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sowieso! - Rudolf Liedl Psychotherapie

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Erinnern<br />

Wenn die Schüler/innen in eine tiefe Entspannung gekommen sind, geben Sie folgende Anleitung/Hilfe:<br />

„Schließt die Augen. Geht in Gedanken jetzt einmal viele Jahre zurück. Ihr seid jetzt wieder<br />

ein Kind, vielleicht vier oder fünf oder sechs Jahre alt. Versucht, euch an eine Begegnung, einen<br />

Ort, ein Lied, ein Bild, ein Haus, einen Menschen oder verschiedene Menschen, eine bestimmte<br />

Zeit usw. zu erinnern, die für euch heute mit Religion zu tun haben. Wie sah dieser<br />

Ort aus, sind da Menschen? Versucht, euch möglichst genau an einen solchen ort oder Menschen<br />

oder eine bestimmte Begebenheit zu erinnern. Malt sie euch in allen Einzelheiten aus.<br />

– Wer fertig ist, hebt bitte kurz die Hand.“<br />

Schüler/innen, die diese Übung zum erstenmal machen, sind oft nach ein bis zwei Minuten<br />

schon „fertig“ mit ihrer Erinnerung. Erwachsene brauchen in der Regel erheblich länger. Lassen<br />

Sie Zeit.<br />

Gespräch<br />

Das Gespräch über das Erinnerte kann, besonders in größeren Gruppen, in zwei Phasen laufen:<br />

Partnergespräch: „Sucht euch einen Partner / eine Partnerin und erzählt euch gegenseitig,<br />

woran ihr euch erinnert habt.“<br />

Gespräch in der Gruppe. Mögliche Impulsfragen: „Was habt ihr euch erzählt?“ „Was ist euch<br />

aufgefallen?“ „War die Übung leicht oder schwer?“ „Woran habt ihr euch erinnert?“ „Was wollt<br />

ihr erzählen?“<br />

Ergebnis<br />

Das Ergebnis der Übung ist ein Tableau von Erinnerungen an besondere Räume, Männer<br />

oder Frauen, bestimmte Zeiten (Gute-Nacht-Rituale), ein Lied vielleicht und natürlich diese<br />

besondere Zeit um Weihnachten. Man darf in diesen Erfahrungen Anzeichen früher kindlicher<br />

Symbolbildung sehen, die für einen erlebnisverwurzelten Zugang zur religiösen Symbolwelt<br />

unverzichtbar ist. Die im Lauf dieser Übung erinnerten Begebenheiten, Räume, Bilder, Stimmen,<br />

Töne, Gesichter usw. sind ja immer mehr als bloß diese Stimmen und Räume. Sie<br />

brachten das Kind in Kontakt mit etwas, was in diesen Räumen und Stimmen und Ritualen<br />

anwesend ist und sich zeigt. Der erfahrungsbezogene Vollzug religiöser Rituale, ihrer Sprache<br />

und Symbolik hat hier seine Wurzel.<br />

Nach D. W. Winnicott beginnt die Entwicklungsgeschichte dieser Symbolbildung bereits im<br />

ersten Lebensjahr. Er beobachtete, dass Kinder schon im ersten Lebensjahr bevorzugt bestimmte<br />

Objekte wählen, und er nahm an, dass diese Objekte die Funktion von „Übergangsobjekten“<br />

(Winnicott) haben, die dem Kind helfen, die Abwesenheit der Mutter zu ertragen.<br />

Und diese dadurch, dass eben diese Objekte repräsentieren, was die Mutter – das ist entscheidend<br />

– bedeutet: Schutz, Nähe und Geborgenheit. Die sog. Übergangsobjekte stellen<br />

also die Abwesenheit der Mutter wie ihre „symbolische“ Anwesenheit zugleich dar. Sie funktionieren,<br />

weil Mutter wie Kind bei dieser „Illusion“ ernsthaft mitspielen. Und man muss in diesem<br />

„Spiel“ eine frühe Einübung der menschlichen Symbolfähigkeit sehen, die für das Erlernen<br />

von Religion eine dem sogenannten Urvertrauen (E. H. Erikson) vergleichbare Bedeutung<br />

haben dürfte.<br />

Erik H. Erikson: Vom Grundvertrauen zur Identität<br />

Eriksons Entwicklungsverständnis lässt sich nicht auf einen einfachen Nenner bringen. Ähnlich<br />

wie Freud hat sich Erikson über mehrere Jahrzehnte hinweg - und in einer literarischlebendigen<br />

Form, die sich in der gerafften Wiedergabe nicht zeigen kann - zu Fragen der<br />

menschlichen Entwicklung geäußert und dabei immer wieder neue Aspekte herausgearbeitet.<br />

Im Unterschied zu Freud gibt es bei Erikson jedoch ein bleibendes Zentrum der Theoriebildung<br />

- das Thema des »Lebenszyklus«, das sich schon in der 1950 veröffentlichten Untersuchung<br />

über »Kindheit und Gesellschaft« abzeichnet und das bis in die späten Schriften hinein<br />

eine beherrschende Stellung einnimmt.<br />

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