Heft 4 / 2008 - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV
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Prosa<br />
Um mich her nur drohende Fäuste und rollende<br />
Augenpaare. Ich bin der Hemmschuh der<br />
Menschheit, der Fluch der Eiligen, ein gehetztes<br />
Wild, ein Kaninchen in der Falle – ich bin eine<br />
Frau. Das einsetzende allgemeine Hupkonzert<br />
kostet mich meine letzten nervlichen Reserven.<br />
Ich weiß jetzt, wie ein Amokläufer sich fühlen<br />
muß, kurz bevor er zuschlägt.<br />
Lieber klinke ich mich erst einmal aus: Fahrersitz,<br />
bequeme Körperhaltung eingenommen,<br />
Blick in weite Fernen, Feuerzeug, Zigarette, Abschalten,<br />
Beruhigen ...<br />
„Ist Ihr Auto kaputt?“ unterbricht eine Männerstimme<br />
meine Zwangsmeditation.<br />
„Nein, ich bleibe immer wieder gerne mal Zur<br />
Rushhour an einer grünen Ampel stehen, um<br />
eine zu rauchen.“<br />
„Machen Sie Witze?“<br />
„Bingo!“<br />
„Sie können hier nicht stehen bleiben!“<br />
Jetzt reicht es mir. Wütend schleudere ich ihm<br />
ein „Was Sie nicht sagen!“ hin und sehe ihn zum<br />
ersten Mal an.<br />
Wie auf Befehl brechen wir beide in schallendes<br />
Gelächter aus.<br />
Er hilft mir, das Auto an die Seite zu bugsieren.<br />
Die Kolonne der Wartenden setzt sich langsam<br />
wieder in Gang. Die Ampel pulst die Blechlawine<br />
weiter.<br />
„Soll ich für Sie einen Abschleppdienst rufen?“<br />
„Ja, bitte, ich habe mein Handy nicht dabei.“<br />
Er wählt eine Nummer, gibt die Daten durch.<br />
Langsam entspanne ich mich.<br />
„Der Abschleppwagen ist in zwanzig Minuten<br />
hier.“<br />
Unsere Blicke kreuzen sich um eine Millisekunde<br />
zu lang.<br />
Ach ja ... Mein „Blind Date“ ...<br />
Gleichgültig, dafür war es jetzt eh zu spät ...<br />
Gaby G. Blattl<br />
Phantasie einer Regennacht<br />
Ein Märchen für Erwachsene<br />
Ich konnte nicht schlafen. Es war mir nicht<br />
möglich Schlaf zu finden, weil ich das Gefühl<br />
hatte, ganz alleine auf der Welt zu sein. Die<br />
Wände meines Zimmers hatten begonnen eine<br />
kalte, ja, tödliche Einsamkeit auszustrahlen. Es<br />
war nicht die klare, weiche Weite des Alleinseins<br />
und nicht die tiefe Trauer der Verlassenheit, es<br />
war eine uferlose, starre Einsamkeit ohne Trost<br />
und ohne Grenze in der alles unterzugehen<br />
schien und seine Farben, seinen Glanz verlor.<br />
Seit Stunden regnete es. Das eintönige Geriesel<br />
lähmte jede Widerstandskraft. Es war unmöglich,<br />
sich gegen das Unfaßbare und Ungeheuerliche,<br />
das mit mir in diesem Zimmer eingeschlossen<br />
war, zu wehren. Es war unmöglich, es zu<br />
ertragen.<br />
Ich stand daher wieder auf, um mich anzuziehen.<br />
In mir war ein seltsames Gefühl der Gespaltenheit,<br />
als läge ein Teil von mir noch immer im<br />
Bett und sähe mir verwundert und hoffnungslos<br />
zu bei meinem Bemühen dem zu entfliehen, wovon<br />
die Welt erfüllt war.<br />
Ich kann mich nicht erinnern, eine Türe geöffnet<br />
zu haben – oder geschlossen?! Plötzlich<br />
stand ich auf der Straße und sah in eine<br />
trübe, regnerische Nacht. Der Nebel kroch<br />
aus den kleinen Gassen und verschleierte das<br />
spärliche Licht der Laternen, das in matten Regenbogenfarben<br />
durch ihn hindurch schimmerte.<br />
Ich merkte, daß ich nicht naß wurde; ich fror<br />
auch nicht, denn ich war eingehüllt in einen langen<br />
Mantel mit Kapuze. Dabei konnte ich mich<br />
nicht erinnern, je einen solchen Mantel besessen<br />
zu haben.<br />
Mein Blick fiel in der matten Beleuchtung auf<br />
meine Hände, die den Mantel zusammenhielten.<br />
Sie schienen mir irgendwie verändert; nicht<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 10