Fastenpredigt von Pfr. Ebert (Lukaskirche) - St. Matthias
Fastenpredigt von Pfr. Ebert (Lukaskirche) - St. Matthias
Fastenpredigt von Pfr. Ebert (Lukaskirche) - St. Matthias
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
- 4 -<br />
Gott zu reden wie mit einem Freund, ich habe ihm einfach erzählt, was mich bewegt,<br />
meine Gefühle. Das ist eine ganz wichtige Phase im Gebetsleben, das es persönlich<br />
wird, nicht nur abstrakt und nicht nur mit fremden vorgeformten Worten, ohne dass<br />
die aufhören wichtig zu sein.<br />
Es gibt eine Phase, wo es wichtig ist, dass wir dieses emotionale Gebet üben, und es<br />
gibt immer wieder Situationen im Leben, wo es darum geht, einfach mit Gott zu reden,<br />
wie uns der Schnabel gewachsen ist, das Herz ihm ausschütten, auch mit eigenen<br />
Worten, mit eigenem <strong>St</strong>öhnen, mit eigenem Seufzen, nicht, weil Gott das braucht,<br />
sondern weil es uns selbst gut tut, weil es uns entlastet, wenn wir mit Gott reden wie<br />
mit einem Freund und wissen, wenn uns kein Mensch mehr hört, er hört uns.<br />
Und dennoch ist das erste die halbe Seite des Gebets. Auch die menschliche Liebe lebt<br />
erstens vom Reden und Zuhören, und zweitens vom Reden und Schweigen. Das gilt<br />
auch für die Zwiesprache mit Gott. Niemand hat das so schön ausgedrückt wie der<br />
dänische Philosoph Sören Kirgegaard, der seine Gebetserfahrung so beschreibt: „Als<br />
mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger zu<br />
sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer<br />
Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Erst meinte ich, beten sei reden. Ich<br />
lernte aber, dass beten nicht bloß Schweigen ist, sondern hören.“<br />
So ist es. Beten heißt nicht, sich selber reden zu hören, beten heißt still werden und<br />
still sein und warten, bis der Betende Gott hört. Gott redet eine ganz eigene Sprache,<br />
das sind keine Worte in der Regel, die wir als Worte hören, Gott redet durch seine<br />
Anwesenheit, er lässt sich spüren, er lässt sich erfahren als schweigende Präsenz, so<br />
wie zwei Liebende, die sich wirklich lieben, auch miteinander schweigen können und<br />
einfach wissen, der Andere ist da. Dieses Schweigen hat für viele etwas Bedrohliches.<br />
Es reicht ja nicht, einfach aufzuhören zu reden und schon redet Gott. Wenn wir<br />
schweigen, dann wird es erst einmal ganz laut in uns, dann steigen die Gedanken, die<br />
Gefühle, die Bilder auf. Viele haben Angst vor dem Schweigen; deswegen muss<br />
immer das Radio dröhnen oder der Fernseher. Die ganze innere Unruhe kommt unter<br />
Umständen erst einmal nach oben.<br />
Schweigen will gelernt und geübt sein. Deswegen sind heute in den Klöstern und in<br />
den Meditationshäusern die Kurse überlaufen, wo man Schweigen lernen kann und<br />
Schweigen üben kann. 10 Tage nicht reden, aber auch nicht einfach nichts sagen,<br />
sondern zu üben, wie das ist, nach innen zu lauschen, wie gehe ich um mit der Unruhe<br />
in mir, mit den Gedanken, die kommen? Wie kann ich es lernen, wirklich vorzustoßen,<br />
vorzudringen zu jenem innerstem Raum in mir, wo Gott wohnt und wo Gott spricht<br />
auf seine Weise?<br />
o<br />
Jesus schenkt seinen Jüngern ein Mustergebet, das Mustergebet schlechthin, das Gebet<br />
überhaupt – das Vater unser. Was ist das Wesentliche und das Besondere an diesem<br />
Gebet? Was unterscheidet es <strong>von</strong> allen anderen Gebeten? Nicht nur die Tatsache, dass<br />
Jesus es selber gelehrt hat und uns empfohlen hat, so zu beten, sondern es ist ein sehr<br />
ungewöhnliches Gebet, weil es ein Gebet ist, das anders als 90 % aller Gebete, die<br />
normalerweise gesprochen werden, weil es nicht um das ICH kreist, es ist ein absolut<br />
nicht egozentrisches, egoistisches Gebet. Es befreit uns <strong>von</strong> diesem ewigen Kreisen<br />
um uns, unsere Sorgen, unsere Pläne, unsere Gedanken, unsere Hoffnung, unsere<br />
Nöte, unsere Schmerzen, unsere Freuden, unsere Wünsche. Ein Vater unser blickt über<br />
den Tellerrand der eigenen Bedürfnisse und Nöte. Das beginnt schon einmal damit,