Heft 4 / 2008 - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV
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IGdA<br />
ners Erinnerung an ‚Omas Heilkräutchen’, die Kamille,<br />
mit der diese körperliche und seelische<br />
Verletzungen heilte bis zum 16. Lebensjahr der<br />
Autorin.<br />
Angelika Zöllner, Wuppertal<br />
Der Widerschein des Todes,<br />
reverberation of light<br />
Gedichte in Deutsch und Englisch, Farbfotos<br />
Kohlhase Verlag <strong>2008</strong> – ISBN-13: 978-3905798012<br />
Angelika Zöllner (Übersetzung: Trevor Salisbury<br />
und Angelika Zöllner).<br />
In ihrem neuen Buch ‚Der Widerschein des Todes‘<br />
beschäftigt sich Angelika Zöllner lyrisch mit<br />
den schwierigen Themen Tod, Sterben und Zurückbleiben.<br />
Dreißig Gedichte, ein jedes in deutscher<br />
und englischer Sprache, füllen an die hundert<br />
liebevoll gestaltete Seiten. Durch die Wahl<br />
einer großen Schrift ist das Werk angenehm zu<br />
lesen. Wunderschöne bunte Naturfotos fügen<br />
sich überaus harmonisch in die Thematik ein.<br />
Tod – unabdingbarer Bestandteil eines jeden<br />
Lebens – wird in unserer Kultur oft zum Tabuthema,<br />
wird zunehmend aus dem Leben ausgegrenzt.<br />
Es stirbt sich mehr und mehr steril und<br />
außerhalb des normalen Lebensumfeldes in Kliniken<br />
und Hospizen.<br />
Tod – eine offene Frage – keiner weiß wirklich,<br />
was danach kommt, und diese Ungewißheit<br />
macht Angst. Angst auch vor einer absoluten<br />
Gewißheit – der Sterbende wird bald körperlich<br />
nicht mehr anwesend sein, uns allein lassen, voller<br />
Fragen und in Trauer.<br />
Der Tod, so die Autorin, bringt alles auf einen<br />
Punkt. Aber – auf welchen? Für manchen macht<br />
dies das Sterben zu einer Schreckensvision.<br />
Angelika Zöllners Buch ist anders. Die vorliegenden<br />
Gedichte sind im Laufe von 21 Jahren<br />
entstanden, sind Eindrücke von selbst erlebten<br />
Todesfällen ganz unterschiedlicher Art: Alte und<br />
junge Menschen, Kranke und Opfer von Gewaltverbrechen<br />
ließen die Autorin das Zurückbleiben<br />
erfahren, die Notwendigkeit der Trauerbewältigung<br />
immer wieder am eigenen Leibe<br />
fühlen. Das macht die Gedichte authentisch und<br />
nachspürbar für Leser in verschiedensten Trauersituationen.<br />
Wenn man sich das Büchlein anschaut, verrät<br />
das Cover schon sehr viel über die in den Texten<br />
vorhandene Grundtendenz von Gedanken und<br />
Gefühlen:<br />
Ein Foto einer weiß gekalkten Mauer der griechischen<br />
Insel Patmos, die fast nahtlos in einen<br />
blassen, graublauen Himmel übergeht. Darüber<br />
ein Schwarm Vögel, die Weite und Freiheit erahnen<br />
lassen. Ein ruhiges, harmonisches, gewiß<br />
auch ein wenig trauriges Bild, das jedoch auch<br />
von Hoffnung und Leben spricht. Tod, wo ist<br />
dein Schrecken, möchte man getröstet fragen.<br />
Genau so spricht es aus dem Großteil der Texte.<br />
Ein Beispiel sei eingefügt:<br />
für dich<br />
wenn du von uns gehst<br />
irgendwann oder morgen<br />
sind deine spuren gesät<br />
verborgen noch<br />
im geflüster der knospen<br />
wiegen sie<br />
das geheimnis der frucht<br />
und wurzeln tiefer<br />
jahr um jahr.<br />
Tod, so wird dem Leser immer wieder vermittelt,<br />
ist Weggehen, ist berechtigte Trauer der Hinterbliebenen,<br />
aber er ist nicht endgültiges Ende –<br />
Spuren des Verstorbenen durchziehen die Welt,<br />
erinnern an ihn.<br />
Angelika Zöllners wunderbare, lyrische Sprache<br />
drückt viel Ehrfurcht vor dem Sterben aus,<br />
gemahnt mit ihren Wortschöpfungen und poetischen<br />
Bildern an Else Lasker-Schüler: weinekleid,<br />
zeitweh, entsiegeltes licht – ungewöhnliche<br />
Ausdrücke, die den Kern der Sache so genau<br />
treffen, daß sie dem Leser altvertraut scheinen.<br />
Die Autorin verliert nie aus dem Blick, daß ein<br />
jedes Sein einmal zu Ende geht und versteht es,<br />
auch für Grenzsituationen im Leben Mut zur Zukunft<br />
zu geben und zu verlangen:<br />
und wenn die erde schon brennt<br />
heb den kopf aus dem sand<br />
und gieß einen baum<br />
was weißt du wozu<br />
Angelika Zöllner schreibt offen über die<br />
schwierige Situation des Danebenstehens und<br />
Zurückbleibens, doch sind ihre Texte immer behutsam,<br />
nie aufdringlich und plakativ.<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 36