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ARCHIVNACHRICHTEN - Landesarchiv Baden Württemberg

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damit zu trösten, dass man es ja noch abändern<br />

könne. Warum zeigte man es mir<br />

auch nicht früher! Ueberhaupt sollte man<br />

in diesem Punct dem Congreß nicht vorgreifen.<br />

Obgleich der König von Wirtemberg<br />

durch seine Neuerung sich selbst<br />

übertroffen hat, und wenigstens dieses seinem<br />

Wiener Aufenthalt zu danken ist, so<br />

fehlt doch noch sehr viel an dem, was auch<br />

in Wirtemberg Noth thut. Dieselbe Episode<br />

vom 30. November 1814 liest sich<br />

später, in Klübers offizieller Uebersicht<br />

der diplomatischen Verhandlungen des<br />

Wiener Kongresses (erschienen 1816) wesentlich<br />

dünner. In den 14-tägigen Berichten<br />

an den Sohn, der selbst bereits<br />

Jurist ist, kann Klüber rhetorisch brillieren,<br />

frei erzählen, was ihm gerade einfällt,<br />

und vor allem scharfzüngig die<br />

Grossen oder sogenannten Erdengötter<br />

kritisieren. Das ist nicht ungefährlich,<br />

aber Klüber hat 1809 eine dicke Kryptographik<br />

verfasst, eine Chiffrierlehre für<br />

amtliche Depeschen. Er schreibt also<br />

am 17. Oktober 1804: Es heißt, die fünf<br />

Großen – das heißt Österreich, Preußen,<br />

Bayern, <strong>Württemberg</strong> und Hannover –<br />

würden zusammen einen Staatenbund<br />

errichten und die übrigen souverainen<br />

teutschen Fürsten sich auf gewisse Bedingungen<br />

unterwerfen; so vereinigten sich<br />

diese und forderten einstimmig Oestreich<br />

zum Kaiser. Nur einer, wie es heißt,<br />

(Ogrdp) ward von ihrer Versammlung<br />

ausgeschlossen, weil man ihm misstraute.<br />

Er allein stand zwischen beiden Theilen<br />

in der Mitte (dieser Fürst scheint sehr<br />

von Hypochondrie geplagt zu seyn). Der<br />

Sohn hat wohl eine der komplizierten<br />

Drehscheiben bei sich, die der Vater zur<br />

Dechiffrierung entworfen hat (ein Exemplar<br />

hat sich im Generallandesarchiv<br />

Karlsruhe erhalten) und notiert bei dieser<br />

fürstlichen Unglücksfigur am Rand<br />

<strong>Baden</strong>. Natürlich wechselt das Chiffrensystem<br />

mit jedem Brief; gleich nach<br />

seiner Ankunft berichtet Klüber am<br />

8. Oktober von einer württembergischen<br />

Schmähschrift, in der ein sehr grelles<br />

Bild von cdxkt entworfen (wird), namentlich<br />

von seinem Plusmachen. Zu den<br />

Verlierern zählt das neu gebackene Großherzogtum<br />

<strong>Baden</strong> ja keineswegs – nur<br />

die Zukunft scheint noch etwas instabil.<br />

1818 wird Klüber als Begleiter Hardenbergs<br />

seinem Sohn vom Aachener<br />

Kongress über die Sicherung des wackligen<br />

Staatsgebildes berichten.<br />

Auch die Antworten des Sohns aus<br />

Darmstadt – der im Vormärz badischer<br />

Staatsminister wird – sind erhalten, die<br />

Korrespondenz ist ihrerseits nur ein Teil<br />

eines umfangreichen Familieninformationssystems,<br />

in dem sich selbstbewusste<br />

Verwaltungsjuristen, Aufsteiger in den<br />

neuen Staaten, gegenseitig mit Nachrichten<br />

versorgen. Die Familie Klüber wird<br />

geadelt, damit hat sich auch der Eintritt<br />

ins Militär gelohnt und ist der Weg in<br />

die preußische Generalität vorgezeichnet.<br />

Die Wohnsitze wechseln zwischen<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong> und Berlin. Der letzte Namensträger,<br />

Harald von Klüber, erlebt<br />

als Astrophysiker in Potsdam, wie das elterliche<br />

Palais in Berlin dem Neubau<br />

der Botschaft Mussolini-Italiens weichen<br />

muss, und fotografiert noch die Innenräume<br />

als Dokument untergehenden<br />

großbürgerlichen Wohnens; seine nächsten<br />

Fotos zeigen 1945 die Ruinen des<br />

großen Observatoriums und den lädierten<br />

Einsteinturm.<br />

Das Familienarchiv liegt indessen sicher<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong>. Harald von Klüber<br />

sortiert nach dem Krieg aus, was er für<br />

archivwürdig hält und schenkt es dem<br />

Generallandesarchiv Karlsruhe. Der Rest<br />

verschwindet aus dem Gedächtnis und<br />

soll auch verschwinden: Die Witwe ordnet<br />

die Vernichtung an. Das geschieht;<br />

Korrespondenz mit der Großherzogin<br />

Luise geht so verloren. Beherztes Eingreifen<br />

– der Archivar kennt solche Müllcontainer-Geschichten<br />

– rettet wenigstens<br />

einen Rest von immerhin noch sechs<br />

Regalmetern. Nach einer pietätvollen<br />

Pause gelangt auch er 2008/09 endlich<br />

ins Generallandesarchiv und wird hier,<br />

vorerst im Schnellverfahren, der Nutzung<br />

zugänglich gemacht. Der so lange<br />

verschollene Teil enthält vieles, Politisches<br />

und Privates, Tagebücher eines<br />

Staatsministers, Skizzen und Fotos von<br />

Reisen in Alteuropa. Sogar Visionen aus<br />

Wien vom 17. Oktober 1814: Ein Herr<br />

von Reichenbach (wohl der badischbayerische<br />

Ingenieur Georg Friedrich<br />

von Reichenbach) erzählt Klüber von<br />

einem selbstfahrenden Wagen, den er<br />

entwickeln will, womit man bequem<br />

über Berg und Thal, 1 Stunde wegs binnen<br />

10 Minuten, also von München nach<br />

Wien in 1 Tag fahren soll, indem man nur<br />

auf gewissen Stationen ein wenig Holz<br />

und Wasser (für eine Dampfmaschine)<br />

einnimmt … Ich zweifle nicht an der Ausführung.<br />

Konrad Krimm<br />

Archivnachrichten 39 / 2009 47

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