PERSPEKTIVWECHSEL

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Persönliche Reflexionen // Thomas Maier 46 Thomas Maier Bildungsreferent, Projekt „Perspektivwechsel“ Meine persönliche Motivation Meine Motivation war durch die Vorstellung bestimmt, dass der Austausch mit den einzelnen Menschen, den einzelnen Biografien für mich sehr wertvoll ist. Ich denke, dass man da einiges bewirken kann. Die Arbeit mit MultiplikatorInnen hat mich gereizt. Die TeilnehmerInnen bringen immer etwas mit, was einen persönlich sehr bereichert. Ich war neugierig auf das, was sie mitbringen. Sicherlich hatte ich auch die Hoffnung, dass man eine gemeinsame Vision entdeckt und daran arbeitet. Eine meiner Visionen ist, dass Organisationen durchlässiger und reflektierter mit Vielfalt umgehen. Anerkennende Organisationen sollten versuchen, die Vielfältigkeit der Menschen zu entdecken, um der menschlichen Komplexität gerecht zu werden. Eine anerkennende Institution sollte auf die komplexen Identitätsstrukturen der Individuen eingehen können. Die persönliche Motivation war ein Stück weit, Mediator zu sein, ein Übersetzer – jemand, der durch die Seminare den Menschen einen Raum dafür geben kann. Ich möchte ein Teil dieses besonderen Lernens sein, mich in dem Raum bewegen, in dem Geschichten erzählt werden … Ich habe in meiner Biografie verschiedene Bildungseinrichtungen durchlaufen, die einen stark ausgrenzenden Charakter hatten. Dann habe ich wahrscheinlich durch die Reisen in die anderen Länder und durch die Beschäftigung mit dieser Thematik im Studium ein Gespür dafür entwickelt, wie das ist, wenn das Individuum im Zentrum steht. Der Mensch kann sich nur dann als eine tatkräftige Person erleben und etwas Kreatives hervorbringen, wenn er anerkannt ist. Die Eigeninitiative entsteht durch Bestätigung, wenn der Mensch weiß, dass seine Fähigkeiten und Eigenschaften gewollt und anerkannt sind. Ansonsten geht der Kern der Bildung verloren; es muss eine aktive Auseinandersetzung stattfinden. Bildung erfordert einen weiten Spielraum. Die Vielfältigkeit kann nicht vorgegeben sein; sie braucht den eigenen Raum, um sich entfalten zu können. Mir ist von Anfang an aufgefallen, dass Menschen dazu neigen, andere Menschen einzuordnen – aufgrund einer scheinbaren kulturellen Repräsentation, ihres Erscheinungsbildes oder aufgrund dessen, als was ihnen die Anderen subjektiv erscheinen. Mich hat es irritiert, dass vielfach kein Interesse besteht, einen weiteren Blick zu riskieren. Durch diese Arbeit möchte ich die Vorstellung des „zweiten Blicks“ anregen und zeigen, dass es sich lohnt, den Blick zu verändern. Menschen, die es nicht gewohnt sind, den zweiten Blick zu riskieren, sei es aufgrund ihrer Arbeit, die oftmals stressvoll ist, sei es aufgrund der Strukturen, in denen sie arbeiten, können, so denke ich, einen anderen Raum (Übungsraum) gebrauchen, in dem sie das probieren. Den zweiten Blick muss man üben. Projektziele Das Hauptziel des Projekts ist eine nachhaltige Sensibilisierung für Vorurteile und Diskriminierung: für den Antisemitismus, den Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit – für all das, was ausgrenzend ist. Das Projekt arbeitet jedoch nicht nur auf der Ebene der Sensibilisierung. Die Projektstruktur ermöglicht auch Ausbaumöglichkeiten und einen Transfer in die Praxis. Ich denke, es geht nicht nur um Sensibilisierung, sondern auch um Kompetenzerwerb. Die Teilnehmer können – gerade mit Hilfe der weiterführenden Seminare – ihre Kompetenzen ausbauen und selbst gegen Diskriminierung eintreten. Methoden und Konzepte Wir arbeiten mit intensiven Gruppendiskussionen und Einzelarbeitsphasen, die zu einer tiefgehenden, umfassenden Reflexion anregen. Die TeilnehmerInnen können sich hinsichtlich des Themas aktiv austauschen. Die Teilnehmerzentrierung ermöglicht es uns, die Bedürfnisse der Einzelnen aufzufangen. Methodisch ist uns auch die Ausgewogenheit zwischen Theorie und Praxis wichtig. Damit ist unter anderem der Transfer in die Alltagspraxis gemeint, der individuell ausgeformt wird. Mir persönlich gefällt am besten, dass der Einzelne das Gefühl bekommt, dass das, was er mitbringt, was ihm wichtig ist, wertgeschätzt wird. Es gibt keine zwangsläufige Hierarchie zwischen dem Trainer und der Gruppe. Der Gedanke ist systemisch:
Wir setzen nicht ein Lernziel voraus, das für alle gleichermaßen gelten muss. Es gibt auch individuelle Lernziele; jede und jeder integriert die Erkenntnisse entsprechend seiner Wahl in seine Biografie. Zum anderen ist die Person des Trainers eine normative Figur, an der man sich reiben kann. Die Wirksamkeit des Ansatzes (Anti-Bias) besteht aus meiner Sicht darin, dass hier eine andere Form des Dialogs (des Lernens) angeboten wird. Diese Lernform bringt eine Möglichkeit zur Identifikation, zur Reibung und zur Aushandlung mit dem Team und der Gruppe mit sich. Im Zentrum steht ein Arbeitsbündnis, eine andere Art der Freiwilligkeit … So eine Form der Auseinandersetzung kann zur Verankerung des Wissens beitragen, weil das Wissen emotional beflügelt ist, also in die Gefühlswelt eingebettet wird. Einerseits wird Wissen verankert, weil es emotional begleitet wird. Anderseits bietet aber gerade die Irritation eine Chance, mit sich selbst im Prozess zu sein. Persönliche Eindrücke Derartige Bildungsangebote können irritieren. Wir sind eher daran gewöhnt, dass uns die Richtung vorgegeben wird. Sich selbst zu positionieren, muss man üben. Es gibt, denke ich, Abwehr bei manchen TeilnehmerInnen, weil derartige Lernangebote stark verunsichern können. Es geht schließlich um die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, die auch Selbstzweifel mit sich bringen kann. Es gibt aber auch viele andere TeilnehmerInnen unserer Seminare, die für solche Angebote sehr dankbar sind. Sie freuen sich über den Austausch mit Gleichinteressierten. Ich nehme diese Dankbarkeit mit, die Teilnehmende uns entgegen gebracht haben. Wenn sie dann noch weiter machen wollen, zu weiteren Veranstaltungen kommen und einfach dauerhaft dran bleiben, bin ich ganz besonders erfreut. Das ist für mich das Zeichen der Nachhaltigkeit. 47 Ich hatte manchmal das Gefühl, dass wir gegen Windmühlen kämpfen. Die Feindbilder können sehr stabil sein. Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ist häufig eingeschränkt. Anders betrachtet, sind diese Widerstände wertvoll – genau die Windmühlen sind das Ziel.
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