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Predigttext

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Predigt zum Patronatsfest,<br />

anlässlich des 1175jährigen Jubiläums<br />

der Übertragung der Reliquien des Heiligen Severus<br />

auf den Erfurter Domberg<br />

Sei gegrüßt, Volk von Sever.<br />

Ich tu jetzt einmal so, als wär<br />

ich heut zu seinem Ehrentag<br />

statt dem Gebein im Sarkophag,<br />

Sever als irdische Person.<br />

So lauscht brav Eu’rem Pfarr-Patron.<br />

Vor Eoban und Adelar<br />

tat ich einst an der Adria<br />

wohl geschickt die Fäden weben,<br />

um dereinst im ew'gen Leben<br />

mit damals fast fünfhundert Jahren<br />

zu Euch hier auf den Berg zu fahren.<br />

Als Gastarbeiter web ich fleißig<br />

seit 836,<br />

1175 Jahre.<br />

Und nach so langer Zeit erfahre<br />

ich durch mein liebes Weib und Kind,<br />

weil Frauen ja gesprächig sind:<br />

aus diesem stolzen Gotteshaus<br />

zieht wohl demnächst der Pfarrer aus.<br />

Und dann bin ich, ich ahn es schon,<br />

wohl nicht mehr Euer Pfarr-Patron.<br />

Denn für den Titel braucht man einen<br />

Pfarrer, wenigstens `nen kleinen.<br />

Pfarrer sind wohl derzeit knapp.<br />

Teils gab ich meinen ja schon ab.<br />

Tat brav ihn auch mal and’ren borgen,<br />

um Sankt Martini zu versorgen,<br />

zuletzt auch noch den großen Dom.<br />

Und was kam jüngst als Dank aus Rom?<br />

Mit Heerscharen von Polizei<br />

der ich als Schutzpatron stets treu,<br />

ging doch jüngst mit viel Theater<br />

der Benedikt als Heil’ger Vater<br />

achtlos fast an mir vorbei,<br />

kam nicht mal in die Sakristei.<br />

Nein, Kollege Pontifex<br />

zog gezielt und gradewegs<br />

vom Dom der lieben Gottesmutter<br />

zum Augustin und Martin Luther.<br />

Er hat, drum nehm ich’s ihm nicht krumm<br />

viel Italiener um sich rum<br />

und sucht vielleicht, ihm sei's gegönnt,<br />

mal Ruhe vor uns’rem Tempramet.


Und offenbart die Ökumene<br />

ihm gar am End noch Christengene<br />

im Schöpfungsplan vom Protestant,<br />

die er bisher nicht gekannt,<br />

dann kann das Gottes Volk auf Erden<br />

irgendwann noch nützlich werden.<br />

Und schließlich, dass ich's nicht vergesse,<br />

nannt’ er dann doch noch bei der Messe<br />

am Fuß des Berges meinen Namen.<br />

Doch er vergaß die beiden Damen,<br />

Frau und Kind, in deren Mitte<br />

man mich verehrt nach alter Sitte.<br />

Kann's sein, dass Frauen hier auf Erden<br />

öfter mal vergessen werden,<br />

mitsamt der reichen frommen Gaben,<br />

die sie vom Herrn erhalten haben?<br />

Er selbst ist, so wie ich ihn kenn’,<br />

ein Frauenfreund, ganz Gentleman.<br />

Teils wurd’s beklatscht und teils beklagt,<br />

was Benedikt Euch jüngst gesagt.<br />

Bedenkt, er sprach als Heil’ger Vater<br />

und nicht als Regionalberater.<br />

Er muss das ganze Volk regieren.<br />

Ihr müsst Euch hier schon selbst sortieren.<br />

Ich weiß, der Herr gibt Euch die Mittel.<br />

Pfarreien braucht man nicht zum Titel.<br />

Ich geb ihn als Episcopus<br />

auch gern Bruder Laurentius,<br />

der auch kein schlechter Pfarrpatron<br />

und seinerzeit ein Diakon.<br />

Ein solcher soll, so tat ich hören<br />

in meiner Filiale lehren,<br />

wo Bruder Martin - ohne Witz -<br />

sich fühlt wie auf 'nem Bischofssitz.<br />

Mit Martin hab ich keinen Zwist,<br />

wer von uns der Bessre ist.<br />

Ihn brachten Gänse, mich die Taube<br />

in's hohe Amt mit Bischofshaube.<br />

Dreimal tat sie auf mir landen,<br />

bevor mein Volk und ich verstanden,<br />

dass ich fortan Gott als Wolle<br />

am höchsten Webstuhl dienen solle.<br />

Wie Martin war ich stets bescheiden,<br />

und Lorenz mag ich auch gut leiden,<br />

mit seinem Rost und Glaubensglut.<br />

Ich kenn die Zeiten nur zu gut.<br />

Als ihn der fromme Tod ereilte<br />

und Martin seinen Mantel teilte.<br />

Zu beiden Zeiten, wie's zu lesen,<br />

bin ich wohl dabei gewesen.


Auch wenn solch alte Wissensquellen<br />

heut manche Glaubensfrage stellen,<br />

sicher kenn ich nur zu gut<br />

die Zeit der Martyrer voll Blut<br />

wie auch die, als Roms Cäsaren<br />

uns scheinbar wohl gesonnen waren.<br />

Sah in der Schlucht manch treuen Hirten,<br />

auf grüner Au auch manch Verirrten.<br />

Ja, meine alt verehrten Knochen<br />

sind einst mit Christus aufgebrochen,<br />

in jener Zeit, der guten alten,<br />

eine Wende zu gestalten.<br />

Ob sie recht gelungen ist?<br />

Das fragt am besten Jesus Christ.<br />

Da ich ein Handwerk nur erlernte,<br />

leg ich die Auslese der Ernte<br />

getrost allein in Gottes Hand.<br />

Denn theologischer Verstand<br />

erschien mir stets nur so viel wert<br />

wie er zuerst die Demut lehrt.<br />

Nur die bewahrt des Menschen Wesen<br />

vor frechem Stolz und kecken Thesen.<br />

Mir scheint, auch Ihr in Eu’ren Tagen<br />

könntet ruhig mehr Demut wagen.<br />

Ich misch als Weber mich nicht ein<br />

in aktuelle Streiterei’n,<br />

zumal ich heut' ja wohl die Hürde<br />

in’s Bischofsamt kaum nehmen würde.<br />

Die Taube hätt’ in diesen Zeiten<br />

wohl bei der Landung Schwierigkeiten<br />

auf einem schlichten Handwerksmeister.<br />

Man zeigt ihr nur studierte Geister.<br />

Doch sag ich selbstbewusst und sicher:<br />

Der Herr nahm Petrus auch als Fischer.<br />

Und ich hab ein’s stets schlicht bedacht:<br />

Nur wer ein Werk als Meister macht,<br />

weiß wie sich's zusammenfügt<br />

und wo vielleicht ein Fehler liegt.<br />

Ich kennt den Stoff, den ich tat weben<br />

so wie den Stoff vom ew’gen Leben<br />

nur der kennt, der selbst darin lebt<br />

und ihn als Meister selbst gewebt.<br />

Ein Faden darf in solchen Stoffen<br />

nur auf Offenbarung hoffen.<br />

D’rum sag ich nichts, was ewig wiegt,<br />

nur schlicht, was mir am Herzen liegt.<br />

Seh ich mein großes Gotteshaus<br />

und nebenan zur Türe raus<br />

nur wenig niedriger den Dom,<br />

kündet ein Besucherstrom


wohl von regem Interesse.<br />

Doch zurzeit der heil’gen Messe<br />

bleiben meistens Bänke leer.<br />

Dabei gäb’s Platz für noch viel mehr.<br />

Dann hört’ ich gar, bei Euch im Tal<br />

sind noch sechs Kirchen an der Zahl,<br />

die sich fleißig mit beeilen,<br />

bald den Pfarrer aufzuteilen.<br />

Ich rat Euch nur: Macht kein Gerangel.<br />

Denn mir scheint, Ihr teilt den Mangel.<br />

Fragt Ihr nun den Sankt Sever:<br />

Wo kommt denn nur der Mangel her?<br />

So wär es wenig konsequent,<br />

wenn er Euch flott die Lösung nennt.<br />

Als Weber sag ich nur ganz schlicht:<br />

Im Webwerk wird ein Mangel nicht<br />

leicht gelöst mit einem Trick.<br />

Selbst höchste Kirchenpolitik,<br />

und sei sie noch so schlau und kühn,<br />

befreit Euch nicht von jenen Müh’n,<br />

die falschen Fäden 'rauszufinden,<br />

sie neu und richtig zu verbinden.<br />

Dabei schaut auch mal ruhig nach oben.<br />

Seid Ihr recht mit Gott verwoben?<br />

Und die Fäden zwischen Euch,<br />

sie sind recht bunt, nicht alle gleich.<br />

Es gibt gar Fäden zu den Heiden,<br />

wo Trennendes nicht zu vermeiden,<br />

die der Herr mit klugen Boten<br />

geschickt und sauber kann verknoten.<br />

Wohl muss man schon genau hinschau’n,<br />

nicht wütend mit der Faust d’raufhau’n.<br />

Beim Weben hilft Euch keine Wut.<br />

Man webt auch fest mit sanftem Mut.<br />

Was sich nicht fügt aus kurzem Blick,<br />

g'rad wie bei einem Mosaik,<br />

verleiht aus himmlischer Distanz<br />

dem Werk mitunter schönen Glanz.<br />

Mancher Faden führt - kein Scherz -<br />

mitten rein in Euer Herz.<br />

Ich spür ihn heut noch ganz genau:<br />

ein Faden führt zu Kind und Frau.<br />

Wir taten ihn für’s ew’ge Leben<br />

mit Christus je allein verweben,<br />

wie manche, die damals geweiht<br />

und zum Opferdienst bereit.<br />

Das Opferwort klar zu bezeugen,<br />

d’rum wollten wir das Fleisch ihm beugen.<br />

Wenngleich auch schon zu meinen Zeiten<br />

das Volk tat um die Frage streiten,<br />

ob man Hirten sollt verpflichten,


dieses Opfer zu verrichten.<br />

Nur stritt man mit vertauschten Rollen.<br />

Was heute die Modernen wollen,<br />

galt damals eher als Tradition.<br />

Denn manche Hirten lebten schon<br />

im Opferdienst mit Frau und Kind.<br />

Ob man so mehr, gar bess’re findt?<br />

Dazu hab ich in Euren Tagen<br />

als alter Weber nichts zu sagen.<br />

Nur solltet Ihr beim Diskutieren<br />

den roten Faden nicht verlieren.<br />

Nützlichkeit und Ordnungsstreben<br />

mögen von zwei Seiten weben.<br />

Der rote Faden führt nach oben.<br />

Ihr dürft hier wohl drei Heil’ge loben,<br />

weil man einst in uns’ren Landen<br />

jenes Opfer recht verstanden.<br />

Vielleicht erhielt sich drum die Kunde,<br />

dass ich in meiner Todesstunde,<br />

die mir der Herr vorhergesagt,<br />

weil ich ihm wohl den Schmerz geklagt,<br />

in die Bischofsgruft gestiegen.<br />

Die Lieben taten schon dort liegen.<br />

Ich nahm sodann mit frommer Bitte<br />

den letzten Platz in ihrer Mitte,<br />

wo ich im Gebete tief<br />

zum ew’gen Leben 'rüber schlief.<br />

Was Wahrheit und was nur Legende<br />

leg ich getrost in Eure Hände.<br />

Doch schaut Ihr uns heut ins Gesicht,<br />

dann fragt, was daraus zu Euch spricht.<br />

Wir litten Schmerz, ich und die beiden.<br />

Doch Mangel taten wir nicht leiden.<br />

Dies wollt ich Euch zum Mangel sagen.<br />

Doch seh ich auch an vielen Tagen<br />

gerade hier in Eurer Zeit<br />

zum Opfer manche gern bereit.<br />

Ich sag's gleich: Es wär vermessen,<br />

man kann im Alter was vergessen,<br />

wenn ich alle wollt benennen,<br />

die ihr Herz von manchem trennen,<br />

und sei's die Zeit, die sie sich nahmen<br />

zum Dienst in Gottes Weberrahmen.<br />

D’rum sag vertretend ich den Dank<br />

an alle, die heut in der Bank<br />

und natürlich, ist doch klar,<br />

auch denen vorne am Altar<br />

und an der Orgel hoch empor,<br />

die oft erfreut mein altes Ohr.


Schließlich gilt es auch zu loben,<br />

die Fäden, die zu Haus gewoben.<br />

Als Vater sind mir Eure Sorgen<br />

um die Familien nicht verborgen,<br />

grad derer, die höchst mühsam weben<br />

für’s täglich Brot zum Erdenleben.<br />

Dem ganzen Volk von Sankt Sever<br />

Sag ich: Ich mag Euch alle sehr.<br />

Egal was kommen mag, was endet,<br />

und wie die Zeit das Webschiff wendet,<br />

ich bitt für euch beim Gottessohn<br />

als Pfarr- oder schlicht Schutzpatron,<br />

Nun feiert mit dem jungen Klerus,<br />

Ich sag zum Abschied leis Severus.

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