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ARCHIVNACHRICHTEN - Landesarchiv Baden Württemberg

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sogenannten „Persilscheinen“ (aufgrund<br />

des „Reinwaschens“ der zu entnazifizierenden<br />

Person), wird manche<br />

Hintergrundgeschichte zum Leben<br />

der Betroffenen erzählt. Selbstverständlich<br />

wird man auch in Rechnung stellen<br />

müssen, dass die Unterlagen kritisch<br />

zu interpretieren sind, spiegeln sich in<br />

ihnen doch zeitgenössische Sicht- und<br />

Denkweisen wie auch die Verteidigungsstrategien<br />

der Beschuldigten.<br />

Die „Entnazifizierung“ war eine Maßnahme<br />

der Besatzungsmächte, um nationalsozialistische<br />

Einflüsse aus dem öffentlichen<br />

Leben dauerhaft auszuschalten.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, war es erforderlich,<br />

das individuelle Verhalten in<br />

der Zeit von 1933 bis 1945 zu überprüfen.<br />

Täter und NS-Aktivisten sollten so ermittelt,<br />

bestraft und möglichst aus allen staatlichen,<br />

politischen, wirtschaftlichen und<br />

kulturellen Stellungen entfernt werden.<br />

In den einzelnen Besatzungszonen bestanden<br />

bei der Durchführung der<br />

Entnazifizierung große Unterschiede. Im<br />

Gegensatz zu anderen Zonen mussten<br />

zum Beispiel im französisch besetzten<br />

<strong>Württemberg</strong>-Hohenzollern nicht alle<br />

Bewohner einen Fragebogen ausfüllen.<br />

Die Entnazifizierung beschränkte<br />

sich hier vor allem auf bestimmte Berufsgruppen<br />

und insbesondere auf im<br />

öffentlichen Dienst beschäftigte Personen.<br />

Die Tatsache, dass eine Person<br />

einen Entnazifizierungsbogen ausfüllte,<br />

lässt daher noch keinen Rückschluss auf<br />

ihr Verhalten im Dritten Reich zu.<br />

Selbst für zahlreiche bereits verstorbene<br />

Personen mussten Fragebögen ausgefüllt<br />

werden. Unter anderem wurden<br />

sie zur Überprüfung von Renten- und<br />

Wiedergutmachungsansprüchen genutzt.<br />

So füllte die Witwe des 1944 hingerichteten<br />

Widerstandskämpfers<br />

Berthold Graf Schenk von Stauffenberg<br />

sieben Jahre nach dem Tod ihres<br />

Manns einen Fragebogen aus, um einen<br />

Antrag auf Wiedergutmachung stellen<br />

zu können.<br />

Gefragt wurde unter anderem: Waren<br />

Sie jemals Mitglied der NSDAP? Welcher<br />

politischer Partei haben Sie als Mitglied<br />

vor 1933 angehört? und Ist eines Ihrer<br />

Kinder auf einer Napola (Nationalpolitische<br />

Lehranstalt) gewesen? Außerdem<br />

wurden unter anderem das Einkommen,<br />

der Militärdienst und Auslandsreisen<br />

abgefragt.<br />

Allerdings gab es bei der Entnazifizierung<br />

zahlreiche Mängel. Nicht immer<br />

wurde das letztendlich ausgesprochene<br />

Urteil dem Verhalten der jeweiligen<br />

Person in der Zeit nach 1933 gerecht.<br />

Zahlreichen zu mild ausgefallenen Urteilen<br />

stehen manche Fälle gegenüber,<br />

bei denen die Entnazifizierung dazu<br />

benutzt wurde, alte Rechnungen zu begleichen<br />

und Neidgefühle zu befriedigen.<br />

Ein Maueranschlag in Tailfingen<br />

vom Juli 1947 kritisiert: Der Schwindel<br />

ist überall gar allzu groß, die Nazi’s<br />

sitzen schon wieder hoch zu Roß. Durch<br />

den Rettungsring früher die Chance<br />

erfasst, heute durch Schwarzhandel das<br />

Volk wieder gefasst.<br />

Corinna Knobloch<br />

Archivnachrichten 39 / 2009 41

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