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Das Sommermagazin 2015 des Freistaates Sachsen

Tüfteln, forschen, ausprobieren: Neugierde hat die Sachsen schon immer angetrieben. Der Drang, Dinge anders anzugehen, machte den Freistaat einst zum „Silicon Valley“ der Gründerzeit. Nach den Verwerfungen der Geschichte ermöglichte Ideenreichtum den erfolgreichen Neustart. Kreativität ist die Gabe, mit Fantasie Neues aus dem Vorhandenen zu schaffen. Wie Sie in diesem Heft sehen werden, sind die Sachsen darin bis heute Meister.

Tüfteln, forschen, ausprobieren: Neugierde hat die Sachsen schon immer angetrieben. Der Drang, Dinge anders anzugehen, machte den Freistaat einst zum „Silicon Valley“ der Gründerzeit. Nach den Verwerfungen der Geschichte ermöglichte Ideenreichtum den erfolgreichen Neustart. Kreativität ist die Gabe, mit Fantasie Neues aus dem Vorhandenen zu schaffen. Wie Sie in diesem Heft sehen werden, sind die Sachsen darin bis heute Meister.

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<strong>Das</strong> <strong>Sommermagazin</strong> <strong>2015</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong>SACHSENIdeenreichGRÜNDERSZENEDie Macht <strong>des</strong> Schwarms:Unternehmer und Investoren aus<strong>Sachsen</strong> gehen neue WegeACTIONSebastian Linda dreht weltweitSkate-Videos – und nun auch vorseiner Dresdner HaustürGENUSSAls Anja Fritz nach Meißenkam, wusste sie wenig über Wein.Jetzt führt sie ein exquisites Gut


GRÜNDERSZENEIdee trifft Geld: So findensächsische Start-ups und Investorenim Netz zusammen. Seite 4POETRY-SLAM„Die beste Erfindung <strong>Sachsen</strong>s“:zwei Underground-Poetenim Dichter-Duell. Seite 16HOWITZWEISSBACHUngewöhnliche Mode,traditonell produziert. Seite 8WEIN AUS MEISSENEine mutige Frau zog aus,das Keltern zu lernen. Seite 182Wenn es in Leipzig (Bild)Abend wird, ist derTag noch lange nicht zuEnde: In den vergangenenJahren hat sichhier wie in vielen anderensächsischen Städteneine spannende und vielfältigeKunst-, KulturundKneipenszenegebildet, die mittlerweileinternational Beachtungfindet. Mancher sprichtsogar von „Hype zig“ –dabei ist so ein Sonnenuntergangdoch ziemlichentspannend, oder?KREATIVE QUARTIERENeue Ideen für alte Gemäuer:eine Übersicht über spannendeKultur-Areale. Seite 9URBANITÄT IParkour-Sportler erzählen,wie sie sich die Stadtvon morgen wünschen. Seite 10URBANITÄT IISebastian Linda filmt dieinternationale Skater-Szene –und nun auch vor seinerDresdner Haustür. Seite 12MEIN CHEMNITZKraftklub-Sänger Felix Brummerverrät, wo er isst, chillt und sich mitLiteratur versorgt. Seite 14INNOVATIONEN AUS HOLZInstrumente, Boards, Designer-Einrichtungen: Neues auseinem alten Werkstoff. Seite 20ZUKUNFT IN WEISS-GRÜNErfindungen, die ziemlich nachScience-Fiction riechen. Seite 24TERMINEWas der Freistaat in Sommer undHerbst zu bieten hat. Seite 25FILMSTADT GÖRLITZWarum Hollywood die östlichsteStadt Deutschlands liebt.Seite 28CHRISTIAN FRIEDELIn Dresden fand der Schauspielerneue Perspektiven. Seite 30Coverfoto: Robert Michael; Foto: Felix MeyerSACHSEN


Willkommen im Kreativquartier!Tüfteln, forschen, ausprobieren: Neugierde hat die <strong>Sachsen</strong> schon immerangetrieben. Der Drang, Dinge anders anzugehen, machte den Freistaateinst zum „Silicon Valley“ der Gründerzeit. Nach den Verwerfungender Geschichte ermöglichte Ideenreichtum den erfolgreichen Neustart.Kreativität ist die Gabe, mit Fantasie Neues aus dem Vorhandenen zuschaffen. Wie Sie in diesem Heft sehen werden, sind die <strong>Sachsen</strong> darinbis heute Meister: Längst haben sie nicht nur im Internet eine neueGründerzeit ausgerufen. Junge Mode-Labels schaffen mit traditionellenTechniken Aufsehenerregen<strong>des</strong>, Parkour-Sportler und Skater interpretierenurbane Räume auf ihre Weise. Warum Chemnitz das Potenzial für eineeinmalige Kulturszene hat, erklärt Kraftklub-Sänger Felix Brummer.Was die <strong>Sachsen</strong> alles erfunden haben, beschreiben zwei Poetry-Slammerin dem ihnen eigenen Ton. In Meißen steckt eine Frau ihre Kreativitätin Reben, drei Männer zaubern in Leipzig und bei Dresden Innovativesaus Holz. Und ganz im Osten, in Görlitz, entstehen heute Filme, die mitdem Oscar prämiert werden. Den hat der Schauspieler Christian Friedelnoch nicht gewonnen, im Interview verrät er aber, was ihm seine neueHeimat Dresden gegeben hat.Hat die Neugierde der <strong>Sachsen</strong> schon auf Sie abgefärbt? Dannkommen Sie doch mal vorbei – vielleicht ja sogar dank unseres Gewinnspielsauf Seite 27.Ihre Redaktion3Sommer <strong>2015</strong>


4Mit einer Million Euroaus dem Netz willDr. Jacques Rohayem dieKrebstheraphierevo lutionieren und einMedikament zur Marktreifebringen, das Rückfälleverhindert. Nur durchCrowdfunding, sagt er, seiseine Firma unabhängigvon der Pharmaindustrie.www.riboxx.comKatja Thieme* belohnte die Spender für ihr Projekt„Stadtführung mit GPS-Schnitzeljagd“ mit einerPartie Crossgolfen. <strong>Das</strong>s Crowdfunder die Projekteauch kritisch hinterfragen, sei ein unbezahlbarerRealitäts-Check, findet sie. www.betourt.de* freut sich auf die LE Beach Daysvom 10. bis 12. Juli, das großeFunsport-Fest am Cospudener See.www.le-beach-days.deSACHSEN


5Fotos: Sebastian ArltDie neue GründerzeitINTERNETNUTZER FINANZIERENGRÜNDER – WIE SACHSEN MITDER MACHT DES SCHWARMS ZUMZENTRUM DER DEUTSCHENCROWDFUNDING-SZENE WURDEObwohl Dr. Jacques Rohayem vor allem an die Zukunftdenkt, blickt er gern in die Vergangenheit. Warumauch nicht? Die Geschichte, die hier im PharmaparkRadebeul geschrieben wurde, ist mehr als ermutigend.Vor 140 Jahren ließ der Chemiker Friedrich von Heydenjene Villa errichten, in der Rohayem heute arbeitet. Indem Bau verwaltete von Heyden seine Firma, die erstmalseinen pharmazeutischen Wirkstoff in industriellemMaßstab herstellte: Salicylsäure, Grundstoff von „Aspirin“,dem Kopfschmerzmittel, das eine Weltkarrierehinlegte. „Wenn wir diese Geschichte hier wiederholenSommer <strong>2015</strong>


könnten – das wäre etwas!“, sagt Rohayem. Und mussüber seine Unbescheidenheit gleich ein klein weniglachen.Doch Rohayem ist angetreten, um die Welt derPharmaindustrie umzukrempeln. Sein Produkt istgenauso revolutionär wie die Art und Weise, auf die ersein Unternehmen gründete. Weil ersich nicht von den Branchenriesenabhängig machen wollte, suchte er sichüber eine Plattform im Internet Kleinanleger,die an seine Idee glaubten undbereit waren, zu investieren. „Crowdfunding“nennt sich diese Art derFinanzierung, ein zusammengesetztesWort aus „crowd“, englisch für „Menge“,und „funding“, etwa „Bereitstellenvon Mitteln“. Der Trend wurde in denUSA geboren, und als er über denAtlantik schwappte, erkannte man vorallem in <strong>Sachsen</strong> die Macht der Menge.Hier wurden die ersten deutschenPlattformen gegründet – hier habendie mittlerweile größten ihren Sitz.6920 Fans und InvestorenIn seinem Leben musste Rohayemlernen, flexibel zu sein – vielleicht ister <strong>des</strong>halb offen für ungewöhnlicheWege: Der 47-jährige Franzose wurdeim Libanon geboren und lernte alsErasmus-Student eine Frau aus Deutschlandkennen, mit der er sich in Dresdenniederließ. Nach Jahren der Forschungan der Technischen Universität gründeteder Virologe das UnternehmenRiboxx. In ihm stellen er und acht Mitarbeiter einenWirkstoff her, der für die Menschheit ein nochgrößeres Geschenk werden könnte als früher das Kopfschmerzmittel,und erproben ihn in einer klinischenStudie. Riboxxim soll Rückfälle bei Krebskranken verhindern,„weil sich damit das Immunsystem anknipsenlässt – so wie ich das Licht mit diesem Knopf hier steuernkann“, sagt er und drückt auf den Schalter nebenseiner Bürotür.Ein Wundermittel gegen Krebs – das klingt visionär.Doch Rohayem hat 920 Menschen gefunden, die nichtnur seine Vision teilten, sondern auch insgesamteine Million Euro zur Verfügung stellten, damit er seinProdukt zur Marktreife bringen kann. Der Mann, derihm dabei half, residiert auf dem Stockwerk einer Villain Dresden-Blasewitz – einmal über die Elbe und13 Kilo meter flussaufwärts. Jens-Uwe Sauer war Unternehmensberaterund merkte, wie schwer die Bankenkrisees deutschen Start-ups machte, an Kapital zukommen. Als dann 2009 ein befreundeter Unternehmervon 100 Investoren je 1500 Euro einsammelte, umeine Kletterhalle zu bauen, dachte sich Sauer: So etwasDie Suche nach neuenWegen bestimmt seinLeben: Stephan Poppbetreibt mit Freundendie VisionBakery undist im Vorstand <strong>des</strong>Startup Club Leipzig.www.visionbakery.combrauchen wir in größerem Maßstab.Durch seine Aktion kam der Kletterhallenbetreiber nicht nur zu Kapital,sondern erlangte auch so viel Aufmerksamkeit,dass der Start anschließendspielend gelang. Sauer selbstgründete ein Start-up, tagte wochenlangmit Anwälten, was ihn „den Gegenwert mehrererKleinwagen“ kostete, bis sie eine rechtliche Basisfür seine Idee gefunden hatten: eine Plattform, auf derGründer und Privatpersonen, die in spannende Firmeninvestieren wollen, zusammenfinden können. „Wirhaben das damals ,Mikro investment‘ getauft – das warabsolutes Neuland! Aber es macht Spaß, als Erster aufdem Gipfel zu stehen.“Szenetreff <strong>Sachsen</strong>Heute, fünf Jahre später, hat Sauer mit seiner PlattformSeedmatch einen Marktanteil von 55 Prozent und istdamit Branchenprimus. 80 Unternehmensgründerpräsentierten sich bisher auf seiner Seite – bis auf zweischafften es alle, genügend Investoren zu über zeugen.Über 23 Millionen Euro kamen so zusammen. Für„grün“ orientierte Unternehmen, bei denen das Risikodank der staatlichen Förderung für erneuerbare Energienund fest vereinbarter Abnahmeregelungen, etwabei Solarparks, geringer ist, hat er 2013 den AblegerEconeers gegründet, der in denselben Räumen am Elbufersitzt. Aus Dresden stammt außerdem Startnext,SACHSEN


aber auch am anderen Ende der Republik zurVerfügung gestellt haben, scheinen das zu bestätigen.Fotos: Sebastian Arltdas mittlerweile teils von Berlin aus arbeitet. In Leipzigwiederum hat die VisionBakery ihren Sitz.Scheitern als ChanceWährend Jens-Uwe Sauer in seinen Sätzen vieleAbkürzungen aus dem Business-Sprech verwendet, dieGründer auf seiner Plattform sich alle als Unternehmerbegreifen und die Investoren auf möglichst gute Renditenwetten, geht es bei der VisionBakery eine Nummer gemütlicherzu. Stephan Popp hat als Treffpunkt das Café„meins“ im Leipziger Kreativ-Quartier Plagwitz vorgeschlagen.Es ist eine Art großes Wohnzimmer, vor<strong>des</strong>sen Türen Kräuter und Gemüse aus großen Blechbüchsensprießen. „Bei uns geht’s weniger darum, Startupsan den Start zu bringen, als gute Ideen zu fördern.Und dazu gehören auch Kunst- und Musikprojekte,Filme, Theaterstücke – oder ein frischer Anstrich fürden Kindergarten um die Ecke.“ Eigentlich wollte der35-Jährige mit vier Freunden einst selbst ein Softwareunternehmengründen. „Aber bei den Banken habensie uns immer nur mit großen Augen angeschaut, wennwir mit unseren Ideen um die Ecke kamen.“Aus diesem Scheitern entstand 2010 die Vision-Bakery: „Wir dachten uns: Vielleicht kann man Produkteja auch quasi vorab verkaufen, um so das nötigeGeld für ein Projekt einzusammeln. Wenn man demNutzer noch ein kleines Extra bietet, müsste das dochmöglich sein.“ Die 1,5 Millionen Euro, die Menschenauf VisionBakery für Projekte in ihrer Nachbarschaft,Als Jens-UweSauer seine eigenenUnternehmengründete, kam alsStandort eigent lichnur Dresden infrage:„Ich wohne hier,fühle mich wohl –warum sollte ich woandershingehen?“www.seedmatch.dewww.econeers.deMit 500 Euro zur Vorzeige-GründerinAls Erste probierte Katja Thieme die VisionBakeryaus. Verglichen mit Jacques Rohayem, der eine Millionbenötigte, war ihr Ziel bescheiden: 500 Euro erbatsich Thieme von der Crowd, davon wollte sie zwei GPS-Geräte kaufen. Die heute 35-Jährige hatte Geologiestudiert und war anschließend lange gereist. Zurückin Leipzig, musste sie feststellen, dass Stellen in ihrerBranche rar waren. Allerdings kann sie wie keine Zweiteall die kleinen Geschichten wiedergeben, die sich in derStadt verstecken. Als sie ihren Freunden mal wiedereine davon erzählte, schlugen die ihr vor, sich mit ihremTalent selbst einen Arbeitsplatz zu schaffen. Thiemepräsentierte ihre Idee für Stadtführungen inklusiveGPS-Schnitzeljagden in einem Video. Und versprachals Dankeschön jedem, der dafür ein wenig Geldlocker machte, mit ihm Crossgolfen zu gehen: „<strong>Das</strong>kannte ich aus Neuseeland. Da kloppt man den Balldurch Parks und Brachen – das ist überhaupt nichtsteif und elitär, sondern macht einfach nur Spaß!“Thieme hatte nie geglaubt, dass ihr jemand „einfach so“Geld geben würde. Doch die 500 Euro kamen zusammen.Sie machte sich als Stadtführerin selbstständig,beschäftigt heute in ihrer Firma „betourt“ mehrere freieMitarbeiter und gewann <strong>2015</strong> den Sächsischen Gründerinnenpreis.<strong>Das</strong> Crossgolfen – zunächst nur alsDankeschön gedacht – wird heute ständig nachgefragt.Vor allem von großen Firmen, die Abteilungen aufTeambuilding-Maßnahmen schicken.Crowdfunding, sagt Thieme heute, habe nebender unorthodoxen Art, Geld einzusammeln, noch einentollen Effekt: Die Resonanz zeige, ob die Öffentlichkeiteine Idee genauso genial findet wie man selbst undwohlmeinende Freunde. Eben ein objektiver Test amMarkt. Diesen Faktor betont auch Jens-Uwe Sauer inDresden – und nicht nur den: „Sobald jemand sichentscheidet, sein hart verdientes und sauer versteuertesGeld zu investieren, hat der Gründer einen glühendenMitstreiter gewonnen, der auch Mundpropagandamacht.“ Davor steht natürlich Überzeugungsarbeit,bei der sowohl Seedmatch als auch VisionBakery ihreKlienten begleiten und beraten. Schließlich verlangenbeide Plattformen eine Provision.Jacques Rohayem etwa drehte 20 kleine Videos, indenen er auf Fragen von Investoren antwortete – einweiteres zeigt er auf seinem Handy: Auf der Seite vonRiboxx sieht man eine lange Zahlenkolonne, ähnlichwie bei einem Gaszähler. Als sie auf eine Million springt,hört man ihn, mit französischem Akzent, aus dem Hintergrund:„The eagle has landed“ – der berühmte Spruchvon der Mondlandung. Bei seinem zukunftweisendenVersuch, das erste Crowdfunding-basierte Biotech-Unternehmen der Welt aufzubauen, nimmt Rohayemeben auch gern mal Anleihen bei der Vergangenheit.7Sommer <strong>2015</strong>


8Die aktuelle Kollektion vonEva Howitz und FriederWeissbach* heißt „Erzgebirge“– eine Hommage andie Heimat, in der siepro duzieren. Models brauchendie beiden nie – dasist und bleibt Chefsache.www.howitzweissbach.com* freuen sich immerwieder darauf,abends aufs Rad zusteigen und dannin den CospudenerSee zu springen.Osten ohne OstalgieWENN DAS LABEL HOWITZWEISSBACH DIE MODEVON MORGEN ENTWIRFT, SPIELEN SEINE MACHER GERNMIT DER ÄSTHETIK DER VERGANGENHEITVielleicht klingt es nicht nett, aber: Eva Howitz(32) und Frieder Weissbach (40) sind wie ein altesEhepaar. Wenn man mit den Mode<strong>des</strong>ignernspricht, vollendet Howitz die Sätze, die Weissbachangefangen hat, der wiederum die Worte derPartnerin fortführt. Und sie sehen das ja selbst so:„Unsere Gehirne haben wohl eine drahtlose Verbindung“,meint Howitz. Oder war das eben Weissbach?Seit sich die beiden beim Designstudiumkennengelernt haben, entwerfen sie zusammen,später gründeten sie ihr Label. „Frieder hat ein unglaublichesAuge für den perfekten Schnitt“, sagtHowitz, „und Eva treibt jede Idee an ihr Extrem“,spricht Weissbach weiter. Die Mode, die aus dieserSymbiose entsteht, ist nicht für jedermann tragbar,sorgt international aber für Aufmerksamkeit:howitzweissbach wird zu Schauen in Paris, Barcelonaund Moskau eingeladen, ihre Kleider hängen inBoutiquen in London, Kuwait und Dubai.Dabei scheint das Geheimnis hinter dem Erfolgein regionales zu sein. „Wir sind in einem Landaufgewachsen, das es nicht mehr gibt“, sagt Howitz,„das uns aber gewisse ästhetische Grunderfahrun­gen gebracht hat.“ Die beiden spielen mit den Schnittenund den seltsam heimeligen Farbigkeiten, mitdenen die DDR-Gestalter teils zeitlose Designsschufen. Und stehen damit nicht allein da: Im Erzgebirgehaben junge Modemacher die alte Ost-Marke„Dreiklang“ wiederbelebt, in Dresden und Chemnitzgründen sich immer mehr kleine Labels, derenfrische Kollektionen in langer Tradition stehen.Nie jedoch verharren howitzweissbach in plumperOstalgie, lieber suchen sie das Irrwitzige: „Wenn dieFrage auf das Machbare kommt, handelt man sichsowieso ein Stück herunter.“ Die beiden verweigernsich der Schnelllebigkeit <strong>des</strong> Modezirkus und bringenihre Kollektionen heraus, wann es ihnen passt – teilweisesind mehrere parallel im Angebot. Ihre Mo<strong>des</strong>oll aktuelle Debatten aufgreifen, <strong>des</strong>halb kooperierensie mit Künstlern aus anderen Disziplinen.Produziert wird hingegen ganz traditionell beialteingesessenen Herstellern im Erzgebirge. „Wennman denselben Dialekt spricht, ist vieles einfacher“,sagt Weissbach. „Und viel einfacher ist es auch,wenn man bei Problemen nicht nach China fliegenmuss“, beendet Howitz den Gedanken.Fotos: Dirk BrzoskaSACHSEN


<strong>Sachsen</strong>s Kreativ-QuartiereANDERS NUTZEN STATT ABREISSEN: WO FRÜHERSCHLOTE RAUCHTEN ODER BAUERN IHRE ÄCKER PFLÜGTEN,WIRD HEUTE KULTUR PRODUZIERT. EINE ÜBERSICHTKulturinsel Einsiedel,bei ZentendorfNirgendwo in Deutschland gehtdie Sonne früher auf: DieKulturinsel bildet den östlichstenPunkt <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> – auchsonst ist der Erlebnispark umden ehemaligen Bauernhofalles andere außer gewöhnlich.www.kulturinsel.comZentralwerk,Dresden-PieschenFotos: IBUg2014 Crimmitschau, Künstler: Dokter Molrok/Erfurt, Foto: Thomas Dietze; Zentralwerk; Tapetenwerk; Sylvio Dietrich/Weisflog.net; Deutsches BaumhaushotelWar mal BauernhofBietet jetzt Baumhaushotel ,Theater, FreizeitparkUmnutzung 1992IBUg,PlauenWar mal KaffeeröstereiBietet jetzt IBUgUrban-Art-FestivalUmnutzung August <strong>2015</strong>Größe 3000 m 2<strong>Das</strong>Festival „Industriebrachenumgestaltung“(kurz: IBUg)bespielt seit zehn Jahren wechselndeLocations. Vom 28. bis 30. Augustmachen Graffiti-, Street-Art-, Mode- undDesign-Künstler Station in der AltenKaffeerösterei Plauen. www.ibug-art.deWohnen und Arbeiten, Kunstund Kultur unter einem großenDach – das ist die Idee <strong>des</strong>Vereins, der vor Kurzem dasAreal mit den zwei altenBunkertürmen übernommenhat. www.zentralwerk.deTapetenwerk,LeipzigWar mal TapetenfabrikBietet jetzt Ateliers, Büros,AusstellungsflächenUmnutzung 2006Größe 6000 m 2Als das Haus 1913 eröffnete,galt es als <strong>Sachsen</strong>s elegantestesKaufhaus. Heute istes nach aufwendiger Renovierungmit Stadt bibliothek,Naturkunde museum und derNeuen Sächsischen Galerie einZentrum für Kultur und Wissen.www.dastietz.deWar mal DruckereiBietet jetzt Ateliers, Wohnungen,BallsaalUmnutzung 2014Größe 7000 m 2Nicht ganz so bekannt wie die benachbarteLeipziger Baumwollspinnerei (www.spinnerei.de),aber ein spannen<strong>des</strong> Kulturquartier mit Werkstätten,Büros und lohnenden Veranstaltungen.www.tapetenwerk.de<strong>Das</strong> Tietz,ChemnitzWar mal KaufhausBietet jetzt MuseenBibliothekUmnutzung 2004Größe 20.000 m 29Größe 50.000 m 2 Sommer <strong>2015</strong>


„Gestatten,wir sind die Stadtaffen!“PARKOUR-SPORTLER GEHENNICHT – SIE TURNENDURCH DIE STRASSEN. DIESZENE AUS PLAUEN HATMIT UNS ÜBER „URBANITÄT“GESPROCHEN1103Bei „Le Parkour“zählt vor allem:Spaß haben,springen, Saltischlagen. Aufunserem FotodemonstrierenMitglieder <strong>des</strong>Post SV Plauen,dass die Stadt fürsie ein einzigerSpielplatz ist.Erfunden wurdedie Sportart Endeder 1980er-Jahrein Frankreich.Ein junger Mannnamens DavidBelle begann,Mauern, Dächerund Geländerseines PariserVororts als Turngerätezu nutzen.Schon baldmachten’s ihmweltweitTausende Menschennach.2SACHSEN


„Was Urbanitätfür uns bedeutet“1 / FORTKOMMEN Als 17-Jährigerist Felix Schapitz auf den öffentlichenNahverkehr und das Fahrrad angewiesen.„Ich wünsche mir enge Taktebei Bus und Bahn. Und glatten Asphaltauf den Straßen – sonst wird’s ohneFederung ungemütlich.“ Als Le-Parkour-Künstler bewegt sich der Fachabiturientaber auch noch ganz anders durchPlauen – besser gesagt: über Plauenhinweg. „Man kann die halbe Stadtauf Dächern durchqueren – da tun sichganz neue Perspektiven auf.“452 / MENSCHEN Marcel Bietau isthin und her gerissen: „Als Dorfkind binich gewohnt, alle um mich herumzu kennen.“ In der Stadt vermisst der21-jährige Informatiker manchmaldiesen Gemeinschaftssinn. In wiederanderen Momenten ist er froh, nichtbei jedem Schritt von Nachbarn beobachtetzu werden. Der für ihn idealeMittelweg: Treffpunkte, an denenman leicht mit Menschen in Kontaktkommt, wenn man Lust darauf hat.3 / VITALITÄT Die Gesundheit derBewohner sollte bei einer modernenStadt im Fokus stehen, findet FrankKroschwald: Der 24-jährige Lebensmittelsicherheits-Studierendedenkt dabeian naturnahe Trainingsmöglichkeiten:„Wir sitzen den ganzen Tag im Büro –da braucht man Ausgleich.“ Ihm alsgelerntem Koch sind außerdem Märktemit frischen Zutaten wichtig.4 / SAUBERKEIT Die ViertklässlerinChiara Warg guckt sich in der Innenstadtgern Schaufenster an, vor allemvon Bücherläden. Was sie im Stadtlebenstört: „Wenn Müll rumliegt, magich das gar nicht. Die Leute solltenbesser auf ihre Umwelt aufpassen – anScherben zum Beispiel kann man sichecht wehtun.“11Foto: Sebastian Arlt5 / NAHVERKEHR Sören Strehlowschätzt kurze Wege: „Ich brauche guteTrainingsmöglichkeiten in meinerUmgebung. Auch zur Arbeit will ichnicht lange fahren müssen." Der24-jährige technische Zeichner hatneben Job und Le Parkour schließlichauch noch Kampfsporttraining und Jobsals Stuntman auf dem Stundenplan.Zudem ist er aktiv bei der Feuerwehr.Und als Ausgleich zu all der körperbetontenAction spielt er Geige.Sommer <strong>2015</strong>


12Völlig vonder RolleSEBASTIAN LINDA HAT ALSSKATEBOARD-FILMER DIEWELT BEREIST, DREHT NUNABER AUCH GERN VORSEINER DRESDNER HAUSTÜRSein Talent, perfekt inszenierte Nahaufnahmen undZeitlupen mit dokumentarischen Szenen abzuwechseln,schätzen inzwischen auch internationale Auftraggeber,wie das Portfolio auf Sebastian Lindas Homepage zeigt.www.sebastian-linda.deSACHSEN


Hinterher! WennLinda auf dem Brettsteht und seineProtagonisten mitder Kamera verfolgt(wie hier links amElbe radweg), siehtdas lässig, spontanaus. Der 31-Jährigehat jedoch fast je<strong>des</strong>Detail vorbereitet:„Oft achte ich beimDrehen auf fünfPunkte gleichzeitig.“Ein Mann, ein Brett, vier Rollen,eine Kamera: Sebastian Linda* hatmit seinen Clips bereits Preisegewonnen. Auf dem Bild links steht eram Völkerschlachtdenkmal in Leipzig.Kurze Drehpause – dann geht’s weiter.* freut sich auf das Dresdner TheaterundMusikfestival www.schaubudensommer.deDie Offenheit der <strong>Sachsen</strong> war es, die den MenschenSebastian Linda erstaunte: „Kaum hatteich jemanden kennengelernt, war ich auch schoneingeladen: in die Privatwohnung, zum Aben<strong>des</strong>sen.“Den Filmemacher Linda hingegen faszinierte etwasanderes: „Diese Unfertigkeit der Stadt, die vielenMöglichkeiten, Urbanität neu zu gestalten – dasfinde ich irre spannend.“ Also entschied er sich,in Dresden zu bleiben, als er nach längerem Aufenthaltin Asien auf der Suche nach einem neuenLebensmittelpunkt durch Deutschland reiste.Als Linda zwölf Jahre alt war und noch in Darmstadtwohnte, borgte er sich die Videokamera <strong>des</strong>Vaters, um die Tricks festzuhalten, die er beimSkateboarden gelernt hatte. Heute ist Linda 31 Jahrealt, das Skaten ist noch immer seine Leidenschaftund macht nach wie vor einen guten Teil seinerfilmerischen Arbeit aus: Linda verabredet sich mitein paar Kumpels am Elberadweg oder am Trinitatisplatzin Dresden-Johannstadt und lässt die Kameramitlaufen. Seine Clips, die zum Teil hier entstandensind, werden im Netz rasant geteilt. Manche wurdenauch bereits ausgezeichnet. Mit „The Revenge ofthe Beasts“ etwa gewann er 2014 den renommiertenDeutschen Webvideo-Preis. Die Bildsprache, dieLinda sich angeeignet hat, ist ziemlich eigen: AuthentischeSzenen im Doku-Stil wechseln sich ab mitinszenierten Ultra-Zeitlupen, bei denen die Kamerapositionbis auf den Millimeter perfektioniert ist,sodass jeder Sonnenstrahl im vorberechneten Winkelauf das Objektiv trifft. „Die Gegensätze, aber auchdie Übergänge zwischen Epik und Realismus auszuloten– das treibt mich an.“Bis heute filmt Linda viele seiner Aufnahmenvom Skateboard aus, „weil einem das einfach genialeMöglichkeiten bei der Kameraführung eröffnet“.Aber längst schon filmt er viel mehr als nur Skateboarder:Internationale Agenturen wurden aufseine Webvideos aufmerksam und buchen ihn inzwischengern für Werbeclips und Musikvideos,außerdem hat er zwei Dokumentarfilme gedreht –einen davon gerade in Sri Lanka, der „eine neueBetrachtung unserer Zeit auf Erden“ bieten soll.<strong>Das</strong> Reisen ist Sebastian Linda noch immer sehrwichtig: „Um auf neue Ideen zu kommen und michvisuell weiterzuentwickeln, muss ich einfach ab undzu mal raus.“ Inzwischen muss es aber nicht immergleich Asien sein: Im vergangenen Jahr hat Linda vorallem seine nähere Umgebung neu entdeckt –„Travel Where You Live“ heißt der Film, der bei dieserReise durch <strong>Sachsen</strong> entstanden ist. Linda plant, inDresden zu bleiben. „Ich möchte das ganze lokaleKnow-how nutzen und hier etwas aufbauen“, erzählter. Deshalb sei er auch gerade umgezogen, ineine größere Wohnung in der Dresdner Neustadt,mit viel Platz, um dort mit all den Leuten zusammenarbeitenzu können, die bei seinen Filmen undProjekten mitmachen. Und sicher auch, um sie abund zu bei sich zum Aben<strong>des</strong>sen einzuladen.13Fotos: Erik Gross, Robert MichaelSommer <strong>2015</strong>


„Die hellen Flecken werden mehr"KRAFTKLUB-FRONTMANN FELIX BRUMMER ERKLÄRTDAS PHÄNOMEN CHEMNITZ – UND WIE DORT EIN PERFEKTESSOMMERWOCHENENDE AUSSEHEN KÖNNTE14Mit „Ich will nicht nach Berlin“ wurde Kraftklub 2011 bekannt – undauch heute noch wohnt die mehrfach ausgezeichnete Band in Chemnitz.„Wenn ich meine Heimatstadt erklären will, sage ich immer:Chemnitz ist eine Mittelstadt, eingeklemmt zwischen großund klein. Wie alle Städte, die sich neu erfinden müssen,ist es auch eine Stadt der Prognosen. Die stimmen abernicht immer: Uns wurde vorausgesagt, bald die Stadt mitder ältesten Bevölkerung Europas zu sein. Doch der Trendhat sich umgekehrt – es sind nicht so viele Leute weggezogen.Bestimmt, weil wir von Kraftklub mit gutemBeispiel vorangehen. Außerdem kommen seit den letztenJahren immer mehr Menschen hierher. Möglicherweise,weil deine Idee hier funktionieren kann, wenn du Kunstmachen willst, aber keinen Knopf in der Tasche hast. Wirhaben Platz, man findet für wenig Geld Raum zum Arbeiten.So entsteht etwas, was vielleicht mal einzigartig werdenkönnte: weil man hier selbst etwas anfangen muss. Anstattnur zu konsumieren, eröffnen immer mehr tolle Läden,Cafés, Bars und Clubs. Natürlich ist dazwischen nochDunkel – aber die hellen Flecken werden mehr und größer.Ein Wochenende beginnen wir am besten mit einemFrühstück in Emmas Onkel (Weststraße 67). <strong>Das</strong> betreibtein Freund von uns, der ein großer Italien-Fan ist undunglaublich gute Sandwiches und Panini macht. Nirgendwoim Erzgebirge ist der Espresso so gut wie bei ihm. <strong>Das</strong>Café liegt auf dem Kaßberg, ein Jugendstilviertel über derInnenstadt, sehr lohnend, um nach dem Frühstück einwenig zu flanieren. Wir von Kraftklub wohnen auch hier,sind aber so früh wahrscheinlich noch nicht auf den Straßen.Überhaupt ist Chemnitz eine Fußgängerstadt: Um gemütlichFahrrad zu fahren, ist es viel zu hügelig – das machtaber nichts, weil alles fußläufig erreichbar ist. Vielleichtführt der Spaziergang an Lessing und Kompanie Literatur(Franz-Mehring-Straße 8) vorbei, einer wunderbaren Buchhandlung.Wer was für die Ohren will, dem empfehleich Underworld Records (Hainstraße 83) – und dortbesonders die Platten der Band Kraftklub. Ihre besten sindMit K und In Schwarz, beide werden stets in ausreichenderMenge vorgehalten. Sonntags ist Flohmarkt amRöhrsdorf Center (Ringstraße 17), dort gibt’s tolle Sachenaus dem Erzgebirge. Exquisite Ost- und Retro-Möbelnfindet man in der SBS-Halle (Robert-Blum-Straße 21a).Wenn das Wetter schön ist, würde ich nun doch dasRad nehmen. Zum Stausee Oberrabenstein strampeltman sich ab, aber dafür wartet oben ein Sprung ins kalteWasser. Wem das zu anstrengend ist, dem empfehle ich dasFreibad Bernsdorf (Bernsdorfer Straße 213): <strong>Das</strong> Gegenteileines Erlebnisbads – es gibt nur Liegewiesen undBecken, <strong>des</strong>halb ist der Eintritt ziemlich günstig. Manhört, es soll bei Partygängern beliebt sein, die nachtseine Erfrischung brauchen – aber ich will hier ja nicht zumHausfriedensbruch aufrufen. Erfrischend ist auch Softeisvon Winters Eisgarten (Theaterstraße 60), eine Institu tionan der Kaßberg-Auffahrt. Früher gab’s eine Verkäuferin,deren Frisur an ein Softeis erinnerte. Wir sagten immer:,Lasst uns zum Softeis-Nischel gehen!‘ – ,Nischel‘ ist Sächsischfür ,Kopf‘. Von hier ist es ein kurzer Weg in die City.Als mich neulich ein Kumpel aus Hamburg besucht hat,war der total begeistert von den Plattenbauten, die hier zufinden sind. DDR-Erbe, das mir kaum noch auffällt – fürihn Geschichte zum Anfassen.Abends gehen wir gern asiatisch essen, bei Pho Viet(Theaterstraße 7), und wählen die Nummer 3. Oder die 4?Egal: den Glasnudelsalat mit frischen Kräutern. Wer esmediterran mag, geht ins Monk (Franz-Mehring-Straße 22)und bestellt Gnocchi. In die Nacht starten wir im Weltecho(Annaberger Straße 24), genießen die Restwärme im entspanntenInnenhof, gehen in die Galerie oder ins Programmkino.Hier kann man auch tanzen – aber wir ziehen weiterins Atomino (Moritzstraße 20), ein Club, den einst meinVater mitbegründet hat, mit wirklich allen Musikrichtungen,die nicht in Großraum-Discos laufen. Danachgeht es ins Nikola Tesla (Zietenstraße 2a), ein neuer Ladenmit Livemusik in plüschiger Sixties-Atmosphäre. Auf demHeimweg – natürlich ohne Zwischenstopp im Freibad! –lässt sich dann ein letztes Chemnitz-Phänomen beobachten:Die Straßen werden absolut leer sein, und man istallein mit sich, den Häusern, dem Mond und den Sternen.Ich mag das: Man lässt den Rausch der Nacht hinter sichund wird ganz klar.“Felix BrummerFotos: Sebastian Arlt; Stefan MalzkornSACHSEN


15Cool bleiben – Felix Brummer*,Sänger der Chemnitzer BandKraftklub, gelingt das mit Sonnenbrilleund Softeis von „WintersEisgarten“: „Ich nehme immer diekleine Portion. Und nur Vanille."* freut sich auf daswww.kosmonaut-festival.deam Stausee Rabenstein,das die Band selbst veranstaltet,bei dem sie spieltund bei <strong>des</strong>sen Auf- undAbbau sie mit anpackt.Sommer <strong>2015</strong>


POETRY-SLAM: WIR HABEN EINEN ALTSTAR AUS DRESDEN UND EINENEWCOMERIN AUS LEIPZIG GEBETEN, SICH MIT DEM THEMA„DIE BESTE ERFINDUNG SACHSENS“ ZU BEFASSEN – AUSNAHMSWEISE SCHRIFTLICH.WER IST BESSER? STIMMEN SIE AB, UND GEWINNEN SIE EINE REISE NACH SACHSEN,ALLE INFOS HIERZU FINDEN SIE AUF SEITE 27Duell derUnderground-Poeten16Nhi Le, 20,studiert in Leipzig.Sie hat mehrereNachwuchstitelim Poetry-Slamerrungen undführt ihrenpersönlichenBlog unternarcoticarts.deDie Tageszeitung„Gratis-Abo?“, fragt die Dame in der Messehalle. DieBuchmesse – Wahrzeichen und Aushängeschild Leipzigs,auf der man nicht nur Verkleidungsrequisiten vonManga-Comic-Fans zwischen die Hacken, sondern auchTageszeitungen hinterhergeworfen bekommt.<strong>Das</strong>s die hier in Leipzig erfunden wurden, weiß kaumjemand. Viel zu perfekt scheint der Zufall, dass sich einHerr namens Timotheus Ritzsch im Jahre 1650 dachte:„Diese Blätter, die ich unregelmäßig veröffentli che,könnte man doch eigentlich auch jeden Tag drucken.“Lag es an Leipzigs Geschichte als Buchstadt, dassdieses damals revolutionäre Medium hier eingeführtwurde? Oder im Gegenteil daran, dass die <strong>Sachsen</strong> keineZeit für dickere Bücher hatten? In Meißen tüftelte manam Porzellan, in Dresden werkelte man am Kristall -glas und schob vor Weihnachten massenweise Stollenin den Ofen. Man stelle sich vor, dass hier jemandmit einem dicken Wälzer in der Bäckerei gesessen undgelesen hätte – ein Grimmsches Märchen vielleichtund, schwupps, noch ein zweites hinterher, weil esgerade so spannend war. Die Sultaninen und Mandelnwären vergessen gewesen, der Stollen-Ruhm dahin.Die Tages zeitung hingegen bietet: Häppchen fürkleine Zeit fenster beim Frühstück, in der Tram oderder Schmal spurbahn. Und wenn der Kaffeesachse keineZeit für „ä Schälchn Heeßen“ hatte und wegen Koffeinmangelsziemlich mürrisch war, eignete sich die Zeitungwunderbar als Hochhalterequisite. So bekam niemandetwas vom gebabbelgeplagten Menschen hinter demPapier und von seiner düsteren Miene mit.„Hatte“, „war“, „ließ“… Klingt alles nach Vergangenheit.Doch im Freistaat wird die Zeitung nachwie vor geschätzt. Sollte ihr beschworenes Sterbentatsächlich eintreten – es wäre eine Katastrophe! Keinedicken Packen Papier mehr, die man wie zufällig ausder Umhängetasche lugen lassen könnte. „Ich interessieremich für das Tagesgeschehen“, „Ich finde diesesTraditionsmedium so schön retro“, „Ich bin mittlerweile20 und fühle mich mit dem Abo sehr erwachsen“ –wie sollte man sonst seine bildungsbürgerlichen Statementsanbringen? Und auch auf den Websites undFacebook-Profilen von „Leipziger Volkszeitung“,„Sächsischer Zeitung“ & Co sind die <strong>Sachsen</strong> inzwischenzu Hause, in erster Linie die Besserwisser undTrolle, die zu allem ihre Meinung äußern müssen.Würden die Tages zeitungen verschwinden und damitauch ihre Onlineplattformen, hätte der Freistaat einziemliches Obdachlosenproblem – wenn auch nur digital.SACHSEN


<strong>Das</strong> ErfindenThomas Jurisch, 35, tritt seit 2006 auf Slams auf,inzwischen im gesamten deutschsprachigen Raum.Seinen Dresdner Dialekt hat er sich aber bewahrt.Illustration: Patrick PüribauerIch sag’s mal so: Der Sachse an sich gilt als leicht schusseligund sprachlich fast behindert. Und das, obwohlfast alle wichtigen Erfindungen aus diesem herrlich vernuscheltenLand kommen. Nehmen wir den „Klößchenraffer“– also den BH. Was waren die Frauen underst die Männer glücklich, als nicht mehr die Schwerkraftden Verlust von Spannkraft öffentlich machte.Oder die Lokomotive (zumin<strong>des</strong>t die erste deutsche),dank der Generationen von Japanern mit Kleinbildkamerasdurch die Gegend juckelten, auch um historischePostmeilensäulen zu knipsen. Heute tun sie dasmeist mit dem Smartphone, auf dem sie auch Musikhören – ginge bei<strong>des</strong> nicht, wenn <strong>Sachsen</strong> nicht einstBildtelegraf und Tonband erfunden hätten.Umweltfreundlicher als die rußrotzenden Loks sindFCKW-freie Kühlschränke, in denen die Eisverkäuferheute weltweit ihr Eis erhärten, ganz ohne Energiekommen die Thermoskannen aus, in denen Wandererihren Kaffee schön warm halten. Die Schickeria schlürftden natürlich lieber aus Porzellan und stellt ihreTäss chen fein auf Untertassen ab – Bierdeckel sähen daja auch komisch aus, auf die sollen die suffigen Bayernmal lieber ihre Humpen krachen lassen. Jede Frau warglücklich, als es endlich Waschmaschinen undFeinwaschmittel gab, so ließ sich der Gatte flauschigerhalten, und gleichzeitig gab’s mehr Freizeit – in nureinem Aufwasch. Heute wäscht ab und zu auch der Mannund freut sich, wenn die Frau am Abend in sexy PlauenerSpitze vor ihm tänzelt, drum hat er extra zweimalZahncreme und Mundwasser benutzt. Weil er meistflink fertig ist, gibt’s für die Dame ’ne Tafel Milchschokoladeoder ein Gläschen Weinbrand als Frustbremse –Mineralwasser wäre wohl dafür zu langweilig.Ohne die sächsischen Gaslaternen gäbe es in denStraßen keine Lichtkegel, unter denen Exhibitionistenihre Lodenmäntel öffnen könnten. Niemand könnteseinen Tee ohne Teebeutel unkompliziert in einTässchen heißes Wasser hängen, der Kaffee wäre ohneFiltertüte nur ein bitterer schwarzer Sud, der Krümelim Mund hinterlässt. <strong>Das</strong> technische Universum, dashinter Nullenzirkeln und Nähwirktechnik steht, begreifteh kaum ein Leser. Apropos Universum: War esnicht ein Dresdner, der den Raketenantrieb erfand un<strong>des</strong> so ermöglichte, dass der Mensch den Mond betrat?Bei so vielen Belegen steht fest: Die beste Erfindungder <strong>Sachsen</strong> muss zweifelsfrei das Erfinden sein. Glaubich jedenfalls. Oder habe ich das gerade nur erfunden?17Sommer <strong>2015</strong>


Bis aus den Trauben (unten) Wein wird, ist vielSonne nötig – im Keller testet Fritz einen Tropfen<strong>des</strong> Jahrgangs 2014 (ganz unten). Zur Entspannungempfiehlt sie eine Wanderung zum „Schwalbennest“(rechts), dem Wahrzeichen <strong>des</strong> Meißner Weinbausund Fritz’ Residenz in ihrer Zeit als Weinprinzessin.Entdecken lässt sich die Region am besten auf derSächsischen Weinstraße oder auf dem Elberadweg.www.elbland.deBei der Sanierung von Gut Mariaberg (oben) legte Anja Fritz selbstHand an. Heute wohnt sie hier und vermietet Ferienwohnungen.18In der frisch renoviertenKellereiproduziert Anja Fritz*ihren „Mariaberg“ –pro Lese rund 8000Flaschen der traditionellenSortenTraminer, Rieslingund Burgunder.www.weingutmariaberg.de* freut sich auf die Konzertreihe „klassik im Weinberg“.www.elbland-philharmonie-sachsen.deEs wird Reben gebenALS ANJA FRITZ NACH MEISSENZOG, WUSSTE SIE WENIG ÜBER WEIN.HEUTE IST SIE EINE DER BEIDENEINZIGEN WINZERINNEN SACHSENSZwanzig Stunden Arbeit im Jahr – dafür 300 FlaschenWein. Was der Verkäufer da sagte, klang super,fand Anja Fritz und kaufte 2004 das verfalleneHaus in Meißen, zu dem 600 Rebstöcke gehörten.Nach Stationen in Mexiko und Berlin wolltesie sesshaft werden. Doch als sie den Weinbergzu bestellen begann, merkte sie, dass der Verkäuferwohl geflunkert hatte. Zwanzig Stunden – dieSACHSEN


Fotos: Sebastian Arlt; Gregor Hohenberg/laif; Sylvio Dietrich/Weisflog.netkamen jede Woche zusammen. „Ich stammeaus der Bierregion Braunschweig“, erklärt Fritz,„ich wusste im Prinzip nichts über Wein.“<strong>Das</strong> hat sich in den vergangenen elf Jahrengrundlegend geändert. Anja Fritz ist heute eine vonzwei voll professionellen Winzerinnen, die in<strong>Sachsen</strong> ein Gut bewirtschaften. Ihre Domäne istauf 2,1 Hektar angewachsen. Die 44-Jährige istkeine Frau, die bei Widrigkeiten schnell hinschmeißt.Im Gegenteil: Wenn es knifflig wird, scheint siezur Hochform aufzulaufen. Bei der Sanierung vonGut Mariaberg packte sie selbst mit an, schippteSchutt, schleppte Balken. „Den Aufbau Ost habe ichmit eigenen Händen mitgemacht“, erzählt sie.Ihre Vision motivierte sie: Fritz wollte hier in MeißenTourismus und Winzertum verbinden, Gäste inFerienwohnungen beherbergen und ihnen etwas überDeutschlands kleinstes Weinbaugebiet vermitteln.Fritz belegte Kurse, um die Kunst <strong>des</strong> Kelternszu erlernen. Und um sich in ihrer neuen Heimatzu integrieren, bewarb sie sich als Prinzessin <strong>des</strong> Weinbauverbands<strong>Sachsen</strong>, als dieser 2010/2011 sein850. Jubiläum feierte. „Als Wessi und 39-jährigeMutter von zwei Kindern, die eben noch bei jederBlindverkostung gescheitert wäre, war das sehrgewagt“, erinnert sie sich. Aber sie bekam die Kroneund verlebte „ein supergutes Jahr“. Zwei Jahrespäter konnte sie das verfallene Weingut am Reichelbergdazuerwerben – nach zähen Verhandlungen,denn die Anbauflächen im Elbtal sind naturgemäßbegrenzt und dementsprechend begehrt.Die Kellerei, die sie nach der komplettenSanierung <strong>des</strong> Hauses dort eingerichtet hat, betreibtsie heute mit dem Önologen Martin Schwarz, einemehemaligen Kellermeister <strong>des</strong> Prinzen zur Lippeund Träger von drei Trauben <strong>des</strong> „Gault&Millau“.Schwarz produziert dort seine gehaltvollen und imHolzfach gereiften Weine, Fritz je<strong>des</strong> Jahr die rund8000 Flaschen Traminer, Riesling und Weiß- undGrauburgunder, die das Etikett „Mariaberg“ tragen.<strong>Das</strong> Know-how <strong>des</strong> Partners bei der Kelterei inspiriertsie – doch der eigentliche kreative Prozess,sagt Fritz, finde draußen statt. „Die Vorstellung,was für einen Wein man keltern will, muss manschon im Frühjahr entwickeln.“ Dementsprechendgilt es, das Wetter genau zu beobachten, um zuwissen, wann man die Reben liest und wann manwie die Stöcke beschneidet – die ältesten von ihnengehen auf das Jahr 1918 zurück.Kreativität, das bedeutet hier am Elbhang vorallem auch viel Handarbeit. Fritz’ Reben befindensich allesamt in Steilhanglage, mit Maschinen kommtman da nicht weit. Wie aufwendig diese Arbeittatsächlich ist, kann Fritz heute genau beziffern:2000 Arbeitsstunden verlangt ihr jeder einzelneHektar ab. Vielleicht war der Verkäufer damals einfachmit den Nullen durcheinandergekommen.19Sommer <strong>2015</strong>


Firmen, mit denen Mike Gelbricht*(links) zusammenarbeitet, müssen eineökologische Selbstverpflichtung unterschreiben.Wenn er nicht gerade mit seinenBoards durch den Tiefschnee pflügt (oben),arbeitet er in der Werkstatt im Osterzgebirge(rechts) an noch besseren Lösungenoder berät Kunden in seinem Laden in derDresdner Neustadt. www.buddybuddy.eu* freut sich auf die „Rollrunden“,bei denen jeden Freitag Longboardergemeinsam durchs Erzgebirge sausen.www.brettlladen.de/event.html20NEUES AUSDER WERKSTATTVon wegen Plaste und Elaste: Die <strong>Sachsen</strong> entdecken einen altenWerkstoff wieder. Findige Tüftler aus dem Freistaat bauen Dinge ausHolz, die wir bisher so nicht kannten. Ein umweltbewegter Tischlerkommt ins Schwingen, ein geschichtsversessener Instrumentenbauerins Forschen, und ein Designer reanimiert die Formensprache AntoniGaudís. Holzkunst aus <strong>Sachsen</strong> ist weit mehr als Schnitzereien aus demErzgebirge – obwohl die natürlich auch noch immer einzigartig sindFotos: Sebastian Arlt; Mike GelbrichtSACHSEN


Ökologisch in den TiefschneeBuddyBuddy, Dresden<strong>Das</strong>s Mike Gelbricht die umweltfreundlichstenSnow- und Longboards baut, die auf dem Marktzu finden sind, liegt daran, dass er ein weit gereisterMann ist. Wenn er auf seinen Trips zum Surfen undSnowboarden einen Ort zum zweiten Mal besuchte,stellt er oft fest: ganz schön viel Müll hier, viel kaputtgegangenin den letzten Jahren. <strong>Das</strong> brachte ihnzum Nachdenken – auch über die Ausrüstung, dieaus Carbon, Kevlar und Gummi gefertigt war. „<strong>Das</strong>ist im Prinzip Sondermüll“, erkannte er, „kaum zurecyceln und teils krebserregend.“<strong>Das</strong>s die Boards von Gelbrichts Firma Buddy-Buddy die Produkte der Marktführer auch bezüglichStabilität und Laufruhe schlagen, hat hingegen mitseiner Herkunft zu tun. Der 42-Jährige entstammteiner Zimmererdynastie und ist in der Nähe vonTharandt im Osterzgebirge aufgewachsen, wo dieEigenschaften <strong>des</strong> Holzes seit 1811 in einem Institutergründet werden. Diesen Forschergeist scheint eraufgesogen zu haben: Der gelernte Tischler, der seit25 Jahren einen Sportladen in der Dresdner Neustadtbetreibt, hat sich in hoch komplizierte technischeZusammenhänge eingearbeitet, um sich seinenTraum vom Öko-Board zu erfüllen.Nach fünf Jahren Entwicklung sind GelbrichtsBretter nun marktreif. Ihr Clou befindet sich überund unter dem Kern aus Eschen- oder Pappelholz.Und auch dazwischen. Alle anderen Herstellerbekleben ihre Kerne mit Matten aus Carbon – weilGelbricht das aber nicht verwenden will, mussteer sich etwas ausdenken: Er ließ sein Holz oben undunten mit Matten aus ultrafeiner und umweltfreundlicherGlasfaser bespannen.Um die Festigkeit weiter zu erhöhen, bohrte erin den Kern kleine Löcher und vernähte andiesen Stellen die Glasfasermatten miteinander,7000 Stiche macht die Maschine pro Brett.Dadurch werden die Kräfte gleichmäßig auf OberundUnterseite verteilt, „das Konstruktionsprinzipähnelt dem einer Hänge brücke“, erklärt er. Undweil die Glasfaserstränge durch das Vernähenzusätzlich gespannt werden, erhöht sich ihre Belastbarkeitum ein Vielfaches. „So schlagen wir inSachen Elastizität sogar Carbon. Darauf habenwir ein Patent – dieses Potenzial nutzt beim Snowboard-Bausonst niemand.“ Eine erste Kollektionvertreibt Gelbricht selbst, große Herstellerhaben aber bereits Interesse bekundet, seineÖko-Boards in Lizenz zu bauen.Eine ökologische Alternative zu Fernreisen hat erinzwischen auch gefunden: „Im vergangenen Jahrwar ich vor allem in Skigebieten im Erzgebirge undin Tschechien – keine 50 Kilometer weg von hier.“21Sommer <strong>2015</strong>


22Eine schwedische AffäreAlexander Pilz, LeipzigDie Liebe seines Lebens traf Alexander Pilz ineinem Musikladen in Göteborg. Er schnallte sieauf den Lenker seines Fahrrads und radelte mitihr 700 Kilometer nach Hause. Beide kamenunverletzt in <strong>Sachsen</strong> an, dort packte Pilz seineEroberung aus und streichelte sie das erste Mal.Die Nyckelharpa und Alexander Pilz sind seitherein Paar. <strong>Das</strong> wunderliche Ding, das untenaussieht wie eine Geige und oben den wuchtigen,aber zugleich filigran gestalteten Aufsatz mitTasten hat, fasziniert den 32-Jährigen bis heute:Zu wenig ist über das Instrument bekannt,mit dem die Schweden ihre Polka spielen, zu vielnoch zu erforschen. Etwa, wie weit sie einst verbreitetwar. Vor Kurzem erst wurden Freskenin Italien und sorbischen Kirchen entdeckt, diedie Nyckelharpa zeigen. Vor allem aber möchtePilz wissen, wie er sie noch besser machen kann.Schon als Schüler interessierte sich Pilz fürhistorische Instrumente – „nicht gerade eintypisches Teenie-Hobby, ich weiß!“. Er wolltewissen, wie Musik früher mal geklungen habenkönnte. Deshalb tüftelte er an Instrumentenherum. Nach dem Abitur machte er eine Lehreals Geigenbauer in Klingenthal, studierte dannAngewandte Kunst in Markneukirchen.Während sich seine Kommilitonen auf Geigenoder Celli verlegten, hatte Pilz nur AugenMin<strong>des</strong>tens drei Monate arbeitetAlexander Pilz* in seiner Werkstattin der Leipziger Baumwollspinnereian einer Nyckelharpa,auch „Schlüsselfidel“ genannt.Je<strong>des</strong> Instrument ist ein Unikat.Die Preise beginnen bei 9000 Euro.www.goldenhorsepaatelier.comund Ohren für die Nyckelharpa. „Sie hat einenso vollen Ton wie kein anderes Streichinstrument“,sagt er. <strong>Das</strong> liegt daran, dass unter den Saiten,die mit dem Bogen gestrichen und mit den Tastenabgeklemmt werden, weitere Saiten gespanntsind. Die beginnen durch die Schwingung deroberen zu klingen – und nicht nur in historischenHarmonien. Die Profimusiker, die eine der dreibis vier Nyckelharpas kaufen, die Pilz im Jahrherstellt, spielen auch Jazz und Experimentelles.So gut wie Pilz’ Instrumente haben Harpaswohl noch nie geklungen. Bei seiner Suche nachdem Außergewöhnlichen stützt er sich auf dengroßen Wissensschatz der vogtländischen Traditionim Musikinstrumentebau, den er in seinenAusbildungen erworben hat. Instrumente ausdem „Musikwinkel“ sind international gefragt,Stars wie Eric Clapton oder U2-Bassist AdamClayton leben ihre Virtuosität auf ihnen.Pilz’ Harpas haben aber noch ein Geheimnis:Wie einst Stradivari behandelt er das Holz mitPferde urin, den er früher vom Bauernhof holte.Seit ihm aber mal im Auto ein Eimer umkippte,lässt er sich lieber künstlichen Harnstoff liefern.* freut sich auf die www.stelzenfestspiele.de –auch weil ein Musiker <strong>des</strong> Leipziger Gewandhausessie auf einer Nyckelharpa eröffnen wird.SACHSEN


Aus Tradition andersDeutsche Werkstätten HellerauFotos: Sebastian Arlt; Sven DöringAusgefallene Kundenwünsche zu erfüllen istGabriel Bensch gewöhnt. Aber dann kamda diese Anfrage: eine Bibliothek – in kürzesterZeit, aus Massivholz, möglichst ohne Fugenund im Stil <strong>des</strong> baskischen Modernisten AntoniGaudí. Ob das wohl möglich wäre? Ein Kollegezeichnete einen Entwurf, Bensch stand vor derAufgabe, die geniale Utopie in einen Bauplanzu überführen. <strong>Das</strong> war selbst für ihn eineHerausforderung, obwohl er als Tischler undProdukt<strong>des</strong>igner sowohl das Handwerk als auchdie Theorie der Formen versteht.<strong>Das</strong>s sich der Gaudí-Liebhaber, von demnur verraten wird, dass er in England lebt, mitseiner Anfrage an die Firma bei Dresden wandte,für die Bensch arbeitet, ist einerseits logisch,wenn man die Geschichte der Deutschen WerkstättenHellerau betrachtet, andererseits fast eineIronie: Als ein gewisser Karl Schmidt sie 1898gründete, „wollte er verwirklichen, wovon dieBauhaus-Bewegung immer träumte“, erzähltBensch: „Er ließ in den Werkstätten ästhetischanspruchsvolle, aber erschwingliche Einrichtungenfür jedermann produzieren, entworfen vonden großen Architekten der Epoche.“Die Kriegs- und die DDR-Zeit brachtenBrüche, die Privatisierung nach der Wendeeine Renaissance – und hier kommt die Ironieins Spiel: Die Suche nach der einzigartigenLösung treibt die 120 Planer und Angestelltenim modernen Neubau gegenüber dem historischenStammsitz sowie die 70 Tischler in derWerkstatt noch immer an. Nur produziert manin Hellerau eher nicht mehr für jedermann.Zum Teil lebt die Firma davon, Jachten <strong>des</strong> Jetsetauszubauen – Schiffe, die bis zu fünf Geschossehoch sind und bei denen die Länge in Meternmeist den Kosten in Millionen Euro entspricht.Außerdem machen die Deutschen Werkstätteneben Liebhaberprojekte wie die Gaudí-Bibliothek möglich, bei denen jeder normaleSchreiner oder Designer resignierend abwinkenwürde. Doch Bensch entwickelte mit einerSoftware, die sonst von Autokonstrukteurenverwendet wird, ein 3-D-Modell, tüftelte, bissich der Entwurf in 70 Teile aus massiver Eichezerlegen ließ. Die hievte ein Kran wenig späterdurch ein Fenster in England, dort wurdedie Bibliothek montiert.Ob Gaudí seine Auferstehung gefallen hätte?„Kommt drauf an“, sagt Bensch. „Dem jungenGaudí sicher, dem späten vielleicht weniger.“Tischler und Designer: Wer so ausgefallene Konstruktionenplanen muss wie die Gaudí-Bibliothek (unten), sollte sich mitTheorie und Handwerk auskennen. Gabriel Bensch* (oben)tüftelt noch immer gern mit den Meistern in der Werkstatt.www.dwh.de* liebt Wandern im Elbsandsteingebirge. Besonders mager den Weg von Pötzscha auf die Bärensteine.23Sommer <strong>2015</strong>


Die Zukunft ist weiß-grünDIESEL AUS LUFT UND WASSER, DISPLAYS, DIE MANBIEGEN KANN: MANCHE ERFINDUNGEN AUS SACHSEN KLINGENZIEMLICH NACH SCIENCE-FICTION. EINE ÜBERSICHTIMPRESSUM<strong>Sachsen</strong> – <strong>Das</strong>Sommer magazin <strong>2015</strong><strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong>als Beilage in der „ZEIT“,der „Süddeutschen Zeitung“,dem „Standard“,der „WELT am Sonntag“und der „Frankfurter AllgemeinenSonntagszeitung“Fotos: Matthias Popp; Cloud & Heat; R. Deutscher; Plastic LogicDer nächste Schritt in RichtungMensch-Maschine: Alex Stamosund Christoph Braun bauenProthesen aus Silikon, die kaumein Auge von echten Gliedmaßenunterscheiden kann.Der Farbton der Hautwird perfekt abgestimmt – aufWunsch sogar mit Tattoo.www.prothesenwerk.comEnergieCloud & HeatGegründet 2011Produkt Server, die auchHäuser heizenMitarbeiter 37Sci-Fi-Faktor 9 von 10Wertvolle Energie einfach in die Luft pusten?Nicht mit dieser Cloud: Internet-Serverwerden in speziellen Schränken aufgestellt,mit denen sich die Abwärme der Rechnerzur Erwärmung von Brauchwasser nutzenlässt. www.cloudandheat.comInnovativ und vernetztZusammen ist man weniger allein: <strong>Sachsen</strong>sDigital-Pioniere, Gründer und Kreativeunterstützen und beraten sich gegenseitig:www.wir-gestalten-dresden.dewww.kreatives-chemnitz.dewww.kreatives-leipzig.deMedizinProthesenwerkGegründet 2014Produkt Täuschend echteProthesen aus SilikonMitarbeiter 8Sci-Fi-Faktor 7 von 10KommunikationPlastic LogicGegründet 2000Produkt Biegbare Displays,als Armband tragbarMitarbeiter 100Sci-Fi-Faktor 8 von 10Ende März war es so weit: Sunfireproduzierte die ersten fünf Liter Dieselaus Wasser und CO 2 . Sobald das Verfahrender Firma in größerem Maßstabanwendbar ist, fahren unsere Autoszwar immer noch nicht mit Luft undLiebe, aber immerhin mit Luft, Wasserund Ökostrom. www.sunfire.deMobilitätSunfireGegründet 2010Produkt Dieselkraftstoffaus Wasser und CO 2Mitarbeiter 70Sci-Fi-Faktor 10 von 10SACHSENDünn, flexibel undrobust: <strong>Das</strong> britisch-sächsischeUnternehmenPlastic Logic fertigtDisplays, die mansich ums Handgelenkwickeln kann.Ob wir wohl schondie WM 2018auf solchen guckenwerden?www.plasticlogic.comHerausgeberFreistaat <strong>Sachsen</strong>,Sächsische Staatskanzlei,01095 Dresden,Tel. +49 351/564-0,info@sk.sachsen.de,www.sachsen.deGesamtkoordinationKetchum Pleon GmbH,Goetheallee 23,01309 DresdenVerlag TEMPUSCORPORATE GmbH –Ein Unternehmen <strong>des</strong>ZEIT VerlagsGeschäftsführungUlrike Teschke,Manuel J. Hartung,Jan HawerkampBüro Berlin:Askanischer Platz 3,10963 Berlin1ProjektleitungYvonne BaumgärtelTextchefin Fenja MensArtdirectionAndreas VolleritschRedaktion MoritzBaumstiegerBildredaktion BarbaraPütter, Stefan ScholtzSchlussredaktionFrauke FranckensteinDruck Prinovis Ltd. & Co.KG, Betrieb Ahrensburg,Alter Postweg 6,22926 AhrensburgHerstellungDirk WoscheiRepro 4mat mediaDer Verlag übernimmt fürunverlangt eingesandteUnterlagen keine Haftung.Bei Nichterscheinen durchhöhere Gewalt oder Streikkein Entschädigungsanspruch.Eine Verwertungder urheberrechtlich geschütztenZeitschrift undaller in ihr enthaltenenBeiträge und Abbildungen,insbesondere durch Vervielfältigungoder Verbreitung,ist ohne vorherigeschrift liche Zustimmung<strong>des</strong> Verlags unzulässigund strafbar, soweit sichaus dem Urheberrechtsgesetznichts anderes ergibt.Die Veröffentlichungder Veranstaltungstermineerfolgt ohne Gewähr.


TermineKUNST ERLEBEN, NEUES ENTDECKEN, EINFACH FEIERN:WAS SIE DIESEN SOMMER UND HERBSTIM FREISTAAT AUF KEINEN FALL VERPASSEN SOLLTENJ U N I & J U L IFotos: Toni Kretschmer newpiceu; Paul Glaser; Sven Hoeher; Marco Prosch; PRAB 25.6. | DRESDENFilmnächte am ElbuferMan kann sich kaum entscheiden,wo man hinschauen soll (Bildoben): auf die Leinwand? Oderauf die unvergleichliche barockeStadtsilhouette Dresdens, diesich am anderen Elbufer inden Nachthimmel erhebt? Wieauch immer: Erleben Sie (bis23.8.) unvergessliche Abende.www.filmnaechte.de26./27.6. | CHEMNITZKosmonaut FestivalAls das „splash“-Festival vonChemnitz nach Leipzig zog,dachte sich die Band Kraftklub:Dann machen wir halt unsereigenes Festival am StauseeOberrabenstein. Die Mitgliederhelfen beim Aufbau und spielennatürlich selbst – der Headlinerist jedoch noch geheim.www.kosmonaut-festival.de2.–4.7. | GÖRLITZVia Thea – InternationalesStraßentheaterfestivalFür drei Tage werden AnfangJuli die Straßen, Plätze undGassen der Europastadt Görlitz-Zgorze lec zur Bühne (Bild unten):Beim 21. Straßentheaterfestivalzeigen nationale und internationaleKompanien ihre Produktionenunter freiem Himmel.www.viathea.deBIS 5.7. | LICHTENSTEINErotica im Daetz-CentrumSo heiß, wie hoffentlich derSommer ist: Im Schlosspalaisund dem architektonisch beeindruckendenMuseumsneubauin Lichtenstein zeigt das Daetz-Centrum innerhalb der Dauerausstellung„Meisterwerke inHolz“ mit Schnitzereien undSkulpturen von fünf Kontinentennoch bis 5. 7. die Sonderschau„Erotica International“.www.daetz-centrum.deAB 10.7. | DRESDENOstrale630 Künstler haben sichbe worben – nur die bestenwerden von der Jury aus gewählt.Sie dürfen sich bis 27.9. imDresdner Ostragehege unterdem Motto „Handle with Care“präsentieren. Die Austellungist eine der größten für zeitgenössischeKunst weltweit.www.ostrale.de10. /11.7. | LEIPZIGKlassik airlebenZum 1000. StadtgeburtstagLeipzigs geben sich die Musiker<strong>des</strong> Gewandhauses in der ParkanlageRosental die Ehre: Ab20 Uhr spielen sie unter freiemHimmel. Decke und Picknickkorbeinpacken und bei freiemEintritt einfach genießen.www.gewandhausorchester.deBIS 2.8. | DIVERSE ORTEFestival Mitte EuropaSeit 1992 erschließt ein grenzüberschreiten<strong>des</strong>Festival in Bayern,Tschechien und <strong>Sachsen</strong> neueRäume für Konzerte, Ausstellungen,Begegnungen. Kultur inKirchen, Burgen, Bergwerken!www.festival-mitte-europa.de25Sommer <strong>2015</strong>


A U G U S T2612.–15.8. | ZWICKAU<strong>Sachsen</strong> Classic180 Oldtimer aus siebenJahrzehnten bilden, wenn sie aufdieser Liebhaber-Rallye durchdie schönsten Landschaften <strong>des</strong>Freistaats brausen, zusammen<strong>Sachsen</strong>s längstes Automobilmuseum– sehenswert nicht nurbei der Zieleinfahrt.www.sachsen-classic.de14.–16.8. | DRESDENCanaletto-StadtfestCanaletto war der Maler, der um1750 die berühmten DresdnerStadtansichten schuf, die heutein der Gemäldegalerie AlteMeister zu sehen sind. <strong>Das</strong> nachihm benannte Fest ist ebenfallseine Reise wert: Eine halbeMillion Besucher und mehr als1000 Künstler werden in<strong>Sachsen</strong>s Kapitale erwartet.www.dresdner-stadtfest.com14.–16.8. | LEIPZIGWasserfestLeipzig ist eine Stadt <strong>des</strong> Wassers:Hier vereinigen sich Elster, Pleißeund Parthe, dazu gibt’s vieleKanäle. An drei Tagen findenBootsparaden und Rennen statt –und auf der großen Wasserfestpartyam Schluss gibt es ganzsicher mehr zu trinken als „mitoder ohne Sprudel“.www.wasserfest-leipzig.de15.–30.8. | MORITZBURGMoritzburg FestivalWas 1993 begann, hat sich zueinem der international bedeutendstenFestivals für Kammermusikentwickelt. BesondereBeachtung schenken die Musikerim barocken Wasserschloss (Bildoben) dieses Jahr den KompositionenLudwig van Beethovens.www.moritzburgfestival.deBIS 1.11. | MEISSEN1000 Jahre Bier in <strong>Sachsen</strong>Da braut sich was zusammen:Die tiefgründigen, auchabgründigen Seiten aus einemJahrtausend sächsischer Bierhistoriezeigt eine süffigzusammengestellte Ausstellung(Bild oben) auf der AlbrechtsburgMeissen. Na dann prost!www.albrechtsburg-meissen.de21.–23.8. | BAD ELSTER12. Internationale JazztageDie Jazztage in Bad Elster habensich vom Geheimtipp zumPflichttermin entwickelt. Stargastbei den Konzerten in denköniglichen Parkanlagen istSchauspieler Uwe Ochsenknecht(Bild unten), der mit seinerBand inzwischen kräftig swingt.www.chursaechsische.de28.–30.8. | BAUTZEN23. WasserkunstundPuppenspielfest<strong>Das</strong> Mühltor und die Alte Wasserkunst,Wahrzeichen Bautzensund technisches Wunderwerk(Bild oben), sind geöffnet undlocken mit Ausstellungen. <strong>Das</strong>Puppenspielfest entführt in dieWelt der Märchen und Mythen.www.altewasserkunstbautzen.deBIS 18.10. | GÖRLITZAuferstehungeines Denkmals1989 war Görlitz’ Altstadt fastam Ende. Fotograf Jörg Schönerbegann, das Stadtbild zudokumentieren – die Gegenüberstellungder Bilder vondamals und heute fasziniert.www.fotoausstellunggoerlitz.deSACHSEN


S E P T E M B E R & O K T O B E RFotos: Tapetenwerk; Jens Schwarz/laif; Rene Gaens; Michael Schmidt; Kirsten Njihof; Tom Schulze; Jens-Michael Bierke; Jörg Schöner; PR2.–13.9. | FREIBERGSilbermann-TageDie Klangkörper <strong>des</strong> berühmtestenOrgelbauers <strong>des</strong> Barock(Bild oben) locken internationaleStars ins Erzgebirge. BeimXII. Internationalen Gottfried-Silbermann-Wettbewerb spieltder Nachwuchs um die Wette.<strong>Das</strong> Festival bietet neben Konzertenauch spannende Führungen,Exkursionen und Vorträge.www.silbermann.org11.9. | LEIPZIGTapetenwerkfest<strong>Das</strong> Kreativquartier an der LütznerStraße (Bild unten) öffnetseine Ateliertüren: Während imHof Musik, Gastronomie undKinderprogramm geboten werden,präsentieren die Galerien neueAusstellungen und die Künstlersich in ihren Werkstätten.www.tapetenwerk.de13.9. | LEIPZIGHerbstrundgang derSpinnereiGalerien„From Cotton to Culture“ istder Wahlspruch der Spinnereiin Leipzig (Bild unten) – derHerbstrundgang der Galerienzeigt, wieso: Die elf Galerienauf dem Gelände, auf dem einstBaumwolle produziert wurdeund jetzt neben anderen NeoRauch seine Arbeitsräume hat,öffnen ihre Pforten, genauwie einige der Künstlerateliers.www.spinnerei.de25.–27.9. | RADEBEULXX. WandertheaterfestivalFür sein jährliches HerbstundWeinfest hat RadebeulWander theater aus derganzen Welt eingeladen, die anverschiedenen Orten derStadt um die Wette spielen. <strong>Das</strong>Publikum, wie sollte es anderssein, stimmt ab, wer als Siegerden Wanderpokal erhält.www.weinfest-radebeul.deWir haben ein spannen<strong>des</strong> Paket für Sie zusammengestellt, das <strong>Sachsen</strong>sHauptstadt Dresden von ihren kreativsten Seiten zeigt: Zwei Personenübernachten im Backstage Hotel im Szeneviertel Neustadt, besuchen dieStaatlichen Kunstsammlungen, die Textildruckerei Nikkifaktur und dasStaatsschauspiel. Gehen auf Street Art Tour, dinieren im bean&belugaund werden im Craft Beer Store viel über neue Biere erfahren – und sie4.10. | OELSNITZErntedankauf der Lan<strong>des</strong>gartenschauBereits seit April blüht undsprießt es im Erzgebirge. DieAbschlusswoche der 7. Lan<strong>des</strong>gartenschaubeginnt mit einemökumenischen Erntedankgottesdienstund einer Lichtinzenierung,bevor sie am 11. Oktoberihre Pforten schließt.www.lan<strong>des</strong>gartenschauoelsnitz.de22.–31.10. | DRESDENJubiläumstageFrauenkircheAuferstanden aus Ruinen:In diesem Herbst jährt sich zumzehnten Mal die Vollendung<strong>des</strong> Wiederaufbau projekts derFrauenkirche (Bild unten). <strong>Das</strong>neue und alte WahrzeichenDresdens feiert dies mit Festtagenund zahlreichen Konzerten.www.frauenkirche-dresden.deGEWINNSPIEL23.–25.10. | LEIPZIGDesigners’ OpenMesse, Bühne für Trends, Ideenschleuder– drei Tage langdiskutiert die Branche auf derDesigners’ Open (Bild unten)die Ästhetik von morgen.Und nicht nur die: Unter denNamen „Design Spots“ und„Art Spots“ öffnen in ganzLeipzig Ateliers, Galerien undWerkstätten ihre Türen fürInteressierte, die eine Reise in dieWelt der Formen wagen möchten.www.<strong>des</strong>ignersopen.denatürlich auch probieren. Was Sie dafür tun müssen? Lesen Sie die Poetry-Slam-Texte auf Seite 16/17 und stimmen Sie bis 31. Juli <strong>2015</strong> mit einerE-Mail an gewinnen@so-geht-saechsisch.de oder einer frankier ten Postkartean die Redaktion <strong>Sachsen</strong>-Magazin, c/o Ketchum Pleon, Goetheallee 23,01309 Dresden, darüber ab, welcher Slammer den besseren Text verfassthat. Unter den Einsendungen wird der Gewinner ausgelost. Viel Glück!27Teilnehmen darf jede natürliche Person außer Mitarbeiter der Sächsischen Staatsregierung sowie deren Angehörige. Personenbezogene Daten werden nicht an Dritte weitergegeben, ausschließlich für den genanntenZweck genutzt und anschließend gelöscht. Einsen<strong>des</strong>chluss: 31.7.<strong>2015</strong>. Der Gewinner wird schriftlich benachrichtigt. Eine Barauszahlung <strong>des</strong> Gewinns ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.Sommer <strong>2015</strong>


Im Görlitzer Warenhaus wurde „GrandBudapest Hotel“ gedreht. Bald soll das schönsteKaufhaus Deutschlands wieder eröffnen.Klappe undAction, Görlitz!HOLLYWOOD IST DAUERGASTIN DEUTSCHLANDS ÖSTLICHSTERSTADT – EINZIGARTIG SINDHIER DIE KULISSEN. UND DASENGAGEMENT DER BEWOHNER28Manchmal hilft eben nur voller Körpereinsatz.Und wenn’s um das Thema Film geht, sinddie Görlitzer gern dazu bereit. Als StadtführerinKarina Thiemann ihre Gäste begrüßt, die siedurch die Filmgeschichte führen will, hat siewegen einer Erkäl tung kaum Stimme. „Ichmuss ein wenig flüstern“, wispert sie, „aber daskriegen wir schon hin.“Diesen Einsatz weiß man in Holly wood zuschätzen. Die Filmteams geben sich die Klinkender Görlitzer Hotelzimmer in die Hand – geradedrehen Daniel Brühl und Emma Thompson dieNeuverfilmung von Hans Falladas Roman „Jederstirbt für sich allein“. Der erste Film, der hierentstanden ist, war im Jahr 1954 „Der Ochsevon Kulm“. Seither kamen 80 weitere Produktionendazu. Allein die der vergangenen Jahrereichen, um sich die Augen viereckig zu gucken:„Der Vorleser“, „Inglourious Basterds“, „In 80Tagen um die Welt“, „The Monuments Men“.Und natürlich „Grand Budapest Hotel“ – seitdemfühlt sich Görlitz ein wenig wie ein Oscar-Preisträger: Der Film bekam <strong>2015</strong> unter anderemden Academy Award für das beste Szenenbild.Die Regisseure lieben die Altstadt mit ihren4000 denkmalgeschützten Bauten: Mit wenigenStadtführerin Karina Thiemann*hat so ziemlich jeden Film gesehen, derin Görlitz gedreht wurde – ambesten hat ihr der „Der Vorleser“ gefallen.* freut sich auf daswww.altstadtfest-goerlitz.comFotos: Sebastian Arlt;20th Century Fox; Dr. OttoSACHSEN


Willkommen im „Grand Budapest“!In Görlitz’ wohl berühmtestesHotel einzucheckendürfte aber schwierig sein, auchwenn Witzbolde im Internetfleißig Bewertungen schreiben.Gute Hotels sind etwa amUntermarkt zu finden – vielleichtsogar mit Aussichtauf Dreharbeiten (rechts).„Görliwood“ hat inzwischen sogar seineeigene Souvenirkollektion (links).AnemoneMüller-Großmann*verwendet fürihre Leckereien nurNaturprodukte.Als sie für die Film-Törtchen Lebensmittelfarbekaufenmusste, hätte siesich „am liebsteneinen Sack über denKopf gezogen“.* freut sich darauf,gemeinsam mit ihrenKindern durch diewww.kulturinsel.comzu turnen.Mitteln lässt sich hier die Illusion je<strong>des</strong>gewünschten Orts herbeizaubern. „Görlitzwar in den vergangenen Jahren alles“,krächzt Thiemann, „das Paris der 1890er­Jahre, ein norditalienisches Städtchen,St. Petersburg, der Hafen von New Yorkund sogar Venedig – da haben sie über denUntermarkt Gondeln auf Rädern gezogen.“Görlitz ist aber mehr als nur eineKulisse, dafür sorgen seine Bewohner. WennQuentin Tarantino Komparsen für Szenenmit amerikanischen Soldaten braucht, dannlernen junge Görlitzer eben zwei Wochenlang militärischen Drill und üben in einerleeren Fabrikhalle das Schießen. Und wennder vorgesehene Konditor aus Paris diequietschbunten Törtchen für das „GrandBudapest Hotel“ nicht wie gewünscht hinbekommt,dann fährt Regisseur Wes Andersoneben hinaus zu Anemone Müller-Großmannin ihr Café-Restaurant in Königshain.„Plötzlich standen die Amerikaner inder Backstube“, erinnert sich die Konditorinund muss dabei noch immer den Kopfschütteln, „und sagten ständig: ,Great!‘, ,Wonderful!‘und vor allem: ,More colour!‘“<strong>Das</strong> Filmteam brauchte ein Gebäck namens„Courtesan au Chocolat“, eine fragile Konstruktionaus vier übereinandergestapeltenWindbeuteln – Müller-Großmann machtewelche. <strong>Das</strong>s die quasi eine kleine Hauptrolleim Film spielen sollten, ahnte sieda noch nicht – und auch nicht, dass ausden anfangs bestellten 20 Stück insgesamt1500 werden sollten, weil Anderson mancheSzenen bis zu 80-mal drehen ließ.Zurück zu Karina Thiemann, die anjeder zweiten Ecke ein Bild aus ihrer Mappezieht, auf dem man das echte Görlitz mitdem in den Verkleidungen abgleichen kann,die ihm die Filmindustrie schon mal übergestülpthat. Je länger Thiemann redet, <strong>des</strong>tobesser funktioniert ihre Stimme – glücklicherweise,sonst hätte man vielleicht eineletzte schöne Anekdote verpasst.Als Wes Anderson Darsteller für Mönchebenötigte, meldete sich der GörlitzerBäckerchor. Tapfer ließen sich alle Mitgliedereine Tonsur ins Haupthaar rasieren.Der Dreh der Szene wurde allerdings umzwei Wochen verschoben, die Männermussten mit der ungewöhnlichen Frisurdurch den Alltag gehen. Dann wurdenoch mal nachrasiert. Voller Körpereinsatzeben. Als es dann endlich hieß: „Klappeund Action!“, hatte sich Anderson andersentschieden: Er wollte die Mönche danndoch lieber mit Kapuze.29Sommer <strong>2015</strong>


„Ich rufemir die Liebe insGedächtnis“CHRISTIAN FRIEDEL HAT INDRESDEN NEUE PERSPEKTIVENENTDECKT – ALS SCHAUSPIELER,ABER AUCH ALS MUSIKER30Sie spielen Theater in Dresden, übernehmenHauptrollen in Kinofilmen wie „Elser“ und singenin einer Band. Sind Sie etwa nicht ausgelastet?Ich war von Kin<strong>des</strong>beinen an ein kleiner Unterhalter– die Schauspielerei und die Musik waren mirgleich wichtig. Als ich mich für einen Beruf entscheidenmusste, schien mir das Theater die sichersteAlternative. Und sobald ich mich etwas freigespielthatte, kam die Musik wieder in mein Leben.Wie schaffen Sie es, dass bei so vielen Parallel-Projekten nicht die Konzentration leidet?In der Schauspielschule wollte ich alles auf einmal.Als mir da ein Dozent sagte, ich könne nicht „aufallen Hochzeiten gleichzeitig tanzen“, habe ich ihnnicht verstanden. Inzwischen musste ich erfahren,was er meinte, habe aber meinen eigenen Weggefunden: Ich tanze auf verschiedenen Hochzeiten,aber eben nacheinander. Wenn ich einen Filmdrehe, stürze ich mich mit aller Kraft in die Rolle.Nach der letzten Szene ist wieder Zeit für die Band.Inzwischen gelingt es Ihnen sogar, Musik undSchauspielerei miteinander zu verbinden.Der Hamlet, den ich in Dresden spiele, singt – zurMusik meiner Band Woods of Birnam. Auchin „Elser“ hatte sie eine kleine Szene. Wenn man esso betrachet, scheint es doch zu funktionieren,auf mehreren Hochzeiten gleichzeitg zu tanzen.Wie offen ist das Dresdner Publikum?Es wartet zunächst meist ab und lässt einen machen.Wenn es dann merkt, dass da einer mit vollerEmpathie dabei ist, öffnet es sich bedingungslos.Und steht zu einem, wenn ein Stück scheitert.Mit Woods of Birnam haben Sie in Dresden auchfür Weltoffenheit demonstriert.Ich bin durch meine Rolle in „Elser“ politischerChristian Friedel wurde1979 in Magdeburg geborenund studierte Schauspielan der Otto Falckenberg Schulein München. Nach einerStation in Hannover folgteer dem Intendanten WilfriedSchulz ans StaatsschauspielDresden, dort lernte er dieMusiker der Band Polarkreis18 kennen, mit denen er dieneue Gruppe Woods of Birnamgründete. „<strong>Das</strong> weiße Band“,der erste Kinofilm, in dem ermitspielte, wurde für den Oscarnominiert. Zuletzt spielteFriedel die Hauptrolle in „Elser –Er hätte die Welt verändert“.geworden. Wer wegschaut, macht einen großenFehler. Und die Jungs aus der Band kommen vonhier – ihnen war es ein wirkliches Anliegen, zuzeigen: <strong>Das</strong>, was da einige Zeit durch die Nachrichtengeisterte, das ist nicht unser Dresden.Sie leben seit 2009 in <strong>Sachsen</strong>. Inwiefern hat Siediese Zeit verändert?Ich bin sportlicher geworden. Noch nie in meinemLeben bin ich so viel Rad gefahren wie an der Elbe,so viel gewandert wie in der Sächsischen Schweiz.In Dresden ist aber vor allem die bildende Kunst inmein Leben getreten, meine Freunde hier brachtenmich darauf. Ich habe mir eine Jahreskarte besorgtund bin zu den Alten Meistern in den Zwingergegangen – die Tiefe und die Farbgewaltigkeit derBilder haben mich fasziniert. Auch in der GalerieNeue Meister im Albertinum bin ich gewesen undhabe dort überraschende Perspektiven erlebt.Hat davon eher der Musiker Christian Friedelprofitiert oder der Schauspieler?Beide – sie sind ja Teile ein und derselben Person.Wenn ich Songs schreibe, denke ich manchmal daran,welche unterschiedlichen Sichtweisen die Fantasieeinigen Malern eröffnet hat. Und wenn ich micheiner Rolle nähere, rufe ich mir die große Liebe insGedächtnis, mit der manche Künstler die Menschenporträtiert haben. Man spürt sie immer noch, wennman die Bilder betrachtet.Foto: Andreas Pein/laifSACHSEN


gipfeltreffenin torgau1. NatioNaleSoNderauSStelluNgzum 500.reformatioNSjubiläumdieauSStelluNg Steht uNterder SchirmherrSchaftvoN buNdeSpräSideNt joachim gauck.Die Renaissancestadt Torgau war als kursächsischeResidenzdas politische Zentrum der Reformation.Hier weihte Martin Luther dieerste nach seinenVorstellungen erbaute protestantische Kirche ein.Eine Ausstellung imSchloss Hartenfels, in derKurfürstlichen Kanzlei und der SuperintendenturlässtamhistorischenOrt miteinzigartigen Kunstwerken,Dokumenten undKostbarkeiten dieZeit der Reformationwiedererstehen. EinenSommer lang können diefürstliche PrachtunddasSelbstverständnis der Herrscher zur ZeitMartin Lutherserlebt werden.SchloSS hartenfelS15. Mai –31. oktober <strong>2015</strong>www.luther.skd.museumDie Ausstellung bildetden Auftakt der vier NationalenSonderausstellungen zum 500-jährigenReformationsjubiläum. Mit der Veröffentlichungvon Luthers 95 Thesen erfasste die Reformation alleLebensbereiche der Gesellschaft. Ihre Wirkungskraftverdankte sie insbesondere demEintretender protestantischen Fürsten für LuthersLehren,allen voranden Kurfürsten von<strong>Sachsen</strong>.Heutezeugt Torgau wiekaum eine andere Stadt inDeutschlandvon dieser Epoche.eine ausstellung der Staatlichen kunstsammlungen dresden in kooperation mitdem landkreis Nordsachsen und der großen kreisstadt torgau.förderer:partner:hauptförderer:

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