dein Schrecken, möchte man getröstet fragen.<br />
Genau so spricht es aus dem Großteil der Texte.<br />
Ein Beispiel sei eingefügt:<br />
für dich<br />
wenn du von uns gehst<br />
irgendwann oder morgen<br />
sind deine spuren gesät<br />
verborgen noch<br />
im geflüster der knospen<br />
wiegen sie<br />
das geheimnis der frucht<br />
und wurzeln tiefer<br />
jahr um jahr.<br />
Tod, so wird dem Leser immer wieder vermittelt,<br />
ist Weggehen, ist berechtigte Trauer der Hinterbliebenen,<br />
aber er ist nicht endgültiges Ende –<br />
Spuren des Verstorbenen durchziehen die Welt,<br />
erinnern an ihn.<br />
Angelika Zöllners wunderbare, lyrische Sprache<br />
drückt viel Ehrfurcht vor dem Sterben aus,<br />
gemahnt mit ihren Wortschöpfungen und poetischen<br />
Bildern an Else Lasker-Schüler: weinekleid,<br />
zeitweh, entsiegeltes licht – ungewöhnliche<br />
Ausdrücke, die den Kern der Sache so genau<br />
treffen, daß sie dem Leser altvertraut scheinen.<br />
Die Autorin verliert nie aus dem Blick, daß ein<br />
jedes Sein einmal zu Ende geht und versteht es,<br />
auch für Grenzsituationen im Leben Mut zur Zukunft<br />
zu geben und zu verlangen:<br />
und wenn die erde schon brennt<br />
heb den kopf aus dem sand<br />
und gieß einen baum<br />
was weißt du wozu<br />
Angelika Zöllner schreibt offen über die<br />
schwierige Situation des Danebenstehens und<br />
Zurückbleibens, doch sind ihre Texte immer behutsam,<br />
nie aufdringlich und plakativ.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 36
IGdA<br />
Sehr schön auch die Einleitung in Prosa, ganz<br />
bescheiden ‚Vor-Worte, ein Versuch‘ genannt, in<br />
dem die Autorin klar und einfühlsam über das<br />
Geschehen rund um Tod und Sterben spricht und<br />
wiederum authentische Erfahrungen zu berichten<br />
weiß, die ihre Worte mitspüren lassen.<br />
Treffend gewählt sind Karl Krolows beschreibende<br />
Adjektive im Klappentext: ‚notwendig und<br />
überzeugend!‘<br />
Ein wunderschönes Büchlein, in dem sich berechtigte<br />
Trauer, Darstellung von Verlustsituationen<br />
und Trost mischen; ein Buch, das nach vorne<br />
schauen und hoffen läßt.<br />
Maria Sassin, Rommerskirchen<br />
Elses Töchter und Enkelinnen –<br />
Else Lasker-Schüler<br />
Hrsg. Waltraud Weiß, Köln, Wort und Mensch<br />
Verlag <strong>2008</strong>, 140 S.<br />
Der Titel verblüfft zunächst ein wenig, hat<br />
Else Lasker-Schüler doch einen Sohn Paul und<br />
keine Töchter besessen. Beim Blättern in diesem<br />
hübsch auch in Kleinigkeiten gestalteten Buch<br />
wird deutlich, daß es sich um eine dichterische<br />
Wahlverwandtschaft handelt, um nachträgliche<br />
Beziehungen zu einer wunderbaren Schriftstellerin,<br />
die bis heute mit ihren poetischen Sprachbildern<br />
und als mutige Frau in einem schwierigen<br />
Leben beeindruckt. Zweimal geschieden,<br />
selten ausreichend Geld, früher Tod des einzigen<br />
Sohnes ... die Tatsache, Jüdin zu sein, im Exil<br />
leben zu müssen, hätte alleine genügt. Ihr Theaterstück<br />
Artur Aronymus, 1933 im Berliner Schillertheater<br />
kurz vor der Premiere, wird von den<br />
Nationalsozialisten vom Spielplan genommen.<br />
Mit ihm hat die hellsichtige Dichterin die Judenverfolgung<br />
vorweg genommen: ’Unsere Töchter<br />
wird man verbrennen auf Scheiterhaufen..’<br />
Manches ließ sich von Else sicher leichter ertragen,<br />
wenn sie sich zeitweilig in ein Märchenland<br />
zurückzog als ‚Prinz Jussuf und König von<br />
Theben zugleich’ oder auf ihren geliebten Tibetteppich.<br />
Eine weibliche Buch-Hommage – jede der Autorinnen<br />
gehört zur Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft<br />
in Elses Geburtsstadt Wuppertal, die meisten<br />
bilden das ‚Ensemble Else’. Mit seinem der<br />
Dichterin gewidmeten Programm in Wort und<br />
Musik trat es bereits in diversen Theatern auf,<br />
im Kölner ‚Senftöpfchen’, im ‚Rex’ in Wuppertal,<br />
in Frankfurt beim Verband dt. Künstler u.a<br />
... Margarete Wohlfahrts sogenannte ‚Gedankenbilder’<br />
– Rohrfeder, Sepiatusche – im Wechsel<br />
zwischen Realität und Abstraktion illustrieren<br />
in beeindruckend feiner und unaufdringlicher<br />
Weise die Texte.<br />
Wir erfahren in Gedichten und Prosastücken,<br />
was die einzelne Autorin der Dichterin gegenüber<br />
empfindet: Traute Bühler-Kistenberger:<br />
‚Ölbergangst / Dein leises Gebet am Ölberg/umrauscht<br />
von Raketen/dein geschundener Leib/in jedem<br />
Knaben leib Israels ...’<br />
Radka Donnell: ‚Ihre Direktheit, gepaart mit großer<br />
Sicherheit in der Wahl der Bilder, ihr Gespür für<br />
... Stofflichkeit… ihre Liebe zur extravaganten Kleidung,<br />
alles das hält sie mir nahe ...’<br />
Margit Farwig: ’Sie erfüllte sich ihre Sehnsüchte<br />
... das erfordert Mut zur Unabhängigkeit ...’, aber<br />
’warum schützt sie niemand? Alle weiden sich an<br />
den Gedichten, ihren Luftschlössern ...<br />
ich sehe, daß sie zwischen ihre Verse fällt’.<br />
Karin Goetz: ‚Eine mutige, sicher keine einfache<br />
Frau ...’<br />
Christa Ludwig: ‚Café Sichel… Kaum einer blickte<br />
auf ... die mich kennen, schlugen ihre Zeitungen<br />
zu, manche verbargen sie unter den Tischen, auch die<br />
hebräischen, die ich doch nicht lesen kann.’ Dieser im<br />
Sprachstil sehr ansprechenden Geschichte hätte<br />
man eine Jahreszahl gewünscht, auch wenn sich<br />
die Zeit in etwa erraten läßt.<br />
Maria Sassin orientiert sich, wie auch andere<br />
der Autorinnen, einfühlsam bis hin zum Sprachstil<br />
an ‚Else’, was bei einer Hommage erlaubt<br />
sei: ‚Luftverloren die Augen/ sehnen schon müd/<br />
deinwärts. Auf goldenen Schuhen erwartest du... Suchende/<br />
Gottes Überströmen’.<br />
Waltraud Weiß hebt abschließend das Friedensbewußtsein<br />
Elses, ihre stark soziale Empfindung<br />
hervor: ‚Sie (Else) kennt keinen Unterschied<br />
zwischen Gläubigen, nicht zwischen Farbigen...nicht<br />
zwischen Liebenden...ihre Bücher überleben...nicht<br />
nur in der Sadowastrasse’ (Elses Elternhaus).<br />
Für Else-Freundinnen ein vielfältig anregendes<br />
Buch, auch wenn einzelne Texte ein wenig<br />
gewollt auf die Dichterin bezogen wirken und<br />
der vorne angeführte Vergleich mit Marie von<br />
Nazareth vielleicht ein wenig zu hoch in den<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 37
IGdA<br />
Himmel gehoben ist. Man könnte ihn bei einer<br />
weiteren Auflage fortlassen, Else Lasker-Schüler<br />
bleibt ohnehin eine besondere Frau:<br />
,Sie saß da’, schreibt Barbara Lorenz, ‚auf dem<br />
Papier vor mir neben einem halb geöffneten<br />
Koffer und spielte mit bunten Knöpfen. Sie lächelte<br />
mich an...und als sie ihr Lied sang, kam<br />
ich heim’.<br />
Schöner kann man es vielleicht kaum sagen.<br />
Angelika Zöllner, Wuppertal<br />
Leserbriefe<br />
Zur IGdA-Aktuell, Ausgabe 3, 32. Jahrgang <strong>2008</strong>/Rezensionen<br />
Nach der Lektüre einiger der Buchbesprechungen<br />
in der IGdA-Aktuell, Ausgabe 3/JG. 32 war<br />
ich für einen aufgebrachten Moment fast geneigt,<br />
das <strong>Heft</strong> für ganz lange Zeit ins Eck zu legen; zusammen<br />
– womöglich – mit meinem Mitgliedsausweis.<br />
Aber, nachdem der erste ungläubige<br />
Schmauch aus meinem Kopf wieder verraucht<br />
war, habe ich mich entschlossen, der Diskussion,<br />
die sicher folgen wird – und, wie ich meine,<br />
auch muß! – meinen Senf hinzuzugeben. Die im<br />
Gedankenaustausch und Disput unter Kulturschaffenden<br />
auch immer notwendige Kritik sollte<br />
im besten Falle konstruktiv und nicht destruktiv<br />
sein, zumal in einem Verband wie dem unsren,<br />
der das Miteinander und das Vorankommen aller<br />
seiner Mitglieder im Sinn haben sollte. Ich möchte<br />
dem Rezenten, <strong>Autoren</strong>, „Mit-Poeten“ und Mitmenschen<br />
Karl Heinz Schreiber daherher zum<br />
Nachdenken und zur Besinnung mit auf den Weg<br />
geben – und hoffe, er hält die Kritik hier selber<br />
aus –, daß das Heruntermachen und das selbstgerechte,<br />
ungefilterte, von vorheriger Reflexion<br />
„bereinigte“ und intolerante Abkanzeln der Werke<br />
von Kolleginnen und Kollegen nicht geeignet<br />
sind, einen fruchtbaren Austausch untereinander<br />
zu fördern. Wenn man dann auch noch über die<br />
Maßen persönliche Animositäten ins Spiel bringt,<br />
die individuelle Weltsicht als einzig gültigen<br />
Maßstab anlegt und so wenig Einfühlungsvermögen<br />
für andere und anderes auf bringt, dann<br />
ist das für keinen zuträglich – auch nicht dem<br />
Ansehen der eigenen Person als ernstzunehender<br />
Diskussionspartner. Richtig garstig werden derlei<br />
Elaborate, wie die abgedruckten, wenn z.B. Menschen<br />
im Hospiz als „Gag“ einbaut werden. Wer<br />
sich anmaßt, als Richter über das Werk anderer<br />
in so vernichtender Art und Weise zu fungieren,<br />
sollte doch bitte erst einmal etwas mehr Herzensbildung<br />
und mitmenschliche Größe einüben und<br />
sich darauf besinnen, daß wir alle letztlich im<br />
gleichen Boot sitzen, das auch einmal in Seenot<br />
geraten kann. (Und das passiert dann jedem, ob<br />
er an Gott glauben mag, oder nicht…)<br />
Barbara BaLo* Lorenz, Schwabach<br />
Heute habe ich die neue ‚aktuell’ erhalten und<br />
schon einiges gelesen.<br />
Mit Entsetzen habe ich die Rezensionen Karl-<br />
Heinz Schreibers zu zweien der Bücher von W.<br />
Weiß zur Kenntnis genommen – eine so unprofessionelle<br />
Kritik, in der jede Zeile von persönlichen<br />
Animositäten trieft, ist mir in einer renommierten<br />
Zeitschrift noch nie zu Augen gekommen.<br />
Wie ist es möglich, daß eine Zeitungsredaktion,<br />
die auf sich hält, derartige Artikel zuläßt? Und<br />
schlimmer, was bedeutet es für eine Vereinigung<br />
wie die IGdA, wenn ein Mitglied so in aller Öffentlichkeit<br />
ein anderes verreißen kann? Spricht<br />
das etwa für Zusammenhalt in der <strong>Autoren</strong>gemeinschaft?<br />
Nur in Harmonie – auch kritischer<br />
wohlgemerkt – kann Synergie entstehen, die allein<br />
uns befähigt, die Ziele unserer Gemeinschaft<br />
zu erreichen, miteinander etwas auf die Beine zu<br />
stellen.<br />
Besonders interessant scheint mir ein Satz:<br />
„Mit solchen Versen versetzt man vielleicht<br />
eine Hospizgruppe in Ekstase.“ Eine solche Diskriminierung<br />
Sterbender läßt in Bezug auf sittliche<br />
Reife nun doch einiges zu wünschen übrig.<br />
Unbeabsichtigt ist Herrn Schreiber aber hier<br />
ein großes Kompliment entfahren: Texte, denen<br />
es gelingt, Menschen auf der Schwelle des Todes<br />
noch ein wenig Glück zu schenken – und nicht<br />
nur Karl-Heinz Schreiber, auch ich halte viele der<br />
Gedichte von Waltraud Weiß für solche – sind gewiß<br />
zum Größten zu rechnen, was Literatur sein<br />
kann. Dafür sage ich – danke, Waltraud, und danke<br />
Herrn Schreiber, für diese unfreiwillig hohe<br />
Wertschätzung der Texte.<br />
Maria Sassin, Rommerskirchen<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 38
IGdA<br />
Um es gleich vorwegzunehmen: auch ich bin<br />
vor ca. 14 Jahren schon einmal Opfer von K.-H.<br />
Schreibers selbstherrlicher Intoleranz geworden.<br />
Und ich stimme mit den drei stellvertretend<br />
abgedruckten Leserbriefen überein, daß Herr<br />
Schreiber in seinen Rezensionen oft völlig taktlos<br />
und beleidigend ist – so wenn er die Gefühle<br />
einer Hospizgruppe ins Spiel bringt.<br />
Noch gravierender als seine Taktlosigkeit –<br />
und wirkliche Kritik kann nun mal nicht säuseln<br />
– ist seine kaum überbietbare Intoleranz;<br />
seine Intoleranz gegenüber anderen Denkund<br />
Schreibabsätzen als dem eigenen. Kein sachliches<br />
„Neben-sich-stellen“, kein „Von-sich-absehen“.<br />
Diese Intoleranz in einem Metier, das stolz<br />
auf seine Pluralität hinweist, ist tödlich.<br />
Dennoch muß man K.-H. Schreiber zugestehen,<br />
daß er in der Sache so der Beurteilung<br />
poetisch schiefer und „wackeliger“ Bilder – oft<br />
im Recht ist; sogar was die Nennung der Hospizgruppe<br />
betrifft. Die Frage ist nur, ob die Autorin,<br />
Waltraud Weiß, nicht gerade auch diese Gruppe<br />
ansprechen wollte (was durchaus lobenswert<br />
wäre).<br />
Genauso schlimm wie die negativen Eigenschaften<br />
von Herrn Schreiber aber empfinde ich<br />
den Wunsch, ihn aus der IGdA auszuschließen,<br />
sozusagen um den Schulterschluß liebender<br />
Menschen zu demonstrieren.<br />
Nein! Die IGdA sollte dankbar sein, daß sie in<br />
ihren Reihen so unterschiedliche Auffassungen<br />
zu bieten hat – und sie sollte froh sein, daß jemand<br />
es wagt, Texte wirklich zu kritisieren und<br />
nicht nur wohlwollend vorzustellen. Die Literaturszene<br />
ist ein Schlachtfeld und kein Ringelpiez.<br />
Rainer Hengsbach-Parcham, Berlin<br />
Mit spitzer Feder betrachtet...<br />
Das Gedicht<br />
Zeitschrift für Lyrik, Essay und Kritik<br />
Eine Literaturzeitschrift, die durch ihr Buchformat<br />
und ihre gehobene exklusive Ausstattung auf<br />
den ersten Blick besticht. Vor mir liegt Bd. 14 mit<br />
dem Untertitel ‚Die Arche der Poesie’. Nach wenigen<br />
einleitenden Seiten, die bei mir den Eindruck<br />
erwecken, ich würde über einen hölzernen Steg<br />
gehen, erreiche ich das Deck der Arche der Poesie.<br />
In ihr lernt der Leser Seite für Seite die Tiere kennen,<br />
denen die Dichter und der Herausgeber einen<br />
Platz auf den schwankenden Planken eingeräumt<br />
haben. Sorgsam auf unterschiedliche Decks verteilt,<br />
gehen sie auf die lange Reise und schwimmen<br />
einem neuen Dasein entgegen. Über 85 Seiten,<br />
fein untergliedert in Kapitel, ist zwischen<br />
den Befindlichkeiten der lyrischen Ichs die Liebe<br />
zu den Tieren unverkennbar. Dabei schlägt das<br />
mystische Wortependel die emotionale Trivialität<br />
nieder und schwingt munter zwischen dramatischer<br />
Melancholie und ungewöhnlich heutiger<br />
Grazie, wild hin und her. Nach unendlich vielen<br />
Tagen und Nächten meldet der Beobachter im<br />
Ausguck „Land in Sicht“. Schade, daß nicht mehr<br />
der zeitgenössischen Dichter – darunter namhafte,<br />
aber auch noch unbekannte <strong>Autoren</strong> – ihre<br />
Tiere auf die Arche bringen durften.<br />
Im zweiten Teil werden Gedichte vorgestellt,<br />
die von auserwählten Dichtern der Jury zur Rettung<br />
vor dem drohenden Untergang mit auf die<br />
Arche der Poesie genommen wurden. Unbestritten,<br />
die Auswahl ist es wert, auf den schwankenden<br />
Schiffsdielen einer unbestimmten Zukunft<br />
entgegen schwimmen zu dürfen. Doch schön,<br />
daß dies nur ein Gedankenspiel des Herausgebers<br />
war. Stellen wir uns lieber nicht vor, wie viele<br />
unersetzliche Wortspiele und in Worte gefaßte<br />
Gedanken und Bilder sinnlos für immer untergegangen<br />
wären, nur weil sie nicht für ein Überleben<br />
auf der Arche auserwählt waren.<br />
Am Ende des zweiten <strong>Heft</strong>teiles kommen dann<br />
noch zehn Dichter zu Wort, die sich in einer Aussage<br />
alle einig sind: ‚Die Poesie hat immer Recht.’<br />
Im Kritikteil, der daran anschließt, beschleicht<br />
mich das Gefühl, daß hier Quantität vor Qualität<br />
steht. Auf 24 Seiten sind in einer komprimierten<br />
Schriftgröße, die sicherlich nicht nur älteren Menschen<br />
bei schlechten Lichtverhältnissen Probleme<br />
beim Lesen bereitet, eine Vielzahl von Informationen<br />
und Rezensionen aufbereitet. Daß dabei auch<br />
junge Leseraugen deutlich schneller ermüden,<br />
mag vielleicht nicht bewußt gewollt sein, ist aber<br />
ein Fakt, dar nicht außer Acht gelassen werden<br />
darf. Buchkritiken, ebenso wie Empfehlungen leben<br />
nicht ausschließlich von ihrem Dasein, sondern<br />
vor allem davon, daß sie beachtet und ge-<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 39
IGdA<br />
lesen werden. Im einen oder anderen Falle ist auf<br />
eine beschreibende Kritik gänzlich verzichtet und<br />
der Herausgeber gibt sich mit der Erwähnung der<br />
Werke zufrieden. Dies rückt diese Teile gefährlich<br />
nahe an die Werbung.<br />
Nicht unerwähnt bleiben darf der vom Herausgeber<br />
angebotene, kostenpflichtige Lektoratsservice,<br />
der über zwei volle Seiten beworben wird.<br />
Ob dieser notwendig ist, muß jeder Autor für sich<br />
selbst entscheiden. Ich nehme an, daß – auch bei<br />
noch unbekannten <strong>Autoren</strong> – der Service nicht als<br />
Voraussetzung für einen Abdruck steht. Daß der<br />
Druck einer derart exklusiv ausgestatteten Literaturzeitschrift<br />
Geld kostet und bescheidene Zuschüsse<br />
dafür allein nicht ausreichen, erkenne ich<br />
an dem im Verhältnis recht umfangreichen Anteil<br />
von Werbung. Doch dies ist meiner Meinung<br />
nach legitim, da „Das Gedicht“ eine Publikations-<br />
Plattform für Lyriker ist, um ihre Gedichte einem<br />
breiten Leserkreis vorstellen zu können. Und diese<br />
Lyrik-Plattform ist wichtig für die <strong>Autoren</strong> und<br />
wird dringend benötigt.<br />
Georg Walz<br />
Kontaktadresse:<br />
Das Gedicht – Zeitschrift für Lyrik, Essay und<br />
Kritik<br />
website: www.dasgedicht.de<br />
Redaktion: Buchenweg 3b,<br />
D-82234 Weßling bei München<br />
Hrsg: Anton G. Leitner<br />
E-Mail: lyrik@dasgedicht.de<br />
Preis: 12 Euro<br />
Gründung: 1992<br />
Erscheint: 1/anno<br />
Auflage: ca. 3000 bis 5000<br />
ISSN 0943 – 0776 und ISBN 978-3-929433-67-8<br />
Format und Seitenzahl: ca. DIN A5 Buchformat/<br />
ca. 175 S.<br />
veröffentlicht: Lyrik, Essay und Rezensionen<br />
Hinweise für <strong>Autoren</strong>: zeitgenössische Dichtung,<br />
Einsendungen zu den themenorientierten<br />
Ausgabe sind willkommen<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 40
42. JAHRESTREFFEN DER IGDA<br />
UND<br />
INFORMATIONEN ZUM INTERNEN WETTBEWERB<br />
Das 42. Jahrestreffen der IGdA findet von 10. bis 13. September 2009 in Frankenberg statt.<br />
Die Stadt Frankenberg liegt im Sächsischen Burgen- und Schlösserland an der A4 zwischen Chemnitz<br />
und Dresden. Die Teilnehmer sind im AKZENT-Landhotel Frankenberg herzlich willkommen. Der Übernachtungspreis<br />
für Einzelzimmer beträgt je nach Teilnehmerzahl 38,00 EUR bis 40,00 EUR p. P. p. N.<br />
einschließlich Frühstück.<br />
Geplant sind u. a. ein Ausflug in die Landeshauptstadt Dresden, die Jahreshauptversammlung, die<br />
traditionelle Feierstunde mit Verleihung der Rudolf-Descher-Feder und des Nachwuchspreises sowie<br />
der Ehrung der Sieger des internen Wettbewerbs. Nach dem Motto „Mehr Literatur - weniger Kultur“<br />
sind natürlich auch workshops und Lesungen vorgesehen.<br />
Das Motto des diesjährigen internen Wettbewerbs lautet<br />
„STEINERNER WALD“.<br />
Wo heute eine umtriebige glas- und chromglänzende moderne Großstadt pulsiert und atmet, wuchs<br />
zu einer Zeit, als an Dinosaurier noch nicht einmal zu denken war, tropischer Wald. Vor 290 Millionen<br />
Jahren wurden die Schachtelhalm-Giganten durch einen Vulkanausbruch verschüttet und<br />
konserviert.<br />
25 steinerne Baumstämme sind in Chemnitz als „Fenster in die Vergangenheit“ ausgestellt. Weitere<br />
sind in Paris, Stockholm und London zu besichtigen. Nach wie vor finden Ausgrabungen statt und<br />
neue Funde werden zutage gebracht. Der Steinerne Wald soll Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe<br />
finden.<br />
Ein Stück Natur, das Äonen überdauerte und das durch die Neuzeit nicht mehr antastbar ist, soll die<br />
geschätzten Lyriker der IGdA zu Assoziationen anregen.<br />
Auf einen niveauvollen und ergebnisreichen internen Wettbewerb!<br />
Ich hoffe, daß ich durch diese ersten Schnupperinformationen bei zahlreichen Mitgliedern den Appetit<br />
auf Teilnahme am Essen wecken konnte! Die Freude wäre ganz meinerseits.<br />
Die genauen Informationen werden jeweils in der IGdA-aktuell veröffentlicht.<br />
Bis dahin viele liebe Grüße<br />
Ihre und Eure Gabriela Franze
<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
<strong>deutschsprachiger</strong> <strong>Autoren</strong> e.V. e.V.<br />
Das Das Forum Forum für für Ihre Ihre Texte Texte<br />
www.igda.net www.igda.net/blog/*<br />
T R T E R F E F F E F N E N<br />
mit mit <strong>Autoren</strong>lesungen und und Werkstattgesprächen<br />
L I L T I E T R E A R T A U T R U P R R P E R I E S I E S E<br />
Rudolf-Descher.Feder und und Nachwuchspreis der der IGdA IGdA<br />
V E V R E Ö R F Ö F F E F N E T N L T I L C I H C U H N U G N E G N E N<br />
in in IGdA-aktuell und und IGdA-Almanach<br />
P R P Ä R S Ä E S N E T N A T T A I T O I N O N<br />
unserer unserer Mitglieder Mitglieder im Internet im Internet<br />
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