Denis Gustavus - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...
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Willy Hänscheid<br />
da s ha n d y<br />
Christine schenkte mir zu meinem Geburtstag<br />
ein Handy.<br />
„Immer mobil und jeder Zeit zu erreichen“,<br />
sagte sie und lächelte.<br />
Ich hatte allerdings eher den Verdacht, dass<br />
sie mich auf dieser Art wesentlich besser<br />
kontrollieren wollte.<br />
Zwei Wochen später verließ ich nach einem<br />
recht arbeitsreichen Tag sehr spät mein Büro<br />
und erwischte noch gerade die S-Bahn. Die<br />
Wagen waren wieder einmal mehr als gut<br />
besetzt. Nach wenigen Minuten ertönte ein<br />
Signal aus der Innenseite meiner Jacke. Ich<br />
fischte mein Handy umständlich aus der Tasche<br />
und meldete mich:<br />
„Hallo?“<br />
„Wo bist du?“<br />
„In der S-Bahn.“<br />
„Ich habe auf dich gewartet.“<br />
Es war Christine. Ihre Stimme klang sehr gereizt.<br />
„Christine“, sagte ich und schaute mich vorsichtig<br />
um, „ich bin in der Bahn. Die Wagen<br />
sind alle so besetzt, dass viele stehen müssen.“<br />
„Das interessiert mich überhaupt nicht“,<br />
sagte Christine.<br />
„Ich...“<br />
Mein Nebenmann grinste breit. Die anderen<br />
schauten mich interessiert an.<br />
„Ich kann nicht reden“, flüsterte ich.<br />
„Sprich lauter!“ verlangte Christine.<br />
Mein Nebenmann nickte, als ob er Christine<br />
auch verstanden hätte.<br />
„Warum bist du eigentlich nicht gekommen?<br />
Musstest du wieder bei ihr bleiben?“<br />
„Bei wem?“<br />
„Bei deiner Frau natürlich“, sagte Christine<br />
böse.<br />
„Bei meiner Frau?“<br />
„Ich kenne dich“, fuhr Christine fort. „Du<br />
hast ihr wieder nichts gesagt.“<br />
„Meine Frau...“<br />
Ich hielt plötzlich inne und schaute erschrocken<br />
in die Runde. Spätestens zu diesem<br />
prosa<br />
IGDA aktuell, Heft 2/3 (2009) Seite 32<br />
Zeitpunkt ahnten die meisten Fahrgäste im<br />
Wagen, dass ich neben meiner Frau auch<br />
noch eine Geliebte hatte.<br />
„Christine, es tut mir leid, aber...“<br />
„Kaufe Blumen“, flüsterte mein Nachbar.<br />
„Wem?“<br />
„Der Christine natürlich“, sagte mein Nachbar.<br />
Einige umstehende Männer nickten zustimmend.<br />
„Unerhört!“ sagte eine Frau von ihrem Sitzplatz<br />
aus.<br />
„Ruhe!“ zischte mein Nachbar.<br />
„Christine“, sagte ich, „die Bahn ist brechend<br />
voll. Ich kann nicht reden.“<br />
„Das ist mir egal“, sagte Christine.<br />
„Warum nicht?“ fragte mein Nachbar. „Sag<br />
ihr doch, dass du Blumen kaufen wirst.<br />
Und...“<br />
„Und dann verbringst du einen schönen<br />
Abend mit der Christine“, sagte jemand aus<br />
der vorderen Ecke.<br />
„Viel besser noch eine schöne Nacht“, schlug<br />
einer hinter mir vor.<br />
Ich drehte mich zu ihm um, und er grinste<br />
mich unverschämt an.<br />
„Männer sind Schweine“, sagte die Frau.<br />
„Du bist nicht gefragt“, sagte ihr Ehemann.<br />
„Und außerdem geht es dich überhaupt<br />
nichts an.“<br />
Die Frau saß auf dem Schoß ihres Mannes<br />
und schwieg nun beleidigt.<br />
„Was ist los?“ fragte Christine.<br />
„Ich werde dich später anrufen“, schlug ich<br />
vor.<br />
„Was soll das?“ erwiderte Christine. „Du redest<br />
doch mit mir. Also können wir das auch<br />
sofort klären.“<br />
„Aber...“<br />
„Nichts aber!“ sagte mein Nachbar. „Sage<br />
ihr, dass du Blumen kaufen wirst!“<br />
„Christine?“ begann ich wieder und nahm<br />
das Handy vom Ohr.<br />
„Was ist?“ fragte mein Nachbar und stieß<br />
mich an.<br />
„Vielleicht braucht ihn aber heute seine<br />
Frau“, gab einer aus der letzten Reihe zu bedenken.