3 Die Rechtsidee - FernUniversität in Hagen
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E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Praktische Philosophie anhand von ausgewählten Problemfeldern<br />
Existenz (Nahrung und Schutz) zu erhalten, entbehrt der bürgerlichen Persönlichkeit,<br />
… 28<br />
<strong>Die</strong> Beschränkungen des Wahlrechts für abhängig Beschäftigte, für<br />
Frauen und <strong>in</strong> Amerika für Sklaven wurden nach und nach abgeschafft,<br />
aber K<strong>in</strong>dern möchte auch heute noch niemand das aktive oder passive<br />
Wahlrecht zugestehen.<br />
3. In modernen Flächenstaaten können nicht wirklich alle an allen politischen<br />
Entscheidungen beteiligt werden. Daher tritt die Repräsentations-<br />
Fiktion an die Stelle wirklicher Beteiligung an den politischen Entscheidungen.<br />
Was zum Zeitpunkt ihrer E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>e praktische Notwendigkeit<br />
war, ist heute <strong>in</strong> Zeiten von TED und Internet eigentlich nicht<br />
mehr nötig. Und bei den Wahlen für die Gutachter der DFG ist 2008<br />
erstmalig die gesamte Wahl per Internet durchgeführt worden. Jeder<br />
Wahlberechtigte bekam e<strong>in</strong> nur für ihn und nur e<strong>in</strong>mal gültiges Passwort<br />
und konnte nur so abstimmen. Im Pr<strong>in</strong>zip, wenn man denn den Gedanken<br />
der gleichen demokratischen Partizipation sehr ernst nähme, ließe<br />
sich das auf alle politischen Entscheidungen und alle Bürger ausdehnen.<br />
Parlament und Regierung auf diese Weise überflüssig zu machen,<br />
ist aber e<strong>in</strong>e absolute Illusion und ist auch ke<strong>in</strong>e Verwirklichung anarchistischer<br />
Ideale der Herrschaftsfreiheit. Denn irgendjemand wird dann<br />
entscheiden, was und wann und wie etwas zur Entscheidung den Entscheidenden<br />
vorgelegt wird. Nicht nur das Repräsentationspr<strong>in</strong>zip<br />
schränkt die gleiche Partizipation aller e<strong>in</strong>, sondern auch das <strong>in</strong> Demokratien<br />
gültige Mehrheitspr<strong>in</strong>zip. Denn auch Mehrheiten s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong><br />
Surrogat des geme<strong>in</strong>samen Willens aller. Und Mehrheit ist im Ursprung<br />
lediglich derjenige Teil e<strong>in</strong>er Gesamtheit, der e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>derheit tatkräftig<br />
den eigenen Willen aufdrücken kann. Daher gibt es immer auch <strong>in</strong> zivilisierten<br />
Gesellschaften Schutzrechte, die als M<strong>in</strong>derheitenschutz bestimmt<br />
s<strong>in</strong>d, weil seit Mitte des 19. Jahrhunderts (Tocqueville, Mill) der<br />
Gedanke e<strong>in</strong>es Terrors der Mehrheit bekannt ist.<br />
Solidarität<br />
Der dritte Grundsatz der Französischen Revolution („Brüderlichkeit“) versucht,<br />
den Individualismus zu kompensieren. Erstmals <strong>in</strong> der frühromantischen<br />
Idee des „Symphilosophierens“ aufgenommen, hat diese Idee ihren<br />
Widerhall sowohl im Sozialismus als auch <strong>in</strong> der bewusst anti-<strong>in</strong>dividualistischen<br />
katholischen Soziallehre des 19. Jahrhunderts gefunden.<br />
Im Pr<strong>in</strong>zip gibt es e<strong>in</strong>en vierten Grundsatz der bürgerlichen Gesellschaft,<br />
der vielleicht sogar allen anderen logisch übergeordnet ist und bei Hobbes<br />
ja sogar zur Grundlage staatlicher Legitimität gemacht worden war, das ist<br />
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28 I. Kant: Metaphysik der Sitten. - In: Sämtliche Schriften, Akademie-Ausgabe. Nachdruck<br />
Berl<strong>in</strong> 1968, VI, S. 314.