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3 Die Rechtsidee - FernUniversität in Hagen

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62<br />

E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Praktische Philosophie anhand von ausgewählten Problemfeldern<br />

schnitt andiskutieren werden, lautet: Lässt sich das (politisch) Gerechte<br />

überhaupt auf (wie auch immer ethisch begründete) Moral fußen, oder<br />

braucht das Gerechte e<strong>in</strong>e vom (moralisch) Guten unabhängige Begründung?<br />

Begründung wahrer<br />

Praxis bei Kant<br />

In der 1. Kurse<strong>in</strong>heit hatten wir im Abschnitt über „Werte-Politik“ e<strong>in</strong>e Fundierung<br />

der Werte <strong>in</strong> bestimmten Politiken beschrieben. Aber ist das das<br />

letzte Wort? Oder gibt es nicht, geltungstheoretisch betrachtet, auch die<br />

umgekehrte Fundierung? Das jedenfalls war Kants dezidierte Ansicht <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Aufsatz „Über den Geme<strong>in</strong>spruch: das mag <strong>in</strong> der Theorie<br />

richtig se<strong>in</strong>, taugt aber nicht für die Praxis“. Ich zitierte zunächst die E<strong>in</strong>gangssätze,<br />

weil sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Worten noch e<strong>in</strong>mal zusammenfassen, was<br />

wir <strong>in</strong> der 1. Kurse<strong>in</strong>heit über das Verhältnis von Theorie und Praxis ausgeführt<br />

hatten.<br />

„Man nennt e<strong>in</strong>en Inbegriff selbst von praktischen Regeln als dann Theorie, wenn<br />

diese Regeln als Pr<strong>in</strong>cipien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissen Allgeme<strong>in</strong>heit gedacht werden, und<br />

dabei von e<strong>in</strong>er Menge Bed<strong>in</strong>gungen abstrahirt wird, die doch auf ihre Ausübung<br />

notwendig E<strong>in</strong>fluss haben. Umgekehrt heißt nicht jede Hantierung, sondern nur diejenige<br />

Bewirkung e<strong>in</strong>es Zwecks Praxis, welche als Befolgung gewisser im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

vorgestellten Pr<strong>in</strong>cipien des Verfahrens gedacht wird.“ 32<br />

Der Geme<strong>in</strong>spruch<br />

Dann stellt Kant zwei Typen von Leuten vor, die den Geme<strong>in</strong>spruch verteidigen,<br />

die Ignoranten und die „Klügl<strong>in</strong>ge“. <strong>Die</strong> ersten kommen <strong>in</strong> der<br />

Praxis e<strong>in</strong>igermaßen zurecht und wissen den Wert der Theorie, die sie<br />

nicht kennen, nicht zu schätzen. <strong>Die</strong> zweiten aber behaupten, <strong>in</strong> der Ausbildung<br />

(zur Schulung der Denkkräfte) sei die Theorie ganz gut, aber <strong>in</strong><br />

der Welt würde es sich dann ganz anders verhalten. Kant hält dem entgegen,<br />

dass etwa <strong>in</strong> der Ballistik jeder ausgelacht würde, der behaupten<br />

würde, <strong>in</strong> der Theorie könne man die Flugbahn e<strong>in</strong>es Geschosses exakt<br />

berechnen, <strong>in</strong> der Praxis aber verhielten sich Flugkörper gänzlich anders.<br />

Wäre das wirklich so, dann wäre die Theorie eben falsch und man müsste<br />

sie verbessern, nicht aber <strong>in</strong> der Praxis gänzlich auf Theorie verzichten<br />

und <strong>in</strong> der Ausbildung weiter die falsche Theorie lehren. Das Kantische<br />

Beispiel betrifft allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> Handeln im S<strong>in</strong>ne der poiesis, gilt es nun<br />

auch für die Praxis (im Aristotelischen S<strong>in</strong>ne)? Kant behauptet: Ja, und<br />

spricht von Leuten, die mit e<strong>in</strong>er Anmaßung<br />

„…die Vernunft, selbst <strong>in</strong> dem, wor<strong>in</strong> sie ihre höchste Ehre setzt, durch Erfahrung reformieren<br />

wollen; und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Weisheitsdünkel mit Maulwurfsaugen, die auf die<br />

letztere geheftet s<strong>in</strong>d, weiter und sicherer sehen zu können, als mit Augen, welche<br />

e<strong>in</strong>em Wesen zu Theil geworden, das aufrecht zu stehen und den Himmel anzuschauen<br />

gemacht war.“ 33<br />

_________________________________________________<br />

32 I. Kant: Ges. Werke, Akademieausg. VIII, S. 275<br />

33 A. a. O., S. 277.

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