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Heft 4 / 2008 - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

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Prosa<br />

auf meinen beiden bereits um Hilfe ächzenden<br />

Stühlen in die Körperhaltung „halb acht“ und<br />

fühlt sich als Sieger. Meine Notizen enthalten<br />

jedoch nicht die Bedingungen, die er mir bereits<br />

diktiert, sondern die Widersprüche, in die er sich<br />

in seinem selbstgefälligen Leichtsinn emsig verstrickt.<br />

Das ist regelmäßig der Moment, in denen<br />

mein Lächeln erstirbt. Jetzt lehne ICH mich entspannt<br />

zurück, sage ihm auf den Kopf zu, was<br />

ich von dem halte, was er mir aufzutischen versucht<br />

hat und erkläre mit aller mir zur Verfügung<br />

stehenden Vehemenz, daß seine Darstellung des<br />

Sachverhaltes durch die Präsenz eklatanter Widersprüche<br />

das akute Indiz eines vorsätzlichen<br />

Betruges impliziere und er gerade nicht nur keinen<br />

höheren Geldbetrag herausgehandelt habe<br />

sondern ich auch noch sämtliche bereits ausbezahlten<br />

Gelder von ihm zurückzufordern gedächte.<br />

Einschließlich Zinsen. Fünf Prozent über<br />

dem Basissatz. Über den gesamten Zeitraum.<br />

Tschakkaaaa!! Jetzt ist mein Lächeln echt. Der<br />

Koloß ist blaß. Übrigens sitzt er nun wieder senkrecht,<br />

genau wie sein Schlips. Na bitte, in zwanzig<br />

Minuten 1,5 Millionen für den Freistaat herausgeschunden!<br />

Wenn das keine Leistung für einen<br />

Vormittag ist! Die Miete der kommenden Monate<br />

für das Bürogebäude habe ich ganz allein erwirtschaftet!<br />

Innerlich tanze ich Bi-Ba-Butzemann<br />

und geh im Kreis herum, dideldum. Der Koloß<br />

sitzt mittlerweile wieder. Nicht auf Bürostühlen<br />

sondern für fünf Jahre. Mein Riecher war richtig...<br />

Nachdem nun Schädel und Knöchel gemeinsam<br />

hämmern, schickt mich mein Chef nach<br />

Hause. Zu Hause gedachte ich mir etwas Gutes<br />

zu tun. Sekt macht dick, Beluga ist zu teuer. Die<br />

Lösung: „Vollbad“! In Emangelung eines ansprechenden<br />

Badeelixiers schnell noch einen Abstecher<br />

in eine namhafte Drogerie gemacht. Die<br />

Duftnoten der angebotenen Marken „Rheumafeind“,<br />

„Venentrost“ und „Bandscheibenvorfall“<br />

sagen mir nicht direkt zu. Ersatzweise erwerbe<br />

ich zwei Duschgels. Beide für Männer gedacht,<br />

aber in Wahrheit für mich gemacht. Marke<br />

„Spax“ (der Duft, der Frauen perforiert).<br />

Zunächst fällt mein Blick auf diese leuchtend<br />

hellgrüne Flasche. Ich liebe Grün. Schnell eine<br />

Nase voll probiert. Hmmmm, Lemongrass. Name:<br />

„Anti Hangover“. Perfekt! Laut Beschreibung<br />

sollte man nach einer durchzechten Nacht davon<br />

im Handumdrehen wieder flott sein. Na bitte. Die<br />

hatten bei der Kreation dieses Spitzenproduktes<br />

der Körperhygiene genau mich vor Augen.<br />

Daneben steht noch ein dunkelgrünes, ähnlich<br />

ansprechendes, aber weitaus sinnlicher duftendes<br />

Duschgel mit dem Namen „Thai-Massage“.<br />

Das weckt mein besonderes Interesse. In meinem<br />

Kopf spielen sich nach einer Geruchsprobe<br />

wahnwitzige Fantasien nie geahnter exotischer<br />

Sexualpraktiken ab. Ich muß mich am Regal festhalten,<br />

so schwindlig wird mir. Dieses Duschgel<br />

mußte mit, so viel war klar. Leider lese ich erst<br />

zu Hause die Beschreibung. Hinten auf der Flasche<br />

steht, daß die Entspannungswirkung erst<br />

dann ekstatischer Natur sei, wenn man jemand<br />

anderen mit dem Auftragen des Gelfilms betrauen<br />

würde. Das ließ sich in meinem Fall nicht so<br />

schnell bewerkstelligen.<br />

Als Frau ist man ja immer für viel mehr Dinge<br />

zuständig als ein Mann. Aus diesem Grunde<br />

sollte Frau frühzeitig lernen zu delegieren. So<br />

unter anderem oder insbesondere die pikanten<br />

Dinge des Lebens. Aber heute bin ich nicht in<br />

der Stimmung, erst noch meinen Dauerlustknaben<br />

(DLK) herzubeordern. Ich brauche Entspannung<br />

schnell, pur, unmittelbar und gnadenlos.<br />

Die wichtigsten Hilfsmittel besitze ich ja jetzt ...<br />

Mein innerer, nach Verwöhnen und Wohltat lechzender<br />

Schweinehund rief mir zu: „Selbst ist die<br />

Frau!“<br />

Das Wasser ist heiß. Die Thai-Massage duftet<br />

zum Wahnsinnigwerden. Draussen regnet es so<br />

schön, die Kerzen wirken vor dieser Kulisse viel<br />

besser! Pfeif drauf, ich mache doch eine Flasche<br />

Sekt auf. Ein Kilo nach oben vertrage ich noch.<br />

Eine Flasche vom Besten: „Brut“. Eiskalt. Perlend.<br />

Jetzt noch meine Eric-Clapton-CD … Meine<br />

Sinne feiern Orgien. In meinem Kopf dreht sich<br />

alles (der Sekt …, nicht der Stoß).<br />

Raten Sie doch mal, wonach mir jetzt so ist: Leidenschaft<br />

oder Selbstmord?! Bin ich jetzt abartig?<br />

Möglicherweise. Soll ich Ihnen etwas beichten?<br />

Es ist mir scheißegal! Was immer Sie jetzt auch<br />

von mir denken mögen:<br />

Es ist auf jeden Fall ein fantastischer Tag!<br />

PROST!<br />

IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 22

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