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ARCHIVNACHRICHTEN - Landesarchiv Baden Württemberg

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38<br />

Vom Holzwurm zerfressener Holzdeckel vor der Restaurierung.<br />

Aufnahme: <strong>Landesarchiv</strong> IfE<br />

Ein flexibler Holzdeckel?<br />

Als der mit Schweinsleder überzogene<br />

Holzdeckelband, der ocabularius breviloquus<br />

von Johannes Reuchlin aus dem<br />

Bestand der <strong>Württemberg</strong>ischen Landesbibliothek<br />

Stuttgart, zur Restaurierung<br />

in das Institut für Erhaltung von Archivund<br />

Bibliotheksgut in Ludwigsburg gelangte,<br />

wirkte er auf den ersten Blick wie<br />

ein üblicher Patient seiner Zeit: etwas<br />

verschmutzt, leicht angestoßen und mit<br />

einigen Ausfluglöchern des Holzkäfers,<br />

vermutlich Anobium punctatum, Gemeiner<br />

Nagekäfer.<br />

Umso überraschender war es, dass sich<br />

der hintere Deckel des Bands beim Aufschlagen<br />

wie der eines Taschenbuchs verhielt<br />

und sich flexibel nach hinten biegen<br />

ließ. Hier offenbarte sich, zu welcher<br />

Verwüstung ein so winziges Insekt bei ausreichender<br />

Zeit in der Lage ist – die<br />

Larve verbleibt zwischen drei und vier<br />

Jahren im Holz.<br />

Der Deckel wies so starke Fraßschäden<br />

auf, dass die äußere Form lediglich<br />

durch das gut erhaltene, alaungegerbte<br />

Schweinsleder bewahrt geblieben war.<br />

Allerdings waren trotz der starken Schädigung<br />

die verpflockten Bünde noch<br />

stabil in dem verbleibendem Material verankert<br />

und die Holzfragmente noch fest<br />

mit dem Überzugsleder verbunden.<br />

Es galt daher, die verbliebenen Holzdeckelfragmente<br />

zu erhalten und eine<br />

Stabilisierungsmöglichkeit zu finden, die<br />

eine eingeschränkte Nutzung erlaubt.<br />

Archivnachrichten 39 / 2009<br />

Stabilisierter Holzdeckel nach der Restaurierung.<br />

Aufnahme: <strong>Landesarchiv</strong> IfE<br />

Der Bärlapp (Lykopodium) brachte<br />

schließlich die Lösung: Seine kugelförmigen<br />

Blütenpollen enthalten geeignete<br />

Stoffe zum Verschließen der Fraßgänge.<br />

So wurde zugunsten eines lykopodiumhaltigen<br />

Holzkitts entschieden, welcher<br />

in mehreren Schichten mit mehrtägigen<br />

Zwischentrocknungszeiten aufgetragen<br />

wurde, allerdings erst nach Vorversuchen<br />

für Kitt und Vornetzungsmittel.<br />

Das Ergebnis war technisch und<br />

optisch sehr zufriedenstellend, obwohl<br />

diese Ergänzungsmethode mit einem<br />

etwas höheren Zeitaufwand verbunden<br />

ist als die Herstellung und das Anbringen<br />

eines neuen Holzdeckels. Der durch<br />

den Kittauftrag wiederhergestellte<br />

Originalholzdeckel weist eine erstaunliche<br />

Festigkeit auf, sodass selbst die<br />

Metallfragmente der Beschläge wieder<br />

gesichert werden konnten. Diese Methode<br />

verbindet bei einem entsprechenden<br />

Schadensbild einen minimalen<br />

Eingriff in die Buchmechanik mit einem<br />

maximalen Erhalt von Originalsubstanz.<br />

Damit diese Technik sich bei ähnlichen<br />

Schäden erneut bewähren kann,<br />

werden im Institut für Erhaltung von<br />

Archiv- und Bibliotheksgut nun weitere<br />

Objekte mit einem ansonsten so unerfreulichen<br />

Schaden erwartet.<br />

Susanne Peuser

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