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Nr. 2/11<br />
Ein amerikanischer Traum?<br />
Die SPÖ-Stadt<strong>zeitung</strong><br />
SPÖ<br />
Kennen Sie den „american dream“? Den Traum der<br />
Menschen in den USA vom Tellerwäscher zum Millionär<br />
aufzusteigen? Dieser Traum besagt, dass es<br />
jeder nach ganz oben schaffen kann, wenn er alle<br />
notwendigen Anstrengungen unternimmt. Es ist<br />
der Traum von gewonnenen Konkurrenzkämpfen,<br />
die ein Prinzip haben: “Der Sieger bekommt alles“.<br />
Aber nur weil jeder aufsteigen kann, heißt das noch<br />
lange nicht, dass es alle schaffen. Diese sprachliche<br />
Unterscheidung ist von großer Bedeutung. Denn in<br />
den USA besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung<br />
35 % des gesamten Vermögens und bekommt<br />
fast ein Viertel des gesamten Nationaleinkommens.<br />
Gleichzeitig sind 50 Millionen Menschen nicht krankenversichert,<br />
42 Millionen US-Bürger sind auf Essensmarken<br />
angewiesen. Der „amercian dream“ ist<br />
ein durch und durch egoistisches Konzept, bei dem<br />
einige wenige alles erreichen können. Die große<br />
Masse der normalen Menschen – die in den glitzernden<br />
Hollywoodfilmen nie zu sehen ist – lebt unter<br />
enormen Existenzdruck, ganz ohne Glanz und Glamour.<br />
Viele Millionen leben sogar in bitterer Armut.<br />
Der Gegenentwurf zum „american dream“ war viele<br />
Jahrzehnte der europäische Traum. Dieser besagt<br />
ganz einfach Folgendes: Jeder Mensch hat das<br />
Recht auf ein menschenwürdiges Leben und jede<br />
Arbeit ist wertvoll für die Gesellschaft. Nicht nur<br />
jene, die von Spitzenverdienern geleistet wird. Auf<br />
Basis dieser Überzeugung wurde in den Jahrzehnten<br />
nach dem Krieg in vielen europäischen Staaten eine<br />
Gesellschaft aufgebaut, die zur gerechtesten und<br />
fairsten wurde, die es bis dahin gegeben hatte. Die<br />
gleichberechtigte Beziehung von Arbeitnehmern<br />
und Arbeitgebern in der Sozialpartnerschaft sollte<br />
allen Menschen ein Einkommen zum Auskommen<br />
ermöglichen. Der Wohlfahrtsstaat sollte darüberhinaus<br />
eine gute Gesundheitsversorgung, eine<br />
würdige Alterspension und eine Versicherung im<br />
Falle der Arbeitslosigkeit garantieren. Auch andere<br />
sozialpolitische Maßnahmen, wie die Förderung des<br />
kommunalen und genossenschaftlichen Wohnbaus,<br />
waren den Menschen eine große Hilfe, weil der<br />
zentrale Lebensbereich „Wohnen“ nicht mehr<br />
den Wucherpreisen der Immobilienspekulanten<br />
überlassen wurde.<br />
In den letzten 20 Jahren ist der europäische Traum<br />
jedoch immer mehr unter Druck geraten. Der Anteil<br />
der Löhne am Volkseinkommen geht in Österreich<br />
jedes Jahr zurück. Seit 1980 von über 70 % auf<br />
heute nur knapp über 50 %. Genau um diesen<br />
Betrag erhöht sich der Anteil der Gewinne, Zins-<br />
Pacht- und Mieteinkünfte am Volkseinkommen. Die<br />
Leistungen aus der Sozialversicherung werden aus<br />
den Löhnen bezahlt und nicht aus den Gewinnen.<br />
Deshalb ist es kein Wunder, dass die Krankenund<br />
Pensionskassen rote Zahlen schreiben. Auch<br />
in Österreich ist die Vermögenskonzentration<br />
sehr stark ausgeprägt. Während in den USA die<br />
reichsten zehn Prozent der Bevölkerung 73 % des<br />
Vermögens besitzen, sind es in Österreich immerhin<br />
68 %. Für die restlichen 90 % der Bevölkerung<br />
bleibt in den USA ein Viertel, in Österreich ein Drittel<br />
des Gesamtvermögens.<br />
Auch hier ergibt sich ein Finanzierungsproblem:<br />
Für Arbeitseinkommen müssen relativ hohe Steuern<br />
entrichtet werden, für die Einkommen aus den<br />
Vermögen aber nur minimal kleine. Wenn die Vermögenseinkommen<br />
nun wachsen und die Arbeitseinkommen<br />
sich nicht vom Fleck bewegen, bleibt<br />
immer weniger Geld, um unseren europäischen<br />
Wohlfahrtsstaat zu finanzieren. Dann müssen wir<br />
uns Geld ausborgen und kommen in die unangenehme<br />
Abhängigkeit der Finanzmärkte.<br />
Noch sind in Österreich alle krankenversichert, noch<br />
bekommen alle eine Pension, die zumindest das<br />
Überleben garantiert, noch ist Bildung kein Privileg<br />
der Reichen. Unser Wohlfahrtsstaat ist noch in Takt.<br />
Doch die Finanzmärkte nützen die Krise aus, um<br />
den Kern unserer Errungenschaften anzugreifen<br />
indem sie das von ihnen selbst verursachte<br />
Desaster als Krise des Wohlfahrtsstaates darstellen.<br />
Sie sehen nichts lieber als die Bereiche Gesundheit,<br />
Pensionen und Bildung auch zu einem großen<br />
Geschäft zu machen. Sie sehen es gerne, wenn<br />
Löhne sinken und Aktienkurse steigen. Auf Druck<br />
der Finanzmärkte wurde schon viel von unserem<br />
Europa an amerikanische Verhältnisse angepasst.<br />
Wir merken das an Lohnsteigerungen unter der<br />
Teuerung, Steuerschonung für Reiche und Rückbau<br />
des Wohlfahrtsstaates.<br />
Es liegt an uns Bürgerinnen und Bürgern, den Kern<br />
des Wohlfahrtsstaates und den europäischen Traum<br />
bei uns und anderswo zu verteidigen.<br />
Der Autor:<br />
Mag. Nikolaus Kowall kommt aus <strong>Hainfeld</strong>, hat<br />
Volkswirtschaft in Wien studiert und lebt heute<br />
als wissenschaftlicher Mitarbeiter für ein deutsches<br />
Wirtschaftsforschungsinstitut in Wien. Er<br />
war von 2001 bis 2007 Mitglied der SPÖ <strong>Hainfeld</strong><br />
und ist seit 2007 Vorsitzender der Sektion 8 der<br />
Wiener SPÖ-Bezirksorganisation Alsergrund.<br />
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