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ARCHIVNACHRICHTEN - Landesarchiv Baden Württemberg

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Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg<br />

Forschungsinstitut und Dokumentationseinrichtung<br />

Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg<br />

im Breisgau ist eine Forschungs- und<br />

Dokumentationseinrichtung, die sich der<br />

populären Musikkultur und dem populären<br />

Lied zuwendet.<br />

Gegründet wurde es im Jahr 1914 von<br />

dem Germanisten John Meier (1864–<br />

1953). Aufgabe war zunächst die gezielte<br />

Dokumentation von Volksliedern. Dazu<br />

wurden in allen deutschsprachigen<br />

Regionen Sammlungsaktionen durchgeführt<br />

und auf diesem Weg etwa 250 000<br />

Liedbelege zusammengetragen. Zeitgleich<br />

konnten schriftliche Liedquellen beschafft<br />

werden, Abschriften und Originale<br />

von älteren Drucken, Flugschriften und<br />

Manuskripten.<br />

1953, nach dem Tod von John Meier,<br />

wurde das Deutsche Volksliedarchiv vom<br />

Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> als freies und<br />

selbständiges Forschungsinstitut weitergeführt.<br />

Heute engagiert es sich vor allem<br />

in den Bereichen kulturwissenschaftlicher<br />

Forschung und der wissenschaftlichen<br />

Dokumentation. Dabei wurden die alten<br />

aus dem 19. Jahrhundert stammenden<br />

Paradigmen der „Volkslied“-Forschung<br />

längst aufgegeben, insbesondere die<br />

damit verbundenen Grundannahmen<br />

der Oralität, Anciennität oder der Persistenz<br />

von Volksliedern.<br />

Die historisch gewachsenen Sammlungen<br />

des Deutschen Volksliedarchivs umfassen<br />

folgende Bereiche: Zunächst sind<br />

auf die bereits erwähnten Liedbelege<br />

aus „mündlicher Überlieferung“ (Sammlungstätigkeit)<br />

hinzuweisen. Dieser<br />

quantitativ und qualitativ bedeutsame<br />

Bereich stellt das kulturelle Gedächtnis<br />

des deutschsprachigen Volkslieds dar –<br />

auch wenn die damaligen Fragestellungen<br />

und Erhebungsmethoden heute kritisch<br />

beurteilt werden müssen. Abgesehen von<br />

vielen Tausend gedruckten Liederbüchern<br />

(mit einer hohen Überlieferungsdichte<br />

ab 1850), können im Deutschen<br />

Volksliedarchiv über 600 handschriftliche<br />

Liedquellen eingesehen werden. Das<br />

Sammlungsgut wird ergänzt durch eine<br />

der größten Sammlungen von Liedflugschriften<br />

in Europa. Insgesamt sind mehr<br />

als 15 000 Exemplare im Original oder<br />

als Reproduktion vorhanden.<br />

Einzigartig ist auch die Lieddokumentation,<br />

die als offenes Mappensystem angelegt<br />

ist. Hier können zu 20 000 Liedern<br />

Nachweise gefunden werden, teilweise<br />

mehrere Hundert pro Lied.<br />

Bedeutend sind die zahlreichen Nachlässe<br />

und Privatsammlungen, die im<br />

Deutschen Volksliedarchiv verwahrt<br />

werden.<br />

Dazu gehört etwa die Handwerkerlieder-Sammlung<br />

des sozialdemokratischen<br />

Reichstagsabgeordneten Rudolf Wissel<br />

(1869–1962) oder die Sammlung Herbert<br />

Kleye (1901–1968) zum Arbeiterlied.<br />

Aus dem Nachlass von Fritz Nötzoldt<br />

(1908–1987) sind Bücher, Druckschriften,<br />

Manuskripte und Grafik zum Bänkelsang<br />

in das Archiv gelangt. Wiederum einer<br />

anderen Liedgattung – und damit einer<br />

anderen sozialen Praxis – wendet sich die<br />

Kinderliedsammlung der ehemaligen<br />

Pädagogischen Hochschule in Lörrach<br />

zu, die vor allem internationale Gebrauchsliederbücher<br />

mit pädagogischer<br />

Zielsetzung umfasst. Einen Blick auf<br />

die Folk- und Liedermacherszene des 20.<br />

und 21. Jahrhunderts lassen die Bestände<br />

aus dem Besitz Peter Rohlands (1933–<br />

1966), Wolf Biermanns (*1936) und<br />

Walter Mossmanns (*1941) zu. In der<br />

grafischen Sammlung finden sich Moritatentafeln,<br />

Stiche, Illustrationen und<br />

Liedpostkarten.<br />

Ergänzt werden diese kulturhistorisch<br />

und sammlungsgeschichtlich wertvollen<br />

Bestände durch eine umfangreiche Fachbibliothek<br />

mit vielen Spezialzeitschriften<br />

zur Ethnologie und Musikforschung.<br />

In Zukunft sollen die Sammlungen in<br />

Richtung Schlager und Theaterlied erweitert<br />

werden, während in der Forschung<br />

Themen wie nationale und konfessionelle<br />

Identität, Migration sowie die Diskursgeschichte<br />

des „Volkslied“-Begriffs im<br />

Vordergrund stehen. Auf editorischem<br />

Gebiet gewährt das im Internet publizierte<br />

„Historisch-kritische Liederlexikon“<br />

einen Einblick in die Vielfalt traditioneller<br />

und populärer Lieder (www.liederlexikon.de).<br />

Ebenfalls im Internet abrufbar<br />

sind die Audiodateien aus der Feldforschung<br />

(www.danok.eu). Mittelfristig<br />

werden weitere Teilbestände des Deut-<br />

schen Volksliedarchivs online zugänglich<br />

sein, sodass historische Liedquellen<br />

Wissenschaftlern aus aller Welt unmittelbar<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Michael Fischer<br />

1 | „Sei meine Frau auf 24 Stunden“, Schlagerausgabe,<br />

20. Jahrhundert.<br />

Vorlage: Deutsches Volksliedarchiv, Freiburg im<br />

Breisgau, Sammlung Germann<br />

2 | „Der lederne Fuchs“, Wiener Flugblatt, 19. Jahrhundert.<br />

Vorlage: Deutsches Volksliedarchiv, Freiburg im<br />

Breisgau, Bl 7831<br />

Deutsches Volksliedarchiv<br />

Institut für internationale Popularliedforschung<br />

Silberbachstraße 13<br />

79100 Freiburg im Breisgau<br />

Telefon 0761/70503-0<br />

Telefax 0761/7050328<br />

E-Mail: info@dva.uni-freiburg.de<br />

Internet: www.dva-freiburg.de<br />

Archivnachrichten 39 / 2009 25<br />

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