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Wolf Kahlen Museum Bernau

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Warum das Internet nicht kunstfähig ist,<br />

und es niemals werden wird.<br />

Und warum ich mich trotzdem damit beschäftige.<br />

Alle Materialien, Medien, Lebewesen dieser Welt (und wohl auch darüber hinaus) sind<br />

prinzipiell mögliche Materialien der Kunst, kunstträchtig. Ob das Steine, Wolken, Schafe,<br />

Pflanzen, Körper, Haare, Papier, Kameras, Spiegel, Worte, Gesten, Geräusche oder<br />

Farbe, gesellschaftliche Prozesse oder der Bleistift sind. Diesen Anspruch habe ich als<br />

Medienbildhauer seit Jahrzehnten vertreten und wohl hinreichend beweisen oder ins Bewusstsein<br />

auch anderer Künstler und Kunstbenutzer mit hineinschieben können. Künstler<br />

heute, und nun schon seit spätestens 25 Jahren, zweifeln daran schon im ersten<br />

Semester nicht mehr. Sie kennen garnichts anderes mehr.<br />

Soweit so gut. Nun gibt es aber da diese ›neuen‹ Materialen Computer, Programme,<br />

Internet, die sich merkwürdig gegen Kunst zu sperren scheinen. Nicht etwa, dass sie<br />

nicht zu nutzen versucht werden, nicht etwa, dass die Künstler nicht einfallsreich genug<br />

wären, damit etwas Vernünftiges und Ideenreiches anzufangen. Das Problem, dass nicht<br />

mehr als eine Handvoll (aus Tausenden in die Falle des Mediums getappter) Stücke den<br />

Zeiten standhaltender Kunstwerke bisher herausgekommen sind, liegt im Wesen des<br />

Mediums Computer begründet.<br />

Ich spreche hier bewusst von einem Medium, nicht von drei oder noch mehr (Heimcomputer,<br />

Internet, Smartphone...) weil allen eine einzige Grundhaltung gemeinsam ist: sie<br />

entstammen einer unglaublich engen, rationalen, miltärisch hierarchischen Weltsicht,<br />

die das Gegenteil jeglicher ungetrübten Wahrnehmung ist. Bis in die kleinsten Verästelungen<br />

des Denkens hinunter haben Kulturwissenschaftler, Soziologen und Medienwissenschaftler<br />

in minutiösen Gedanken alle Implikationen des Mediums aufgedröselt und<br />

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manches Wissenswerte oder Unterhaltsame herausgefunden. Und sich dabei zu schnell<br />

vom Boden des Denkens abgehoben, phantastische Gebilde auf Sand gebaut.<br />

Nein, nicht auf Sand, das gerade ist ja das Problem. Sie haben sich selbst wie auch der<br />

ganzen Welt, erlaubt, das Betonfundament aller Computerarbeit nicht in Frage zu stellen.<br />

In traurig resignativer Status-quo-Haltung hören wir immer das gleiche: Wenn wir<br />

davon ausgehen, dass...es so ist, wie es ist ..., dann ...<br />

Innovative Künstler aller Zeiten und aller Welten interessiert dieser Ansatz überhaupt<br />

nicht, oder nur als einer von Unzählbaren. Künstler setzen alle ihre Sinne und das sind<br />

vermutlich siebzehn oder neunundvierzig oder..., jedenfalls nicht nur den Denksinn,<br />

dazu ein, um wie der erste Mensch und in diesem Augenblick, nicht in einem historisch<br />

zurückliegenden und nicht in einem zukünftigen, wahrzunehmen: Um dem Geheimnis<br />

der (illusionären) Vielzahl von Wirklichkeiten auf die Spur zu kommen. Dazu bringen wir<br />

uns in den schwerer als gedachten Zustand der in der Kindheit bei den meisten verlorengegangenen<br />

Unbekümmertheit, um von Grund auf, nicht second hand, zu erfahren,<br />

was an den Bestandteilen der Welt dran ist. Das Händeln der Technik lähmt die Sinne,<br />

beschäftigt sie allzusehr, das ›eins und eins ist zwei‹-Denken lenkt ab, auf eine andere<br />

Sinnesschiene, die der gnadenlosen – sogenannten – Rationalität.<br />

Wir Künstler befragen das Material, streicheln oder malträtieren es, wir verknüpfen es,<br />

lösen es auf, beschimpfen es ...<br />

Diese Haltung der Welt gegenüber und diese Methoden der Erkenntnis verschliesst uns<br />

der Computer kraft notwendiger konzentrierter Ablenkung auf den nächsten Schritt,<br />

›seinen‹ Schritt, a priori:<br />

Du kannst den Computer, ein Programm oder das Netz weder streicheln noch malträtieren,<br />

weder beschimpfen noch loben, nicht beschmutzen, auseinanderreissen, verkleben,<br />

auf den Kopf stellen, weder zerkratzen oder veredeln, noch bespucken und lieben; es

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