ARCHIVNACHRICHTEN - Landesarchiv Baden Württemberg
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Von Enrico Caruso bis Fritz Wunderlich<br />
Opernstars in den Akten der <strong>Württemberg</strong>ischen Staatstheater<br />
Mehr denn je wird heute der Opernbetrieb,<br />
zumindest in der Wahrnehmung<br />
eines breiteren Publikums, von den Größen<br />
der Gesangskunst beherrscht. Künstler<br />
wie Cecilia Bartoli, Anna Netrebko,<br />
Placido Domingo oder Luciano Pavarotti<br />
sind zu Medienstars geworden und interessieren<br />
das Publikum auch jenseits ihrer<br />
künstlerischen Leistungen. Dass Sänger<br />
von einem solchen Format auch in der<br />
Überlieferung des <strong>Landesarchiv</strong>s ihre Spuren<br />
hinterlassen haben könnten, Spuren,<br />
die, soweit die fraglichen Künstler mehr<br />
als zehn Jahre tot sind, von jedermann<br />
nachvollzogen werden können, das ist<br />
vielen sicherlich nicht bewusst. Tatsächlich<br />
finden sich beispielsweise in den im<br />
Staatsarchiv Ludwigsburg verwahrten<br />
Personalunterlagen der <strong>Württemberg</strong>ischen<br />
Staatstheater auch Akten über<br />
Gastspiele prominenter Sängerinnen und<br />
Sänger sowie Schriftwechsel der Opernintendanz<br />
mit Künstlern aus aller Welt.<br />
Wer die Findbücher zur Staatstheaterüberlieferung<br />
nach entsprechenden<br />
Namen absucht, wird rasch fündig. So<br />
gastierte an der Stuttgarter Oper Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts beispielsweise der<br />
berühmte portugiesische Bariton Francisco<br />
d’Andrade, der Max Slevogt zu zwei<br />
meisterhaften Porträts inspirierte, von<br />
denen eines heute zu den bekanntesten<br />
Werken der Stuttgarter Staatsgalerie<br />
gehört. Während des Ersten Weltkriegs<br />
war in Stuttgart regelmäßig der berühmte<br />
Wiener Kammersänger Leo Slezak zu<br />
hören und in den 1920er-Jahren gab<br />
Richard Tauber zweimal ein Gastspiel am<br />
Landestheater. Selbst Enrico Caruso,<br />
einer der berühmtesten Sänger überhaupt,<br />
hatte in den Jahren 1912 und 1913<br />
mehrere Gastauftritte an der Stuttgarter<br />
Oper.<br />
Wer in den Personalakten prominenter<br />
Gäste nach Schriftzeugnissen der Stars in<br />
Gestalt von Autografen oder aber auch<br />
nach Quellen sucht, die Rückschlüsse auf<br />
die Persönlichkeit der Künstler zulassen,<br />
wird in der Regel freilich enttäuscht.<br />
In den Korrespondenzen geht es zumeist<br />
um Termin- und Honorarfragen sowie<br />
um die Rollen, die gesungen werden<br />
sollten. Überdies liefen die Kontakte zum<br />
Theater schon Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
zumeist über Theateragenten; nur<br />
selten schalteten sich die Sänger selbst<br />
in die Verhandlungen über ihr Engagement<br />
ein. Von Leo Slezak etwa, der dem<br />
Stuttgarter Theater offensichtlich eng<br />
verbunden war und seine Auftritte zeitweise<br />
ohne Agenten organisierte, haben<br />
sich in seiner Personalakte eine ganze<br />
Reihe eigenhändiger Schreiben aus Hotels<br />
in ganz Europa erhalten.<br />
Wer sich über den wachsenden Einfluss<br />
der Theateragenten im Opernbetrieb,<br />
insbesondere bei der Vermarktung der<br />
Stars, informieren möchte, für den sind<br />
diese Akten freilich von erheblichem<br />
Interesse. Darüber hinaus stößt man<br />
immer wieder auf interessante Episoden<br />
am Rande. So beklagte sich beispielsweise<br />
der Impresario von Enrico Caruso,<br />
der als Gast in Stuttgart das Zehnfache<br />
„Das Champagnerlied“ oder „Der Weiße d’Andrade“,<br />
der Bariton Francisco d’Andrade als Don<br />
Giovanni, Ölgemälde von Max Slevogt, 1902.<br />
Vorlage: Staatsgalerie Stuttgart Inv. Nr. 1123<br />
Archivnachrichten 39 / 2009 19