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digitale Form analoge Form<br />
heute gestern<br />
356<br />
KATASTER<br />
2<br />
Kataster -<br />
unterlagen Flurkarten Verzeichnisse<br />
Digitalisierung<br />
Grafikdaten<br />
ALK<br />
(Vorstufe)<br />
Sachdaten<br />
ALB<br />
Abbildung 5 | Bestandteile des Liegenschaftskatasters (§ 15 Abs. 1 VermGBln):<br />
Istzustand<br />
auf diesem Wege entstandene Bestand der Grafikdaten kann<br />
aber nur als Vorstufe der ALK betrachtet werden, weil bei<br />
der Digitalisierung die Katasterunterlagen, also die Vermessungszahlen<br />
des Liegenschaftskatasters, weitgehend unberücksichtigt<br />
blieben. Um mit einem Bild zu sprechen, diese<br />
ALK ist eine Krücke, die zwar das Gehen erleichtert: Die aber<br />
nur als Ersatz für gesunde Beine, also als Ersatz für eine dem<br />
Sollkonzept ent sprechende ALK, angesehen werden kann.<br />
Selbstverständlich wird diese digitale Form des Liegenschafts -<br />
katasters einer Vielzahl von Anwendungen gerecht. Doch für<br />
bestimmte Anwendungen, für die die Vermessungszahlen zwin -<br />
gend erforderlich sind, bleibt es bei traditionellen Arbeits weisen,<br />
z. B. bei Grenzherstellungen und Abmarkungen, Herstellung von<br />
Lageplänen und Bebauungsplänen.<br />
Eine substanziell entscheidende Wende wurde mit dieser Form<br />
der Bestandteile des Liegenschaftskatasters nicht herbeigeführt.<br />
Insofern kann gesagt werden, dass diese Form der Katasterfüh -<br />
rung nicht den datenverarbeitungstechnischen Bedingungen<br />
entspricht, wie sie nach der INSPIRE-Richtlinie bzw. den Geoda<br />
ten zugangsgesetzen vorgeschrieben sind.<br />
Natürlich sind alle Kollegen, die das Liegenschaftskataster ver -<br />
antwortlich führen, sich der Tatsache bewusst, dass auch die<br />
Vermessungszahlen integraler Bestandteil des digitalen Daten -<br />
bestandes der Liegenschaften sein müssen. Es gibt auch keine<br />
Diskussion mehr darüber, dass diese Zielsetzung nur mit Überführung<br />
der vorhandenen Vermessungszahlen in ein Koordinatenkataster<br />
erreicht werden kann. Umso schmerzlicher ist es,<br />
feststellen zu müssen, dass die ohnehin knappen Ressourcen<br />
personeller wie finanzieller Art verschiedenenorts in den Aufbau<br />
eines »Digitalen Rissarchivs« fließen. Zwar liegen dann die<br />
Katasterunterlagen gescannt vor, jedoch nicht in Form des Koordinatenkatasters.<br />
Das »Digitale Rissarchiv« ist somit bezogen<br />
auf das Fachkonzept ALKIS nicht zielführend, auch wenn be -<br />
stimmte Synergieeffekte z. B. beim Zugriff auf die Vermessungs -<br />
risse eintreten. In der Summe aber kann das »Digitale Rissarchiv«,<br />
wie die Vorstufe zur ALK, nur als Zwischenlösung gesehen werden.<br />
Denjenigen, die diese Zwischenlösung befürworten, sei gesagt,<br />
dass das »Digitale Rissarchiv« in eine Sackgasse führt und nur<br />
vorübergehende Entlastung bringt. Ausschließlich mit dem Koordinatenkataster<br />
werden die vom Gesetzgeber geforderten Bedingungen<br />
für die Geodateninfrastruktur erfüllt. Darüber hi naus<br />
führt das Koordinatenkataster, auch wenn für dessen Erstellung<br />
zunächst Ressourcen in nicht geringem Umfang bereitzustellen<br />
sind, zu einer vereinfachten Katasterführung und langfristig<br />
betrachtet zu enormen Einsparungen durch ratio nelle Arbeits -<br />
weisen, die dann möglich werden.<br />
Wir können im amtlichen Vermessungswesen nicht immer nur<br />
mit Zwischenlösungen arbeiten.<br />
Es muss daher die Kraft aufgebracht werden, die maßstabslose<br />
Karte in digitaler Form zu erstellen, die nur das Koordinaten -<br />
kataster mit der den Vermessungszahlen innewohnenden Ge -<br />
nauigkeit zur Grundlage haben kann. Alle hierzu notwendigen<br />
technischen Voraussetzungen stehen uns heute zur Verfügung.<br />
Dieser Quantensprung in der Führung der Grafikdaten des Lie -<br />
genschaftskatasters ist vergleichbar mit der von unseren Vätern<br />
erbrachten Leistung, als sie die ehemals preußischen Inselkar -<br />
ten auf ein Rahmenkartenwerk umgestellt haben. Warum sollte<br />
das, was unseren Fachkollegen der Vorgängergeneration gelungen<br />
ist, nicht auch uns gelingen?<br />
Doch es gibt noch einen weiteren Punkt, der mich besorgt auf -<br />
horchen ließ, als ich feststellen musste, dass die im Rahmen von<br />
Katastervermessungen ermittelten Koordinaten der örtlich vorhandenen<br />
Punkte bestehender Flurstücksgrenzen (Istpunk te) in<br />
die Punktdatei des Koordinatenkatasters aufgenommen werden.<br />
Auch wenn der Istpunkt in seiner Lage zulässig von dem<br />
Sollpunkt abweicht, wie er sich aus den für ihn maßgeblichen<br />
Vermessungszahlen ableitet, ist die Sollpunkt-Koordinate, wenn<br />
sie aus einem qualifizierten Katasternachweis (eine mit Zu stim -<br />
mung der Beteiligten und durch Sicherungsmaße geprüfte Ka -<br />
tastervermessung) abgeleitet ist, anzuhalten. Denn allein die<br />
im Katasternachweis enthaltenen Flurstücksgrenzen mit ihren<br />
Bestimmungsmaßen und geometrischen Bedingungen gelten<br />
auch nach ständiger Rechtsprechung als Abgrenzung der Grundstücke,<br />
von den Sonderfällen abgesehen, bei denen der Katas -<br />
ternachweis unmaßgeblich ist. Nur die Koordinate des Sollpunktes<br />
entspricht den bisherigen Vermessungszahlen und erfüllt<br />
somit das materiellrechtliche Erfor dernis der Katastermäßig -<br />
keit. Wenn die Koordinate des Istpunktes als lagebestimmende<br />
Festlegung in das Koordina ten kataster eingeführt wird, wird die<br />
vorgegebene Flurstücksgeometrie verfälscht. Damit wäre auch<br />
das Prinzip der Nachbarschaft nicht mehr gewährleistet.<br />
Nicht die Örtlichkeit ist das amtliche Verzeichnis der Grundstücke,<br />
sondern das Liegenschaftskataster mit den in beurkundeter<br />
Form vorliegenden Katasterunterlagen.<br />
Es dürfen also nur die Koordinaten des Sollpunktes in die Punkt -<br />
datei des Koordinatenkatasters aufgenommen werden. Dieser<br />
Grundsatz gilt unabhängig davon, in welcher örtlichen Lage sich<br />
das Grenzzeichen eines Grenzpunktes befindet. Der Istpunkt kann<br />
auch deshalb nicht lagebestimmend im Sinne des Koordina tenkatasters<br />
sein, weil das Grenzzeichen des Istpunktes äu ßeren<br />
Einflüssen und damit Veränderungen unterliegt, die keine ver -<br />
ändern de Rechtswirkung auf die Lage einer Grenze entfalten<br />
können.<br />
Das Maß der »größten zulässigen Abweichung« dient lediglich<br />
als Entscheidungshilfe dafür, ob das Grenzzeichen des Istpunk -<br />
tes den Sollpunkt mit liegenschaftsrechtlich hinreichender Ge -<br />
nauigkeit kennzeichnet. Ein außerhalb der größten zulässigen<br />
Abweichung stehendes Grenzzeichen muss auf den Soll punkt<br />
zurückgeführt werden.<br />
Abschließend möchte ich anmerken, dass die Erstellung des Koordinatenkatasters<br />
von mir als die herausragende Aufgabe der<br />
jetzigen Berufsgeneration angesehen wird. Nur mit dem Koordinatenkataster<br />
auf der Grundlage von SAPOS® kann ein den<br />
|1| GESETZ ÜBER DAS VERMESSUNGSWESEN IN BERLIN (VERMGBLN) i. d. F.<br />
vom 9. Januar 1996 (GVBl, S. 56), zuletzt geändert durch Artikel XVIII<br />
des Gesetzes vom 18. November 2009 (GVBl, S. 674)<br />
|2| SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG, Ausführungs -<br />
vorschriften über die Grenzvermessungen (AV Grenzvermessung) vom<br />
30. Mai 2005; Az. III A 25 – 6564/01/02<br />
|3| GESETZ ÜBER DAS AMTLICHE VERMESSUNGSWESEN IM LAND<br />
BRANDENBURG – BBGVERMG – Artikel 1 des Gesetzes zur Struktur -<br />
reform des amtlichen Vermessungswesens vom 27. Mai 2009<br />
Abschließend ist anzumerken, dass in vielen (vielleicht in den<br />
überwiegenden) Fällen das Eigentum des Bundes sich nicht nur<br />
auf die durch die Uferlinie begrenzte Wasserfläche erstreckt, sondern<br />
dass auch die so genannten Ufergrundstücke Bestand teile<br />
der Bundeswasserstraßen sind (siehe Abb. 6). In diesen Fäl len bil -<br />
det nicht die Uferlinie, sondern die Abgrenzung des Ufergrund -<br />
Helmut Hoffmann<br />
E-Mail verm.hoff@t-online.de<br />
KATASTER<br />
heutigen Anforderungen gerecht werdender Geodatenbestand<br />
mit Raumbezug als Kernkomponente einer Geodateninfrastruk -<br />
tur im Sinne der europäischen INSPIRE-Richtlinie bereitgestellt<br />
werden.<br />
Die moderne Informations- und Wissensgesellschaft ist auf<br />
grund legende und verbindliche Geodaten angewiesen. Sie be -<br />
schreiben mit Raumbezug die tatsächlichen und rechtlichen<br />
Verhältnisse am Grund und Boden.<br />
Ihr politisches wie volkswirtschaftliches Potenzial macht die<br />
Geo daten des amtlichen Vermessungswesens zu einem Wirt -<br />
schaftsgut ersten Ranges. Diese Position sollten wir politisch<br />
nutzen und alle verfügbaren Ressourcen bereitstellen, mit denen<br />
die Zielsetzung »Koordinatenkataster«, die als vorrangig zu<br />
betrachten ist, zu realisie ren ist.<br />
Wenn dies gelingt, leistet das amtliche Vermessungswesen sei -<br />
nen den Ansprüchen von Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und<br />
Verwaltung gerecht werdenden Beitrag und kann damit be -<br />
ruhigt in die Zukunft schauen.<br />
(GVBl. I, S. 166), geändert durch Artikel 2 des INSPIRE-Umsetzungs -<br />
gesetzes vom 13. April 2010 (GVBl. I – 2010 – Nr. 17)<br />
|4| RICHTLINIE 2007/2/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND<br />
DES RATES VOM 14. MÄRZ 2007 ZUR SCHAFFUNG EINER GEODATEN -<br />
INFRASTRUKTUR IN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT (INSPIRE),<br />
Amtsblatt der Europäischen Union DE vom 25. April 2007, L 108/1-14<br />
|5| GESETZ ÜBER DEN ZUGANG ZU DIGITALEN GEODATEN vom<br />
10. Februar 2009, BGBl. I, S. 278<br />
Zum Artikel »Eigentums-(Grundstücks-)grenzen der Bundeswasserstraßen«<br />
von Helmut Hoffmann in Heft 1/<strong>2012</strong> (Seite 268–297) – Bei der redaktionellen Bearbeitung des Beitrages ist leider der<br />
letzte Absatz nicht übernommen worden, der wesentliche Aussagen enthält. Wir bitten dafür um Entschuldigung.<br />
Im Folgenden der Wortlaut dieser Passage:<br />
stücks gegen das Anliegergrundstück die Eigentums- (Grundstücks-)grenze<br />
des Bundes. Für diesen Fall ist bei einer Fortfüh -<br />
rung zu untersuchen, ob das Liegenschaftskataster die Grenzen<br />
des zur Bundeswasserstraße gehörenden Ufergrundstücks<br />
nachweist, wovon in der Regel ausgegangen werden kann, wie<br />
dies die Erfahrung zeigt.<br />
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