PERSPEKTIVWECHSEL
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Anti-Bias-Methoden<br />
Methodisch gesehen lässt sich der Anti-Bias-Ansatz im Bereich der wissensbasierten Intervention und dem<br />
Bereich der Kompetenzförderung ansiedeln. Der Ausgangspunkt dieser Methoden ist das Anliegen, eine<br />
erfahrungsorientierte Annäherung an das Thema ‚Vorurteile‘, und ‚Diskriminierung’ zu ermöglichen. Der Anti-Bias-<br />
Ansatz versteht sich als integrativer pädagogischer Ansatz, der die Exploration und Modifikation vorurteilsbehafteter<br />
Gedanken und Verhaltensweisen möglich macht. Mittels eines breit gefächerten Methodenrepertoirs kann die<br />
eigentliche Veränderung der als problematisch erkannten Annahmen und Handlungsmuster erfolgen.<br />
Die Anwendung dieses Methodenrepertoir findet in der Regel auf drei Ebenen – Kognition, Emotion, Verhalten<br />
– statt und wird durch die Annahme begründet, dass alle drei einander stets transaktional beeinflussen und eine<br />
dauerhafte „Umstrukturierung“ nur durch die Arbeit auf allen drei Ebenen erreicht werden kann.<br />
Die vorgesehenen sensibilisierenden Methoden sind überwiegend selbstzentriert und selbstextrovertiert. Dabei<br />
geht es zum einen um eine individualistische Selbstreflexion anhand der im Seminar vermittelten Konzepte und<br />
Inhalte, zum anderen um die Vergewisserung der eigenen Position in der Außenwirkung und der Selbstdarstellung.<br />
Die selbstzentrierte Reflexion kann dazu dienen, eigene Denk- und Verhaltensmuster in Frage zu stellen; damit<br />
ist die Voraussetzung für einen veränderten Umgang mit als konfliktreich erlebten Situationen gegeben. Der<br />
selbstextrovertierte Zugang macht die Adressaten anhand der im Gruppenprozess vermittelten Konzepte und<br />
Inhalte zugleich auf das Erleben und Verhalten anderer aufmerksam.<br />
Die Methoden des Anti-Bias-Ansatzes sind dialogisch angelegt – sie leiten ein aktives Erzählen und Zuhören ein.<br />
Im Zentrum derartig strukturierter Interaktionen steht die Auseinandersetzung mit eigenen sozio-kulturellen<br />
Normen und Toleranzmaßstäben, aber auch mit historischen Tradierungen und gesellschaftspolitischen Differenzlinien,<br />
die zur Legitimierung und Stabilisierung schiefer Machtverhältnisse beitragen (s. auch zentrale Themen im<br />
Anti-Bias-Ansatz). Der Weg des dialogischen Lernens achtet auf die Gleichwertigkeit der erzählten Geschichten,<br />
lässt jedoch zugleich deren Subjektivität und Diversität zum Tragen kommen. Das aktive Zuhören ermöglicht die<br />
einfühlende und bewertungsfreie Teilnahme an den subjektiven Erlebenswelten der Erzählenden und setzt das<br />
empathische Verstehen der Zuhörenden voraus.<br />
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Die Essenz der Anti-Bias-Arbeit ergibt sich jedoch nicht nur aus dem Austausch subjektiver Erfahrungen. Die<br />
Trainingskonzepte folgen in der Regel einer durchdachten Übungsstruktur. Die gezielt gewählte Vielfalt der<br />
Veranstaltungsformen und Vermittlungsstrategien bietet dafür den erforderlichen Rahmen. Ein zentrales Anliegen<br />
dieser Lernform besteht darin, den Erwerb von Wissen mit emotionaler Bedeutung zu verknüpfen und gleichzeitig<br />
die Motivation für Veränderung zu fördern.<br />
Die Anti-Bias-Fortbildungen setzen – je nach Zeit und Bedarf – die Reflexion über individuelle Wahrnehmungsund<br />
Zuschreibungsprozesse, die Exploration von Fall- und Problemsituationen aus dem Alltag der<br />
Teilnehmenden sowie die Analyse ihrer Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten voraus. In den verschiedenen<br />
Gruppensettings – Einzelarbeit, Kleingruppenarbeit, Plenum – lernen die TeilnehmerInnen die biografischen<br />
sowie die gesellschaftlichen Realitäten für sich zu erschließen und kritisch zu hinterfragen. Ferner erproben die<br />
TeilnehmerInnen Interventionsmöglichkeiten, die in der Praxis zur Anwendung kommen können.<br />
Die Methoden des Anti-Bias-Ansatzes bieten ein geeignetes Medium zur Vermittlung von Inhalten, die nicht<br />
auf explizitem Wege ersichtlich werden können. Pointiert formuliert: Der Anti-Bias-Ansatz liefert keinen<br />
Methodenkatalog, sondern stellt ein Prinzip dar, das durch das Bestreben gekennzeichnet ist, die „eingespielten“<br />
Denk- und Handlungsmuster zu analysieren und zu modifizieren.<br />
Neben dem oben dargestellten Reflexionsanteil und der Stärkung von Beobachtungswissen ist das sachanalytische<br />
Erklärungswissen ein wichtiger Bestandteil jeder Fortbildung, um Zusammenhänge zwischen den subjektiven<br />
Weltbildern und den gesellschaftlich vermittelten sozialen, kulturellen und politischen Realitäten zu erkennen und<br />
kritisch hinterfragen zu lernen.