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Muslimische Kinder und Jugendliche in Deutschland - Konrad ...

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10 11Migrantenmilieus begründbar s<strong>in</strong>d. Dabei bilden soziale <strong>und</strong> kulturelleAspekte <strong>in</strong> diesen Milieus e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> können entsprechend kaumunterschieden werden. Daher wird die Verbesserung der sozialen Lebensbed<strong>in</strong>gungennur dann gel<strong>in</strong>gen, wenn die milieuspezifischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<strong>in</strong> ihrer Gesamtheit erkannt <strong>und</strong> berücksichtigt werden.Das Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungssystem ist für die Integration der <strong>K<strong>in</strong>der</strong>mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> die zentrale Instanz. Hier werden Chancengeneriert oder blockiert. Und genau hier<strong>in</strong> liegen die Probleme begründet:In <strong>Deutschland</strong> haben sich noch ke<strong>in</strong>e Strukturen etabliert, die mitDiversität <strong>und</strong> Ungleichheit erfolgreich umgehen.These 2: Eltern <strong>und</strong> Schule konkurrieren – es fehlt die Kooperation.Die pädagogischen Institutionen s<strong>in</strong>d gerade deshalb von besondererBedeutung, weil benachteiligte Migrantenfamilien kaum <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d,ihren <strong>K<strong>in</strong>der</strong>n beim schulischen Lernen <strong>und</strong> bei der sozialen Etablierungzu helfen. Im Gegenteil: Sie kennen sich kaum mit dem Schul- <strong>und</strong> Ausbildungssystemaus, verstehen häufig nicht die pädagogischen Ziele <strong>und</strong>überschätzen die Funktion der Schule <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Das führt dazu,dass die Eltern die pädagogische Verantwortung umfassend an die Schulen<strong>und</strong> Lehrkräfte abtreten, was von den Lehrkräften dann häufig alsDes<strong>in</strong>teresse gedeutet wird. Während <strong>in</strong> den traditionell-muslimischenFamilien Autorität <strong>und</strong> Loyalität die dom<strong>in</strong>ierenden Werte darstellen,werden <strong>in</strong> der Schule Selbstständigkeit <strong>und</strong> Selbstdiszipl<strong>in</strong> erwartet.Gleichzeitig werden an den Nachwuchs hohe Erwartungen gestellt: DieEltern erwarten sowohl Erfolge <strong>in</strong> Schule <strong>und</strong> Beruf als auch Loyalitätgegenüber den traditionellen Werten. Dies stellt ihre <strong>K<strong>in</strong>der</strong> vor besondereHerausforderungen. Sie müssen sich <strong>in</strong> sehr unterschiedlichen Erziehungslogiken<strong>und</strong> Wertesystemen zurechtf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> häufig gleichzeitigsprachliche Rückstände ausgleichen.Das deutsche Schulsystem ist kaum <strong>in</strong> der Lage, adäquat auf dieseLebensumstände der <strong>K<strong>in</strong>der</strong> e<strong>in</strong>zugehen. Zu stark s<strong>in</strong>d historisch gewachseneNormalitätsannahmen (deutsche Mittelschichtfamilie). Entsprechendmachen arabisch- <strong>und</strong> türkeistämmige <strong>Jugendliche</strong> seltener alsihre Altersgenossen hochwertige Schulabschlüsse, verlassen das Schulsystemdeutlich häufiger ohne Abschluss <strong>und</strong> haben entsprechend auchgrößere Probleme beim Übergang von der Schule <strong>in</strong> den Ausbildungs<strong>und</strong>Arbeitsmarkt. Der Misserfolg bzw. die ausbleibende gesellschaftlicheEtablierung der eigenen <strong>K<strong>in</strong>der</strong> wird von konservativen Eltern häufig aufden Mangel an Kontrolle, Strenge <strong>und</strong> Autorität <strong>in</strong> der Mehrheitsgesellschaftzurückgeführt, wodurch sie sich gezwungen fühlen, durch e<strong>in</strong>enoch stärkere Verfolgung traditioneller Erziehungsziele <strong>und</strong> -stile entgegenzusteuern,was dann die Widersprüche <strong>und</strong> Spannungsverhältnisseauch für <strong>K<strong>in</strong>der</strong> folgender Generationen konserviert. Gleichzeitig wirdgenau dieses Verhalten der Eltern von den pädagogischen Institutionenangeprangert. Ohne systematische Kommunikation <strong>und</strong> Kooperationzwischen Institutionen <strong>und</strong> Eltern wird dieser „Teufelskreis” nicht durchbrochen.These 3: Anerkennung führt zu Integration. Gute Sprachkenntnisse<strong>und</strong> erfolgreiche Bildungskarrieren s<strong>in</strong>d Ausdruck von erfahrenerAnerkennung – nicht umgekehrt.Überforderungstendenzen, Orientierungslosigkeit <strong>und</strong> Des<strong>in</strong>tegration s<strong>in</strong>d<strong>in</strong> der sozialwissenschaftlichen Literatur gängige Beschreibungen derKonflikte, <strong>in</strong> denen alle <strong>Jugendliche</strong>n heute heranwachsen. Anerkennung<strong>und</strong> B<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d die zentralen Aspekte, die Integration generieren.Entsprechend ist die Jugendphase über alle Herkunftsgrenzen h<strong>in</strong>weggeprägt durch die Suche nach Zugehörigkeit <strong>und</strong> Anerkennung. Wenndie Chance, Anerkennung außerhalb des ethnischen Kollektivs zu erfahren,ungewiss ist bzw. als unwahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>geschätzt wird, werdendie B<strong>in</strong>dungen zur ethnischen Community forciert. Diese Erfolglosigkeit<strong>und</strong> das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, begünstigen Selbstethnisierung-<strong>und</strong> Selbstausschlusstendenzen.Viele <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> aufgewachsene <strong>Jugendliche</strong> def<strong>in</strong>ieren sich selbstals Türken bzw. Araber. Dabei ist ihr Referenzpunkt nicht das tatsächlicheHeimatland ihrer Eltern – darüber wissen sie <strong>in</strong> der Regel relativ wenig –sondern vielmehr e<strong>in</strong>e Vorstellung, e<strong>in</strong> Narrativ desselben. Es wird gewissermaßene<strong>in</strong>e Wunschvorstellung der eigenen Herkunft geformt, waspsychologisch betrachtet durchaus funktional ist. Fühlt man sich nichtzugehörig, gleichberechtigt oder erwünscht, dann werden Vorstellungenentwickelt, die es erleichtern, mit diesem subjektiv wahrgenommenenZustand zu leben. Ähnlich ist auch die häufig beobachtbare Selbstbeschreibungals Muslim zu <strong>in</strong>terpretieren. Die <strong>Jugendliche</strong>n suchen <strong>in</strong>dieser Kategorie e<strong>in</strong> Def<strong>in</strong>itionskriterium, das Orientierung bietet – allerd<strong>in</strong>gsauch hier häufig, ohne sich mit der Religion h<strong>in</strong>reichend ause<strong>in</strong>anderzusetzen.In den prekären Verhältnissen, <strong>in</strong> denen sich viele muslimische<strong>Jugendliche</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> bef<strong>in</strong>den, ist e<strong>in</strong>e solch „e<strong>in</strong>fache”

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