Heft 4 / 2008 - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV
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IGdA<br />
Sehr schön auch die Einleitung in Prosa, ganz<br />
bescheiden ‚Vor-Worte, ein Versuch‘ genannt, in<br />
dem die Autorin klar und einfühlsam über das<br />
Geschehen rund um Tod und Sterben spricht und<br />
wiederum authentische Erfahrungen zu berichten<br />
weiß, die ihre Worte mitspüren lassen.<br />
Treffend gewählt sind Karl Krolows beschreibende<br />
Adjektive im Klappentext: ‚notwendig und<br />
überzeugend!‘<br />
Ein wunderschönes Büchlein, in dem sich berechtigte<br />
Trauer, Darstellung von Verlustsituationen<br />
und Trost mischen; ein Buch, das nach vorne<br />
schauen und hoffen läßt.<br />
Maria Sassin, Rommerskirchen<br />
Elses Töchter und Enkelinnen –<br />
Else Lasker-Schüler<br />
Hrsg. Waltraud Weiß, Köln, Wort und Mensch<br />
Verlag <strong>2008</strong>, 140 S.<br />
Der Titel verblüfft zunächst ein wenig, hat<br />
Else Lasker-Schüler doch einen Sohn Paul und<br />
keine Töchter besessen. Beim Blättern in diesem<br />
hübsch auch in Kleinigkeiten gestalteten Buch<br />
wird deutlich, daß es sich um eine dichterische<br />
Wahlverwandtschaft handelt, um nachträgliche<br />
Beziehungen zu einer wunderbaren Schriftstellerin,<br />
die bis heute mit ihren poetischen Sprachbildern<br />
und als mutige Frau in einem schwierigen<br />
Leben beeindruckt. Zweimal geschieden,<br />
selten ausreichend Geld, früher Tod des einzigen<br />
Sohnes ... die Tatsache, Jüdin zu sein, im Exil<br />
leben zu müssen, hätte alleine genügt. Ihr Theaterstück<br />
Artur Aronymus, 1933 im Berliner Schillertheater<br />
kurz vor der Premiere, wird von den<br />
Nationalsozialisten vom Spielplan genommen.<br />
Mit ihm hat die hellsichtige Dichterin die Judenverfolgung<br />
vorweg genommen: ’Unsere Töchter<br />
wird man verbrennen auf Scheiterhaufen..’<br />
Manches ließ sich von Else sicher leichter ertragen,<br />
wenn sie sich zeitweilig in ein Märchenland<br />
zurückzog als ‚Prinz Jussuf und König von<br />
Theben zugleich’ oder auf ihren geliebten Tibetteppich.<br />
Eine weibliche Buch-Hommage – jede der Autorinnen<br />
gehört zur Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft<br />
in Elses Geburtsstadt Wuppertal, die meisten<br />
bilden das ‚Ensemble Else’. Mit seinem der<br />
Dichterin gewidmeten Programm in Wort und<br />
Musik trat es bereits in diversen Theatern auf,<br />
im Kölner ‚Senftöpfchen’, im ‚Rex’ in Wuppertal,<br />
in Frankfurt beim Verband dt. Künstler u.a<br />
... Margarete Wohlfahrts sogenannte ‚Gedankenbilder’<br />
– Rohrfeder, Sepiatusche – im Wechsel<br />
zwischen Realität und Abstraktion illustrieren<br />
in beeindruckend feiner und unaufdringlicher<br />
Weise die Texte.<br />
Wir erfahren in Gedichten und Prosastücken,<br />
was die einzelne Autorin der Dichterin gegenüber<br />
empfindet: Traute Bühler-Kistenberger:<br />
‚Ölbergangst / Dein leises Gebet am Ölberg/umrauscht<br />
von Raketen/dein geschundener Leib/in jedem<br />
Knaben leib Israels ...’<br />
Radka Donnell: ‚Ihre Direktheit, gepaart mit großer<br />
Sicherheit in der Wahl der Bilder, ihr Gespür für<br />
... Stofflichkeit… ihre Liebe zur extravaganten Kleidung,<br />
alles das hält sie mir nahe ...’<br />
Margit Farwig: ’Sie erfüllte sich ihre Sehnsüchte<br />
... das erfordert Mut zur Unabhängigkeit ...’, aber<br />
’warum schützt sie niemand? Alle weiden sich an<br />
den Gedichten, ihren Luftschlössern ...<br />
ich sehe, daß sie zwischen ihre Verse fällt’.<br />
Karin Goetz: ‚Eine mutige, sicher keine einfache<br />
Frau ...’<br />
Christa Ludwig: ‚Café Sichel… Kaum einer blickte<br />
auf ... die mich kennen, schlugen ihre Zeitungen<br />
zu, manche verbargen sie unter den Tischen, auch die<br />
hebräischen, die ich doch nicht lesen kann.’ Dieser im<br />
Sprachstil sehr ansprechenden Geschichte hätte<br />
man eine Jahreszahl gewünscht, auch wenn sich<br />
die Zeit in etwa erraten läßt.<br />
Maria Sassin orientiert sich, wie auch andere<br />
der Autorinnen, einfühlsam bis hin zum Sprachstil<br />
an ‚Else’, was bei einer Hommage erlaubt<br />
sei: ‚Luftverloren die Augen/ sehnen schon müd/<br />
deinwärts. Auf goldenen Schuhen erwartest du... Suchende/<br />
Gottes Überströmen’.<br />
Waltraud Weiß hebt abschließend das Friedensbewußtsein<br />
Elses, ihre stark soziale Empfindung<br />
hervor: ‚Sie (Else) kennt keinen Unterschied<br />
zwischen Gläubigen, nicht zwischen Farbigen...nicht<br />
zwischen Liebenden...ihre Bücher überleben...nicht<br />
nur in der Sadowastrasse’ (Elses Elternhaus).<br />
Für Else-Freundinnen ein vielfältig anregendes<br />
Buch, auch wenn einzelne Texte ein wenig<br />
gewollt auf die Dichterin bezogen wirken und<br />
der vorne angeführte Vergleich mit Marie von<br />
Nazareth vielleicht ein wenig zu hoch in den<br />
IGdA-aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (2009), Seite 37