PERSPEKTIVWECHSEL
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Resümee<br />
Nur wenige TeilnehmerInnen unserer Seminare haben einen persönlichen Kontakt zu Juden in Deutschland.<br />
Das Bild von Juden, das gegenwärtig existiert, ist vorwiegend geschichtlich geprägt und nicht zuletzt in einem<br />
konservativen Diskurs verhaftet.<br />
„Es sind die Juden, die eine ‚undurchdringliche Mauer‘ errichten und ‚jungen Deutschen ihre Freiheit nehmen‘...“<br />
(Schneider, 2001, S. 259). Ist diese Sicht antisemitisch? In der breiten Öffentlichkeit wird der Antisemitismus<br />
entweder historisiert oder vorrangig mit Rechtsradikalismus assoziiert. Dadurch wird der aktuelle Antisemitismus<br />
nicht als gesellschaftliches Phänomen wahrgenommen, das in der Mitte der Gesellschaft verankert ist, sondern als<br />
eine Randerscheinung. Vielfach wird der Antisemitismus als Reaktion auf das jüdische Wesen und den angeblichen<br />
Wunsch der Juden dargestellt, „etwas besonders zu sein“ (vgl. ebenda, 2001, S. 259).<br />
Gelegentlich fühlen wir uns in der Vergangenheit sicherer als in der Gegenwart, die zu heikel, zu komplex zu sein<br />
scheint. Die Thematisierung der Vergangenheit ist vertraut; die Problematisierung tabuisierter antisemitischer<br />
Deutungsmuster ist hingegen häufig mit anderen politisch bedeutsamen Themen wie dem Rechtsradikalismus<br />
und der Fremdenfeindlichkeit verbunden.<br />
In den Anti-Bias-Seminaren sind derartige Sensibilisierungen erwünscht, und die begleitenden Reaktionsmuster<br />
werden durch die Seminarleitung wertschätzend aufgefangen. Durch die themenzentrierten Übungen werden<br />
die Teilnehmenden angeregt, die starren Bilder und Vorstellungen von Juden zu überdenken und alternative<br />
Perspektiven zu wagen. Die für dieses Themenfeld entwickelten Anti-Bias-Methoden begleiten und vertiefen<br />
den angestrebten Reflexionsprozess. Folglich vollzieht sich die Seminararbeit zu diesem Themenfeld im<br />
Rahmen handlungsbezogener Lerneinheiten, in denen die persönlichen Einsichten, aber auch die bisherigen<br />
Vermittlungsformen und Ansätze kritisch reflektiert werden können.<br />
In der Auseinandersetzung zwischen Fremdem und Vertrautem ist der Perspektivwechsel, der die eigene<br />
Wahrnehmung erweitert und den Blickwinkel der anderen einzunehmen versucht, ein Schlüssel zu Selbstvertrauen<br />
und reflektierten Fremdbildern. Die mittels Perspektivwechsel erlangte Wahrnehmung der Differenz im Spiegel<br />
des Anderen fördert die Herausbildung einer kohärenten Ich-Identität und motiviert zum selbstständigen Handeln.<br />
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Literatur<br />
Zygmunt Bauman. Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust. EVA Taschenbücher, Bd. 105. Hamburg 2002<br />
Dan Bar On / Konrad Brendler / A. Paul Hare (Hrsg.). Da ist etwas kaputtgegangen an den Wurzeln. Identitätsformation deutscher und israelischer Jugendlicher im<br />
Schatten des Holocaust. Frankfurt/M. 1997<br />
Micha Brumlik. Pädagogische Reaktionen auf Antisemitismus. In: Begleitbroschüre zur Wanderausstellung „Juden in Deutschland: Selbst- und Fremdbilder“. ZWST e.V.,<br />
2008. Download unter: www.idaev.de<br />
Marina Chernivsky. Schülerausstellung. In: Juden in Deutschland: Selbst- und Fremdbilder: Pädagogisches<br />
Perspektivwechsel – Handreichung, 2008. Download unter: www.idaev.de<br />
Begleitmaterial zur Schülerausstellung. ZWST e.V.<br />
Bernd Fechler / Gottfried Kößler / Till Lieberz-Groß (Hrsg.). „Erziehung nach Auschwitz“ in der multikulturellen Gesellschaft. Pädagogische und soziologische<br />
Annäherungen. Weinheim 2001<br />
Monica Kingreen. Begegnung mit jüdischem Leben in Vergangenheit und Gegenwart als eine pädagogische Präventionsmöglichkeit gegen Antisemitismus. In:<br />
Bildungsinitiativen. Gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Broschüre ZWST e.v. (Civitas) Bildungsprojekte. 2006, 2. Auflage (Nachdruck 2008). Download<br />
unter: www.idaev.de<br />
Heike Ravdan. Pädagogisches Handeln und Antisemitismus: Eine empirische Studie zu Beobachtungs- und Interventionsformen in der offenen Jugendarbeit.<br />
Bad Heilbrunn 2010<br />
Lars Rensmann. Demokratie und Judenbild: Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik. Wiesbaden 2004<br />
Albert Scherr / Barbara Schäuble. „Ich habe nichts gegen Juden, aber…“. Ausgangsbedingungen und Perspektivengesellschaftlicher Bildungsarbeit gegen<br />
Antisemitismus. Amadeu Antonio Stiftung 2007<br />
Jens Schneider. Deutsch sein. Das Eigene und das Fremde und die Vergangenheit im Selbstbild des vereinten Deutschland. Frankfurt/M. 2001<br />
Andreas Zick. Antisemitismus als Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Einfallstore und Schutzwälle. In: Das Eigene und das Fremde. Antisemitismus und<br />
Fremdenfeindlichkeit als Formen gesellschaftlicher Ausgrenzung. Tagungsdokumentastion ZWST e.v., 2009. Download unter: www.idaev.de